Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewährungsaufstieg bei Teilzeitbeschäftigung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 14.9.1988 - 4 AZR 351/88.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1972 bei der Beklagten im Justizdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Die Klägerin arbeitete die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten. Seit dem 1. Oktober 1976 wurde sie als Protokollführerin beim Landgericht eingesetzt und erhält Vergütung nach VergGr. VII BAT.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß ihr seit dem 1. November 1985 Vergütung nach VergGr. VI b BAT zustehe. Ihre Tätigkeit erfülle seit diesem Zeitpunkt das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VI b Fallgruppe 2, Teil I der Anlage 1 a zum BAT, da sie sich neun Jahre in einer Tätigkeit der VergGr. VII Fallgruppe 42 c, Teil I der Anlage 1 a zum BAT bewährt habe. Zwar sei nach § 23 a Nr. 6 BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung (a.F.) entsprechend ihrer Arbeitszeit seit dem 1. Oktober 1976 nur die Hälfte der Zeit bis zum 31. Oktober 1985 auf die Bewährungszeit anzurechnen, diese tarifliche Bestimmung sei jedoch unwirksam. Das Erfordernis der doppelten Bewährungszeit für Angestellte, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt seien, bewirke eine nach Art. 119 EWG-Vertrag in Verbindung mit der Richtlinie des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (75/117/EWG) unzulässige mittelbare Diskriminierung von Frauen. Da 90 v. H. im öffentlichen Dienst entsprechend teilzeitbeschäftigte Angestellte Frauen seien, erhielten diese für das 10. bis 18. Beschäftigungsjahr trotz inhaltlich gleicher, wenn auch quantitativ geringerer Arbeitsleistung eine überproportional geringere Vergütung als vollzeitbeschäftigte Angestellte. Für diese Ungleichbehandlung liege kein sachlicher Grund vor, da die tarifliche Bestimmung letztlich nur an die Betriebszugehörigkeit anknüpfe. § 23 a Nr. 6 BAT a. F. verstoße darüber hinaus gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, den Grundsatz der Lohngleichheit nach Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG und das Benachteiligungsverbot bei der Bemessung der Vergütung von Frauen nach § 612 Abs. 3 i. V. mit § 611 a BGB. Außerdem verbiete Art. 1 § 2 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes die unterschiedliche Behandlung von teil- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Aus den die Gleichbehandlung von Männern und Frauen gebietenden, der tariflichen Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. übergeordneten Rechtsnormen folge, daß auch die Beschäftigungszeiten von Angestellten, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt seien, in vollem Umfange auf die Bewährungszeit anzurechnen seien. Zumindest müßten die entscheidungserheblichen Rechtsfragen dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag vorgelegt werden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
ihr ab 1. November 1985 eine Vergütung nach
VergGr. VI b Fallgruppe 2 BAT zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den Zeit-
raum vom 1. November 1985 bis zum 31. Oktober 1986
1.486,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem
1. Mai 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zustehe. Die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Die unterschiedliche Bemessung der Bewährungszeiten bei teil- bzw. vollzeitbeschäftigten Angestellten sei sachlich gerechtfertigt. Die Bewährung sei erst nach Ablauf der tariflich vorgesehenen Zeit bei voller Arbeitsleistung feststellbar. Demgemäß sei die Bewährungszeit bei teilzeitbeschäftigten Angestellten zu verlängern, wobei der Umfang der Bewährungszeit von den Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie bestimmt werde. Diese Regelung enthalte auch keine Diskriminierung von Frauen, weil teilzeitbeschäftigte Männer in gleicher Weise betroffen seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision, wobei sie ihren Feststellungsantrag auf die Zeit ab 1. November 1986 und ihren Zinsanspruch auf Rechtshängigkeitszinsen (seit dem 5. Dezember 1986) beschränkt hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VI b BAT ab 1. November 1985 nicht zu. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VI b BAT Fallgruppe 2, da sich die Klägerin noch nicht neun Jahre in einer Tätigkeit der VergGr. VII BAT Fallgruppe 42 c bewährt hat. Die Bewährungszeit berechnet sich nach § 23 a Nr. 6 BAT a. F., so daß entsprechend der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin nur die Hälfte der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 31. Oktober 1985 auf die Bewährungszeit anrechenbar ist. Die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Der Einholung einer Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof über die Auslegung Europäischen Gemeinschaftsrechts bedarf es nicht, weil der Senat der Auslegung des Art. 119 EWG-Vertrag durch den Europäischen Gerichtshof folgt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) als Vertragsrecht Anwendung. Damit hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausfüllende Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihr für sich beanspruchten Vergütungsgruppe VI b BAT entsprechen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Unterabsatz 1 und Unterabsatz 2 Satz 1 BAT). Dabei ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorganges auszugehen, wonach darunter eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten zu verstehen ist (vgl. BAGE 51, 59, 65; 282, 287; 356, 360 = AP Nrn. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1976 als Protokollführerin beim Landgericht eingesetzt. Den Aufgabenbereich einer Protokollführerin haben die Tarifvertragsparteien in VergGr. VII BAT Fallgruppe 42 c zu einem eigenständigen Tätigkeitsmerkmal erhoben. Demgemäß ist die gesamte von der Klägerin in diesem Aufgabenbereich auszuübende Tätigkeit zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen und der tariflichen Bewertung zugrunde zu legen (vgl. BAG Urteil vom 25. März 1981 - 4 AZR 1026/78 - AP Nr. 43 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Dieser Arbeitsvorgang erfüllt das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VII BAT Fallgruppe 42 c, wonach Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VII BAT haben:
"Protokollführer bei Gerichten oder Staatsanwalt-
schaften"
Da dieses Tätigkeitsmerkmal mit dem Hinweiszeichen * versehen ist, findet auf die Tätigkeit der Klägerin das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VI b BAT Fallgruppe 2 Anwendung. Dieses hat folgenden Wortlaut:
"Angestellte, die nach den mit Hinweiszeichen *
gekennzeichneten Tätigkeitsmerkmalen in der
VergGr. VII eingruppiert sind, nach neunjähriger
Bewährung in einer Tätigkeit der VergGr. VII."
Für die Berechnung der Bewährungszeit bestimmt § 23 a Nr. 6 BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung:
"Bewährungszeiten, in denen der Angestellte regel-
mäßig mit mindestens drei Viertel der regelmäßigen Ar-
beitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten
Angestellten beschäftigt war, werden voll, Bewäh-
rungszeiten, in denen er mit mindestens der Hälfte
der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt war, werden
zur Hälfte angerechnet."
Nach dieser tariflichen Bestimmung erfüllt die Klägerin nicht die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. VI b BAT Fallgruppe 2 ab 1. November 1985. Da sie seit dem 1. Oktober 1976 die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. VII BAT Fallgruppe 42 c erfüllte, jedoch nur mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt wurde, ist nach § 23 a Nr. 6 BAT a. F. auch nur die Hälfte der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 31. Oktober 1985 auf die Bewährungszeit anrechenbar. Die tariflich geforderte neunjährige Bewährungszeit wurde durch die Klägerin mithin ab 1. November 1985 noch nicht erreicht.
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. gegen Art. 119 EWG-Vertrag in Verbindung mit der Richtlinie 75/117/EWG verstoße und deshalb nach § 134 BGB rechtsunwirksam sei. Die Verdoppelung der Bewährungszeit für teilzeitbeschäftigte Angestellte, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt seien, bewirke eine mittelbare Diskriminierung von Frauen. Mehr als 90 v. H. der teilzeitbeschäftigten Angestellten im öffentlichen Dienst seien Frauen, so daß durch die tarifliche Regelung über die Berechnung der Bewährungszeit wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen seien. Diese erhielten mithin vom 10. bis zum 18. Beschäftigungsjahr eine vergleichsweise geringere Vergütung als Männer. Objektiv rechtfertigende Gründe für diese Ungleichbehandlung lägen nicht vor. Es bedürfe nicht der Verdoppelung der Bewährungszeit um festzustellen, ob ein teilzeitbeschäftigter Angestellter den Anforderungen, die seine Tätigkeit an ihn stelle, gewachsen sei. Auch erlange ein langjährig nur halbtags beschäftigter Angestellter keine geringere Erfahrung als ein ganztags beschäftigter Angestellter. Die durch § 23 a Nr. 6 BAT a. F. bewirkte, nach Europäischem Gemeinschaftsrecht unzulässige Differenzierung zwischen Männern und Frauen könne nur dadurch ausgeglichen werden, daß auch bei Angestellten, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt seien, die Beschäftigungszeit in vollem Umfange auf die Bewährungszeit anzurechnen sei. Ob § 23 a Nr. 6 BAT a. F. darüber hinaus gegen Bundesrecht verstoße, könne dahingestellt bleiben.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr.6 BAT a. F. verstößt hinsichtlich der Berechnung der Bewährungszeit bei Angestellten, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt sind, nicht gegen höherrangiges Recht.
