Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorruhestand und Zusatzrente nach der AO 54
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer, der vor dem 31. Dezember 1991 betriebsbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und Vorruhestandsgeld nach der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990 (GBl. I DDR Nr. 7 S. 42) bezogen hat, hat einen Anspruch auf Zusatzrente nach der Anordnung über die Einführung einer Zusatzrente für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (GBl. I DDR 1954 S. 301) nicht, wenn er erst nach dem 31. Dezember 1991 in den gesetzlichen Ruhestand gewechselt ist.
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VIII; Anordnung über die Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (GBl. DDR Nr. 30, S. 301; AO 54) § 3; Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990 der DDR § 5; Zweite Durchführungsbestimmung zur Vorruhestandsverordnung vom 1. März 1990 § 14
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 12. Mai 1998 - 2 Sa 861/97 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger Anspruch auf eine betriebliche Zusatzrente nach der Anordnung zur Einführung einer Zusatzrente für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (GBl. DDR 1954 I Nr. 30 S. 301; im folgenden: AO 54) hat.
Der Kläger ist am 12. April 1928 geboren. Er war vom 1. September 1954 bis zum 31. August 1990 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, dem VEB Walzwerk F, beschäftigt. Bei diesem volkseigenen Betrieb handelte es sich um einen der nach § 1 Abs. 2 AO 54 ausgewählten wichtigsten volkseigene Betriebe der DDR. In § 3 der AO 54 heißt es:
„Der Anspruch auf Zusatzrente besteht, wenn Arbeiter oder Angestellte
- noch beschäftigt oder aus einem dieser Betriebe wegen Invalidität oder Überschreitung der Altersgrenze ausgeschieden sind und
- eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer in diesem Betrieb und
- den Bezug von Alters-, Invaliden- oder Unfallvollrente nachweisen.”
In einer Vereinbarung zwischen dem Betriebsdirektor des volkseigenen Betriebes und der Betriebsgewerkschaftsleitung vom 18. April 1990 zur Regelung des Vorruhestandes war festgelegt worden, daß Arbeitnehmer ab dem fünften Jahr vor Erreichen ihres Rentenalters bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf Antrag Anspruch auf Vorruhestandsgeld nach der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld und der ersten und zweiten Durchführungsbestimmung hierzu haben. In einer betrieblichen Ergänzungsvereinbarung vom 1. Juni 1990 wird unter Nr. 2 bestimmt:
„Hat der Werktätige zum Zeitpunkt des Eintritts in den Vorruhestand eine Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren erreicht, so daß Anspruch auf die betriebliche Zusatzrente in Höhe von 5 % des monatlichen Nettodurchschnittsverdienstes der letzten drei Jahre besteht, wird diese bereits zum Vorruhestandsgeld gewährt.”
In § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990 (GBl. DDR I Nr. 7 S. 42) war festgelegt worden:
„Der Bezug von Vorruhestandsgeld gilt bei der Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung als versicherungspflichtige Tätigkeit. …”
Diese Bestimmung wurde durch § 14 der Zweiten Durchführungsbestimmung dieser Verordnung vom 1. März 1990 (GBl. DDR I Nr. 12 S. 96) modifiziert:
- „Während des Bezuges von Vorruhestandsgeld bleibt die Anwartschaft auf zusätzliche Versorgung oder auf betriebliche Zusatzrentenversorgung erhalten.
- Die Zeit des Bezuges von Vorruhestandsgeld wird auf die Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung sowie auf die geforderte Mindestdauer der Tätigkeit für die Gewährung zusätzlicher Versorgung und betrieblicher Zusatzrentenversorgung angerechnet. …”
Der Kläger ist zum 31. August 1990 aus dem aktiven Arbeitsverhältnis zur Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgeschieden. Er nahm in der Folgezeit Vorruhestandsgeld in Anspruch. In der unter dem 24. August 1990 zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten getroffenen Vereinbarung heißt es dazu:
- „…
- 7. Die Zeit des Bezuges von Vorruhestandsgeld wird anwartschaftssteigernd auf die betriebliche Zusatzrentenversorgung angerechnet (Berechnungsgrundlage Basisverdienst für Vorruhestandsgeld).
