Entscheidungsstichwort (Thema)
Inkongruente Deckung. Zahlung über Konto der Ehefrau. Insolvenzanfechtung. mittelbare Zuwendung. Zahlung über das Konto eines Dritten. Verschieben von Geldmitteln. Gläubigerbenachteiligung. Verjährung. Hemmung durch Mahnbescheid
Leitsatz (amtlich)
Erfolgt die Entgeltzahlung nicht über das Konto des späteren Insolvenzschuldners, über das üblicherweise die Gehaltszahlungen erfolgen, sondern über das Konto einer dritten Person, der die dafür erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt worden sind, liegt in der Regel eine inkongruente Deckung vor. Eine derartige Befriedigung erfolgt nicht „in der Art”, in der sie geschuldet ist.
Orientierungssatz
1. In der Regel begründet allein die Mittelbarkeit der Zahlung durch eine dritte Person eine inkongruente Deckung.
2. Erfolgt die Zahlung des Entgelts nicht über das Konto des Arbeitgebers, über das üblicherweise die Gehaltszahlungen erfolgen, sondern über das Privatkonto der Ehefrau des Schuldners, das zuvor mit Geldmitteln des Schuldners aufgefüllt worden ist, werden diese Mittel dem Zugriff der Gläubigergesamtheit entzogen. Eine derartige Vorgehensweise ist per se verdächtig und unterfällt damit § 131 InsO, der die Anfechtung solcher verdächtiger Zahlungen erleichtern soll.
3. Eine mittelbare Zahlung ist nicht nur dann inkongruent, wenn eine durch den Schuldner selbst vorgenommene Zahlung anfechtbar wäre.
4. Die Inkongruenz der Deckung erfordert nicht, dass sie unter äußeren Umständen erfolgt ist, die für den Anfechtungsgegner die Verdächtigkeit der Leistung erkennen ließ.
5. Eine Gläubigerbenachteiligung iSv. § 129 InsO liegt auch dann vor, wenn das vom Geschäftskonto abgeflossene Geld aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung geschöpft worden ist, weil dadurch die Schuldenmasse gemehrt und zugleich die künftige Insolvenzmasse und -quote gemindert wird.
6. Ein Mahnbescheid ist dann „demnächst” zugestellt und entfaltet verjährungshemmende Wirkung gemäß § 146 InsO iVm. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, wenn kein nachlässiges Verhalten der Partei vorliegt, das zu einer Verzögerung der Zustellung des Mahnbescheids von mehr als einem Monat führt.
7. Der zunächst mit einem Mahnbescheid verfolgte Insolvenzanfechtungsanspruch ist hinreichend individualisiert und hemmt deshalb die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB iVm. § 146 InsO, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids einen Sachverhalt erkennen lässt, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllen kann. Zur Individualisierung ist nicht zwingend erforderlich, dass dem Antrag ergänzende, den Anspruch konkretisierende Anlagen beigefügt werden.
Normenkette
InsO §§ 129, 131 Abs. 1, 1 Nr. 2, §§ 143, 146; BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 3; ZPO §§ 167, 690 Abs. 1 Nr. 3, § 691 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. Juli 2013 – 10 Sa 1106/12 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung des dem Beklagten im Wege einer mittelbaren Zuwendung über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlten Nettoentgelts für März 2008 im Wege der Insolvenzanfechtung.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das auf Eigenantrag des Schuldners vom 13. Mai 2008 am 27. Juni 2008 eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, das am 20. Januar 2011 in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Der Beklagte war Arbeitnehmer des Schuldners, der im Frühjahr 2008 noch ca. 20 weitere Arbeitnehmer beschäftigte.
Am 20. Februar 2008 trat der Schuldner zahlreiche Forderungen erfüllungshalber an seine Ehefrau ab, die der Kläger erfolgreich angefochten hat. Am 3. März 2008 leitete der frühere Geschäftspartner des Schuldners die Zwangsvollstreckung aus einem am 8. Februar 2008 geschlossenen Schuldanerkenntnis über 820.000,00 Euro, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hatte, ein. Zuvor hatte er mit Schreiben vom 28. Februar 2008 ein vorläufiges Zahlungsverbot gegenüber einem Drittschuldner erwirkt.
Am 26. März 2008 wurde vom Geschäftskonto des Schuldners, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit mehr als 150.000,00 Euro im Soll befand, ein Betrag von 100.000,00 Euro mit dem Verwendungszweck „Löhne” auf ein privates Girokonto seiner Ehefrau überwiesen. Der Schuldner war nie Inhaber dieses Kontos und hatte seit Eröffnung im Jahr 1995 zu keiner Zeit Vollmacht über dieses Konto. Am 28. März 2008 überwies die Ehefrau des Schuldners ua. das Nettoentgelt des Beklagten für März 2008 von 1.776,30 Euro. Als Verwendungszweck war „W ARCHITEKTEN” angegeben. Dem Beklagten wurde das Nettoentgelt am Ende des Monats März 2008 mit der Angabe „W Architekten” gutgeschrieben.
Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 die Anfechtung der Zahlung des Entgelts für März 2008. Dieses Schreiben ging dem Beklagten nicht zu, weil er unter der angegebenen Adresse nicht mehr gemeldet war. Am 30. Dezember 2011 beantragte der Kläger bei dem Arbeitsgericht Hannover den Erlass eines Mahnbescheids. Den Anspruch bezeichnete er wie folgt:
„Anspruch auf Rückgewähr auf Grund Insolvenzanfechtung des über das Konto der H M gezahlten Arbeitsentgeltes für den Monat März 2008 i. H. v. 1.776,30 EUR netto”.
Der noch mit der unzutreffenden Anschrift des Beklagten am 3. Januar 2012 erlassene Mahnbescheid konnte ebenfalls nicht zugestellt werden. Mit Schreiben vom 5. Januar 2012 übermittelte der Kläger dem Arbeitsgericht die ihm zwischenzeitlich durch eine Auskunft des Einwohnermeldeamts bekannt gewordene neue Anschrift des Beklagten, die im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Oldenburg liegt. Das Arbeitsgericht äußerte daraufhin mit Schreiben vom 10. Januar 2012 unter Einräumung einer Frist von einem Monat zur Stellungnahme Bedenken zur örtlichen Zuständigkeit. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 19. Januar 2012 diese Bedenken unter Hinweis auf § 48 Abs. 1a ArbGG ausgeräumt hatte, stellte das Arbeitsgericht den Mahnbescheid am 27. Januar 2012 zu. Der Beklagte erhob vor Erlass eines Vollstreckungsbescheids Widerspruch.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Entgeltzahlung habe eine inkongruente Deckung bewirkt, weil die Zahlung über das Konto der Ehefrau des Schuldners erfolgt sei. Die Gläubigerbenachteiligung folge daraus, dass die Aktivmasse verkürzt worden sei. Er hat behauptet, der Schuldner sei im Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig gewesen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Die Zustellung sei noch „demnächst” erfolgt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.776,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2008 zu zahlen.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, die Zahlung habe keine inkongruente Deckung bewirkt, und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners in Abrede gestellt. Der Anspruch scheitere auch daran, dass er verjährt sei. Vor Ablauf des Jahres 2011 sei keine wirksame Insolvenzanfechtung erklärt worden. Es fehle am Zugang einer entsprechenden Willenserklärung. Die fehlende Anfechtung könne durch die Zustellung des Mahnbescheids nicht nachgeholt werden. Darauf, ob der Mahnbescheid „demnächst” zugestellt worden sei, komme es deshalb nicht an. Auch daran fehle es jedoch. Schließlich sei der Anspruch verwirkt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat den Anspruch als verjährt angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat kongruente Deckung angenommen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob der Anfechtungstatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfüllt ist. Dazu bedarf es noch der Feststellung des Landesarbeitsgerichts, ob der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung zahlungsunfähig war. Der Rechtsstreit war daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zutreffend, wenn auch ohne jede Begründung, davon ausgegangen, dass eine Rechtshandlung des Schuldners und nicht eine solche seiner nicht insolventen Ehefrau angefochten, damit der Anwendungsbereich der §§ 129 ff. InsO eröffnet und Anfechtungsgegner der Beklagte ist. Zwar war die Überweisung des Nettoentgelts für März 2008 selbst eine Rechtshandlung der Ehefrau des Schuldners, weil diese Kontoinhaberin war (vgl. BGH 24. Oktober 2013 – IX ZR 104/13 – Rn. 8). Gegenstand der vorliegenden Anfechtung ist jedoch nicht die Überweisung, sondern die durch den Schuldner als Arbeitgeber mittelbar über das Konto seiner Ehefrau bewirkte Erfüllung des Entgeltanspruchs für März 2008. Dabei handelte es sich um eine Rechtshandlung des Schuldners. Mittelbare Zuwendungen sind im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar vom Schuldner erworben (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 13, BAGE 146, 323). Das gilt vorliegend umso mehr, als der Schuldner zuvor das Privatkonto seiner Ehefrau mit Geldmitteln des Betriebs aufgefüllt und damit erst werthaltig gemacht hatte (vgl. BGH 19. September 2013 – IX ZR 4/13 – Rn. 10).
II. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe das Entgelt für März 2008 auf dem erfolgten Zahlungsweg beanspruchen können, weil nur eine geringfügige, die Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigende Abweichung vorliege, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung dagegen nicht stand. Sie trägt dem Grundgedanken des § 131 InsO nicht hinreichend Rechnung. Die Befriedigung erfolgte nicht in der geschuldeten Art und war damit inkongruent.
