Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von Weiterbildungskosten
Leitsatz (amtlich)
An das Merkmal der Fortbildung „im Rahmen des Personalbedarfs” sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt, daß mit einiger Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Bindungsdauer eine Stelle zu besetzen ist, für die die Fortbildung erforderlich ist.
Normenkette
BAT SR 2a Nr. 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 11. Mai 1998 – 18 Sa 3/98 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Weiterbildungskosten.
Die Beklagte war seit dem 1. Juli 1989 im Rudolf Virchow Klinikum der Freien Universität Berlin als Krankenschwester beschäftigt. Durch das Universitätsmedizingesetz Berlin wurde die Klinik mit Wirkung zum 1. April 1995 auf die Klägerin übergeleitet. Im Arbeitsvertrag der Beklagten vom 9. Juni 1989 war die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich seiner Sonderregelungen vereinbart. Die Beklagte war eingruppiert in VergGr. Kr. V FallGr. 1 der Anlage 1 b Abschn. A zum BAT.
Im Februar 1992 bewarb sich die Beklagte um die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme zur Heranbildung von Krankenschwestern für die Intensivmedizin und Anästhesie. Sie wurde zu dem Lehrgang vom 1. April 1992 bis zum 30. September 1993 unter Hinweis auf die Bestimmungen in Nr. 7 der Anlage Sonderregelung (SR) 2 a BAT unter Fortzahlung ihrer Vergütung zugelassen. Der Beklagten wurde insbesondere mitgeteilt, daß sie „in Anwendung der tarifvertraglichen Bestimmungen zur Rückzahlung der Vergütung und des Teilnehmerentgeltes” verpflichtet sei.
Während des Lehrgangs wurde die Beklagte im Wege des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. Kr. VI FallGr. 19 BAT eingruppiert. Nach erfolgreichem Abschluß der Weiterbildung, mit der auch der Einsatz auf verschiedenen Stationen mehrerer zur Freien Universität Berlin gehörenden Klinika verbunden war, wurde die Beklagte auf ihren Antrag ab dem 1. Oktober 1993 in den Bereich Anästhesie der Kinderklinik des Rudolf Virchow Krankenhauses versetzt. Eine Umgruppierung in die zutreffende VergGr. Kr. VI FallGr. 6 a unterblieb.
Mit Schreiben vom 13. Mai 1996 bat die Beklagte um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1996. Die Klägerin erklärte sich einverstanden. Dabei wies sie erneut darauf hin, daß die Beklagte die während des Lehrgangs 1992/1993 gezahlte Vergütung und die Weiterbildungskosten zurückzuzahlen habe. Am 1. Juli 1996 trat die Beklagte eine Stelle in einem anderen Krankenhaus an. Nach vergeblicher außergerichtlicher Zahlungsaufforderung erhob die Klägerin im September 1996 die vorliegende Klage. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nach der tariflichen Regelung zur Rückzahlung eines Drittels der Ausbildungskosten verpflichtet.
Nr. 7 SR 2a BAT hatte im Zeitpunkt des Ausscheidens der Beklagten folgenden Wortlaut:
„(1) Wird ein Angestellter im Pflegedienst, der unter Abschnitt A der Anlage 1 b fällt, auf Veranlassung und im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers fort- oder weitergebildet, werden, sofern keine Ansprüche gegen andere Kostenträger bestehen, vom Arbeitgeber
dem Angestellten, soweit er freigestellt werden muß, für die notwendige Fort- oder Weiterbildungszeit die bisherige Vergütung (§ 26) fortgezahlt
und
- die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.
(2) Der Angestellte ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Aufwendungen für eine Fort- oder Weiterbildung im Sinne des Absatzes 1 nach Maßgabe des Unterabsatzes 2 zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des Angestellten oder aus einem von ihm zu vertretenden Grund endet. …
Zurückzuzahlen sind, wenn das Arbeitsverhältnis endet
- im ersten Jahr nach Abschluß der Fort- oder Weiterbildung, die vollen Aufwendungen,
- im zweiten Jahr nach Abschluß der Fort- oder Weiterbildung, zwei Drittel der Aufwendungen,
- im dritten Jahr nach Abschluß der Fort- oder Weiterbildung, ein Drittel der Aufwendungen.”
