Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifkonkurrenz zwischen Bau- und Schlosserhandwerk
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu 4 AZR 200/89
Normenkette
TVG § 4 Tarifkonkurrenz; Tarifverträge: Bau § 1; BRTV-Bau
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 24.10.1988; Aktenzeichen 14 Sa 1450/87) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 12.08.1987; Aktenzeichen 7 Ca 6002/86) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Oktober 1988 – 14 Sa 1450/87 – und des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. August 1987 – 7 Ca 6002/86 – aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Als solche nimmt sie die Beklagte auf Auskunftserteilung für die Zeit vom 28. Juni 1984 bis zum 31. Mai 1987 in Anspruch.
Der Geschäftsführer der Beklagten, der Schlossermeister ist, unterhielt bis zum 27. Juni 1984 einen Betrieb, der ab 28. Juni 1984 von der beklagten GmbH übernommen und fortgeführt wurde. Im Klagezeitraum wurden Decken- und Wandverkleidungen hergestellt und montiert. Dabei wurde fast ausschließlich Metall verarbeitet. Der Betrieb der Beklagten war in die Handwerksrolle für das Schlosserhandwerk eingetragen. Die Beklagte ist Mitglied bei der Süddeutschen Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft und wurde dort als Betrieb der Akkustiktechnik geführt. Sie ist Mitglied der Schlosserinnung Worms, die Mitglied des Fachverbandes (Landesinnungsverband) des Metallhandwerks Rheinland-Rheinhessen ist. Der Fachverband schließt mit der IG Metall Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des metallverarbeitenden Handwerks im Wirtschaftsgebiet Rheinland-Rheinhessen ab, die fachlich unter anderem für alle Betriebe des Schlosserhandwerks und persönlich für alle in diesen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer, soweit sie Mitglieder der IG Metall sind, gelten. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten waren gelernte Schlosser und Mitglieder der IG Metall. Die Beklagte wendete auf die Arbeitsverhältnisse aller bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer die Metalltarifverträge an.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge im Klagezeitraum erfaßt worden sei, weil arbeitszeitlich überwiegend Trockenbau- und Montagebauarbeiten und auch Dämmarbeiten ausgeführt worden seien. Auf eine Bindung an die Metalltarifverträge komme es nicht an.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, vom 28. Juni 1984 bis einschließlich Mai 1987 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind,
1.2 wieviel technische und kaufmännische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister vom 28. Juni 1984 bis einschließlich Mai 1987 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und in welcher Höhe Beiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,
für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 2 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1: |
147.280,00 DM |
zu Nr. 1.2: |
7.153,55 DM. |
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß ihr Betrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge gefallen sei. Es habe sich um einen Betrieb des Schlosserhandwerks gehandelt, da ganz überwiegend Metallverkleidungen, die gestalterischen Zwecken dienten, mit den Methoden und Werkzeugen des Schlosserhandwerks ausgeführt worden seien. Außerdem habe für die Mehrzahl der Arbeitsverhältnisse Tarifgebundenheit an die Metalltarifverträge bestanden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Die Klägerin kann von der Beklagten die begehrten Auskünfte nicht verlangen, da die Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes (Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe, Tarifvertrag über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes und Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe) keine entsprechende rechtliche Verpflichtung für die Beklagte begründen. Zwar fiel der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge. Die allgemeinverbindlichen tariflichen Bestimmungen der Verfahrenstarifverträge begründeten jedoch nicht unmittelbar und zwingend ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, da für den Betrieb der Beklagten die spezielleren tariflichen Bestimmungen für das Metallhandwerk galten.
Im Klagezeitraum galt für die gewerblichen Arbeitnehmer zunächst der Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe in den Fassungen vom 19. Dezember 1983, 12. Dezember 1984 und 17. Dezember 1985. Der betriebliche Geltungsbereich dieses Verfahrenstarifvertrages ist mit dem des BRTV-Bau identisch. Für die Angestellten galt im Klagezeitraum zunächst der Tarifvertrag über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des Baugewerbes vom 30. Oktober 1975 in den Fassungen vom 19. Dezember 1983 und vom 17. Dezember 1985, der hinsichtlich seines betrieblichen Geltungsbereichs wiederum identisch mit dem für gewerbliche Arbeitnehmer geltenden Verfahrenstarifvertrag ist. Für die Zeit ab 1. Januar 1987 galt für die gewerblichen Arbeitnehmer und die Angestellten der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986.