1. Inkongruenz liegt vor, wenn die konkrete Deckungshandlung vom Inhalt des Schuldverhältnisses abweicht, das zwischen Insolvenzgläubiger und Schuldner besteht, sofern die Abweichung von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung mehr als geringfügig ist und nicht mehr der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen entspricht. Ob das der Fall ist, ist durch den Abgleich von rechtlich geschuldetem und tatsächlichem Vorgehen des Schuldners zu ermitteln (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 11, BAGE 146, 323).
2. In der Regel begründet allein die Mittelbarkeit der Zahlung durch eine dritte Person eine inkongruente Deckung. Hat der Gläubiger keinen Anspruch darauf, dass seine Forderung in der gewählten Art durch einen Dritten erfüllt wird, liegt darin regelmäßig eine nicht unerhebliche Abweichung vom vereinbarten Erfüllungsweg. Voraussetzung ist allerdings, dass für den Empfänger (Gläubiger) erkennbar gewesen ist, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 13, BAGE 146, 323). Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Dritte die Erfüllung aus eigenen Mitteln bewirkt. Es reicht aus, das der Schuldner Teile seines Vermögens über einen Dritten an den Gläubiger fließen lässt. Nicht erforderlich ist auch, dass der Schuldner zuvor einen Anspruch auf das über den Dritten an den Gläubiger Zugewendete hatte (vgl. BGH 16. November 2007 – IX ZR 194/04 – Rn. 25, BGHZ 174, 228; RG 2. Oktober 1931 – VII 564/30 – RGZ 133, 290, 291 f.).
3. Nach diesen Grundsätzen ist auch eine Zahlung, die durch eine dritte Person erfolgt, der die dafür erforderlichen Mittel zuvor vom Schuldner zur Verfügung gestellt worden sind, grundsätzlich inkongruent (BGH 24. Oktober 2013 – IX ZR 104/13 – Rn. 11 unter Bezug auf 14. Oktober 2010 – IX ZR 16/10 – Rn. 8; RG 2. Oktober 1931 – VII 564/30 – RGZ 133, 290, 291 f.). Besonderheiten, die eine andere rechtliche Einordnung rechtfertigen würden, sind weder festgestellt noch ersichtlich. Der Beklagte hatte keinen Anspruch auf die Zahlung seines Entgelts auf dem Umweg über das Privatkonto der Ehefrau des Schuldners. Darin liegt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts die für die Annahme der Inkongruenz erforderliche erhebliche Abweichung vom vereinbarten Erfüllungsweg.
a) Arbeitgeber des Beklagten war der Schuldner. Dieser hatte das Entgelt für März 2008 auf dem vertraglich vereinbarten Weg zu zahlen. Das ist nicht geschehen. Stattdessen gelangte das geschuldete Entgelt auf dem Umweg über ein privates Girokonto der Ehefrau des Schuldners an den Beklagten. Auf eine derartige Erfüllung über das Konto einer Dritten, der die dazu erforderlichen Mittel zuvor zu diesem Zweck vom Schuldner zur Verfügung gestellt worden waren, hatte der Beklagte keinen Anspruch.
aa) Unerheblich ist entgegen der Ansicht des Beklagten, ob die Ehefrau des Schuldners im Zeitpunkt der Zahlung des Entgelts für März 2008 aufgrund der Erkrankung des Schuldners „faktisch” die Position des Arbeitgebers übernommen hatte bzw. ihr der Schuldner die kommissarische Vertretung in allen Bürobereichen übertragen hatte. Das wäre anfechtungsrechtlich nur dann von Bedeutung, wenn sie als Vertreterin oder Erfüllungsgehilfin die Zahlung über das Geschäftskonto, dh. im hier interessierenden Zusammenhang das Konto des Schuldners, über das üblicherweise die Gehaltszahlungen erfolgten, vorgenommen hätte. Selbst wenn sie praktisch die Geschäftsführung übernommen hatte, blieb ihr privates Girokonto das Konto einer außerhalb der Arbeitsvertragsbeziehung stehenden dritten Person, auf das der Schuldner selbst und damit seine Gläubiger nach der Bescheinigung der Kreissparkasse O vom 24. Juli 2012 nach wie vor keinen Zugriff hatten.
bb) Die Arbeitsvertragsparteien hatten bis zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung auch keine – erst recht keine anfechtungsfeste – Vereinbarung getroffen, die eine Erfüllung der Entgeltansprüche auf dem Umweg über das Privatkonto der Ehefrau des Schuldners vorgesehen hätte (zur Möglichkeit, anfechtungsfeste Änderungsvereinbarungen zu schließen s. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 14 ff., BAGE 146, 323; BGH 17. Juli 2014 – IX ZR 240/13 – Rn. 18 ff.). Unstreitig wurde das Entgelt Ende März 2008 erstmals in dieser Weise gezahlt.
