Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Sprungrevision. Zustimmung des Gegners
Normenkette
ArbGG § 76 Abs. 1; ZPO § 170 Abs. 2, §§ 233, 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 10.04.2000; Aktenzeichen 11 Ca 92/00) |
Tenor
- Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 10. April 2000 – 11 Ca 92/00 – wird als unzulässig verworfen.
- Der Beklagte hat die Kosten der Sprungrevision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes die vom Beklagten getroffene Anordnung von Bereitschaftsdienst für Rettungssanitäter “in der Weise” zuläßt, daß dieser “sich an seiner Arbeitsstelle (der Rettungswache) aufzuhalten hat und bei Alarmierung unverzüglich mit dem Rettungsfahrzeug zum Einsatzort auszurücken hat”. Der Kläger erstrebt die Bewertung dieser Schichten als Arbeitszeit und deren entsprechende Bezahlung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und auf den übereinstimmenden Antrag der Parteien die Sprungrevision im Urteil zugelassen. Gegen das ihm am 11. Mai 2000 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte am Dienstag, dem 13. Juni 2000 (11. Juni = Pfingstsonntag) Sprungrevision eingelegt. Der per Brief übersandten Revisionsschrift war die von dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten beglaubigte Fotokopie der “Zustimmungserklärung” des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 1. Juni 2000 “für die Einlegung der Sprungrevision” in dieser Sache sowie in sieben Parallelsachen beigefügt. Durch gerichtliche Verfügung vom 28. August 2000, dem Beklagten zugegangen am 30. August 2000, wurde der Beklagte darauf hingewiesen, es bestünden Bedenken gegen die Zulässigkeit der Sprungrevision, weil die Zustimmungserklärung des Klägers nicht im Original und damit nicht formgerecht eingereicht worden sei. Mit Schriftsatz vom 12. September 2000, beim Bundesarbeitsgericht eingegangen am 13. September 2000, hat der Beklagte – wie auch in den erwähnten übrigen Parallelsachen – die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand “bezüglich der Einreichung der gegnerischen Zustimmungserklärung und damit für die Einlegung der Sprungrevision” beantragt und dies damit begründet, sein Bevollmächtigter habe nach dem Studium der einschlägigen Kommentare unverschuldet davon ausgehen dürfen, die Übersendung einer von ihm gefertigten und beglaubigten Kopie der Zustimmungserklärung des Klägers entspreche den gesetzlichen Formerfordernissen. In der Leitsache – 4 AZR 367/00 – ist der Schriftsatz vom 12. September 2000 mit dem ihm als Anlage beigefügten Original der Zustimmungserklärung des Klägers vom 1. Juni 2000 erst am 18. September 2000 bei Gericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 18. September 2000, bei Gericht am selben Tage eingegangen, hat der Beklagte dann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand “für die Einlegung der Sprungrevision sowie soweit erforderlich für den Wiedereinsetzungsantrag vom 12. September 2000” beantragt und dies damit begründet, ihr bei der O.… GmbH als Syndikusanwalt beschäftigter Prozeßbevollmächtigter habe den ebenfalls bei dieser Firma angestellten und bei dieser für die Anfertigung von Kopien und den Postausgang verantwortlichen E.… S.… beim Kopieren und Sortieren der Schriftsätze vom 12. September 2000 in den Sachen – 4 AZR 367/00 – bis – 4 AZR 375/00 – hinzugezogen. Dieser habe in der Leitsache – 4 AZR 367/00 – – anders als in den Parallelsachen – den Schriftsatz vom 12. September 2000 versehentlich nicht der Expreßsendung an das Bundesarbeitsgericht beigefügt.
Der Beklagte beantragt sinngemäß
- ihm gegen die Versäumung der Antragsfrist für den Wiedereinsetzungsantrag vom 12. September 2000 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
- ihm bezüglich der Einreichung der gegnerischen Zustimmungserklärung und damit für die Einlegung der Sprungrevision die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
- auf die Sprungrevision des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 10. April 2000 – 11 Ca 92/00 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Sprungrevision des Beklagten zurückzuweisen. Er macht geltend, diese sei unzulässig, da die der Revisionsschrift beigefügte “Einwilligungserklärung” nicht der Form des § 76 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entspreche.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision des Beklagten ist unzulässig.
- Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann gegen das Urteil eines Arbeitsgerichts unter Übergehung der Berufungsinstanz unmittelbar die Revision (Sprungrevision) eingelegt werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn die Sprungrevision vom Arbeitsgericht auf Antrag im Urteil oder nachträglich durch Beschluß zugelassen wird. Ist, wie im vorliegenden Verfahren, die Sprungrevision im Urteil zugelassen, so ist der Revisionsschrift gem. § 76 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die – schriftliche (§ 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) – Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen.
Die Revision des Beklagten genügt diesen Anforderungen nicht. Der Beklagte hat die Zustimmungserklärung des Klägers vom 1. Juni 2000 in der Frist zur Einlegung der Revision nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform beim Bundesarbeitsgericht eingereicht. Dieser Formfehler führt zur Unzulässigkeit der Revision (BAG 19. September 1985 – 2 AZR 533/84 – nv.; BGHZ 92, 76, 77; allg. Meinung).
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten vom 12. September 2000 wegen des vorbehandelten Formmangels hat keinen Erfolg.
Ob gegen die Versäumung der fristgerechten Einreichung der Zustimmungserklärung des Gegners nach § 76 Abs. 1 ArbGG durch den Revisionskläger überhaupt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden kann, ist streitig (zB BAG 28. Oktober 1986 – 3 AZR 218/86 – AP ArbGG 1979 § 76 Nr. 7). Diese Streitfrage bedarf hier keiner Erörterung. Denn auch wenn man dies zugunsten des Beklagten unterstellt und weiter zu seinen Gunsten annimmt, ihm sei gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist die Wiedereinsetzung zu gewähren, kann seinem Antrag nicht stattgegeben werden. Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden (§ 233 ZPO) gehindert, innerhalb der Revisionsfrist eine dem gesetzlichen Formerfordernis des § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG entsprechende Zustimmungserklärung des Gegners beim Bundesarbeitsgericht einzureichen. Denn der ihm unterlaufene Formfehler beruht auf dem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Die Auffassung des Beklagten, die gesetzlichen Formanforderungen des § 76 Abs. 1 Satz 1, 3 ArbGG seien auch bei Einreichung einer – mit einem bedeutungslosen Beglaubigungsvermerk versehenen – Kopie per Brief an das Revisionsgericht erfüllt, findet, wie bereits dargelegt, in der Rechtsprechung und dem Schrifttum – insbesondere auch dem vom Beklagten angeführten – keine Stütze. Dieses zeigt vielmehr die Übermittlung der Zustimmungserklärung ua. per Telefax/Telekopie an das Gericht als eine den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechende Möglichkeit auf (so insbesondere aus dem vom Beklagten zitierten Schrifttum: GK-ArbGG/Ascheid aaO; Germelmann/Matthes/Prütting aaO; Hauck aaO). Der Beklagte kann oder will den Unterschied zwischen beidem nicht erkennen. Von einem dem Prozeßbevollmächtigten des Beklagten nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum, bei dem ausnahmsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne, kann vorliegend keine Rede sein.
- Auf den Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten vom 18. September 2000 kommt es damit nicht an.
- Damit war die Sprungrevision des Beklagten als unzulässig zu verwerfen.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Bott, Fieberg, Jürgens
Fundstellen