Der Betrieb der Beklagten fiel im Klagezeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge. Heranzuziehen sind insoweit folgende tariflichen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge, die während des Klagezeitraums unverändert galten:
Betrieblicher Geltungsbereich
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt V:
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
36. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen), einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
Nach der Senatsrechtsprechung fallen Betriebe, in denen überwiegend in den Beispielen des Abschnitts V genannte Tätigkeiten ausgeführt werden, unter den Geltungsbereich des BRTV-Bau und der insoweit gleichlautenden Verfahrenstarifverträge, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale des Abschnitts I bis III zu überprüfen sind (vgl. BAGE 48, 390, 394 = AP Nr. 67 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Danach fiel der Betrieb der Beklagten unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge.
Im Betrieb der Beklagten wurden im Klagezeitraum arbeitszeitlich überwiegend Arbeiten ausgeführt, die dem Tätigkeitsbeispiel des Abschnitts V Nr. 36 des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge „Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen)” entsprachen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurden von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich überwiegend im Betrieb der Beklagten Decken- und Wandverkleidungen aus Metall hergestellt und montiert. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß es sich insoweit um Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne der tariflichen Bestimmungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 36 der Verfahrenstarifverträge handelt, da im Klammerzusatz als Beispiel für solche Arbeiten ausdrücklich auf Wand- und Deckenverkleidungen verwiesen wird. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats, nach der von der tariflichen Bestimmung seit der Neufassung des fachlichen Geltungsbereichs des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge bzw. des BRTV-Bau mit Wirkung vom 1. Januar 1980 insbesondere auch Montagebauarbeiten unter Verwendung des Werkstoffs Metall erfaßt werden (BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Während vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe, die vor dem 1. Januar 1980 in Kraft waren, reine Stahl-, Eisen-, Metall- und Leichtmetallbauarbeiten als Montagebauarbeiten ausgeschlossen waren, ist diese Einschränkung mit Wirkung vom 1. Januar 1980 weggefallen, woraus der Senat geschlossen hat, daß nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nunmehr Montagebauarbeiten ohne Rücksicht auf den verwendeten Werkstoff und die angewandten Arbeitsmethoden unter den Geltungsbereich der Tarifverträge fallen.
Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht ferner an, daß auch Betriebe des Schlosserhandwerks, die Trocken- und Montagebauarbeiten mit dem Werkstoff Metall im tariflichen Sinne ausführen, vom betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe erfaßt werden, da sie in Abschnitt VII des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge nicht vom Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten fällt die Ausführung von Trocken- und Montagebauarbeiten auch dann unter den Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge, wenn sie gestalterischen Zwecken dient. Die Tarifvertragsparteien erwähnen im Klammerbeispiel als Trocken- und Montagebauarbeiten nämlich ausdrücklich Wand- und Deckenverkleidungen. Daraus folgt, daß sie alle derartigen baulichen Leistungen unabhängig davon erfassen wollen, welchem speziellen Zweck eine Decken- oder Wand- Verkleidung dient. Damit fiel der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes.
Eine Tarifbindung konnte jedoch trotz der Allgemeinverbindlichkeit der Verfahrenstarifverträge (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG) nicht eintreten, da für den Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum außerdem der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des metallverarbeitenden Handwerks im Wirtschaftsgebiet Rheinland-Rheinhessen vom 16. Dezember 1977 galt und diesem nach den Grundsätzen der Spezialität und der Tarifeinheit der Vorrang einzuräumen war.
Das Landesarbeitsgericht nimmt insoweit an, daß eine aufgrund der Tarifgebundenheit der Beklagten und der Mehrzahl der beschäftigten Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 TVG) an den Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des metallverarbeitenden Handwerks im Wirtschaftsgebiet Rheinland-Rheinhessen (MTV Metallhandwerk) hinsichtlich der allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes bestehende Tarifkonkurrenz in der Weise zu lösen sei, daß der MTV Metallhandwerk als der speziellere Tarifvertrag vorgehe. Für die Arbeitnehmer, die nicht Mitglieder der IG Metall seien und für die deshalb keine Tarifbindung an den MTV Metallhandwerk bestehe, fänden jedoch die Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes aufgrund ihrer Allgemeinverbindlichkeit Anwendung. Daraus folge, daß die Beklagte für den Betrieb als Ganzen zur Auskunftserteilung verpflichtet sei. Für welche Arbeitnehmer sie beitragspflichtig sei, sei im Beitragseinzugsverfahren zu klären.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat nachgewiesen, daß sie Mitglied der Schlosserinnung Worms ist und diese dem Fachverband (Landesinnungsverband) des Metallhandwerks Rheinland-Rheinhessen angehört. Der Fachverband hat mit der IG Metall den MTV Metallhandwerk abgeschlossen. Insoweit besteht für die Beklagte Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG.
