Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenanteil im Ortszuschlag. Konkurrenzregelung
Leitsatz (redaktionell)
Fortführung der Rechtsprechung des Senats 6. August 1998 – 6 AZR 166/97 – AP BAT § 29 Nr. 14
Orientierungssatz
Nach § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 1 und Stufe 2 („Ehegattenanteil”) des für ihn maßgebenden Ortszuschlags nur zur Hälfte, wenn sein Ehegatte als Angestellter im öffentlichen Dienst steht und diesem ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zustünde. Diese Kürzungsregelung greift nicht ein, wenn der dem Ehegatten zustehende Ehegattenanteil des Ortszuschlags die in § 29 Abschn. B Abs. 2 BAT in Verbindung mit der Anlage zum jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag geregelte Höhe nicht erreicht. Die Kürzungsregelung bezweckt nicht, in diesem Fall den dem Angestellten zustehenden Ehegattenanteil in dem Maße zu beschränken, daß beide Ehegatten zusammen nicht mehr als 100% des Ehegattenanteils des Angestellten erhalten.
Normenkette
Bundes-Angestelltentarifvertrag § 29 Abschn. B Abs. 1-2, 5, 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 27. September 2000 – 7 Sa 630/00 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines tariflichen Ortszuschlags.
Der am 22. März 1952 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 1. November 1978 in dem von dem beklagten Freistaat betriebenen Großklinikum als Krankenpfleger, zuletzt als stellvertretender Stationsleiter, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger erhält eine Vergütung nach VergGr. Kr. 8. Der Beklagte zahlte bis zum September 1998 an den Kläger die Differenz zwischen der Stufe 1 (ledig) und der Stufe 2 (verheiratet) des Ortszuschlags, den sog. Ehegattenanteil, in voller Höhe.
Der Kläger teilte mit Erklärung vom 16. Juni 1998 dem Beklagten mit, daß seine Ehefrau seit dem 1. November 1995 bei der S.-Klinik M. GmbH als Krankenschwester mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden beschäftigt sei. Die Ehefrau des Klägers erhält eine Vergütung nach VergGr. Kr. 5 A des Vergütungstarifvertrags für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten. Dieser Tarifvertrag sieht eine Grundvergütung und einen Ortszuschlag vor. Die Ortszuschlagsregelung entspricht in ihrer Struktur der des BAT. Die Ehefrau des Klägers erhält den Ortszuschlag nach ihrer Tarifklasse II Stufe 5 (unter Einbeziehung des Kinderzuschlags) im Hinblick auf ihre Teilzeitbeschäftigung zur Hälfte ausbezahlt. Der hälftige Ehegattenanteil belief sich dabei ab September 1998 auf 88,53 DM und seit Juli 1999 auf 91,27 DM (999,83 DM abzüglich 822,77 DM: 2 und 1.030,82 DM abzüglich 848,28 DM: 2). Demgegenüber betrug die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen Stufe 1 und Stufe 2 des Ortszuschlags der höchsten Tarifklasse nach dem BAT für den streitbefangenen Zeitraum 92,93 DM bzw. 95,81 DM (1.168,70 DM abzüglich 982,84 DM: 2 und 1.204,93 DM abzüglich 1.113,31 DM: 2).
Der Beklagte wies mit Schreiben vom 8. September 1998 den Kläger daraufhin, daß ihm der ehegattenbezogene Anteil des Ortszuschlags gemäß § 29 Abschnitt B Abs. 2 und 5 BAT nur zur Hälfte zustehe und die in den letzten sechs Monaten gewährten Zuvielleistungen zurückgefordert würden. Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 14. September 1998.
Ab Oktober 1998 kürzte der Beklagte unter Hinweis auf § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT den Ortszuschlag des Klägers um die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2, somit um 92,93 DM monatlich. Weiterhin brachte der Beklagte dem Kläger mit der Gehaltsabrechnung für Oktober 1998 für die Monate März bis September 1998 650,51 DM in Abzug (92,93 DM × 7 Monate). Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage die Erstattung der einbehaltenen bzw. zu wenig bezahlten Differenzbeträge bis einschließlich November 1998 in Höhe von insgesamt 836,37 DM sowie die Feststellung, daß der Beklagte verpflichtet sei, den vollen Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 1 und Stufe 2 des Ortszuschlags an ihn zu bezahlen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT lägen nicht vor, weil seine Ehefrau bei einer privaten Krankenanstalt beschäftigt sei, die den BAT nicht anwende und nicht vergleichsmeldepflichtig sei.
Der Kläger hat beantragt:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den sich aus 836,37 DM brutto ergebenden Nettobetrag zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
- Es wird festgestellt, daß dem Kläger der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und Stufe 2 des Ortszuschlags ungekürzt zusteht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Voraussetzungen der tariflichen Konkurrenzregelung seien erfüllt, weil die S.-Klinik eine Vergütung entsprechend dem BAT gewähre und die dortige Tätigkeit einer solchen im öffentlichen Dienst gleichstehe, da diese Klinik im Rahmen des Krankenhausbedarfsplans und des Krankenhausfinanzierungsgesetzes gefördert werde. Darauf, daß die S.-Klinik nicht vergleichsmeldepflichtig sei, komme es nicht an.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen der Klage stattgegeben.
I. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des ungekürzten Ortszuschlags der Tarifklasse II Stufe 2 nach § 29 Abschnitt B Abs. 1 und 2 BAT. Die Kürzungsregelung nach § 29 Abschnitt B Abs. 5 BAT greift nicht ein.
Nach dieser Tarifbestimmung erhält der Angestellte den Unterschiedsbetrag zwischen Stufe 1 und 2, den sog. Ehegattenanteil, des für ihn maßgebenden Ortszuschlags nur zur Hälfte, wenn sein Ehegatte als Angestellter im öffentlichen Dienst steht und diesem ebenfalls der Ortszuschlag der Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen oder eine entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen Stufe 1 und 2 des Ortszuschlags der höchsten Tarifklasse zustünde. An letztgenannter Voraussetzung fehlt es. Dies ergibt die Auslegung dieser Tarifbestimmung, die das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler vorgenommen hat. Hierbei kann dahinstehen, ob die Tätigkeit der Ehefrau des Klägers in der S.-Klinik eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst iSv. § 29 Abschnitt B Abs. 7 BAT ist.
1. Bereits der Wortlaut der Tarifbestimmung, von dem bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages zunächst auszugehen ist (vgl. zB BAG 12. Spetember 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308), ist eindeutig. Der von den Tarifvertragsparteien in § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT verwendete Begriff „Ortszuschlag der Stufe 2” ist ein feststehender Tarifbegriff. Seine Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich aus § 29 Abschnitt B Abs. 2 BAT, und seine konkrete Höhe läßt sich aus der Anlage zum jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag ablesen. Die mehrfache Verwendung eines Begriffs in demselben Tarifvertrag geschieht in aller Regel einheitlich. „Ortszuschlag nach Stufe 2” als Kürzungsvoraussetzung in § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT kann nur als Ortszuschlag iSv. § 29 Abschnitt B Abs. 2 BAT iVm. der Anlage zum Vergütungstarifvertrag verstanden werden. Nur wenn auf das Arbeitsverhältnis des Ehepartners der BAT unmittelbar oder kraft uneingeschränkter arbeitsvertraglicher Bezugnahme gilt, kann dieses Merkmal erfüllt sein. Bei eindeutigem Wortlaut ist eine weitergehende Auslegung – abgesehen vom Sonderfall eines Redaktionsversehens – nicht möglich (vgl. BAG 6. August 1998 – 6 AZR 166/97 – AP BAT § 29 Nr. 14 mwN).
2. Dieses Auslegungsergebnis wird durch Tarifsystematik bestätigt. § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT enthält neben dem „Ortszuschlag der Stufe 2” als weitere Tatbestandsalternative die „entsprechende Leistung in Höhe von mindestens der Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen Stufe 1 und 2 des Ortszuschlags der höchsten Tarifklasse”. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß immer dann, wenn der Ehepartner eine zum Ortszuschlag der Stufe 2 gleichwertige Leistung erhält, eine Kürzung stattfindet. Wollte man hierfür bereits Ortszuschläge ausreichen lassen, deren Höhe unter diesen Bezugsgrößen liegt, wäre das betragsmäßige Mindesterfordernis der zweiten Alternative unverständlich.
3. Auch Sinn und Zweck der Kürzungsvorschrift des § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT bestätigen die wortgetreue Tarifauslegung. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein vorbezeichnetes Urteil vom 6. August 1998 (aaO, zu II 4 der Gründe) Bezug, wo er unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm ausgeführt hat, daß nicht die Begrenzung auf 100 % im Vordergrund stand, sondern sichergestellt werden sollte, daß trotz der Kürzung mindestens ein Ehegattenanteil von 100 % für beide Ehepartner zusammen übrig bleibt.
4. Vorliegend erhielt die Ehefrau des Klägers im streitbefangenen Zeitraum einen Ehegattenanteil, der, wenn auch geringfügig – nach den tatrichterlichen Feststellungen mit 4,40 DM bzw. 4,54 DM – unter der geforderten Mindestgrenze lag. Damit erhielt sie nicht den Ortszuschlag der Stufe 2 iSv. § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT. Der Ehefrau des Klägers stand auch keine „entsprechende Leistung” im Sinne der zweiten Alternative des § 29 Abschnitt B Abs. 5 Satz 1 BAT zu. Der an die Ehefrau des Klägers gewährte Ehegattenanteil ist nach dessen Halbierung, wenn auch nur geringfügig, niedriger als der hälftige Ehegattenanteil nach dem BAT. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Tarifbestimmung kommt es aber nicht auf eine prozentuale Betrachtungsweise, sondern auf den absoluten Betrag an.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Schwarck, Klabunde
Fundstellen
NZA 2002, 1056 |
ZTR 2002, 477 |
PersV 2002, 466 |
PflR 2004, 119 |
NJOZ 2003, 1356 |