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei „im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers” weitergebildet worden. Dies folge zum einen daraus, daß sie nach Abschluß des Lehrgangs antragsgemäß als Krankenschwester im Anästhesiebereich eingesetzt und nach VergGr. Kr. VI BAT und nicht nur Kr. V a FallGr. 7 BAT vergütet worden sei. Ihrem Versetzungsantrag habe nur wegen der absolvierten Weiterbildung entsprochen werden können. Dies folge zum anderen daraus, daß – wie die Klägerin behauptet hat – auf der Station, auf der die Beklagte bis zu Beginn des Lehrgangs gearbeitet habe, nur zu 20 % Pflegepersonal beschäftigt worden sei, das über eine entsprechende Fortbildung im Bereich Anästhesie/Intensivmedizin verfügt habe. Dieses Niveau habe angehoben werden müssen. Die Beklagte habe auch mit einem beruflichen Aufstieg rechnen können. Innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Lehrgangs seien drei Stellen nach VergGr. Kr. VIII/IX frei geworden, auf die sie sich aufgrund ihrer Weiterbildung habe bewerben können.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 22.658,08 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht im Rahmen des Personalbedarfs der Klägerin fortgebildet worden. Ihre Weiterbildung sei keine Voraussetzung für die Übertragung der Tätigkeit im Bereich der Kinderanästhesie gewesen. Einen Vorteil habe sie dadurch nur insoweit erlangt, als sie bei Antritt ihrer neuen Tätigkeit sofort nach VergGr. Kr. VI und nicht erst für die Dauer einer neuen Bewährungszeit nach VergGr. Kr. V vergütet worden sei. Die von der Klägerin angeführten drei Stellen könnten nicht berücksichtigt werden. Zwei der ausgeschriebenen Stellen seien trotz ihrer Weiterbildung wegen weiterer Anforderungen nicht für sie geeignet gewesen. Auf die dritte Stelle habe sie sich bereits deshalb nicht bewerben können, weil sie von ihr wegen eines längeren Sonderurlaubs keine Kenntnis gehabt habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist erfolgreich. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt sein Urteil nicht. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt. Für sie bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, weder die Stelle in der Kinderanästhesie noch die drei später ausgeschriebenen Stellen vermöchten zu belegen, daß die Beklagte „im Rahmen des Personalbedarfs” der Klägerin fortgebildet worden sei. Bei der erstgenannten Stelle sei die Fortbildungsmaßnahme nicht Voraussetzung für die Übertragung der mit ihr verbundenen Aufgaben, sondern nur für eine sofortige Vergütung nach VergGr. Kr. VI BAT gewesen. Von den drei später ausgeschriebenen Stellen hätten zwei noch weitergehende Fortbildungen erfordert als sie die Beklagte absolviert habe. Bezüglich der dritten Stelle enthalte das Vorbringen der Klägerin keinerlei Vortrag dazu, daß schon bei Bewilligung der Fortbildung mit ihrem Freiwerden zu rechnen gewesen sei.
II. Auf diese Weise hat das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt.
1. Nr. 7 SR 2 a BAT verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die Unbedenklichkeit der Regelung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß ihre Geltung für das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht auf Tarifbindung, sondern auf einzelvertraglichem Einbezug beruhte(vgl. BAG 6. September 1995 – 5 AZR 174/94 – BAGE 81, 5).
2. Das Rückzahlungsverlangen scheitert nicht daran, daß die Initiative zur Teilnahme an dem Weiterbildungslehrgang von der Beklagten und nicht von der Klägerin ausgegangen ist. Das Tatbestandsmerkmal „auf Veranlassung des Arbeitgebers” bedeutet, daß die Fort- oder Weiterbildung vom Arbeitgeber erkennbar gewollt sein muß. Unerheblich ist dabei, ob die Weiterbildung zugleich einem Wunsch der Angestellten entspricht. Hat der Arbeitgeber die Weiterbildung erkennbar befürwortet, so besteht kein sachlicher Grund, Angestellte, die selbst initiativ geworden sind und eine Weiterbildung beim Arbeitgeber angeregt haben, anders zu behandeln, als solche, die dazu vom Arbeitgeber erst aufgefordert werden mußten(BAG 14. Juni 1995 – 5 AZR 960/93 – AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 21). Im Streitfall hat die Klägerin in ihrem Kostenübernahmeschreiben vom Februar 1992 die Weiterbildung der Beklagten erkennbar befürwortet und damit iSv. Nr. 7 Abs. 1 SR 2 a BAT „veranlaßt”.
3. Bei dem von der Beklagten besuchten Lehrgang zur Heranbildung von Krankenschwestern, Krankenpflegern, Kinderkrankenschwestern und Kinderkrankenpflegern für die Intensivmedizin und Anästhesie handelt es sich um eine Fort- und Weiterbildung iSv. Nr. 7 SR 2 a BAT. Zwar erfaßt die tarifliche Bestimmung nach der Auslegung des Senats grundsätzlich nur vergütungsrelevante Bildungsmaßnahmen(BAG 6. September 1995 – 5 AZR 174/94 – aaO); dieses Erfordernis ist aber erfüllt. Für die Eingruppierung in VergGr. Kr. VI FallGr. 6 a BAT ist die erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung für den Anästhesiedienst, für die Eingruppierung in VergGr. VI FallGr. 6 b BAT die erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung in der Intensivpflege/Intensivmedizin Voraussetzung.