Der Betrieb der Beklagten fällt auch unter den fachlichen Geltungsbereich des MTV Metallhandwerk. Dieser gilt nach § 1 Nr. 2 fachlich für alle Betriebe des Schlosserhandwerks. Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich, daß der Betrieb der Beklagten dem Schlosserhandwerk zuzurechnen ist. Die arbeitszeitlich überwiegende Ausführung von Decken- und Wandverkleidungen aus Metall mit Methoden und Werkzeugen des Schlosserhandwerks durch überwiegend gelernte Schlosser und den Geschäftsführer der Beklagten als Schlossermeister gehört nach dem Berufsbild, der beruflichen Tradition, dem Berufsrecht und der Üblichkeit im Arbeits- und Wirtschaftsleben zum Schlosserhandwerk (vgl. BAG Urteil vom 3. Dezember 1986 – 4 AZR 466/86 – AP Nr. 73 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Vom persönlichen Geltungsbereich des MTV Metallhandwerk werden alle in den vom fachlichen Geltungsbereich erfaßten Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer, soweit sie Mitglieder der IG Metall sind, umfaßt. Insoweit hat die Beklagte vorgetragen, daß die Mehrzahl der bei ihr im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer der IG Metall angehörten. Dies ist von der Klägerin nicht bestritten worden. Auf die Arbeitsverhältnisse dieser Arbeitnehmer finden die Normen des MTV Metallhandwerk mithin unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).
Da der Betrieb der Beklagten aber ebenso vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für das Baugewerbe erfaßt wird und diese aufgrund ihrer Allgemeinverbindlichkeit auch für die nicht tarifgebundenen oder anders organisierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten (§ 5 Abs. 4 TVG), entsteht hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse, für die die Normen des MTV Metallhandwerk aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten, eine Tarifkonkurrenz. Für Arbeitnehmer, die nicht der IG Metall angehören, findet jedoch der MTV Metallhandwerk mangels Tarifgebundenheit keine Anwendung, obwohl der Betrieb als Ganzer vom fachlichen Geltungsbereich des MTV Metallhandwerk erfaßt wird. Damit liegt insoweit im Verhältnis zu den allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes eine sogenannte Tarifpluralität vor (vgl. BAG Urteil vom 25. November 1987 – 4 AZR 361/87 – AP Nr. 18 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Soweit Tarifkonkurrenz besteht, ist diese nach den Grundsätzen der Spezialität zugunsten des MTV Metallhandwerk zu lösen. Im übrigen steht der Grundsatz der Tarifeinheit der Anwendung der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes in bezug auf die nicht an den MTV Metallhandwerk gebundenen Arbeitnehmer der Beklagten entgegen.