Soweit die Klägerin ihr Klagebegehren auf Europäisches Gemeinschaftsrecht stützt (Art. 119 EWG-Vertrag i. V. mit der Richtlinie 75/117/EWG), ist der Senat nicht nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag verpflichtet, die Sache dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung über die Auslegung der Vorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts vorzulegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besteht eine Vorlagepflicht nicht, wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst wird und das angerufene Gericht sich dieser Rechtsauffassung anschließt (EuGH Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81, Slg. 1982, 3415, 3429; Grabitz/Wohlfahrt, Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 177 Rz 54; Daig in: v.d. Groeben/v. Boeckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl. Band 2, Art. 177 Rz 43; Dausis, Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWG-Vertrag, S. 74 f., m.w.N.).
Dies ist vorliegend der Fall. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur mittelbaren Diskriminierung von Frauen durch die Gewährung eines verhältnismäßig geringeren Arbeitsentgelts an teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer als an die entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmer.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entfaltet der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen nach Art. 119 EWG-Vertrag, der in der Richtlinie 75/117/EWG konkretisiert ist (EuGH Urteil vom 11. März 1981 - Rs 69/80 -, Slg. 1981, 767, 791; Steindorff, RdA 1988, 129, 132 m.w.N.), unmittelbare Wirkung in den Mitgliedsstaaten, wenn festgestellt werden kann, daß die Gewährung eines geringeren Stundenlohnes für Teilzeitarbeitnehmer als für Vollzeitarbeitnehmer eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt (EuGH Urteil vom 31. März 1981 - Rs 96/80 - AP Nr. 2 zu Art. 119 EWG-Vertrag m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn von der Maßnahme wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen werden, ohne daß dies auf Faktoren beruht, die objektiv gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (EuGH Urteil vom 13. Mai 1986 - Rs 170/84 - AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag).
Nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts eine Versorgungsregelung beurteilt, die Teilzeitbeschäftigte generell ausnahm oder eine 15-jährige Wartezeit verlangte, die nur Vollzeitbeschäftigte erfüllen konnten. Der Dritte Senat hat dabei einen unmittelbaren Anspruch der betroffenen Arbeitnehmerinnen auf Beachtung des Lohngleichheitsgebots angenommen und entgegenstehende Regelungen nach § 134 BGB als nichtig angesehen (BAGE 46, 71, 76 = AP Nr. 3 zu Art. 119 EWG-Vertrag; BAGE 53, 161, 167 = AP Nr. 11 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Vorliegend kommt es darauf an, ob die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. in bezug auf die unterschiedliche Berechnung der Bewährungszeiten bei teil- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern den Erfordernissen des Lohngleichheitsgebotes, wie sie vom Europäischen Gerichtshof aufgestellt worden sind, entspricht. Dabei geht der Senat davon aus, daß sich die unmittelbare Geltung des Lohngleichheitsgebots nach Art. 119 EWG-Vertrag auch auf tarifliche Regelungen erstreckt, wie dies in der Erläuterung des Art. 119 EWG-Vertrag durch die Richtlinie 75/117/EWG (Art. 4) ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. EuGH Urteil vom 8. April 1976 - Rs 43/75 -, Slg. 1971, 445, 476 = NJW 1976, 2068, 2069; vgl. auch Pfarr/Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz, Rz 310 ff.), obgleich der BAT vorliegend zwischen den Parteien nicht aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) gilt, sondern als Vertragsrecht Anwendung findet. Die Bezugnahme auf den BAT im Arbeitsvertrag der Klägerin soll aber nur das widerspiegeln, was tarifrechtlich ohnehin gilt.