b) Die Zahlung über das Privatkonto der Ehefrau des Schuldners stellte eine nicht geringfügige Abweichung gegenüber dem üblichen und vertraglich vereinbarten Zahlungsweg dar. Die Inkongruenz folgt daraus, dass ein vom Vertragsinhalt abweichender Zahlungsweg, der den Zugriff anderer Gläubiger zumindest erschwerte, gewählt wurde.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Abweichung vom Leistungsplan falle „nicht ins Gewicht” und beeinträchtige die Gläubigerinteressen nicht, weil der auf dem Konto der Ehefrau des Schuldners eingegangene Betrag unverzüglich und bestimmungsgemäß an die Arbeitnehmer weitergeleitet worden sei. Es hat mit dieser Argumentation einseitig die Interessen der Arbeitnehmer in den Blick genommen und die der Gläubigergesamtheit außer Acht gelassen.
(1) Der Schuldner sah sich Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt, die allein durch ihre Größenordnung von über 800.000,00 Euro die Existenz seines Betriebs mit rund 20 Arbeitnehmern gefährdeten. Offensichtlich zur Vereitelung der bevorstehenden Zwangsvollstreckung hatte er vor der angefochtenen Zahlung Forderungen an seine Ehefrau abgetreten. Mit der streitbefangenen Vorgehensweise erfüllte er seine Zahlungspflichten gegenüber seinen Arbeitnehmern für März 2008 nicht über das bisher übliche Geschäftskonto, sondern über das Privatkonto seiner Ehefrau, das zuvor von ihm mit Geldmitteln des Betriebs aufgefüllt worden war und auf das seine Gläubiger keinen Zugriff hatten.
(2) Das Landesarbeitsgericht begründet nicht, warum die Abweichung vom normalen Zahlungsweg die Interessen der Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigte. Tatsächlich war eine solche Vorgehensweise, die (noch) liquide Geldmittel dem Zugriff der Gläubigergesamtheit entzog und sie gezielt den Arbeitnehmern und damit einer bestimmten Gläubigergruppe zukommen ließ, per se verdächtig und unterfällt damit § 131 InsO, der die Anfechtung solcher verdächtiger Zahlungen gerade erleichtern soll (vgl. zu diesem Zweck BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 11, BAGE 146, 323). Ein solventer Schuldner hätte diesen Umweg bei der Zahlung des Entgelts für März 2008 nicht gewählt.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine mittelbare Zahlung nicht nur dann inkongruent, wenn eine durch den Schuldner selbst vorgenommene Zahlung anfechtbar wäre. Darum ist unerheblich, dass keine Anfechtung nach § 131 InsO möglich gewesen wäre, wenn das Entgelt für März 2008 vom Schuldner über das Geschäftskonto zum Fälligkeitszeitpunkt gezahlt worden wäre, weil dann nach insoweit übereinstimmendem Verständnis des § 142 InsO durch Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht das Bargeschäftsprivileg gegriffen hätte (vgl. BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 48 ff., Rn. 54 ff.; BGH 10. Juli 2014 – IX ZR 192/13 – Rn. 31 ff.). Unerheblich ist auch, anders als der Beklagte annimmt, dass die Masse bei einer derartigen, anfechtungsrechtlich unverdächtigen Zahlung in gleicher Weise geschmälert worden wäre. Inkongruenz wird gerade dadurch begründet, dass der Schuldner vom Inhalt des Schuldverhältnisses abweicht, also nicht das Geschuldete tut. Auch aus den vom Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2007 (– IX ZR 235/03 – Rn. 17) und 9. Juni 2005 (– IX ZR 152/03 – zu II 3 b der Gründe) ergibt sich nichts anderes. Die dortigen Ausführungen beziehen sich nicht auf die Frage der Inkongruenz, sondern auf den ursächlichen Zusammenhang von Rechtshandlung und objektiver Gläubigerbenachteiligung.
