Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Lebensmittelkontrolleur
Leitsatz (redaktionell)
Lebensmittelkontrolleure sind nicht nach den besonderen Tätigkeitsmerkmalen für Gesundheitsaufseher, sondern nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren.
Orientierungssatz
(Eingruppierung von Lebensmittelkontrolleur) 1. Eingruppierung von Lebensmittelkontrolleuren nach Vergütungsgruppe Vc, Vb BAT.
Normenkette
BAT Anlage 1a; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.04.1984; Aktenzeichen 10 Sa 245/83) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.11.1982; Aktenzeichen 2 Ca 4781/82) |
Tatbestand
Der 61-jährige Kläger steht seit 1961 in den Diensten des beklagten Kreises. Seit etwa 13 Jahren wird er als Lebensmittelkontrolleur beschäftigt. Die Parteien haben die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrags in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VkA) geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis einzelvertraglich vereinbart. Seit 1. Juli 1977 erhält der Kläger Vergütung nach VergGr. V c BAT. Hierzu heißt es in dem "Nachtrag zum Arbeitsvertrag" vom 28. November 1978, daß sich die Vergütung des Klägers nach der VergGr. V c BAT Fallgruppe 15 (Tarifvertrag für medizinische Hilfsberufe und medizinisch-technische Berufe) richte, in die "Gesundheitsaufseher mit Prüfung in einer Tätigkeit der VergGr. VI b Fallgruppe 17 nach dreijähriger Bewährung in dieser Tätigkeit" eingruppiert sind. Mit Schreiben vom 10. August 1981 beantragte der Kläger bei dem Beklagten erfolglos seine Höhergruppierung nach VergGr. V b BAT.
Dem Kläger obliegen folgende Aufgaben mit folgenden zeitlichen Anteilen an seiner Gesamtarbeitszeit:
1. Die Durchführung von Betriebskon-
trollen in allen Betrieben und
Einrichtungen sowie die Planpro-
benentnahme für das Chem.- und Le-
bensmitteluntersuchungsamt, das
Staatl. Vet.-Untersuchungsamt, das
Hyg.bakt. Landesuntersuchungsamt
und das Chem. Landesuntersuchungs-
amt. 53 v.H.
2. Die Durchführung von Nachkontrol-
len und die Entnahme von Proben, 12 v.H.
sowie die Bekanntgabe von Unter-
suchungsbefunden an die Gewerbe-
treibenden. 5 v.H.
3. Die Ermittlung der Verantwortli-
chen, Einsicht in die Geschäfts-
unterlagen, Beschaffung von Rech-
nungen oder Lieferscheinen. 2 v.H.
4. Selbständige Entscheidungen vor
Ort. Untersagungen bei unhygieni-
scher Behandlung von Lebensmit-
teln und bei ungeeigneten Räumen.
Sicherstellung von Lebensmitteln.
Unschädliche Beseitigung der aus
dem Verkehr zu nehmenden Lebens-
mittel. Mündliche und gebühren-
pflichtige Verwarnungen und Beleh-
rungen. 5 v.H.
Die Anordnung der Schließung (auch
Teilschließung) von Betrieben we-
gen erheblicher unhygienischer Miß-
stände. 1 v.H.
5. Täglicher Bereitschaftsdienst. Ent-
gegennahme von Verbraucherbeschwer-
den, Hinweise von Verbrauchern, Auf-
suchen des Verbrauchers und Entge-
gennahme des beanstandeten Lebens-
mittels sowie anschließender Probe-
entnahme beim Gewerbetreibenden. 2 v.H.
6. Die Entnahme von Saison- oder Schwer-
punktproben. Entnahme von Milchpro-
ben für das Staatl. Vet.-Untersu-
chungsamt. Entnahme von Speiseeis
zur bakt. Untersuchung. Entnahme
landwirtschaftlicher Produkte zur
Untersuchung auf Radioaktivität und
Cadmium/Blei. Entnahme von Butter-
oder Käseproben zur Untersuchung
beim Chem.- und Lebensmitteluntersu-
chungsamt unter Beteiligung des Lan-
desamtes für Ernährungswirtschaft
NW. 4 v.H.