- …
- 9. Das Vorruhestandsgeld wird neu berechnet, wenn im Betrieb Lohnveränderungen gemäß § 6 der fünften DB vom 07.03.1985 zur Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung (GBl. I Nr. 10 S. 109) eintreten, die für den Werktätigen bei Fortsetzung seiner Tätigkeit wirksam geworden wären.”
Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin zahlten nach dem Ausscheiden bis einschließlich Juni 1992 68,00 DM monatlich als Zusatzrente an den Kläger. Danach stellte die Beklagte die Zahlung ein. Sie begründete dies damit, sie habe bereits im April 1992 darauf hingewiesen, daß die betriebliche Zusatzrente nur unter dem Vorbehalt einer abschließenden positiven gesetzlichen Entscheidung gezahlt werden könne. Die Treuhandanstalt habe zu diesem Thema aber abschließend mitgeteilt, daß in Übereinstimmung mit dem Einigungsvertrag die rechtliche Basis für eine Weiterzahlung entfallen sei.
Der Kläger, der seit dem 1. April 1993 gesetzliche Altersrente bezieht, hat mit seiner Klage die Zahlung der Zusatzrente für die Zeit vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Juli 1997 in Höhe von insgesamt 4.148,00 DM sowie die Weiterzahlung von 68,00 DM netto monatlich für die Zeit ab dem 1. August 1997 geltend gemacht. Nach seiner Auffassung hatte er bereits vor dem 31. Dezember 1991 alle Voraussetzungen für den Bezug der betrieblichen Zusatzrente erfüllt.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.148,00 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 15. August 1997 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 68,00 DM netto monatlich, beginnend mit dem 1. August 1997, jeweils fällig am ersten Werktag des Monats als betriebliche Zusatzrente zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe weder die Voraussetzungen für den Bezug der Vollrente, noch eine unverfallbare Anwartschaft auf Zahlung der Zusatzrente erworben.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente in Höhe von monatlich 68,00 DM.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zusatzrente nach der AO 54.
1. In seinen Urteilen vom 27. Februar 1996 (- 3 AZR 242/95 - BAGE 82, 203 = AP Einigungsvertrag Anlage II Kap. VIII Nr. 4) und vom 17. Dezember 1996 (- 3 AZR 800/95 - AP Einigungsvertrag Anlage II Kap. VIII Nr. 5) hat der Senat die Regelung über die zeitweise Weitergeltung der AO 54 im Einigungsvertrag Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 4 ausgelegt. In dieser Vorschrift heißt es:
„Folgendes Recht der Deutschen Demokratischen Republik bleibt mit folgenden Maßgaben in Kraft:
- …
Anordnung über die Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (GBl. Nr. 30 S. 301) mit folgenden Maßgaben:
- Die Anordnung ist bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden.
- Von der Anordnung kann für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden.
- …”
Diese Bestimmung hat nach der Rechtsprechung des Senats zwar nicht alle Rechte aus der AO 54 mit Wirkung ab dem 1. Januar 1992 beseitigt. Die Rechtspositionen, die auf der Grundlage dieser Anordnung ihrerseits bis zum 31. Dezember 1991 entstanden waren, bestanden und bestehen fort. Da die Anordnung ihrerseits nicht über den 31. Dezember 1991 hinaus fortbesteht, kann nach diesem Zeitpunkt auf der Grundlage der Anordnung kein Recht mehr erworben werden. Wer also bis zum 31. Dezember 1991 die Voraussetzungen für einen Anspruchserwerb noch nicht erfüllt hatte, konnte sie danach auch nicht mehr erfüllen. Es gibt auch kein Teilrecht aus der AO 54 wegen der bis zum Ende ihrer Geltung zurückgelegten Betriebszugehörigkeitszeiten. Die AO 54 kannte nicht die Möglichkeit, eine unverfallbare Anwartschaft zu erwerben. Nach ihr erwarb man entweder den Anspruch, wenn man sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, oder aber man hatte keinen Anspruch.
