Entscheidungsstichwort (Thema)
Funktionszulage im Schreibdienst
Normenkette
TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 27. Oktober 1999 – 4 Sa 858/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Funktionszulage im Schreibdienst.
Die Klägerin ist beim Beklagten seit 1. Oktober 1989 beschäftigt. Diesem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 2. Oktober 1989 zugrunde, der ua. folgende Vereinbarungen enthält:
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Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Für die Eingruppierung gelten die Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Absenkung der Eingangsbezahlung im Bereich des BAT in der jeweils geltenden Fassung.”
Die Klägerin wurde im Polizeidienst beschäftigt. Am 18. November 1993 schlossen die Parteien einen schriftlichen “Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages”. Dieser enthält ua. folgende Nebenabrede:
“Bei einer Verwendung im Schreibdienst wird die Funktionszulage nach den Protokollnotizen Nr. 3 bzw. 6 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nur nach den Grundsätzen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 09./10.12.1985 gewährt.
Eine Änderung der Nebenabrede ist im gegenseitigen Einvernehmen möglich.”
Diesem Änderungsvertrag sind die Grundsätze der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 9./10. Dezember 1985 für die Zahlung von Funktionszulagen im Schreibdienst nach den Protokollnotizen Nr. 3 und 6 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT (im folgenden nur: Grundsätze der TdL) als Anlage beigefügt. Diese Grundsätze der TdL lauten wie folgt:
“1. Die Voraussetzung der Tätigkeit an “Magnetbandschreibmaschinen oder anderen Textverarbeitungsautomaten” ist erfüllt, wenn der Angestellte an einem mit einem textverarbeitenden System ausgestatteten Arbeitsplatz eingesetzt ist, der für diejenigen Arbeiten besonders eingerichtet ist, welche die Ausnutzung der Kapazitäten des Systems erfordern.
Ein textverarbeitendes System ist ein Bürogerät oder eine Büroanlage für die Ein- und Ausgabe von Text und die Textverarbeitung mit mindestens folgenden Einrichtungen:
– Eingabeeinrichtung
– Einrichtung, die mit Hilfe von Programmen die Textverarbeitung durchführen kann,
– Textträger zur Speicherung von Texten,
– Ausgabeeinrichtung.
Ein textverarbeitendes System im vorstehenden Sinn erfordert mindestens einen Halbseiten-Bildschirm (ca. 20 bis 24 Zeilen).
Vollwertige Leistungen an dem textverarbeitenden System werden erbracht, wenn mindestens
a) in der Textbearbeitung umfangreiche Texte, das sind solche von mehr als zwei Seiten (ohne Adressierungsteil o.ä.) einzugeben und zu überarbeiten sind oder
b) Textbausteine für die Textbausteinverarbeitung zu erfassen (einzugeben) sind; dazu gehört auch die Textbausteinerfassung für das Ausfüllen von Vordrucken.
Eine Überarbeitung im Sinne des Buchstabens a liegt vor, wenn mindestens 15 v.H. des gesamten Textes geändert werden müssen. Das Einfügen und Ändern von Satzzeichen sowie die Korrektur von Schreibfehlern bleiben hierbei unberücksichtigt.
…”
Die Klägerin, die nach VergGr. VII BAT vergütet wird, ist seit 1. Dezember 1993 in der Polizeidirektion S… im Schreibdienst eingesetzt. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf welche das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, besteht die Tätigkeit der Klägerin ua. in der Textbearbeitung unter Verwendung von Textbausteinen. So fügt sie vorgegebene Daten (zB Angaben zur Person oder den Inhalt einer Beschuldigtenvernehmung) in das Textsystem, dh. in eine Maske oder einen Textbaustein ein. Außerdem baut sie Ermittlungsakten unter Verwendung im System befindlicher Vordrucke auf. Dabei gibt sie die konkreten, mit einem konkreten Beschuldigten oder einer konkreten Tat im Zusammenhang stehenden Textzeilen in das System ein, um diese im Laufe der Bearbeitung und Komplettierung einer Akte jeweils anläßlich einzelner Bearbeitungsschritte wieder aufzurufen und sie dann in verschiedenen zu erstellenden Schriftsätzen, Protokollen oder ähnlichem zu verwenden.