7. Beratende Mitwirkung bei Neueinrich-
tungen sowie Umbauten von Lebensmit-
telbetrieben sowie Auskünfte über
gesetzliche Bestimmungen, deren Aus-
legung und Anwendung. 2 v.H.
8. Amtshilfeersuchen. Sondereinsätze auf
Anweisung des Regierungspräsidenten
oder des Ministers für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten. Einfuhr-
kontrollen, Abnahme, Überprüfung und
Freigabe von Fahrzeugen mit Ladungen
nach ATP (Internationale Beförderung
leicht verderblicher Lebensmittel). 2 v.H.
9. Innendienst. Dienstbesprechung, Be-
richte und Karteiführung über Be-
triebskontrollen und Probeentnahmen.
Abrechnung der Dienstgelder. Fahr-
tenbücher usw. 12 v.H.
Der Kläger hat vorgetragen, seine Aufgaben als Lebensmittelkontrolleur habe er in einem Überwachungsbezirk mit rund 100.000 Einwohnern anhand einer von ihm durchgeführten Überwachungskartei mit einem ihm zugeordneten jüngeren Kollegen in mehr als 450 einschlägigen Betrieben und Einrichtungen wahrzunehmen. Dabei habe er etwa 4.000 bis 5.000 Produkte der unterschiedlichsten Art zu kontrollieren. Während 70 v.H. seiner Arbeitszeit sei er im Außendienst und im übrigen im Innendienst tätig. Für seine Tätigkeit seien gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen erforderlich. Er benötige genaue Kenntnisse in dem weit gespannten Bereich des gesamten Lebensmittelrechts, wobei zahlreiche Gesetze, Verordnungen und weitere Vorschriften zu beachten seien, die er im einzelnen aufgeführt hat. Er wähle eigenverantwortlich jeden Morgen die zu kontrollierenden Objekte aus. Vor Ort entscheide er selbständig, ob Proben zum Zwecke einer Gutachteneinholung entnommen werden, ob Lebensmittel vorläufig aus dem Verkehr gezogen werden oder sichergestellt werden müssen, ob eine mündliche Belehrung und Verwarnung oder eine Verwarnung mit Verwarnungsgeld auszusprechen sei, ob Auflagen zu erteilen, ein Kontrollbericht zu fertigen, eine Strafanzeige zu erstatten oder eine Aufklärung des Gewerbetreibenden oder des Verbrauchers geboten seien.
Demgemäß hat der Kläger beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflich-
tet ist, den Kläger ab 10. August 1981 nach
der VergGr. V b der Anlage 1 a zum BAT zu
vergüten.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat erwidert, die Tätigkeit des Klägers erfordere keine gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse. Die zu beachtenden Rechtsgrundlagen seien überschaubar und im Einzelfall ohne nochmalige Prüfung anwendbar. Bei der Subsumtion werde weder übermäßiges technisches Wissen noch die Kenntnis komplizierter rechtlicher Zusammenhänge gefordert. Ebensowenig erfordere die Tätigkeit des Klägers selbständige Leistungen im tariflichen Sinne. Seine Prüfungen erschöpften sich weitgehend in Sinnesfeststellungen, das benötigte Fachwissen sei eng und werde routinemäßig angewandt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung stattgegeben. Danach ist der Beklagte verpflichtet, den Kläger ab 10. August 1981 nach VergGr. V b BAT zu vergüten. Denn die Tätigkeit des Klägers erfordert gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen. Bei Beginn des Klagezeitraums hatte er sich in seiner Tätigkeit mehr als drei Jahre bewährt. Damit ist das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b Fallgruppe 1 c des allgemeinen Teils der Anlage 1 a zum BAT erfüllt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Vorschriften des BAT (VkA) als Vertragsrecht Anwendung. Danach kommt es für die Eingruppierung des Klägers darauf an, ob bei ihm zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die jeweils für sich die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. V b BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Hierbei ist als Arbeitsvorgang eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen (BAG 42, 29, 34 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen). Davon geht auch das Landesarbeitsgericht zutreffend aus.