cc) Die Abweichung vom normalen Zahlungsweg entsprach vorliegend auch nicht der Verkehrssitte oder Handelsbräuchen (vgl. dazu BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 11 mwN, BAGE 146, 323). Es ist nicht ersichtlich, dass es in Familienbetrieben, in denen die Ehefrau mitarbeitet und eine arbeitgeberähnliche Position einnimmt, wie dies für die Ehefrau des Schuldners durch den Beklagten behauptet wird, üblich ist, dass der Lohn auch über das Privatkonto der Ehefrau fließt. Die diesbezügliche Behauptung des Beklagten ist ohne Substanz und eine bloße Mutmaßung. Zudem berücksichtigt dieser bei seiner Argumentation, es liege kein Zahlungsumweg vor, sondern eine „Überbrückungslösung”, durch die eine kurzfristige Darlehensaufnahme des Schuldners habe vermieden werden sollen, nicht, dass das Konto der Ehefrau zuvor mit Mitteln des Betriebs aufgefüllt worden war. Eine Darlehensaufnahme war demnach nicht erforderlich. Vielmehr waren noch liquide Mittel vorhanden, die jedoch durch den gewählten Erfüllungsweg dem Zugriff der Gläubigergesamtheit entzogen werden sollten.
c) Die erlangte Deckung ist, anders als der Beklagte annimmt, auch nicht deshalb als kongruent einzustufen, weil die Zahlung aus Sicht des Beklagten „unverdächtig” erschien und er insbesondere nicht erkennen konnte, dass sie auf dem Umweg über ein anderes als das Geschäftskonto erfolgte. Eine inkongruente Deckung erfordert nicht, dass sie unter äußeren Umständen erfolgt ist, die für den Anfechtungsgegner die Verdächtigkeit der Leistung erkennen ließ.
aa) Für die Beurteilung, ob eine Deckung kongruent oder inkongruent ist, kommt es nur darauf an, ob die konkrete Deckungshandlung objektiv vom Inhalt des Schuldverhältnisses abweicht (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 15, BAGE 146, 323). Ist das der Fall, kann Inkongruenz sogar dann vorliegen, wenn beide Beteiligten, Schuldner und Gläubiger, irrtümlich annehmen, die Leistung entspreche ihren Vereinbarungen (MünchKommInsO/Kayser 3. Aufl. § 131 Rn. 9). Objektiv war der vorliegend gewählte Zahlungsweg, wie ausgeführt, verdächtig, weil er Geldmittel des Schuldners auf das Privatkonto seiner Ehefrau verschob und so den Zugriff der Gläubigergesamtheit auf den abgeflossenen Betrag unmöglich machte.
bb) Unerheblich ist, ob dem Beklagten diese Abweichung vom üblichen Zahlungsweg „verdächtig” vorkam. § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO enthalten ein derartiges ungeschriebenes subjektives Tatbestandsmerkmal nicht. § 131 InsO beruht auf der Erfahrung, dass eine Leistung, die so nicht beansprucht werden kann, in der Regel höheres Misstrauen verdient und daher weniger Schutz genießen soll als eine kongruente Deckung. Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Gesetzgeber die Verschärfung der Anfechtbarkeit inkongruenter Deckungen in den Anfechtungstatbeständen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO damit begründet hat, dass der inkongruente Erwerb besonders verdächtig sei (BT-Drs. 12/2443 S. 158 f.; vgl. auch BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 11, BAGE 146, 323). Er hat insoweit jedoch allein auf die objektive Verdächtigkeit der einem solchen Erwerb zugrunde liegenden Handlung des Schuldners abgestellt, deshalb auf subjektive Anfechtungsvoraussetzungen in diesen Anfechtungstatbeständen ausdrücklich verzichtet und Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der Krise und der Zahlungsunfähigkeit unwiderleglich vermutet. Im Ergebnis hat er mit § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO den der Insolvenzordnung zugrunde liegenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in die kritische Phase der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag vorverlagert (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 24 f.).
cc) Nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist unerheblich, ob der Beklagte eine etwaige Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bei Erhalt der Zahlung erkannt hatte oder auch nur erkennen konnte (BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 9).
dd) Die Voraussetzung, dass der Beklagte erkennen konnte, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte (vgl. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 13, BAGE 146, 323), ist erfüllt. Die Zahlung erfolgte mit dem Zusatz „W Architekten”.
III. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
1. Der Beklagte erlangte die inkongruente Deckung Ende März 2008 und damit im zweiten Monat vor dem am 13. Mai 2008 beim Insolvenzgericht eingegangenen Eigenantrag. Das spätere Nachlassinsolvenzverfahren hatte auf die Frist des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO keinen Einfluss. Der Tod des Schuldners nach Verfahrenseröffnung bewirkte die unmittelbare Überleitung des Insolvenzverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren. Das Verfahren nahm ohne Unterbrechung seinen Fortgang (vgl. BGH 26. September 2013 – IX ZR 3/13 – Rn. 12).