Die Klägerin meint, diese Tätigkeiten stellten ein “Erfassen von Textbausteinen für die Textbausteinverarbeitung” iSd. Grundsätze der TdL dar, so daß ihr eine Funktionszulage nach den Protokollnotizen Nr. 3 und 6 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT zustehe. Zwei ihrer Kolleginnen erhielten eine solche Zulage.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 1. Dezember 1996 eine Vergütungszulage in Höhe von 8 % der Anfangsgrundvergütung der VergGr. VII gemäß den Protokollnotizen Nr. 3 bzw. 6 zu Teil II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nach den Grundsätzen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom 9./10. Dezember 1985 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er meint, die Tätigkeit der Klägerin stelle sich als “Arbeiten mit Textbausteinen” dar, weil die von ihr eingegebenen Daten zu Personen und Taten für sich genommen keine Textbausteine darstellten. Beim Aufbau einer Ermittlungsakte gebe die Klägerin lediglich Angaben über die Person von Beschuldigten und deren Taten in eine hierfür vorgesehene Maske (Münchener Baustein) auf dem Computerbildschirm ein. Diese Angaben rufe sie dann bei der weiteren Arbeit in der Akte ganz oder teilweise wieder auf und verwende sie weiter.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und im Urteil die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht die begehrte Funktionszulage nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Die Klägerin könne ihren Anspruch nicht originär auf den Tarifvertrag für Angestellte im Schreib- und Fernschreibdienst stützen, da dieser zum 31. Dezember 1983 gekündigt und durch den Tarifvertrag vom 28. Dezember 1990 nicht wieder in Kraft gesetzt worden sei. Die tariflichen Regelungen über die Zahlung einer Funktionszulage im Schreibdienst könnten damit nur nachwirkendes Recht iSd. § 4 Abs. 5 TVG sein. Im schriftlichen Änderungsvertrag vom 18. November 1993 hätten die Parteien eine zulässige eigenständige Regelung über die Gewährung der Funktionszulage getroffen, indem sie die Zahlung einer solchen von der Erfüllung der in den Grundsätzen der TdL genannten Anspruchsvoraussetzungen abhängig gemacht hätten.
Die Tätigkeit der Klägerin erfülle jedoch diese Anspruchsvoraussetzungen nicht. So “erfasse” sie keine Textbausteine für die Textbausteinverarbeitung und insbesondere auch nicht für das Ausfüllen von Vordrucken.
Auf Grund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes stehe der Klägerin der geltend gemachte Anspruch ebenfalls nicht zu, weil die von ihr genannten Kolleginnen, welche eine Funktionszulage erhalten, noch vor der Kündigung des Tarifvertrages für Angestellte im Schreib- und Fernschreibdienst eingestellt worden seien. Wenn der Beklagte – wie im Falle der Klägerin – seine Einstellungsbedingungen nach der Kündigung dieses Tarifvertrages ändere, stelle dies keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar.
Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung zu folgen.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Funktionszulage nach den Grundsätzen der TdL.
1. Diese Grundsätze finden gemäß der zwischen den Parteien im Änderungsvertrag vom 18. November 1993 getroffenen Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung.
Die Tarifnormen des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT, welche in den Protokollnotizen Nr. 3 und 6 tarifliche Ansprüche auf Funktionszulagen für Schreibkräfte mit bestimmten Tätigkeiten begründeten, sind seit dem 1. Januar 1984 nicht mehr geltendes Tarifrecht. Die zum 31. Dezember 1983 gekündigte Anlage 1a zum BAT wurde von den Tarifvertragsparteien zwar ab 1. Januar 1991 wieder in Kraft gesetzt. Ausgenommen von dieser durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 28. Dezember 1990 erfolgten Wiederinkraftsetzung blieb jedoch der Abschnitt N des Teils II der Anlage 1a zum BAT. Damit gelten die Tarifnormen dieses Abschnitts gemäß § 4 Abs. 5 TVG nur für solche Arbeitnehmer als nachwirkendes Tarifrecht weiter, die am 31. Dezember 1983 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten gestanden haben (st. Rspr.; vgl. BAG 22. Juli 1998 – 4 AZR 403/97 – BAGE 89, 241). Dies war bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Sie könnte daher einen Anspruch auf die begehrte Funktionszulage nur aus den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Grundsätzen der TdL herleiten.
2. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen der Nr. 1b der Grundsätze der TdL, auf deren Vorliegen sie sich beruft, nicht erfüllt.