Sodann nimmt das Landesarbeitsgericht für die Kontroll- und Überwachungstätigkeit des Klägers, die weitaus mehr als 50 v.H. seiner Gesamttätigkeit in Anspruch nimmt, einen einheitlichen Arbeitsvorgang an und rechnet hierzu auch die notwendigen Büroarbeiten als Zusammenhangstätigkeiten. Für diese Annahme des Landesarbeitsgerichts spricht viel. Arbeitsergebnis der Tätigkeit des Klägers ist insoweit die Kontrolle von Lebensmitteln in allen Gewerbebetrieben seines Bezirks auf Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Alle Einzelaufgaben des Klägers, die diesem Ziel dienen, einschließlich der Vorbereitungstätigkeiten und notwendigen Büroarbeiten, dürften als Kontrolltätigkeit nicht weiter aufspaltbar sein. Die Verwaltungsübung steht fest. Der Kläger übt als Lebensmittelkontrolleur in seinem Bezirk seine Tätigkeit alleinverantwortlich aus. Ein jüngerer Kollege, der ihm zugeordnet ist, leistet insoweit nur Hilfsarbeiten. Sein Tätigkeitsgebiet ist gegenüber seinen Arbeitskollegen durch den ihm zugewiesenen Bezirk abgegrenzt. Die Abgrenzung zu den Aufgaben seiner Vorgesetzten und der Untersuchungsämter, an die er Probenentnahmen weiterleitet, steht ebenfalls fest. Der Kläger hat insoweit Proben nicht chemisch oder physikalisch zu untersuchen. Nur diejenigen Aufgaben des Klägers, die von seiner übrigen Tätigkeit tatsächlich trennbar und rechtlich selbständig bewertbar sind, können zu einem besonderen Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden. Dies dürfte bei der Tätigkeit des Klägers nur für wenige Aufgaben mit unwesentlichen Zeitanteilen an der Gesamtarbeitszeit in Betracht kommen, z. B. für Amtshilfeersuchen (Nr. 8 der Tätigkeitsdarstellung). Letztlich kommt es aber auf die Festlegung der Arbeitsvorgänge nicht an, da das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für die gesamte Kontroll- und Überwachungstätigkeit des Klägers die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. V b Fallgruppe 1 c der Anlage 1 a zum BAT bejaht. Damit fallen bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge stets zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge an, die dem Tätigkeitsmerkmal der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 c entsprechen.
Für die Eingruppierung des Klägers sind die Tätigkeitsmerkmale der allgemeinen Fallgruppen für den Verwaltungsdienst maßgebend, da es spezielle tarifliche Tätigkeitsmerkmale für Lebensmittelkontrolleure nicht gibt. Die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher sind auf Lebensmittelkontrolleure nicht anwendbar. Gesundheitsaufseher haben aufgrund ihrer Ausbildung insbesondere im Bereiche der folgenden Dienstaufgaben der Gesundheitsämter mitzuwirken: Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten einschließlich der Geschlechtskrankheiten; Ortshygiene einschließlich der Schädlingsbekämpfung; Lebensmittelhygiene; Leichenschau und Leichenöffnungen (vgl. BAG Urteil vom 19. Oktober 1983 - 4 AZR 340/81 -, AP Nr. 80 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Eingruppierung als Gesundheitsaufseher nach den einschlägigen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen setzt ferner eine Prüfung für die Tätigkeit als Gesundheitsaufseher voraus, bei der es sich um eine staatliche Anerkennung nach vorangegangenem einjährigen Lehrgang mit anschließendem Praktikum oder um eine verwaltungseigene Prüfung handeln kann (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Bd. III, B/87.13 Rz 10). Der Kläger als Lebensmittelkontrolleur ist kein Gesundheitsaufseher in diesem Sinne und hat auch keine entsprechende Prüfung abgelegt. Damit können die Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher auf ihn nicht unmittelbar angewendet werden, mag auch der Beruf des Lebensmittelkontrolleurs aus dem Beruf des Gesundheitsaufsehers hervorgegangen sein. Unerheblich ist insoweit auch, ob Lebensmittelkontrolleure ebenso wie Gesundheitsaufseher organisatorisch dem Gesundheitsamt zugeordnet sind, wie dies z. B. im Lande Berlin zutrifft, oder dem Ordnungsamt oder einer anderen Behörde.