2. Die für alle Anfechtungstatbestände erforderliche Gläubigerbenachteiligung iSd. § 129 InsO ist gegeben.
a) Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn eine Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat und sich deswegen die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 30, BAGE 146, 323).
b) Die Zahlung des Nettoentgelts für März 2008 auf dem Umweg über das Konto der Ehefrau des Schuldners benachteiligte nach diesen Grundsätzen die übrigen Insolvenzgläubiger.
aa) Der Schuldner verschaffte dem Beklagten ebenso wie seinen anderen Arbeitnehmern durch die angefochtene mittelbare Zuwendung volle Deckung ihres Entgeltanspruchs für März 2008 zu Lasten seiner anderen Gläubiger. Zwar befand sich das Konto des Schuldners im Zeitpunkt der Überweisung des zur Tilgung der Gehälter für März 2008 bestimmten Betrags auf das Konto seiner Ehefrau bereits mit mehr als 150.000,00 Euro im Soll. Das steht der Gläubigerbenachteiligung jedoch nicht entgegen. Allerdings hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Schuldner die auf das Konto seiner Ehefrau abgeflossenen Mittel aus einer lediglich geduldeten Kontoüberziehung oder einer ihm zumindest konkludent eingeräumten Kreditlinie geschöpft hat. Auch im erstgenannten Fall läge jedoch eine Gläubigerbenachteiligung vor, die nicht zwingend voraussetzt, dass der Schuldner pfändbare Vermögensgegenstände dem Gläubigerzugriff entzieht (vgl. BGH 1. Juli 2010 – IX ZR 70/08 – Rn. 12; 6. Oktober 2009 – IX ZR 191/05 – Rn. 13, BGHZ 182, 317). Die angefochtene Rechtshandlung des Schuldners mehrte die Schuldenmasse und minderte dadurch zugleich die künftige Insolvenzmasse und -quote. Diese Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeit der übrigen Insolvenzgläubiger durch den Mittelabfluss über das Konto der Ehefrau des Schuldners begründet die objektive Gläubigerbenachteiligung.
bb) Der objektiven Gläubigerbenachteiligung steht nicht entgegen, dass auch eine unmittelbare Zahlung durch den Schuldner selbst die Insolvenzmasse in gleicher Weise verkürzt hätte und es sich hierbei um eine als Bargeschäft nicht nach § 131 InsO anfechtbare Rechtshandlung gehandelt hätte. Hypothetische Kausalverläufe haben grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (BAG 12. September 2013 – 6 AZR 980/11 – Rn. 48; zur Herleitung dieses Grundsatzes vgl. BGH 7. Juni 1988 – IX ZR 144/87 – zu II 3 der Gründe, BGHZ 104, 355).
cc) Der Umstand, dass der Masse zuvor die von den Arbeitnehmern erbrachte Arbeitsleistung zugeflossen war, genügt nicht, um die Gläubigerbenachteiligung auszuschließen. Diese bot den Gläubigern nicht dieselbe Zugriffsmöglichkeit, wie sie die abgeflossenen Mittel geboten hätten (vgl. BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 59).
dd) Durch die Vorgehensweise des Schuldners kam es auch nicht lediglich zu einem Gläubigerwechsel (Angewiesener für befriedigten Gläubiger) wie im Fall der sog. Anweisung auf Kredit. Bei einer solchen Anweisung scheidet eine Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich aus, weil die Belastung der Masse mit dem Zugriffsanspruch des Angewiesenen durch die Befreiung von der Schuld des Zahlungsempfängers ausgeglichen wird (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 159/12 – Rn. 31, BAGE 146, 323). Mit dieser Konstellation ist der vorliegende Fall einer mittelbaren Zuwendung nicht zu vergleichen. Die Ehefrau des Schuldners wurde nicht dessen Gläubigerin. Sie setzte kein eigenes, sondern Vermögen des Schuldners zur Tilgung der Entgeltforderung ein.
3. Der Anfechtbarkeit der Leistung stehen auch nicht die Erwägungen des Senats zum Erhalt eines Existenzminimums entgegen. Eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO zum Schutz des Existenzminimums scheidet in den Fällen der hier vorliegenden inkongruenten Deckung aus (vgl. BAG 3. Juli 2014 – 6 AZR 451/12 – Rn. 26 mwN; 27. März 2014 – 6 AZR 989/12 – Rn. 43). Anlass, auf die gegen diese Erwägungen durch den Bundesgerichtshof erhobene Kritik (BGH 10. Juli 2014 – IX ZR 192/13 – Rn. 28 ff.) einzugehen, besteht deshalb nicht.