Für den Anspruchszeitraum ab 1. November 1985 muß im Hinblick auf die unmittelbare Geltung des Art. 119 EWG-Vertrag und den Ablauf der Anpassungsfrist in Art. 8 der Richtlinie 75/117/EWG auch außer Betracht bleiben, daß die Tarifvertragsparteien die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT ab 1. Januar 1988 durch den 59. Änderungstarifvertrag vom 12. November 1987 in der Weise geändert haben, daß die Beschäftigungszeit von Angestellten mit mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten von diesem Zeitpunkt an in vollem Umfange auf die Bewährungszeit angerechnet wird.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstößt § 23 a Nr. 6 BAT a. F., soweit er für Angestellte, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt werden, nur eine Anrechnung der Beschäftigungszeit auf die Bewährungszeit zur Hälfte vorsieht, jedoch nicht gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß die tarifliche Regelung für die betroffenen Arbeitnehmer, die in VergGr. VII BAT Fallgruppe 42 c eingruppiert sind, für das 10. bis 18. Beschäftigungsjahr zu einer geringeren Vergütung führt, als sie dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zu der Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht, weil sie für diesen Zeitraum nur anteilige Vergütung aus VergGr. VII BAT, nicht aber aus VergGr. VI b BAT erhalten. Von dieser tariflichen Regelung sind nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen. Die tarifliche Regelung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wie der Senat selbst zu überprüfen hat (EuGH Urteil vom 31. März 1981 - Rs 96/80 - AP Nr. 2 zu Art. 119 EWG-Vertrag), objektiv gerechtfertigt und beruht nicht auf Faktoren, die mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.
Der Senat hat bei einer tariflichen Regelung, die eine Verdoppelung der Bewährungszeit in bezug auf die Gewährung einer Zulage für Angestellte im Schreibdienst für Halbtagskräfte vorsah, das stark divergierende tatsächliche Arbeitspensum zwischen halbtags und mit der vollen Arbeitszeit beschäftigten Angestellten als sachlich gerechtfertigten Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung und deren Ausgestaltung im Bereich der tariflichen Gestaltungsfreiheit liegend angesehen (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 578/80 - AP Nr. 16 zu § 23 a BAT). Diese Auffassung ist auf Kritik gestoßen. So hat insbesondere Pfarr (Anm. zu AP Nr. 16 zu § 23 a BAT, vgl. auch Bertelsmann/Rust, RdA 1985, 150, 154; Wank, RdA 1985, 1, 16) die Auffassung vertreten, daß die Tarifvertragsparteien bei der Gewährung einer höheren Vergütung an Angestellte im Schreibdienst nach Ablauf der Bewährungszeit allein an die beanstandungsfreie Erbringung der arbeitsvertraglichen Leistungen über einen bestimmten Zeitraum anknüpfen. Dies müsse jedoch bei teil- und vollzeitbeschäftigten Angestellten gleichermaßen gelten. Allein der unterschiedliche Arbeitsumfang während dieses Zeitraums rechtfertige keine Differenzierung zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern, wie dies auch der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 38, 232, 241 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung) ausgesprochen habe. Im übrigen sei es unangemessen, wenn die Tarifvertragsparteien für Halbtagsbeschäftigte im Schreibdienst eine Bewährungszeit von 24 Jahren vorsähen, die von teilzeitbeschäftigten Frauen in der Regel nicht erfüllt werden könne.
Mit dieser Kritik wird jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, daß die Tarifvertragsparteien bei den tariflichen Regelungen über den Bewährungsaufstieg nicht nur an die beanstandungsfreie Erfüllung der vertraglichen Leistungen während der Bewährungszeit anknüpfen. Nach § 23 a Nr. 1 BAT ist das Erfordernis der Bewährung erfüllt, wenn der Angestellte während der vorgeschriebenen Bewährungszeit sich den in der ihm übertragenen Tätigkeit auftretenden Anforderungen gewachsen gezeigt hat. Daraus hat der Senat gefolgert (BAGE 47, 253, 258 = AP Nr. 102 zu §§ 22, 23 BAT 1975), daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß ein Angestellter im Laufe der Zeit innerhalb seines Aufgabengebietes Fähigkeiten und Fertigkeiten durch seine Tätigkeit hinzugewinnt, die seine persönliche Qualifikation erhöhen und eine Höhergruppierung rechtfertigen. Damit honorieren die Tarifvertragsparteien ein erhöhtes und vertieftes Erfahrungswissen. Die Tarifvertragsparteien setzen bei der Festsetzung bestimmter Bewährungszeiten und damit der Zeiten, die sie für die Erwerbung des Erfahrungswissens, das eine höhere Vergütung rechtfertigt, für erforderlich halten, allerdings einen vollbeschäftigten Angestellten voraus. Sie gehen damit notwendig auch von einer entsprechend langen Bewährung während der Arbeitszeit des vollbeschäftigten Angestellten aus. Die Erfahrung, die ein vollbeschäftigter Angestellter während der festgesetzten Bewährungszeit innerhalb seiner Arbeitszeit gewinnen kann und die nach dem Willen der Tarifvertragsparteien im Einzelfalle seine Höhergruppierung kraft Bewährung rechtfertigt, kann ein teilzeitbeschäftigter Angestellter mit entsprechend langer Bewährungszeit jedoch erst nach einem längeren Zeitraum gewinnen, da ihm weniger wöchentliche Arbeitszeit zur Erlangung eines entsprechend erhöhten und vertieften Erfahrungswissens zur Verfügung steht. Dies rechtfertigt die tarifliche Pauschalregelung in § 23 a Nr. 6 BAT a. F., wonach bei einem Angestellten, der mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt ist, die Beschäftigungszeit nur zur Hälfte auf die Bewährungszeit anzurechnen ist.