Trotz sachlicher Berührungspunkte mit den Aufgaben eines Gesundheitsaufsehers können für die Eingruppierung der Lebensmittelkontrolleure auch nicht im Wege einer tariflichen Lückenausfüllung die Tätigkeitsmerkmale für Gesundheitsaufseher in entsprechender Anwendung herangezogen werden. Eine Tariflücke im Bereiche der Vergütungsordnung des BAT kann nach ständiger Senatsrechtsprechung nur dann angenommen werden, wenn beim Fehlen spezieller Tätigkeitsmerkmale für die zu bewertende Tätigkeit auch eine Eingruppierung nach den allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst nicht möglich ist. Die allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst haben nach dem Willen der Tarifvertragsparteien eine Auffangfunktion und können daher auch für solche Aufgaben herangezogen werden, die nicht zu den eigentlichen behördlichen bzw. herkömmlichen Verwaltungsaufgaben im engeren Sinne zählen (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 21. März 1984 - 4 AZR 76/82 -, AP Nr. 89 zu §§ 22, 23 BAT 1975, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Demgemäß hat der Senat die allgemeinen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst angewendet auf Angestellte mit Aufgaben des Verfassungsschutzes (BAG Urteil vom 28. Oktober 1981 - 4 AZR 244/79 -, AP Nr. 54 zu §§ 22, 23 BAT 1975), den Leiter einer Musikschule mit verschiedenartigen Unterrichtsaufgaben (BAG Urteil vom 9. September 1981 - 4 AZR 59/79 -, AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Güteprüfer der Verteidigungsverwaltung im nichttechnischen Bereich (BAG Urteile vom 28. Mai 1980 - 4 AZR 461/78 -, AP Nr. 33 zu §§ 22, 23 BAT 1975, und vom 3. Juni 1981 - 4 AZR 1118/78 -, AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Materialkontrollmeister der Bundeswehrverwaltung (BAG Urteil vom 29. September 1982 - 4 AZR 1172/79 -, BAG 40, 183 = AP Nr. 67 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Grafiker mit medizinischen und veterinärmedizinischen Aufgabenstellungen (BAG Urteile vom 26. September 1979 - 4 AZR 1008/77 -, AP Nr. 26 zu §§ 22, 23 BAT 1975, und vom 4. Oktober 1981 - 4 AZR 225/79 -, AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT 1975), Dokumentare mit nichttechnischen Dokumentationsaufgaben (BAG Urteile vom 9. Februar 1972 - 4 AZR 153/71 -, AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT, und vom 19. März 1975 - 4 AZR 265/74 -, AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT), Angestellte, die bei einem Naturschutzzentrum Ausstellungsmaterial herstellen und bei der Vorbereitung und Durchführung entsprechender Ausstellungen mitwirken (BAG Urteil vom 21. März 1984 - 4 AZR 76/82 -, AP Nr. 89 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) sowie auf Angestellte mit Ausbildungsaufgaben im Bereiche der Justizverwaltungen und bei Katastrophenschutzschulen (BAG 25, 268, 273 = AP Nr. 72 zu §§ 22, 23 BAT; BAG Urteile vom 26. Januar 1972 - 4 AZR 104/71 -, AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT, und vom 31. März 1982 - 4 AZR 1099/79 -, AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975), ferner auf Betreuer ausländischer Studenten an einer Universität (BAG Urteil vom 23. Mai 1979 - 4 AZR 576/77 -, AP Nr. 24 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Bei allen diesen Aufgaben besteht trotz ihrer Spezialität ein unmittelbarer Bezug zu den eigentlichen Aufgaben der betreffenden Dienststellen, Behörden und Institutionen. Nur wenn es hieran fehlt, wie z. B. bei Küchenmeistern in Truppenküchen der Bundeswehr (vgl. BAG 32, 364 = AP Nr. 31 zu §§ 22, 23 BAT 1975) oder bei Angestellten, die in Schulen vor, während und nach dem Unterricht körperbehinderte Kinder betreuen (vgl. BAG Urteil vom 18. Mai 1983 - 4 AZR 539/80 -, AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975), hat der Senat eine Tariflücke angenommen.