Tarifkonkurrenzen sind in aller Regel nach den Grundsätzen der Spezialität zu lösen, wonach der Tarif gültig sein soll, der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebes und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht wird (BAG Urteile vom 24. September 1975 – 4 AZR 471/74 – und vom 29. November 1978 – 4 AZR 304/77 – AP Nrn. 11 und 12 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz m.w.N.; Urteil vom 27. August 1986 – 4 AZR 280/85 – AP Nr. 70 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Dies ist vorliegend der MTV Metallhandwerk. Die Beklagte, deren Geschäftsführer Schlossermeister ist, führt mit ihren Arbeitnehmern, die überwiegend gelernte Schlosser sind, Arbeiten aus, die dem Schlosserhandwerk zuzurechnen sind. Damit erweisen sich die tariflichen Bestimmungen des MTV Metallhandwerk, die auf metallverarbeitende Betriebe und somit die des Schlosserhandwerks besonders zugeschnitten sind, nicht nur als räumlich enger, sondern auch als sachnäher und damit spezieller als die Tarifverträge für das Baugewerbe. Dies zeigt entgegen der Auffassung der Klägerin gerade auch das vorliegende Tätigkeitsbeispiel im Abschnitt V Nr. 36 des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge. Trocken- und Montagebauarbeiten im Tarifsinne können von Betrieben ausgeführt werden, die unterschiedlichen Branchen angehören, wie z.B. auch von Betrieben des Schreinerhandwerks. Die branchenspezifischen Tarifverträge werden den Erfordernissen und Eigenarten dieser Betriebe und der beschäftigten Arbeitnehmer eher gerecht als die allgemein für alle Baubetriebe geltenden tariflichen Bestimmungen. Die Tarifverträge für das Baugewerbe kommen in diesen Fällen nach dem Grundsatz der Spezialität nicht zur Anwendung (vgl. BAG Urteil vom 27. August 1986 – 4 AZR 280/85 – AP Nr. 70 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Nach der Rechtsprechung des Senats ist beim Zusammentreffen der allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Baugewerbe mit einem spezielleren Tarifvertrag die Tarifkonkurrenz jedenfalls dann auf der betrieblichen Ebene und nicht nur bezogen auf das einzelne Arbeitsverhältnis zu lösen, wenn beide Tarifverträge von der gleichen Gewerkschaft, nämlich der IG Bau-Steine-Erden, abgeschlossen worden sind. In diesem Falle genügt die Tarifbindung des Arbeitgebers an den spezielleren Tarifvertrag und die potentielle Möglichkeit, daß ein der vertragsschließenden Gewerkschaft angehörender Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt ist, auf den dann unmittelbar beide Tarifverträge zutreffen (BAG Urteile vom 24. September 1975 – 4 AZR 471/74 – und 29. November 1978 – 4 AZR 304/77 – AP Nrn. 11 und 12 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Zur Begründung hat der Senat darauf verwiesen, daß die Tarifbindung des Arbeitgebers als Anknüpfungspunkt eine vom Wechsel der Arbeitnehmer und vom Zufall unabhängige betriebseinheitliche Anwendung desjenigen Tarifvertrages gewährleiste, der den Erfordernissen des Betriebes und der beschäftigten Arbeitnehmer entspricht. Rechtliche und tatsächliche Unzuträglichkeiten, die sich aus einem Nebeneinander oder aus der Nichtanwendung von Tarifverträgen in einem Betrieb ergeben, werden dadurch vermieden. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit und nach dem Grundsatz der Tarifeinheit können die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Baugewerbe auch auf solche Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden, bei denen mangels Organisationszugehörigkeit der Arbeitnehmer keine Tarifbindung an den spezielleren Tarifvertrag besteht.
Gegen diese Auffassung des Senats ist eingewendet worden, daß eine Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG stets nur für das einzelne Arbeitsverhältnis, nicht aber betriebsbezogen festzustellen sei. Bestehe für den Arbeitnehmer mangels Mitgliedschaft in der den speziellen Tarifvertrag abschließenden Gewerkschaft keine Tarifbindung, so werde ein im übrigen auf sein. Arbeitsverhältnis wegen seiner Allgemeinverbindlichkeit anzuwendender Tarifvertrag nicht verdrängt. Der Nachteil, daß dann in einem Betrieb mehrere Tarifverträge nebeneinander durchgeführt werden müßten, sei hinzunehmen (Wiedemann, Anmerkung zu BAG AP Nr. 11 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; ebenso Konzen, RdA 1978, 146).
Dieser Auffassung ist das Landesarbeitsgericht gefolgt und hat zur Begründung insbesondere darauf verwiesen, daß die nicht an den MTV Metallhandwerk gebundenen Arbeitnehmer schwerwiegende Folgen hinnehmen müßten, wenn sie aus dem Tarifschutz der sie begünstigenden allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Baugewerbe herausfallen. Dies trifft jedoch nicht zu. Vorliegend kommt es auf einen Günstigkeitsvergleich zwischen den allgemeinverbindlichen Bestimmungen der Tarifverträge des Baugewerbes und denen des MTV Metallhandwerks, die die Beklagte auf die Arbeitsverhältnisse der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer als Vertragsrecht anwendet (vgl. Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rz 114; Däubler/Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl., Bz 622; für den generellen Vorrang arbeitsvertraglich in Bezug genommener Tarifverträge: Müller, NZA 1989, 449, 452), nicht an. Maßgebend ist vielmehr, ob durch die allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Klägerin als einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 4 Abs. 2 TVG in Verbindung mit § 5 Abs. 4 TVG begründet werden. Insoweit ist zunächst festzustellen, an welchen Tarifvertrag die Beklagte gebunden ist. Dies ist nach dem Grundsatz der Spezialität der MTV Metallhandwerk, da er unter anderem nach seinem betrieblichen Geltungsbereich dem Betrieb nähersteht. Geht dieser Tarifvertrag den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für das Baugewerbe für die Beklagte als der speziellere vor, so kann die Tarifgebundenheit einzelner Arbeitnehmer an die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Baugewerbe gleichwohl weder Rechtsbeziehungen der Beklagten zur Klägerin noch Rechtsbeziehungen der Beklagten zu ihren Arbeitnehmern begründen. Dies gilt nicht nur in den vom Senat bisher entschiedenen Fällen, in denen die in Betracht kommenden Tarifverträge von ein und derselben Gewerkschaft abgeschlossen worden sind.
