Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Berufung. Berufungsbegründung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Berufungsbegründung, die die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht lediglich mit formelhaften Wendungen rügt und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen verweist oder dieses wiederholt, ist unzulässig.
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2015 – 14 Sa 1288/14 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 29. Juli 2014 – 9 Ca 71/14 – wird als unzulässig verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Übergangsgeld für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016.
Der am 15. Juli 1951 geborene, als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Juli 1978 beschäftigt. Am 7. November 2002 schloss die Beklagte mit dem Hauptpersonalrat vor dem Hintergrund geplanter Strukturreformen eine „Dienstvereinbarung zur sozialverträglichen Begleitung der Strukturreform der Deutschen Bundesbank” (DV Strukturreform) ab. Danach wird mit Beginn des vierten Monats nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Beginn der Regelaltersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres), längstens jedoch bis zum Erreichen einer ungekürzten Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen oder für Frauen nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) ein „monatliches Übergangsgeld in Höhe von 75 % des Bruttogehalts” gezahlt.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch Auflösungsvertrag vom 20./22. Dezember 2005 zum 31. Juli 2006 beendet. Dieser enthält ua. folgende Vereinbarungen:
”§ 1 Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses |
(2) |
… Die als Anlage 1 beigefügte DV Strukturreform ist Bestandteil dieses Vertrages. |
§ 2 Leistungen der Bank Zahlungsmodalitäten |
(1) |
Der Mitarbeiter erhält nach Maßgabe von § 16 Abs. 2 DV Strukturreform eine Einmalzahlung in Höhe von brutto 29.832,12 EURO … |
(2) |
Das nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 DV Strukturreform zustehende monatliche Übergangsgeld beträgt brutto 2.486,01 EURO … Im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erlischt der Anspruch auf das Übergangsgeld ab dem Monat, für den erstmalig eine Rente gewährt wird. … |
(3) |
Wird trotz des Vorliegens der Voraussetzungen für einen ungekürzten Bezug einer Altersrente eine solche Rente nicht beantragt oder wird vom Mitarbeiter der Eintritt der Voraussetzungen, die ihm einen Anspruch auf einen vorzeitigen Bezug einer Altersrente ohne Rentenabschlag verschaffen würden, bewusst verhindert, erlischt sein Anspruch auf Zahlung von Übergangsgeld nach § 16 DV Strukturreform in dem Zeitpunkt, in dem ansonsten der Anspruch auf ungekürzte Rente dem Grunde nach entstanden wäre. |
… |
|
§ 3 Pflichten des Mitarbeiters |
… |
|
(6) |
Der Mitarbeiter verpflichtet sich, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eines ungekürzten Rentenbezugs aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Regelaltersrente oder ggf. die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bzw. die Altersrente für langjährig Versicherte zu beantragen. … |
…” |
|
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das ihm nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 DV Strukturreform zustehende Übergangsgeld werde letztmalig im Juli 2014 ausgezahlt, da er nach derzeitigem Sozialversicherungsrecht ab dem 1. August 2014 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen könne. Seit dem 1. August 2014 bezieht der Kläger eine ungekürzte Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. monatlich 1.217,63 Euro. Die Beklagte zahlt seit diesem Zeitpunkt kein Übergangsgeld mehr an den Kläger.
Mit seiner am 26. März 2014 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger – soweit für die Revision von Bedeutung – die Weiterzahlung des Übergangsgelds in der Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 gefordert, hilfsweise unter Anrechnung der monatlichen Altersrentenbezüge.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 Übergangsgeld iHv. monatlich 2.929,76 Euro brutto zu zahlen;
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Dezember 2016 Übergangsgeld iHv. monatlich 2.929,76 Euro brutto jeweils unter Anrechnung monatlich zu erhaltender Altersrentenbezüge in Höhe von 1.217,63 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts sei zulässig. Es hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen.
1. Die Zulässigkeit der Berufung ist eine vom Senat von Amts wegen zu prüfende Prozessfortsetzungsbedingung (BAG 23. Februar 2016 – 3 AZR 230/14 – Rn. 9; vgl. auch BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 9). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung der Berufung des Revisionsbeklagten iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO oder ist die Berufung des Revisionsbeklagten aus anderen Gründen unzulässig, ist die Revision schon deshalb begründet und das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (vgl. BAG 23. Februar 2016 – 3 AZR 230/14 – Rn. 9; 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 9).
2. Die Berufung des Klägers genügt nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., zB BAG 11. Juni 2013 – 9 AZR 855/11 – Rn. 16; 18. Mai 2011 – 4 AZR 552/09 – Rn. 14; vgl. auch BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 – 4 AZR 552/09 – Rn. 14; vgl. auch BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 – 4 AZR 552/09 – Rn. 14; 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11).
b) Die Berufungsbegründung setzt sich nicht mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts auseinander. Entgegen den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat sie nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sei.
aa) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Regelung zum Übergangsgeld führe weder zu einer unmittelbaren noch zu einer mittelbaren Diskriminierung wegen der Behinderung. Es fehle bereits an einer tatbestandlichen Benachteiligung vergleichbarer Personen. Darüber hinaus wäre die vom Kläger angenommene Benachteiligung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.
bb) Der Kläger hat sich darauf beschränkt, auf mehreren Seiten seiner Berufungsbegründung seine bisherigen Rechtsauffassungen zu wiederholen und zu vertiefen. Er hat weder dargelegt, auf welchen Erwägungen die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruht, noch hat er Rechtsfehler des Arbeitsgerichts aufgezeigt. Soweit er ausgeführt hat, die in der Entscheidung des Arbeitsgerichts herangezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Oktober 2011 setze sich mit einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinander, wird nicht deutlich, worauf das Arbeitsgericht seine Entscheidung gestützt haben soll. Zudem zeigt die Berufungsbegründung auch insoweit keinen Rechtsfehler des Arbeitsgerichts auf.
II. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Unterschriften
Brühler, Suckow, Krasshöfer, Gell, Ropertz
Fundstellen
Dokument-Index HI10482550 |