4. Die Einrede der Verjährung (§ 146 Abs. 1 InsO iVm. § 214 Abs. 1, §§ 194 ff. BGB) hat keinen Erfolg.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Arbeitsgerichts ist der Anfechtungsanspruch nicht schon deshalb verjährt, weil dem Beklagten vor Ablauf des Jahres 2011 keine Anfechtungserklärung zugegangen ist.
aa) Diese Argumentation missversteht das Wesen der Anfechtung. Sie beruht auf der Annahme, dabei handele es sich – wie bei der Anfechtung nach §§ 119 ff. BGB – um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die entsprechend § 143 Abs. 1 BGB erst mit ihrem Zugang Wirksamkeit erlange. Die Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO muss jedoch nicht – erst recht nicht ausdrücklich – erklärt werden, um wirksam ausgeübt zu werden. Sie ist kein Gestaltungsrecht, sondern lediglich das Geltendmachen der Rechtsfolgen, die sich aus der von selbst bestehenden Anfechtbarkeit gemäß § 143 InsO ergeben. Für die Ausübung des Anfechtungsrechts reicht es darum aus, dass die Anfechtungsabsicht erkennbar ist (BAG 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 8; BGH 21. Februar 2008 – IX ZR 209/06 – Rn. 11).
bb) Von der Ausübung des Anfechtungsrechts ist die Frage zu unterscheiden, ob die Verjährung des Anfechtungsanspruchs (§ 146 InsO) gehemmt ist. Dies beurteilt sich allein nach den §§ 203 ff. BGB. Sind die Voraussetzungen eines der dort genannten Tatbestände erfüllt, ist die Verjährung bezüglich aller davon erfassten Rechtshandlungen des Schuldners, die der Insolvenzverwalter hinreichend erkennbar anfechten will, gehemmt (vgl. BGH st. Rspr. seit 20. März 1997 – IX ZR 71/96 – zu III 3 der Gründe, BGHZ 135, 140; vgl. auch 21. Februar 2008 – IX ZR 209/06 – Rn. 12). Wird im Prozess ein Sachverhalt vorgetragen und festgestellt, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt, und erfolgte die Klageerhebung nach Maßgabe der §§ 203 ff. BGB verjährungshemmend bzw. wurde rechtzeitig ein verjährungshemmender, hinreichend individualisierter Mahnbescheid zugestellt, ist der Rückgewähranspruch nach § 143 InsO demnach auch dann begründet und durchsetzbar, wenn der Anfechtungsgegner erst nach Ablauf der Verjährungsfrist von der Anfechtungsabsicht des Insolvenzverwalters Kenntnis erlangt. Nach dieser Rechtslage kommt es auf die weiteren Ausführungen des Beklagten dazu, ob im Mahnbescheid eine „Anfechtungsabsicht” zum Ausdruck kam, nicht an.
b) Die gemäß § 146 Abs. 1 InsO, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB am 31. Dezember 2011 eintretende Verjährung wurde durch den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt.
aa) Der durch die unrichtige Adressierung des Mahnantrags erforderliche Schriftwechsel zwischen Mahngericht und dem Kläger führte nicht zu einer rechtserheblichen Verzögerung der Zustellung. Zwar wurde der Mahnbescheid dem Beklagten nicht mehr vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt. Die Zustellung erfolgte jedoch „demnächst” iSd. § 167 ZPO. Dafür besteht keine absolut bestimmte zeitliche Obergrenze. Die Zustellung erfolgt von Amts wegen. Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs können nicht von der die Zustellung veranlassenden Partei beeinflusst werden. Darum muss sich die klagende Partei Verzögerungen der Zustellung, die durch die Sachbearbeitung des Gerichts (vgl. BAG 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 – Rn. 29; 23. August 2012 – 8 AZR 394/11 – Rn. 31, BAGE 143, 50) sowie durch Zweifel des Mahngerichts an seiner Zuständigkeit (vgl. BGH 28. September 2004 – IX ZR 155/03 – zu II 2 b der Gründe, BGHZ 160, 259) verursacht sind, grundsätzlich nicht zurechnen lassen. Vor dem Hintergrund des § 691 Abs. 2 ZPO ist im Regelfall davon auszugehen, dass eine Zustellung erst dann nicht mehr „demnächst” erfolgt, wenn ein nachlässiges Verhalten der Partei zu einer Verzögerung der Zustellung des Mahnbescheids von mehr als einem Monat führt (vgl. BGH 27. April 2006 – I ZR 237/03 – Rn. 17; 21. März 2002 – VII ZR 230/01 – zu II 2 b der Gründe, BGHZ 150, 221). Anderenfalls stünde der Antragsteller, der Antragsmängel behebt, schlechter als derjenige, der stattdessen zum Klageverfahren übergeht (BGH 24. Mai 2005 – IX ZR 135/04 – Rn. 3). Die Zustellung am 27. Januar 2012 erfolgte deshalb noch „demnächst”.
bb) Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids war auch hinreichend individualisiert.
(1) Die Zustellung eines Mahnbescheids hemmt die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur dann, wenn dieser im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert worden ist. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab. Zur Individualisierung ist nicht zwingend erforderlich, dass dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids ergänzende, den Anspruch konkretisierende Anlagen beigefügt werden (BGH 17. November 2010 – VIII ZR 211/09 – Rn. 9, 11).
