Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Unterrichtung des Betriebsrates über Kündigungsgründe
Orientierungssatz
Der maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, näher zu umschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und über seine Stellungnahme schlüssig zu werden.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.12.1983; Aktenzeichen 2 Sa 133/83) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 20.06.1983; Aktenzeichen 3 Ca 159/83) |
Tatbestand
Der am 11. Januar 1934 geborene Kläger ist Portugiese, verheiratet und hat drei Kinder unter 18 Jahren. Seit dem 8. September 1982 ist er bei der Beklagten als Weber mit einem Stundenlohn von 13,-- DM brutto beschäftigt. Mit ihm am gleichen Tag zugegangenem Schreiben vom 4. März 1983 wurde ihm von der Beklagten das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 18. März 1983 gekündigt. Die von der Beklagten mit Schreiben vom 28. Februar 1983 eingeholte Stellungnahme des Betriebsrates vom 2. März 1983 war dem Kündigungsschreiben beigefügt.
Mit der am 10. März 1983 erhobenen Klage, mit der er sich gegen die Kündigung wendet, hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei schon wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Die Beklagte habe dem Betriebsrat die angeblichen Kündigungsgründe nur pauschal vorgetragen und damit ihre Pflicht, den Betriebsrat so weitgehend über die Kündigungsgründe zu unterrichten, daß dieser ohne zusätzliche eigene Nachforschungen eine begründete Stellungnahme abgeben könne, verletzt. Der Betriebsratsvorsitzende, der von der Beklagten auch anläßlich der mündlichen Vorankündigung lediglich pauschal auf die angebliche Schlechtleistung als Kündigungsgrund hingewiesen worden sei, habe sich daher nach Erhalt des Anhörungsbogens veranlaßt gesehen, noch Nachforschungen über den Kündigungsgrund anzustellen. Die Kündigung, die wohl wegen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten ausgesprochen worden sei, habe offensichtlich den Zweck gehabt, das Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes zu vereiteln, da sie vier Tage vor Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist des § 1 KSchG erfolgt sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung vom 4. März 1983 nicht
aufgelöst ist und über den 18. März 1983
hinaus fortbesteht.
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger
arbeitsvertragsgemäß als Weber zu beschäf-
tigen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, zu der Kündigung des Klägers sei der Betriebsrat ordnungsgemäß vorher angehört worden. Vor Zuleitung des Anhörungsbogens sei der Betriebsratsvorsitzende mündlich von der Beklagten ausführlich über die Kündigungsgründe informiert worden. Bei der Unterrichtung des Betriebsratsvorsitzenden habe zudem davon ausgegangen werden können, daß dieser als Webmeister die Zusammenhänge und die Anforderungen in der Weberei ebenso genau kenne, wie etwa Einarbeitungszeiten und die Aussicht, einen Weber anzulernen. Der Betriebsrat müsse sich auch die Kenntnisse anrechnen lassen, die sich der Betriebsratsvorsitzende durch eigene Nachforschungen - auch nach Eingang des Anhörungsbogens und nach mündlicher Information - zusätzlich verschafft habe. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn, wie hier, dem Arbeitgeber eine entsprechende Informationspraxis des Betriebsrates bekannt sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Betriebsratsvorsitzenden Günter B als Zeugen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Kündigung ist weder wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates (§ 102 Abs. 1 BetrVG) noch wegen Vereitelung des Kündigungsschutzes (§§ 162, 242 BGB, § 1 KSchG) unwirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts über die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG angeschlossen und ergänzend ausgeführt, der Betriebsrat sei bei seiner Beschlußfassung über den Grund der von der Beklagten beabsichtigten Kündigung des Klägers