Die Klägerin erfaßt keine Textbausteine. Aus dem Klammerzusatz “einzugeben” hinter den Wörtern “zu erfassen” wird deutlich, daß mit “Textbausteine erfassen” gemeint ist, daß der Angestellte im Schreibdienst Textbausteine “eingeben” muß.
Textbaustein ist ein vorformulierter Text, der einem Textautomaten “eingegeben” werden muß (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 2. Aufl. S 3380). “Eingeben” im Sinne der Datenverarbeitung bedeutet “in eine Rechenanlage (hinein) geben, übertragen” (Duden aaO S 841).
Damit wird bereits anhand der einschlägigen Fachsprache deutlich, daß ein “Erfassen”, dh. “Eingeben” von Textbausteinen voraussetzt, daß der Angestellte das Datenverarbeitungssystem mit Textbausteinen ausstattet, dh. diese in das System einfügen muß. Dabei ist es unerheblich, ob die Textbausteine vom Angestellten selbst verfaßt worden sind oder ob es sich um von Dritten verfaßte Textbausteine handelt.
Mit diesen vom Angestellten in das Datenverarbeitungssystem eingegebenen Textbausteinen können dann die Benutzer des Datenverarbeitungssystems arbeiten, indem sie die “eingegebenen Textbausteine” aufrufen.
Wie das Landesarbeitsgericht unter Zugrundelegung des Sachvortrags beider Parteien festgestellt hat, fügt die Klägerin keine Textbausteine in das von ihr benutzte Datenverarbeitungssystem ein. Vielmehr bedient sich die Klägerin bei ihrer Textverarbeitungstätigkeit lediglich der Textbausteine, die bereits im Datenverarbeitungssystem installiert sind oder sie trägt Angaben zur Person oder zu Taten von Beschuldigten in vorhandene sog. Masken ein. Damit “erfaßt” die Klägerin weder Textbausteine für die “Textbausteinverarbeitung” im Sinne der Nr. 1b 1. Halbsatz der Grundsätze der TdL noch für das “Ausfüllen von Vordrucken” im Sinne der Nr. 1b 2. Halbsatz der Grundsätze der TdL.
3. Der geltend gemachte Anspruch besteht auch nicht auf Grund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebotes. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beklagte nicht deshalb gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, weil er zwei von der Tätigkeit her mit der Klägerin vergleichbaren Mitarbeiterinnen eine Funktionszulage gewährt. Für diese 1976 bzw. 1980 eingestellten Angestellten gelten noch kraft Nachwirkung die Tarifnormen des zum 31. Dezember 1983 außer Kraft getretenen Abschnitts N des Teils II der Anlage 1a zum BAT, § 4 Abs. 5 TVG.
Es ist nicht sachwidrig, wenn der Beklagte mit diesen Arbeitnehmerinnen keine anderweitigen, die nachwirkenden Tarifnormen ersetzenden Vereinbarungen iSd. § 4 Abs. 5 TVG trifft, sondern sie weiterhin entsprechend den nachwirkenden Tarifbestimmungen behandelt.
Diese Handhabung entspricht auch der von der Mitgliederversammlung der TdL vorgeschlagenen Vorgehensweise. Die Beschlüsse in der Mitgliederversammlung 6./86, in denen den Mitgliedern der TdL empfohlen wird, die Anwendung der Grundsätze der TdL für die Zahlung von Funktionszulagen in Nebenabreden zum Arbeitsvertrag zu vereinbaren und die Funktionszulagen nach den bisherigen Protokollnotizen Nr. 3 und Nr. 6 des Teils II Abschnitt N Unterabschnitt I der Anlage 1a zum BAT nicht mehr zu zahlen, erstreckt sich ausdrücklich nur auf neu eingestellte Angestellte (vgl. Tagesordnungspunkt 11 der 6./86 Mitgliederversammlung der TdL vom 23./24. Juni 1986 iVm. Tagesordnungspunkt 11 der 3./97 Mitgliederversammlung der TdL vom 22. April 1997; zitiert bei: Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Teil II Abschn. N der Anl. 1a zum BAT Unterabschn. I Rn. 40).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Böck, Marquardt, N. Schuster, Burger
Fundstellen
Haufe-Index 1810738 |
ZTR 2001, 269 |