Bei der Tätigkeit eines Lebensmittelkontrolleurs handelt es sich um eine polizeiliche (ordnungsbehördliche) Aufgabe. Dies wird besonders deutlich dadurch, daß aufgrund der Untersuchungen und Kontrollen des Klägers ordnungsbehördliche Maßnahmen gegen die betreffenden Gewerbebetriebe entweder vom Kläger selbst oder - in schwerwiegenderen Fällen - von seiner Behörde ergriffen werden können. Damit ist der Bezug zu dem eigentlichen Aufgabengebiet der Dienststelle des Klägers hergestellt. Insoweit läßt sich die Tätigkeit des Klägers durchaus mit der Tätigkeit einer Politesse vergleichen, die ebenfalls im Außendienst polizeiliche Kontrolltätigkeiten ausführt und auf die der Senat die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst angewendet hat (BAG Urteil vom 24. August 1983 - 4 AZR 32/81 -, AP Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Die Aufgaben des Klägers haben zwar Berührungspunkte zur ärztlichen Tätigkeit, wenn er Messungen vorzunehmen und Proben zu untersuchen hat. Insoweit obliegen dem Kläger aber nur ganz einfache Prüfungen, während die eigentlichen Untersuchungen von den Fachleuten (Untersuchungsämtern) durchgeführt werden, so daß die Tätigkeit des Klägers nicht als medizinische Tätigkeit angesehen werden kann. Ebensowenig haben die vom Kläger vorzunehmenden einfachen physikalischen und chemischen Messungen trotz ihres technischen Bezugs technischen Charakter, so daß auch eine Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für technische Angestellte auf den Kläger ausscheidet. Für den Kläger steht vielmehr die ordnungsbehördliche Überprüfung aufgrund bestimmter Vorschriften zur Lagerung und zum Inverkehrbringen von Lebensmitteln im Vordergrund seiner Tätigkeit. Diese polizeiliche Aufgabe wird von den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst erfaßt.
Der Senat verkennt nicht, daß es zweckmäßig wäre, wenn für Lebensmittelkontrolleure - ebenso wie für Gesundheitsaufseher - spezielle Tätigkeitsmerkmale beständen. Solche Tätigkeitsmerkmale zu schaffen ist aber allein Aufgabe der Tarifvertragsparteien. Solange diese keine speziellen tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Lebensmittelkontrolleure normieren, sind die Lebensmittelkontrolleure nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst einzugruppieren. Die von der Mitgliederversammlung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am 5. Juli 1977 beschlossenen Richtlinien für die Eingruppierung der Lebensmittelkontrolleure haben als einseitige Willenserklärung einer Tarifvertragspartei keine tarifrechtliche Wirkung.
Danach sind für die Eingruppierung des Klägers folgende allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst heranzuziehen:
VergGr. V b Fallgruppe 1 c BAT (VkA):
-------------------------------------
Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen
Innendienst und im Außendienst, deren Tätig-
keit gründliche und vielseitige Fachkenntnis-
se und selbständige Leistungen erfordert,
nach dreijähriger Bewährung in VergGr. V c
Fallgruppe 1 b.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkennt-
nisse brauchen sich nicht auf das gesamte Ge-
biet der Verwaltung (des Betriebes), bei der
der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen.
Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber
so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhanden-
sein gründlicher und vielseitiger Fachkennt-
nisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.
Selbständige Leistungen erfordern ein den
vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechen-
des selbständiges Erarbeiten eines Ergebnis-
ses unter Entwicklung einer eigenen geisti-
gen Initiative; eine leichte geistige Arbeit
kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)
VergGr. V c Fallgruppe 1 b BAT (VkA):
-------------------------------------
Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen
Innendienst und im Außendienst, deren Tätig-
keit gründliche und vielseitige Fachkenntnis-
se und selbständige Leistungen erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkennt-
nisse brauchen sich nicht auf das gesamte Ge-
biet der Verwaltung (des Betriebes), bei der
der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen.
Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber
so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhanden-
sein gründlicher und vielseitiger Fachkennt-
nisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.
Selbständige Leistungen erfordern ein den
vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechen-
des selbständiges Erarbeiten eines Ergebnis-
ses unter Entwicklung einer eigenen geisti-
gen Initiative; eine leichte geistige Arbeit
kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)
Der Kläger erfüllt die Anforderungen der VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 b. Er ist sowohl (überwiegend) im Außendienst als auch im Bürodienst tätig. Rechtsfehlerfrei und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß die Tätigkeit des Klägers gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie selbständige Leistungen erfordert.
Das Landesarbeitsgericht geht vom zutreffenden Rechtsbegriff der gründlichen Fachkenntnisse aus, wenn es hierfür nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. fordert (vgl. BAG Urteil vom 29. August 1984 - 4 AZR 338/82 -, AP Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975). An den Begriff der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse stellt es demgegenüber eher zu strenge Anforderungen, wenn es gegenüber den gründlichen Fachkenntnissen eine gewisse qualitative und quantitative Steigerung nach Tiefe und Breite fordert, weil nach der Senatsrechtsprechung eine Erweiterung der Fachkenntnisse dem Umfange, d. h. der Quantität nach, allein genügt (BAG Urteil vom 29. August 1984 - 4 AZR 338/82 -, AP Nr. 94 zu §§ 22, 23 BAT 1975 mit weiteren Nachweisen), während eine Steigerung nach Tiefe und Breite erst Merkmal der gründlichen, umfassenden Fachkenntnisse im Sinne der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 a ist (vgl. BAG Urteil vom 19. März 1975 - 4 AZR 265/74 -, AP Nr. 85 zu §§ 22, 23 BAT mit weiteren Nachweisen). Dieser Fehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich aber nicht zum Nachteil des Klägers aus, da das Landesarbeitsgericht selbst unter Zugrundelegung der zu strengen Anforderungen an den Begriff der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse die Erfüllung dieser Anforderungen durch den Kläger rechtsfehlerfrei bejaht. Das Landesarbeitsgericht verweist insoweit auf die für die Lebensmittelkontrolleure nach der Lebensmittelkontrolleurverordnung vom 16. Juni 1977 (BGBl. I S. 1002) vorgesehene Dauer der Ausbildung von 24 Monaten und die dort vermittelten Kenntnisse auf den verschiedensten Rechts- und Sachgebieten (vgl. § 3 Abs. 2 Lebensmittelkontrolleurverordnung). Aus der Tatsache, daß der Kläger seine Aufgabe als Lebensmittelkontrolleur voll erfüllt, schließt das Landesarbeitsgericht sodann, er besitze auch die entsprechenden Kenntnisse, obwohl er selbst einen Lehrgang für Lebensmittelkontrolleure nicht absolviert habe, weil ihm dies nach der Übergangsvorschrift des § 6 Abs. 2 Lebensmittelkontrolleurverordnung erlassen war.
Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht aus der Tätigkeit des Klägers als Lebensmittelkontrolleur auf entsprechende Kenntnisse schließt und aus den nach der Lebensmittelkontrolleurverordnung im Rahmen der Ausbildung zu vermittelnden Kenntnissen auch auf die Notwendigkeit dieser Kenntnisse für die Tätigkeit als Lebensmittelkontrolleur. Denn der Kläger ist mit sämtlichen Aufgaben eines Lebensmittelkontrolleurs befaßt, die in § 1 Abs. 2 der Lebensmittelkontrolleurverordnung erwähnt sind. Solche Rückschlüsse aus der ausgeübten Tätigkeit auf einschlägige Fähigkeiten und Erfahrungen sind nach ständiger Senatsrechtsprechung rechtlich möglich (vgl. BAG Urteil vom 13. Dezember 1978 - 4 AZR 322/77 -, AP Nr. 12 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Revision greifen nicht durch; sie betreffen nur die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts. Insoweit hat sich das Landesarbeitsgericht im Rahmen seines Beurteilungsspielraums gehalten. Die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts ist nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder ob die Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist (BAG 32, 203, 206 f. = AP Nr. 1 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz). Solche Rechtsfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Im übrigen verkennt die Revision, daß die Notwendigkeit der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT nur bei einer Gesamtbetrachtung festgestellt werden kann, so daß es genügt, wenn die vom Kläger benötigten Fachkenntnisse insgesamt als gründlich und vielseitig angesehen werden können. Es ist dann entgegen der Auffassung der Revision unerheblich, ob der Kläger bei der Wahrnehmung einzelner Aufgaben jeweils gründliche und vielseitige Fachkenntnisse einzusetzen hat. Entscheidend ist vielmehr nach dem Sinn der tariflichen Regelung, daß er gründliche und vielseitige Fachkenntnisse überhaupt anzuwenden und damit vorzuhalten hat, um sie jederzeit zur Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit einsetzen zu können.