hinreichend informiert und deshalb auch in der Lage gewesen, eine Stellungnahme abzugeben. Es könne zwar sein, daß die im Anhörungsschreiben vom 28. Februar 1983 angeführte Grundangabe ("bringt nicht die erforderliche Leistung") für sich allein genommen nicht ausreichend gewesen sei. Der Betriebsratsvorsitzende, dessen Wissensstand sich der Betriebsrat zurechnen lassen müsse, sei jedoch bereits am 25. Februar 1983 von Herrn G von der Beklagten darauf hingewiesen worden, daß die Leistungen des Klägers, wie anhand der zur Überwachung der Webstühle eingerichteten Computeranlage abgelesen worden sei, nicht den Erwartungen entsprächen. Da dem Betriebsratsvorsitzenden als Webmeister bekannt sei, welche Leistungen die Beklagte von einem Weber mindestens erwarte, habe dieser Hinweis der Beklagten in Verbindung mit den Angaben im Anhörungsschreiben somit ausgereicht, um dem Betriebsrat deutlich werden zu lassen, daß der Kläger die erwartete Mindestleistung nicht erreiche. Die Stellungnahme des Betriebsrates vom 2. März 1983 zeige auch, daß ihm dies bei seiner Beschlußfassung bekannt gewesen sei. Dabei sei unschädlich, daß der Wissensstand des Betriebsrates über den Grund der Kündigung auch auf Nachforschungen des Betriebsratsvorsitzenden beruhte, die dieser nach Zugang des Anhörungsschreibens vom 28. Februar 1983 bei dem für den Kläger zuständig gewesenen Obermeister P angestellt habe. Zwar müsse der Arbeitgeber den Betriebsrat so umfassend unterrichten, daß dieser ohne zusätzliche eigene Nachforschungen eine Stellungnahme abgeben könne, jedoch hindere dies den Betriebsrat nicht, eigene Nachforschungen anzustellen. Es könne nicht ausschließlich darauf ankommen, was der Arbeitgeber dem Betriebsrat vor der Beschlußfassung mitgeteilt habe. Entscheidend könne vielmehr allein der Kenntnisstand des Betriebsrates zum Zeitpunkt der Beschlußfassung sein, und zwar gleich aus welchen Quellen er die Kenntnisse bezogen habe. Im Streitfalle müsse schon deswegen davon ausgegangen werden, weil - wie der Beklagten bekannt - es der ständigen Praxis des Betriebsratsvorsitzenden entsprochen habe, daß sich dieser vor der Beschlußfassung des Betriebsrats im Anhörungsverfahren über eine vom Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung an geeigneter Stelle noch näher über die Kündigungsgründe informiere. Die Beklagte habe deshalb davon ausgehen können, daß der Betriebsrat ausreichend über den Kündigungsgrund unterrichtet ist. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gebiete es zudem, Kenntnisse zum Kündigungsgrund, die der Betriebsrat nicht unmittelbar vom Arbeitgeber erfahren habe, nicht außer Betracht zu lassen.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis und hinsichtlich der tragenden Hauptbegründung stand.
1. Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Der Arbeitgeber muß demgemäß schriftlich oder/und mündlich dem Betriebsratsvorsitzenden als dem zur Entgegennahme von Erklärungen Berechtigten oder, falls dieser verhindert ist, dem Stellvertreter des Betriebsratsvorsitzenden (BAG 26, 27) oder, falls ein besonderer Ausschuß (Personalausschuß) gebildet ist, dem der Betriebsrat die Mitbestimmung insoweit übertragen hat, dem Ausschußvorsitzenden (BAG 27, 209), neben den näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers, die Art und den Zeitpunkt der Kündigung vor allem die wesentlichen Gründe der Kündigung mitteilen (BAG 30, 176; 34, 309). Hierfür genügt es in der Regel nicht, die Kündigungsgründe nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig zu bezeichnen oder bloße Werturteile ohne Angabe der für die Bewertung maßgebenden Tatsachen anzugeben (BAG 30, 386). Der maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, vielmehr näher so zu umschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und über seine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAG 30, 386, 394 f.). Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht, die auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb der ersten sechs Monate gelten (BAG 30, 386, 390; 31, 1; 31, 83), nicht oder nicht richtig nach, unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, dann ist die Kündigung unwirksam (BAG 27, 209; 30, 386).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung bejaht, obwohl die Beklagte den Betriebsrat zwar über die Person des Klägers und über Art und Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung voll informiert, aber die Gründe der Kündigung im Anhörungsbogen vom 28. Februar 1983 mit "bringt nicht die erforderliche Leistung" nur pauschal und stichwortartig in Form einer allgemeinen Wertung aufgeführt hat. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend weiter berücksichtigt, daß der Betriebsratsvorsitzende bereits vor der Einleitung des Anhörungsverfahrens mündlich, nämlich am 25. Februar 1983, von der Beklagten über die beabsichtigte Kündigung und über die auf der zur Überwachung der Webstühle eingerichteten Computeranlage ablesbaren unzureichenden Leistungen des Klägers informiert worden war. Der Betriebsrat hat damit im Zeitpunkt der Beschlußfassung ausreichende Kenntnis von den Kündigungsgründen gehabt. Wenn daher das Landesarbeitsgericht bereits aus diesen Gründen die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung bejaht hat, so ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Um zu gewährleisten und sicherzustellen, daß der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht (hier also sein Anhörungsrecht) nach der primär den kollektiven Interessenschutz verpflichtenden Bestimmung nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß ausüben kann (BAG 30, 386; BAG Urteil vom 9. November 1977 - 5 AZR 132/76 - AP Nr. 13 Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht; Heintze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, 1982, Rz 458, S. 174), auferlegt § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Arbeitgeber die Pflicht zur Unterrichtung des Betriebsrates über die Kündigungsgründe. Das ist aus der ohne weiteres einleuchtenden Überlegung geschehen, daß der Betriebsrat - vor allem wenn es sich um einen größeren Betrieb handelt - im allgemeinen nicht wissen kann, aus welchem Anlaß oder aus welchen Überlegungen der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen will. Es hat daher seinen guten Grund, wenn das Gesetz dem Arbeitgeber insoweit eine Mitteilungspflicht auferlegt und die Rechtsprechung es "in der Regel" nicht genügen läßt, wenn der Arbeitgeber die Kündigungsgründe nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig bezeichnet oder nur ein bloßes Werturteil abgibt (BAG 30, 386). Die Regelung des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verfolgt jedoch keinen Selbstzweck. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es allein, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sein Mitbestimmungsrecht (Anhörungsrecht) ordnungsgemäß auszuüben, d. h. die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich hierüber eine eigene Meinung bilden zu können. Allein darauf kommt es an. Hat der Betriebsrat den erforderlichen Kenntnisstand (wobei auch der des Betriebsratsvorsitzenden genügt, weil sich der Betriebsrat den Kenntnisstand des Betriebsratsvorsitzenden zurechnen lassen muß) und weiß dies der Arbeitgeber oder kann er dies nach den gegebenen Umständen jedenfalls als sicher annehmen, so würde es dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG widersprechen und es wäre eine kaum verständliche reine Förmelei, vom Arbeitgeber dann gleichwohl noch eine detaillierte Begründung zu verlangen (BAG 26, 102; BAG Urteil vom 24. November 1983 - 2 AZR 347/82 - AP Nr. 30 zu § 102 BetrVG 1972, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt). Aufgrund seines Kenntnisstandes kann sich der Betriebsrat dann über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe ein Bild machen und eine Stellungnahme hierzu abgeben, ohne zusätzliche bzw. weitere eigene Nachforschungen anstellen zu müssen.
b) Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Betriebsratsvorsitzende bzw. der Betriebsrat die erforderliche Kenntnis erst nach der Einleitung des Anhörungsverfahrens durch eigene Nachforschungen erwerben oder ergänzen muß. In einem solchen Falle liegt eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates vor, die durch die eigenen Nachforschungen selbst dadurch nicht geheilt wird, daß der Betriebsrat nach Durchführung eigener Ermittlungen abschließend zu der beabsichtigten Kündigung Stellung nimmt (BAG 31, 83; BAG Urteil vom 2. November 1983 - 7 AZR 65/82 - AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972, zu I 2 d der Gründe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Davon ist auch dann auszugehen, wenn der Arbeitgeber weiß, daß es der ständigen Praxis des Betriebsratsvorsitzenden bzw. des Betriebsrates entspricht, sich vor der Beschlußfassung noch stets selbst an geeigneter Stelle über die Gründe oder Hintergründe der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung zu informieren. Abgesehen davon, daß es dem Betriebsrat selbstverständlich nicht verwehrt werden kann, selbst Nachforschungen anzustellen oder Erkundigungen einzuziehen und diese bei seiner Stellungnahme zu verwerten (zumal der Betriebsrat den betroffenen Arbeitnehmer vor seiner Stellungnahme hören soll, § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG), ist demnach zu unterscheiden, ob es sich bei den vom Betriebsratsvorsitzenden bzw. Betriebsrat nach Einleitung des Anhörungsverfahrens angestellten Erkundigungen um echte, erforderliche Nachforschungen zur Vervollständigung des Wissensstandes handelt oder lediglich um eine Vergewisserung bzw. Verfestigung des bestehenden und ausreichenden Kenntnisstandes. Nur im ersteren Falle liegt eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates vor, die die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat (BAG 27, 209; 30, 386).
c) Diesen wichtigen Unterschied hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, indem es bei der weiteren Würdigung zu allgemein darauf abgestellt hat, es komme bei der Prüfung, ob der Betriebsrat ausreichend über die Gründe der Kündigung unterrichtet sei, allein auf dessen Kenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlußfassung an, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Quellen dieser gespeist worden sei. Dieser Rechtsfehler wirkt sich jedoch nicht aus, weil er nur die überflüssige Hilfsbegründung des Landesarbeitsgerichts beeinflußt. Getragen wird das angefochtene Urteil bereits allein durch die zutreffende Annahme, die Anhörung sei unter Berücksichtigung der Information des Betriebsratsvorsitzenden am 25. Februar 1983 ordnungsgemäß gewesen .
aa) Die Beklagte hat im Anhörungsschreiben vom 28. Februar 1983 als Grund für die Kündigung lediglich angeführt, daß der Kläger nicht die erforderliche Leistung bringe. Für sich allein betrachtet reicht diese Begründung für eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates nicht aus; sie ist formelhaft pauschal und insoweit nichtssagend. Würde sich die erfolgte Unterrichtung allein hierauf beschränken, wäre diese nicht ordnungsgemäß und die Kündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates unwirksam. Diese unzureichende Begründung im Anhörungsschreiben vom 28. Februar 1983 gewinnt jedoch Gewicht und Gestalt durch die zuvor am 25. Februar 1983 vom Mitinhaber G mündlich erfolgte Unterrichtung des Betriebsratsvorsitzenden B über die in Aussicht genommene Kündigung des Klägers wegen unzureichender Leistungen. Der Betriebsratsvorsitzende B wurde bereits bei dieser Unterredung darauf hingewiesen, daß die Leistungen des Klägers, wie auf der zur Überwachung der Webstühle eingerichteten Computeranlage ablesbar, sehr schlecht seien. Mit Recht folgert daraus das Landesarbeitsgericht, das sich insoweit auf die Aussagen des Zeugen B stützt, daß der Betriebsratsvorsitzende aufgrund der mündlichen und schriftlichen Unterrichtung, so knapp sie für einen Außenstehenden auch erscheinen mag, über den maßgeblichen Kündigungsgrund in ausreichendem Umfange und in einer für eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrates geeigneten Weise informiert worden ist. Als ein in der Tagschicht tätiger und mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauter Webmeister konnte er nach seinen eigenen Angaben auch ohne schriftliche Unterlagen über den Leistungsstand des Klägers erkennen, daß der Kläger nicht die von der Beklagten von einem Weber zu erwartenden Mindestleistungen erbringt. Die abschließende Stellungnahme des Betriebsrates zeigt zudem, daß der Betriebsrat aufgrund des ihm übermittelten Sachverhaltes in der Lage war, die Stichhaltigkeit der Kündigung zu beurteilen.
bb) Unter den gegebenen Umständen war daher, und zwar durchaus in Übereinstimmung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO), die erfolgte Unterrichtung des Betriebsrates über die beabsichtigte Kündigung des Klägers durch die Beklagte ausreichend. Die von der Beklagten fristgemäß zum 18. März 1983 ausgesprochene Kündigung des mit dem Kläger am 8. September 1982 begründeten Arbeitsverhältnisses ist daher nicht wegen Verletzung des § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam.