In seinem Urteil vom 29. Juli 1997 (- 3 AZR 72/97 - AP Einigungsvertrag Anlage II Kap. VIII Nr. 6) hatte sich der Senat dann mit einer Fallkonstellation zu befassen, die dem vorliegenden Rechtsstreit ähnlich ist: Es ging um einen Arbeitnehmer, der vor dem 31. Dezember 1991 aus einem als besonders wichtig festgestellten volkseigenen Betrieb ausgeschieden war und danach Altersübergangsgeld in Anspruch genommen hatte. Die gesetzliche Altersrente bezog er aber erst nach dem 31. Dezember 1991. Auch in diesem Fall hat der Senat einen Anspruch des Klägers auf Zusatzrente nach der AO 54 abgelehnt. Da er bis zum Stichtag nicht aus einem der früheren wichtigsten volkseigenen Betriebe unmittelbar in den gesetzlichen Ruhestand gewechselt war, erfüllte er die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 AO 54 nicht. Der Bezug von Altersübergangsgeld vor dem 31. Dezember 1991 stand dem Bezug der Altersvollrente nicht gleich. Altersübergangsgeld hat der Senat nicht als eine besondere Form der gesetzlichen Altersrente qualifiziert, sondern als eine besondere Leistung der Arbeitslosenversicherung. Wenn der dortige Kläger weitergearbeitet und nicht Altersübergangsgeld bezogen hätte, wäre der Anspruch auf die gesetzliche Rente erst nach dem 31. Dezember 1991 entstanden. Er hätte den Anspruch auf Zusatzrente auch in diesem Fall nicht erworben. Der Senat sah keinen Grund, den Kläger, der vorzeitig Altersübergangsgeld in Anspruch genommen hatte, anders zu behandeln.
2. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Kläger wendet sich in der Revisionsinstanz auch nicht gegen sie. Soweit er mit der Berufung noch geltend gemacht hat, das Altersübergangsgeld sei funktionales Äquivalent des Anspruchs auf Rente wegen Alters, kann dem nicht gefolgt werden. Ein Arbeitnehmer, der aus betrieblichen Gründen vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden muß und wegen seines höheren Alters schon die Möglichkeit hat, Altersübergangsgeld in Anspruch zu nehmen, und deshalb der Arbeitsvermittlung nur eingeschränkt zur Verfügung stehen muß, ist ein privilegierter Arbeitsloser, kein Rentner, der vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch nimmt. Es mag eine funktionale Ähnlichkeit bestehen. Dies reicht jedoch für eine erweiternde und den Arbeitgeber zusätzlich belastende Anwendung der AO 54 nicht aus. Die Begünstigung älterer von Arbeitslosigkeit bedrohter Arbeitnehmer durch die Sozialversicherungsträger kann es nicht rechtfertigen, den Arbeitgebern zusätzliche Verbindlichkeiten aufzuerlegen.
3. Auf der Grundlage dieser bisherigen Rechtsprechung des Senats hat der Kläger keinen Anspruch auf Zusatzrente aus der AO 54.
a) Der Kläger ist aus dem Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht wegen Invalidität oder Überschreitens der Altersgrenze ausgeschieden, sondern aus betriebsbedingten Gründen. Wie sich aus der Vereinbarung zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und deren Betriebsgewerkschaftsleitung vom 18. April 1990 ergibt, ging es bei der dort getroffenen Vorruhestandsregelung darum, betriebliche Regelungen für ältere Werktätige zu treffen, die aufgrund von Strukturveränderungen, Rationalisierungsmaßnahmen und der Reform der Verwaltung die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Darüber hinaus hat der Kläger, der zwar eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer im Betrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten zurückgelegt hat, nicht bis zum 31. Dezember 1991 den Bezug einer Altersvollrente nachgewiesen. Er bezieht eine solche Rente erst seit dem 1. April 1993.
b) Der Übertritt des Klägers in den Vorruhestand am 1. September 1990 und der Bezug des Vorruhestandsgeldes steht dem Bezug der gesetzlichen Altersvollrente nicht gleich. Die Verordnung der DDR über die Gewährung von Vorruhestandsgeld führte eine besondere Form der Arbeitslosenunterstützung ein. Als Vorruhestandsgeld wurde nicht die gesetzliche Rente, sondern ein bestimmter Anteil der letzten Bezüge gewährt. Während des Bezuges des Vorruhestandsgeldes wurde der frühere Arbeitnehmer so behandelt, als wäre er weiterhin versicherungspflichtig für seine bisherige Arbeitgeberin tätig. Das Vorruhestandsgeld wurde so auch im Recht der DDR deutlich von der gesetzlichen Rente unterschieden (vgl. § 5 Abs. 3 der Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld). Dies ergibt sich im übrigen auch aus § 5 Abs. 2 der Verordnung. Dort heißt es, der Bezug von Vorruhestandsgeld sei wie ein Arbeitsrechtsverhältnis im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung einzutragen.