Sowohl die Tarifverträge für das Baugewerbe, die von der IG Bau-Steine-Erden abgeschlossen sind, als auch der MTV Metallhandwerk, der von der IG Metall abgeschlossen ist, erfassen den Betrieb der Beklagten nach ihrem fachlichen bzw. betrieblichen Geltungsbereich. Die Beklagte ist somit zum einen aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit, zum anderen aufgrund ihrer Organisationszugehörigkeit tarifgebunden. Nach dem Grundsatz der Spezialität hat die Tarifbindung an den MTV Metallhandwerk Vorrang. Dieser Tarifvertrag erfaßt dann nach seinem Geltungsbereich aber den Betrieb als Ganzen. Das gilt nicht nur für Betriebsnormen nach § 3 Abs. 2 TVG, sondern auch nach dem Geltungsbereich für alle Normen. Nach dem Grundsatz der Tarifeinheit sollen alle Arbeitsverhältnisse in einem Betrieb grundsätzlich nach demselben Tarifvertrag geordnet werden (BAG Urteil vom 29. März 1957 – 1 AZR 208/55 – AP Nr. 4 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz). Ebenso wie bei einer Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bei Bestehen einer tariflichen Regelung auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ausgeschlossen werden, weil die Arbeitnehmer durch Beitritt zur tarifvertragsschließenden Gewerkschaft den unabdingbaren Schutz der tariflichen Regelungen jederzeit erlangen können (BAGE 54, 191, 207 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972), gilt dies auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer der Beklagten hinsichtlich der tariflichen Bestimmungen des MTV Metallhandwerk, die die Beklagte allerdings ohnehin als Vertragsrecht auf die Arbeitsverhältnisse anwendet. Ein Unterschied kann auch rein tatsächlich insoweit nicht zwischen Betriebs- und sonstigen Normen gemacht werden, zumal auch hier Überschneidungen möglich sind.
Im übrigen hält der Senat an der Auffassung fest, daß allein die betriebseinheitliche Anwendung des sachnäheren Tarifvertrages unter Anknüpfung an die Tarifbindung des Arbeitgebers geeignet ist, tatsächliche Schwierigkeiten bei der Anwendung mehrerer Tarifverträge in einem Betrieb zu vermeiden und ihr deshalb im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Vorzug zu geben ist. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, daß das Landesarbeitsgericht die für die Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes notwendig zu klärende Frage, welche Arbeitnehmer der Beklagten innerhalb welcher Zeiträume Mitglieder der IG Metall waren, dem Beitragseinzugsverfahren überlassen will. Dies setzt eine rechtlich nicht begründbare und tatsächlich nicht durchsetzbare Pflicht zur Offenbarung der Gewerkschaftsmitgliedschaft gegenüber der Beklagten und der Klägerin voraus, die im Streit falle auch noch zu beweisen wäre. Außerdem sind Änderungen durch Wechsel der Gewerkschaftszugehörigkeit unvermeidlich. Demgegenüber ermöglicht der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung. Diese rechtfertigt sich zudem daraus, daß die Mehrzahl der Arbeitnehmer der Beklagten Mitglieder der IG Metall sind (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Band II/1, § 33 III 4, S. 651) und für Regelungen in Betrieben des Schlosserhandwerks, in denen, wie vorliegend, überwiegend gelernte Schlosser beschäftigt werden, die IG Metall wegen der größeren Sachnähe das stärkere Recht für sich beanspruchen kann (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 166 unter Bezugnahme auf Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., Bd. II, § 86 III 6, S. 487).
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Wiese, Schmalz
Fundstellen