Indem die Tarifvertragsparteien an das von dem Angestellten während der Bewährungszeit zusätzlich erworbene Erfahrungswissen anknüpfen, treffen sie keine Differenzierung zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten Angestellten, die allein auf den unterschiedlichen Arbeitsumfang abstellt, sondern honorieren mit der höheren Vergütung eine höhere Qualifikation des Angestellten. Diese höhere Qualifikation stellt somit eine sachliche Rechtfertigung für die höhere Vergütung bei vollzeitbeschäftigten Angestellten gegenüber teilzeitbeschäftigten Angestellten nach Ablauf der Bewährungsfrist dar. Dies hat nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun. Die Differenzierung zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten Angestellten bei der Berechnung der Bewährungszeit durch die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. verstößt damit auch unter Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht gegen Art. 119 EWG-Vertrag.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist es darüber hinaus den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, die tariflichen Regelungen über den Bewährungsaufstieg daraufhin zu überprüfen, ob die Dauer der Bewährungszeit im Hinblick auf die auszuübende Tätigkeit von den Tarifvertragsparteien angemessen bemessen worden ist und die Tarifvertragsparteien zu Recht davon ausgehen, daß von teilzeitbeschäftigten Angestellten das einem vollbeschäftigten Angestellten entsprechende Erfahrungswissen erst nach der doppelten Bewährungszeit erworben wird. Die Gerichte für Arbeitssachen haben die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie zu achten. Zu ihren Aufgaben gehört es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht, tarifliche Regelungen auf ihre Zweckmäßigkeit und ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB zu überprüfen (BAGE 48, 65, 73 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie; Urteil vom 20. August 1986 -4 AZR 256/85 - AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; Urteil vom 20. April 1988 - 4 AZR 646/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Demgemäß hat der Senat vorliegend nicht darüber zu befinden, ob Protokollführer/Protokollführerinnen bei Gerichten oder Staatsanwaltschaften, die in VergGr. VII BAT Fallgruppe 42 c eingruppiert sind, erst nach neun Jahren ein Erfahrungswissen erwerben, das eine Höhergruppierung nach VergGr. VI b BAT Fallgruppe 2 rechtfertigt. Gleichermaßen ist es dem Senat verwehrt zu beurteilen, ob bei Angestellten im Protokolldienst, die mit mindestens der Hälfte bis zu 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt werden, dieses Erfahrungswissen erst nach 18 Jahren vorliegt. Dies sind Entscheidungen, die im Rahmen der tariflichen Gestaltungsfreiheit liegen und die anders als einseitige Leistungsbestimmungen durch den Arbeitgeber nicht auf ihre Billigkeit nach § 315 Abs. 3 BGB zu überprüfen sind. Deshalb kann aus der Neuregelung der Anrechnung von Beschäftigungszeiten teilzeitbeschäftigter Angestellter auf die Bewährungszeit ab 1. Januar 1988 auch nicht der Schluß gezogen werden, daß die Tarifvertragsparteien die tarifliche Regelung dem Europäischen Gemeinschaftsrecht anpassen und eine Diskriminierung für die Zukunft beseitigen wollten. Die Neuregelung ab 1. Januar 1988 beruht nicht auf rechtlichen Gesichtspunkten, sondern vielmehr auf der tarifpolitischen Erwägung, die Teilzeitarbeit durch Verbesserung der Vergütungsregelung zu fördern (vgl. Informationen zu den Manteltarifverhandlungen in: ZTR 1987, 115, 275; Bekanntmachung des Bundesministers des Innern vom 23. November 1987, GMBl. 1988, Nr. 3, S. 55).