Auch die Parteien des Einigungsvertrages, zu denen die Regierung der DDR gleichberechtigt gehörte, haben die Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990 als eine Regelung des Arbeitsförderungsrechts verstanden. Die Bestimmung über die modifizierte Fortgeltung dieser Verordnung findet sich in der Anl. II Kap. VIII Sachgebiet E (Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsförderung, Arbeitslosenversicherung) zum Einigungsvertrag im Abschnitt III Nr. 5. Hier wird unter anderem bestimmt, daß das Vorruhestandsgeld auf Antrag von der Bundesanstalt für Arbeit weiterzuzahlen ist, sich der Höhe nach am Arbeitslosengeldanspruch orientiert und bestimmte Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes entsprechend anzuwenden sind.
c) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Weiterzahlung der Zusatzrente trotz der Bestimmung des Einigungsvertrages über das Ende der Geltung der AO 54 kann auch nicht auf § 14 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 1. März 1990 zur Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990 gestützt werden.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zur Bedeutung dieser Vorschrift ausgeführt, es könne dahinstehen, ob aufgrund dieser Bestimmung dem Kläger eine unentziehbare Anwartschaft auf die betriebliche Zusatzrente eingeräumt worden sei. Spätestens mit dem 31. Dezember 1991 wäre ein solches Anwartschaftsrecht erloschen. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe es eine Anwartschaft auf eine Zusatzrente nach der AO 54 nicht gegeben, so daß eine Teilrente nicht hätte erworben werden können. Es habe sich insoweit um eine bloße Erwerbschance gehandelt. Darüber hinaus sei eine etwaige Anwartschaft auf der Grundlage der Durchführungsbestimmung zur Vorruhestandsverordnung schon deswegen untergegangen, weil nach der Regelung des Einigungsvertrages zur Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld diese Verordnung nur mit den dort genannten Maßgaben fortgelte. Die vom Kläger reklamierte Anwartschaft sei im Einigungsvertrag nicht erwähnt worden.
bb) Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zu folgen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine im Februar 1990 vom Recht der DDR in Abweichung von der AO 54 eingeführte unverfallbare Anwartschaft aufgrund der Bestimmung im Einigungsvertrag mit dem 31. Dezember 1991 erloschen wäre. Die bisherigen Entscheidungen des Senats zur AO 54 sind von der Wertung getragen, daß gesicherte Rechtspositionen von der Regelung im Einigungsvertrag nicht beseitigt worden sind, sondern nur bloße Erwerbschancen. Hätte der Kläger aufgrund § 14 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur Vorruhestandsverordnung eine unverfallbare Anwartschaft im Rechtssinne erworben, spräche mehr dafür, diese aufrecht zu erhalten.
Dies kann letztlich dahinstehen. § 14 der Zweiten Durchführungsbestimmung begründete keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft im Sinne einer unentziehbaren Rechtsposition.
Die der Entlastung des Arbeitsmarktes dienenden Regelungen der DDR zum Vorruhestandsgeld hatten deutlich erkennbar das Ziel, denen, die in den Vorruhestand wechselten, keine Nachteile aus ihrem vorzeitigen Arbeitsplatzverzicht aufzubürden. Dies wird in § 14 Abs. 2 der Zweiten Durchführungsbestimmung besonders deutlich. Dort wird die Zeit des Bezuges von Vorruhestandsgeld auf die Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen Zusatzrentenversorgungsversicherung sowie auf die geforderte Mindestdauer der Tätigkeit für die Gewährung zusätzlicher Versorgung und betrieblicher Zusatzrentenversorgung angerechnet. In diesem Zusammenhang kann die Regelung des § 14 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung nur so ausgelegt werden, daß das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers vor Übertritt in den gesetzlichen Ruhestand dem Erwerb eines Anspruchs auf Zusatzrente nicht entgegen stehen soll. Der Arbeitnehmer sollte nach dem Willen des Verordnungsgebers so gestellt werden, als hätte er während des Bezuges von Vorruhestandsgeld bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand weiter im Betrieb gearbeitet. Eine günstigere Rechtsposition sollte er nicht erhalten. Aus der Sicht bei Erlaß der Vorruhestandsverordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen gab es hierfür auch keinen Anlaß. Einen Anspruch auf Zusatzrente sollte der frühere Arbeitnehmer erst haben, wenn er die Voraussetzung des § 3 Buchst. c AO 54 im übrigen erfüllte, also im Anschluß an das Vorruhestandsverhältnis den Bezug der gesetzlichen Altersvollrente nachwies. Der Kläger hat diese Voraussetzung erst nach dem 31. Dezember 1991 erfüllt, zu einem Zeitpunkt, als die AO 54 nicht mehr galt und keine Rechte mehr begründen konnte. Der Kläger hat deshalb auch keinen Zusatzrentenanspruch erworben.
II. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers ergibt sich auch weder ganz noch teilweise aus der Vorruhestandsvereinbarung zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 24. August 1990 oder aus der Vereinbarung zwischen Betriebsdirektor und Betriebsgewerkschaftsleitung vom 18. April 1990.
1. Nr. 7 der Vereinbarung vom 24. August 1990 knüpft an § 14 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung an. Nachdem dort festgelegt worden war, daß das vorzeitige Ausscheiden und der Übertritt in den Vorruhestand bei durchgängigem Bezug des Vorruhestandsgeldes bis zum Erreichen des gesetzlichen Ruhestandes nicht anspruchsschädlich sein sollte, wird in Nr. 7 in Verbindung mit Nr. 9 der Vereinbarung bestimmt, wie der voraussichtlich entstehende Anspruch auf die Zusatzrente berechnet werden soll. Es wird festgelegt, daß Berechnungsgrundlage für den Fünfprozentanteil, auf den sich die Zusatzrente nach der AO 54 beläuft, nicht das Gehalt des Klägers zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, sondern das Gehalt sein soll, das bis zu dem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand Maßstab für die Berechnung des Vorruhestandsgeldes sein würde. In der Vereinbarung wird also nur festgelegt, daß der Kläger, was die Höhe des Vorruhestandsgeldes und der Zusatzrente nach der AO 54 angeht, an der Dynamik der Bezüge der im aktiven Arbeitsverhältnis verbleibenden Arbeitnehmer teilnehmen soll.
2. Rechte aus der Vereinbarung zwischen der Betriebsgewerkschaftsleitung und dem Betriebsdirektor und der Ergänzungsbestimmung hierzu vom 18. April/ 1. Juni 1990 hat der Kläger schon deshalb nicht, weil diese Vereinbarungen nicht wirksam geblieben sind. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß die Betriebsgewerkschaftsleitung, die diese Vereinbarungen abgeschlossen hat, nach demokratischen Grundsätzen im Sinne von § 30 Nr. 3 des Gesetzes über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Juni 1990 (GBl. DDR I Nr. 34 S. 357, 362) gewählt worden ist. Damit sind diese Vereinbarungen sowohl als Betriebsvereinbarungen als auch als Betriebskollektivverträge mit dem 3. Oktober 1990 unwirksam geworden (vgl. BAG 1. Dezember 1992 - 1 ABR 28/92 - BAGE 72, 29 = AP AGB-DDR § 28 Nr. 2). Aus ihnen kann sich für die Folgezeit kein Anspruch mehr ergeben.
III. Daß die Beklagte über den 31. Dezember 1991 hinaus bis zum Juni 1992 mit dem Vorruhestandsgeld auch die Zusatzrente nach der AO 54 ausgezahlt hat, begründet ebenfalls für den Kläger keinen Anspruch. Es ist nicht erkennbar, daß die Beklagte mit dieser Zahlung mehr tun wollte, als eine vermeintlich bestehende Verbindlichkeit zu erfüllen. Damit fehlt es an einem eigenständigen Rechtsbindungswillen, der für den Kläger über das ihm von Gesetzes wegen Zustehende hinaus Rechte hätte begründen können.
Unterschriften
Reinecke, Kreft, Bepler, Ludwig, Platow
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.09.1999 durch Kaufhold, Reg.-Obersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436386 |
BB 2000, 780 |
DB 2000, 579 |
EBE/BAG 2000, 34 |
FA 1999, 411 |
NZA 2000, 595 |
ZAP-Ost 2000, 131 |
AP, 0 |
AuA 2000, 289 |
NJ 2000, 220 |
AUR 2000, 117 |