Auch beim Begriff der selbständigen Leistungen geht das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff aus, wenn es unter Anknüpfung an den Klammerzusatz zu den VergGrn. V b und V c eine Gedankenarbeit fordert, die im Rahmen der vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges und des Ergebnisses der Überlegungen eine eigene Beurteilung und eigene Entschließung enthält, die sich nicht nur als leichte geistige Arbeit darstellt. Ausgehend von diesem zutreffend bestimmten Rechtsbegriff bejaht das Landesarbeitsgericht für die gesamte Überwachungs- und Kontrolltätigkeit des Klägers selbständige Leistungen. Es begründet dies damit, daß der Kläger die zu überprüfenden Betriebe zu bestimmen habe, die Art und Weise der Überprüfung ebenso wie die Hilfsmittel der Untersuchungen, die er für erforderlich halte, sowie die Maßnahmen, die im Hinblick auf die jeweiligen Untersuchungsbefunde zu treffen sind (Einschaltung von Untersuchungsämtern, Verwarnungen, vorläufige Betriebsschließungen). Der Kläger habe insoweit jeweils eigene Entscheidungen zu treffen. Er habe auch zu entscheiden, ob eine bloße Sinnesprüfung bei der Kontrolle von Lebensmitteln ausreiche, ob physikalische und chemische Vorprüfungen einfacher Art, Messungen und Probenentnahmen vorzunehmen seien, ob weitere Ermittlungen zu treffen seien, wie die Einholung von Auskünften, die Überprüfung von Geschäftsunterlagen usw.. Die Proben müßten gezielt entnommen werden. Hierbei habe der Kläger einen weiten Ermessensspielraum. Sinnliche Wahrnehmungen bedürften einer fachlichen Bewertung, die aufgrund des Vorhaltewissens und der spezifischen Fachkunde des Lebensmittelkontrolleurs, der aufgrund dieser Fachkunde wesentliche von unwesentlichen Erkenntnissen zu trennen habe, zu treffen sei.
Mit dieser Begründung konnte das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei selbständige Leistungen für die gesamte Überwachungs- und Kontrolltätigkeit des Klägers bejahen. Auch insoweit wendet sich die Revision nur gegen die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts und will ihre eigene Bewertung an die Stelle der Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht setzen. Das ist aber revisionsrechtlich nicht möglich. Denn Rechtsfehler, d. h. Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze oder Außerachtlassung wesentlicher Umstände, sind dem Landesarbeitsgericht nicht unterlaufen. Die Subsumtion des Landesarbeitsgerichts ist im übrigen lebensnah und sachgerecht.
Die Anforderungen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 1 c werden vom Kläger ebenfalls erfüllt, da er bei Beginn des Klagezeitraums (10. August 1981) sich bereits mehr als drei Jahre in seiner nach VergGr. V c BAT Fallgruppe 1 b bewerteten Tätigkeit bewährt hatte.
Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Feller hat Urlaub Dr. Etzel
Dr. Neumann
Hauk Engert
Fundstellen
AP Nr 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975 (LT1) |
PersR 1988, 230-234 (LT1) |
RiA 1986, 176-177 (T) |