(2) Nach diesen Grundsätzen ist ein zunächst mit einem Mahnbescheid verfolgter Anfechtungsanspruch hinreichend individualisiert, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids einen Sachverhalt erkennen lässt, der die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllen kann (vgl. BAG 19. November 2003 – 10 AZR 110/03 – zu B II 2 b der Gründe, BAGE 108, 367). Eine Substantiierung dieses Anfechtungstatbestands oder gar seine Begründung ist dafür nicht erforderlich. Eine knappe Kennzeichnung des geltend gemachten Anspruchs, die erkennen lässt, auf welchen Lebenssachverhalt sich der Insolvenzverwalter stützt, reicht aus. Umfangreiche Erläuterungen wären mit der auf eine schnelle Erledigung ausgerichteten Zielsetzung des Mahnverfahrens, das nach dem in § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB kodifizierten Willen des Gesetzgebers verjährungshemmende Wirkung haben kann und soll, nicht vereinbar (vgl. BGH 17. November 2010 – VIII ZR 211/09 – Rn. 12).
(3) Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Antrag. Unter Heranziehung der darin enthaltenen drei Angaben „Rückgewähr des Arbeitsentgelts für März 2008 von 1.776,30 Euro netto”, „Zahlung über das Konto der H M” und „auf Grund Insolvenzanfechtung” ließ der Mahnbescheid für den Beklagten erkennen, auf welchen Lebenssachverhalt der Kläger seine Forderung gründete, und ermöglichte ihm die Entscheidung, ob er sich gegen den umschriebenen Anspruch zur Wehr setzen wollte. Dem Beklagten war bekannt, dass das Arbeitsverhältnis nicht zwischen ihm und der im Mahnbescheid genannten Frau M, sondern mit dem Schuldner bestand. Damit war für ihn erkennbar, dass die geltend gemachte Rückforderung des Nettoentgelts für März 2008 darauf gestützt wurde, dass das Gehalt für diesen Monat nicht durch den Arbeitgeber, sondern durch eine dritte Person gezahlt worden war. Mehr war für eine zur verjährungshemmenden Wirkung ausreichende Individualisierung eines Mahnbescheids nicht zu verlangen.
5. Der Anspruch ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht verwirkt.
a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Sie hat jedoch nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen vielmehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Weiterhin muss – als Zumutbarkeitsmoment – das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an einer sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem in Anspruch Genommenen die Erfüllung des Anspruchs oder die Einlassung auf die Klage nicht mehr zuzumuten ist (BAG 25. September 2013 – 5 AZR 936/12 – Rn. 15).
b) Das Landesarbeitsgericht, dem als Tatsachengericht grundsätzlich die Beurteilung der Frage obliegt, ob der Anfechtungsanspruch verwirkt ist, hat insbesondere zum Vorliegen des Umstands- und Zumutbarkeitsmoments keine Feststellungen getroffen. Das greift die Revision nicht an.
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen zu der für § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO erforderlichen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners iSv. § 17 Abs. 2 InsO im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung getroffen. Dies wird es unter Beachtung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG 6. Oktober 2011 – 6 AZR 262/10 – Rn. 23 ff., BAGE 139, 235; BGH 7. November 2013 – IX ZR 49/13 – Rn. 11; 18. Juli 2013 – IX ZR 143/12 – Rn. 7 ff.) nachzuholen haben und dabei auch darüber befinden müssen, ob es das vom Kläger eingereichte Schiedsgutachten vom 3. August 2010 verwertet. Sollte es die Zahlungsunfähigkeit bejahen, wird es bei seiner Entscheidung über die Zinsen zu beachten haben, dass der Einwand des missbräuchlichen Verhaltens dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegensteht. Das bloße Ausschöpfen der Verjährungsfrist begründet keinen Rechtsmissbrauch (vgl. BAG 27. November 2008 – 6 AZR 632/08 – Rn. 29, BAGE 128, 317). Es wird weiter berücksichtigen müssen, dass der Rückgewähranspruch ab Insolvenzeröffnung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist. Nach der geltenden Rechtslage entsteht das Anfechtungsrecht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird zugleich der Rückgewähranspruch fällig, weil, wie ausgeführt, die Insolvenzanfechtung keiner gesonderten Erklärung bedarf (vgl. BGH 1. Februar 2007 – IX ZR 96/04 – Rn. 20, BGHZ 171, 38). Der Zinslauf des Zinsanspruchs (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) beginnt darum am Tag nach der Insolvenzeröffnung (st. Rspr. seit BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 39 f.).
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Sieberts, Steinbrück
Fundstellen
Haufe-Index 7560193 |
BAGE 2015, 22 |