Die tarifliche Bestimmung des § 23 a Nr. 6 BAT a. F. verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen diesen Verfassungsgrundsatz kommt nur dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumen, bei der Normierung tariflicher Vorschriften tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise hätten Berücksichtigung finden müssen (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 578/80 - AP Nr. 16 zu § 23 a BAT; BAGE 42, 231, 237 = AP Nr. 71 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 37, 73, 81 = AP Nr. 1 zu § 29 BAT). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Die Tarifvertragsparteien handeln im Rahmen ihrer tariflichen Gestaltungsfreiheit weder unsachlich noch willkürlich, wenn sie im Hinblick auf das von ihnen geforderte Erfahrungswissen den Bewährungsaufstieg für teil- und vollzeitbeschäftigte Angestellte unterschiedlich und nach näherer tariflicher Maßgabe pauschaliert regeln (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 578/80 - AP Nr. 16 zu § 23 a BAT).
Die tarifliche Regelung über die Anrechnung von Beschäftigungszeiten von teil- und vollzeitbeschäftigten Angestellten auf die Bewährungszeit in § 23 a Nr. 6 BAT a. F. verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG. Nach Art. 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Art. 3 Abs. 3 GG bestimmt, daß niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Dieses verfassungsrechtliche Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen konkretisiert den allgemeinen Gleichheitssatz und verbietet, daß der Geschlechtsunterschied einen beachtlichen Grund für Differenzierungen im Recht abgeben kann (BVerfGE 68, 384, 390; 57, 335, 342; 52, 369, 374; BAGE 50, 137, 141 = AP Nr. 136 zu Art. 3 GG; BAGE 38, 232, 242 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung m.w.N.). Die tarifliche Regelung in § 23 a Nr. 6 BAT a. F. unterscheidet nicht unmittelbar zwischen Männern und Frauen. Sie diskriminiert Frauen auch nicht mittelbar dadurch, daß die Anrechnung von Beschäftigungszeiten auf die Bewährungszeit für teil- und vollzeitbeschäftigte Angestellte nach näherer tariflicher Maßgabe unterschiedlich geregelt ist. Diese unterschiedliche Regelung beruht auf der unterschiedlichen Erlangung des von den Tarifvertragsparteien für die höhere Vergütung als maßgeblich angesehenen Erfahrungswissens durch Teil- und Vollzeitarbeit. Damit liegt ein Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG folgenden Grundsatz der Lohngleichheit von Männern und Frauen nicht vor.
Aus diesem Grunde verstößt die tarifliche Regelung auch nicht gegen die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 611 a Abs. 1, 612 Abs. 3 BGB, in denen der Grundsatz der Lohngleichheit von Männern und Frauen ausdrücklich durch einfaches Bundesrecht normiert ist.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist auch nach den gesetzlichen Bestimmungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes nicht begründet. Nach Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die unterschiedliche Anrechnung von Beschäftigungszeiten teil- und vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer auf die Bewährungszeit nach § 23 a Nr. 6 BAT a. F. findet ihre sachliche Rechtfertigung in der unterschiedlichen tariflichen Bewertung des Erfahrungswissens, das der Angestellte während seiner Tätigkeit erwirbt. Die unterschiedliche Regelung ist damit durch sachliche Gründe im Sinne von Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG gerechtfertigt. Auf die Tragweite des Tarifvorbehalts nach Art. 1 § 6 BeschFG kommt es demgemäß vorliegend nicht an (vgl. GK-TZA/Mikosch, Art. 1 § 6 Rz 14).
Tatsachen, die den Schluß darauf zuließen, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Erfordernis einer Bewährungszeit von 18 Jahren für eine Höhergruppierung nach VergGr. VI b BAT Fallgruppe 2 für teilzeitbeschäftigte Frauen eine unmögliche Leistung im Sinne von § 306 BGB verlangen (vgl. Pfarr, Anm. zu BAG AP Nr. 16 zu § 23 a BAT), sind von der Klägerin nicht hinreichend vorgetragen worden.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin nach § 91 ZPO zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Dr. Konow Schmalz
Fundstellen
ZTR 1988, 459-462 (T) |
EzBAT § 23a BAT Bewährungsaufstieg, Nr 18 (ST1-2) |