3. Unbegründet ist die von der Revision erhobene Rüge, die Beklagte habe durch die Kündigung kurz vor Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG den Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes wider Treu und Glauben vereitelt. Zwar ist richtig, daß dann, wenn dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber kurz vor Ablauf der Wartezeit gekündigt wird, um entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben den Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes zu vereiteln, der Arbeitnehmer nach den Rechtsgedanken des § 162 BGB so zu behandeln ist, als wäre die Wartezeit bereits erfüllt (BAG 4, 306; 31, 83, 86). Der festgestellte Sachverhalt gibt für die Annahme, daß die Beklagte nur deswegen gekündigt habe, um die Anwendung des Kündigungsschutzes zu verhindern, jedoch nichts her. Die Kündigung ist von der Beklagten vielmehr aus einem sachlichen Grund, nämlich deswegen erklärt worden, weil der Kläger trotz ausreichender Einarbeitungszeit nicht in der Lage war, die von einem Weber geforderte und erwartete Mindestleistung zu erbringen. Die Kündigung wäre unter den gegebenen Umständen nicht sozial ungerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt mithin nicht vor.
4. Soweit die Revision schließlich geltend macht, daß die Computer-gestützte Überwachungsanlage als technische Einrichtung nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt und diese Anlage ohne Einschaltung des Betriebsrates eingeführt, betrieben und zur Überwachung der betroffenen Arbeitnehmer eingesetzt wird, handelt es sich um einen neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht berücksichtigt werden kann (§ 561 Abs. 1 ZPO).
Unbegründet ist auch die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge nach § 139 ZPO. Die Aufklärungspflicht des § 139 ZPO dient dem Ziel eines materiell richtigen Prozeßergebnisses. Die Vorschrift des § 139 ZPO will im Interesse einer sachgerechten Entscheidung Vorsorge dafür treffen, daß nicht ein bloßes Versehen oder Übersehen, eine falsche rechtliche Beurteilung des Sachverhalts oder ein in sich unklares Vorbringen einer Partei zum Nachteil gereicht. Zu diesem Zwecke sollen die Parteien veranlaßt werden, lückenhaften Vortrag oder fehlende tatsächliche Angaben zu ergänzen. Ohne eigenen entsprechenden Ansatz im Parteivorbringen hat und darf aber der Richter nicht auf einen weiteren Tatsachenvortrag hinwirken und damit den Beibringungsgrundsatz und den Grundsatz der Unparteilichkeit verletzen. Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, durch eigene Sachaufklärung unterbliebenen Parteivortrag zu ergänzen (BAG Urteile vom 23. August 1956 - 2 AZR 405/55 - AP Nr. 1 zu § 139 ZPO; vom 3. Dezember 1959 - 2 AZR 612/57 - AP Nr. 2 zu § 139 ZPO; BVerfG Beschluß vom 24. März 1976 - 2 BvR 804/75 - AP Nr. 4 zu § 139 ZPO).
Nach diesen Grundsätzen hatte das Berufungsgericht nach dem Vorbringen beider Parteien keine Veranlassung aufzuklären, ob die Computeranlage ohne Mitbestimmung durch den Betriebsrat eingerichtet und betrieben worden ist. Es konnte vielmehr von der Zulässigkeit dieser Leistungskontrolle (vgl. dazu BAG Beschlüsse vom 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 - NZA 1985, 28 = DB 1984, 2513; vom 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - NZA 1984, 47 = DB 1984, 775; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 87 Rz 66 ff.; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 324 ff., 327 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 147 ff.) ausgehen. III. Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht Dr. Röhsler Triebfürst
Hans Mayr Brocksiepe
Fundstellen
Haufe-Index 437489 |
RzK, III 1a 18 (ST1-2) |