4. Die Beklagte muß „im Rahmen des Personalbedarfs” der Klägerin fortgebildet worden sein. Darüber vermag der Senat nicht abschließend zu entscheiden.
a) Das genannte Tatbestandsmerkmal ist von eigenständiger Bedeutung. Ginge es nur darum, daß die Weiterbildung dem Arbeitgeber nicht aufgezwungen werden darf, so wäre dieses Kriterium neben dem Merkmal „auf Veranlassung” überflüssig. Eine Auslegung, daß jede „Veranlassung” durch den Arbeitgeber zugleich „im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers” geschieht, scheidet daher aus(BAG 14. Juni 1995 – 5 AZR 960/93 – aaO mwN).
b) Es dürfen aber keine zu hohen Anforderungen an dieses Merkmal gestellt werden. Der Personalbedarf eines Arbeitgebers ist nicht sicher abschätzbar, zumal dann nicht, wenn es um längere Zeiträume geht. Er ist von vielen Unwägbarkeiten abhängig. Für die Personalbedarfsplanung gibt es keine feststehenden Grundsätze. Aktueller Personalbedarf ist daher nicht erforderlich. Die bloße Möglichkeit, daß beim Arbeitgeber irgendwann einmal entsprechende Stellen frei werden, kann allerdings nicht ausreichen. Das Merkmal „im Rahmen des Personalbedarfs des Arbeitgebers” hätte dann keine eigenständige Bedeutung mehr. Die Fort- oder Weiterbildung erfolgt vielmehr dann „im Rahmen des Personalbedarfs”, wenn beim Arbeitgeber in dem dreijährigen Bindungszeitraum der Nr. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 SR 2 a BAT wahrscheinlich Stellen zu besetzen sind, für die eine durch die Weiterbildung zu erwerbende Qualifikation Voraussetzung ist. Dabei ist es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, mehr Arbeitnehmern die Weiterbildung zu finanzieren, als Stellen frei werden(BAG 14. Juni 1995 – 5 AZR 960/93 – aaO). Entgegen der Ansicht der Klägerin muß diese Wahrscheinlichkeit aufgrund einer entsprechenden Prognose bereits im Zeitpunkt der Bewilligung der Weiterbildung bestehen. Dabei kann es ein Indiz für die Richtigkeit der Prognose und der entsprechenden Behauptung des Arbeitgebers sein, wenn während des Bindungszeitraums später tatsächlich entsprechende Stellen frei geworden sind(BAG 14. Juni 1995 – 5 AZR 960/93 – aaO).
c) Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Sein Urteil erweist sich nur insoweit als fehlerhaft, als es bei der anschließenden Subsumtion nicht berücksichtigt hat, daß die Klägerin – auch bezogen auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Maßnahme – für die Wahrscheinlichkeit einer Stellenbesetzung innerhalb des Bindungszeitraums ausreichend vorgetragen hat. In der Berufungsbegründung vom 6. Februar 1998 hat sie behauptet, die Weiterbildung der Beklagten sei deshalb erfolgt, weil auf der Station für Intensivtherapie nur 20 % der Kräfte über eine Fortbildung im Bereich Anästhesie und Intensivmedizin verfügt hätten. Zum Zeitpunkt der „Vornahme” der Fortbildung sei somit sichergestellt gewesen, daß eine entsprechende Stelle mit der Beklagten zu besetzen sein würde.
Das Vorbringen der Klägerin läßt bei aller Knappheit den Schluß zu, daß noch innerhalb des Bindungszeitraums mehr Stellen als bisher mit entsprechend ausgebildetem Personal besetzt werden sollten. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen. Einer eigenen Entscheidung des Senats steht der weitere Umstand entgegen, daß die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. April 1998 den Vortrag der Klägerin zu ihrer Personalplanung in vollem Umfang bestritten hat. Angesichts des wenig konkreten Vorbringens der Klägerin ist dieses Bestreiten ausreichend. Die Klägerin wiederum ist nicht beweisfällig geblieben, sondern hat für ihre Behauptungen Zeugenbeweis angeboten.
Das Landesarbeitsgericht wird daher die unterbliebenen Feststellungen durch zur Konkretisierung anhaltende Auflagen und ggf. im Wege der Beweisaufnahme nachzuholen haben. Dabei wird es möglicherweise auch die Richtigkeit der Behauptung der Beklagten zu prüfen haben, sie sei iSd. Nr. 7 Abs. 2 SR 2 a BAT von ihrer Arbeit gar nicht freigestellt gewesen.
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Glaubitz, W. Hinrichs
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.03.2000 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537462 |
BB 2000, 1995 |
DB 2000, 2226 |
NWB 2000, 4262 |
BuW 2001, 307 |
FA 2000, 360 |
NZA 2001, 39 |
ZAP 2000, 1279 |
ZTR 2001, 32 |
AP, 0 |
AuA 2001, 134 |
PersR 2000, 433 |
PersV 2001, 381 |
RiA 2001, 61 |
ZfPR 2002, 49 |
PflR 2001, 315 |