Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Erhöhung der Arbeitszeit. Vertretung
Leitsatz (amtlich)
Die Tarifvorschriften der SR 2y BAT gelten nicht für die Befristung einzelner Vertragsbedingungen
Normenkette
BGB § 620; KSchG § 2; BAT SR 2y
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 6. November 1997 – 10 Sa 79/97 – aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. März 1997 – 90 Ca 21318/96 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit einer teilzeitbeschäftigten Lehrerin.
Die Klägerin ist Lehrerin für Sport und Erdkunde. Sie wird von dem beklagten Land seit dem 28. September 1993 mit 18 von 26,5 Pflichtwochenstunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT Anwendung.
Seit dem 21. Februar 1994 haben die Parteien mehrfach Vereinbarungen zur befristeten Erhöhung des Stundenkontingents der Klägerin zur Vertretung jeweils namentlich bezeichneter Lehrkräfte getroffen. Zuletzt haben die Parteien durch eine Vereinbarung vom 9. Februar 1996 für die Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 19. Juni 1996 die Stundenzahl der Klägerin auf 26,5 Wochenstunden erhöht. Darüber hinaus wurde die Klägerin zur Ableistung der zusätzlichen 8,5 Wochenstunden an eine andere Grundschule abgeordnet. Sie hat dort Sportunterricht erteilt.
Die Klägerin hat die befristete Erhöhung ihres Stundenkontingents mangels Vorliegens eines sachlichen Grundes für unwirksam gehalten. Die Befristung sei auch tarifwidrig. Das beklagte Land habe bei der letzten befristeten Erhöhung der Stundenzahl die Tarifvorschrift der SR 2y BAT mißachtet.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis zu ansonsten unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 11. Oktober 1993 besteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Ansicht vertreten, die befristete Übertragung von 8,5 Wochenstunden sei zur Vertretung eines erkrankten Sportlehrers erfolgt, dessen Unterricht die Klägerin teilweise übernommen habe. Diese Lehrkraft sei seit dem 4. September 1995 erneut arbeitsunfähig erkrankt. Eine im Januar 1996 eingeleitete amtsärztliche Untersuchung habe erst am 28. Oktober 1996 ergeben, daß eine Dienstfähigkeit auf absehbare Zeit nicht gegeben sei.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
- Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger Gegenrügen nach § 561 ZPO gebunden ist, haben die Parteien die Stundenverpflichtung der Klägerin nach dem ursprünglichen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Februar 1996 bis zum 19. Juni 1996 um 8,5 Stunden erhöht. Dabei hat das Landesarbeitsgericht einen einheitlichen Vertrag unter Beibehaltung des bisherigen Arbeitsverhältnisses angenommen. Den Abschluß eines eigenständigen, befristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses im Umfang von 8,5 Stunden hat es nicht festgestellt.
Die befristete Erhöhung der Arbeitszeit der Klägerin ist nicht tarifwidrig. Der vom Landesarbeitsgericht angenommene Verstoß gegen die kraft beiderseitiger Tarifbindung geltende Tarifvorschrift der Nr. 2 der SR 2y BAT liegt nicht vor. Die Tarifnorm gilt nicht für die Befristung einzelner Vertragsbedingungen. Das ergibt eine Auslegung des Tarifvertrags.
- Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die SR 2y BAT gelange zur Anwendung, weil die Befristung einzelner Vertragsbedingungen nach den Grundsätzen zu prüfen sei, wie sie für die Befristung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst gelten, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Ob die SR 2y BAT zur Anwendung gelangt, ist eine Frage des tariflichen Geltungsbereichs. Dieser ist durch eine Auslegung der Tarifnorm und nicht nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle zu bestimmen.
Die SR 2y BAT beschreibt in ihrer Nr. 1 die im öffentlichen Dienst möglichen Grundformen für die Befristung von Zeitangestellten, Angestellten von Aufgaben für begrenzter Dauer und Aushilfsangestellten. Dazu normieren die Protokollnotizen Nr. 1 bis Nr. 3 inhaltliche Voraussetzungen, nach denen diese Grundformen vereinbart werden können. Dabei verwenden die Tarifvertragsparteien durchgängig die Begriffe “einstellen”, “Abschluß eines Zeitvertrags” oder “Ablauf des Arbeitsverhältnisses” und stellen auf das gesamte Arbeitsverhältnis und seine Begründung ab. Auf die inhaltliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen gehen die Tarifvorschriften nicht ein. Gleiches gilt auch für die von der Nr. 2 SR 2y BAT geforderten Angaben für die nach Nr. 1 SR 2y in Verbindung mit den Protokollnotizen Nr. 1 bis Nr. 3 begründeten befristeten Arbeitsverhältnissen. Nach der Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, nach welcher der in Nr. 1 SR 2y BAT geregelten Befristungsgrundform der Arbeitnehmer eingestellt wird. Mit dieser Wortwahl knüpfen die Tarifparteien wiederum an die Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses und nicht an die inhaltliche Ausgestaltung eines befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnisses an. Auch die nach der Tarifvorschrift der Nr. 2 Abs. 2 SR 2y BAT erforderlichen Angaben zu den einzelnen Befristungsgrundformen stellen nach ihrem Wortlaut auf das Arbeitsverhältnis und nicht auf die Arbeitsbedingungen ab.
Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch die Tarifsystematik. Die weiteren Vorschriften der SR 2y BAT zur Wiedereinstellung (PKN Nr. 4), die Sonderregelung zur Auszahlung von Bezügen und Krankenbezügen bei Angestellten von Aufgaben von begrenzter Dauer und Aushilfsangestellten (Nr. 4, Nr. 5 SR 2y BAT) sowie die in der Nr. 7 SR 2y BAT getroffenen Regelungen zur vorzeitigen Beendigung erschließen sich nur im Zusammenhang mit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses, nicht jedoch mit befristeten Arbeitsbedingungen.
- Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es unerheblich, daß die Umwandlung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses in eine Vollzeitbeschäftigung mitbestimmungsrechtlich als Einstellung im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG gilt (vgl. BVerwG Beschluß vom 2. Juni 1993 – 6 P 3.92 – PersV 1994, 126, m.w.N.). Denn der personalvertretungsrechtliche Begriff der Einstellung orientiert sich an dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, während die SR 2y BAT die individualrechtlichen Beziehungen von Arbeitsvertragsparteien betrifft.
- Anhaltspunkte dafür, daß das beklagte Land die vorliegende Vertragsgestaltung gewählt hat, um bei einer Begründung eines dementsprechenden befristeten, eigenständigen Teilzeitarbeitsverhältnisses die Beschränkungen der SR 2y BAT zu umgehen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die befristete Erhöhung des Stundendeputats der Klägerin bedurfte zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Ein Sachgrund hat nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien auch vorgelegen.
- Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kann die Befristung einzelner Vertragsbedingungen den gesetzlichen Änderungskündigungsschutz objektiv umgehen. Sie bedarf dann, ebenso wie die Befristung des Arbeitsverhältnisses selbst, eines die Befristung rechtfertigenden Sachgrunds (Urteil vom 21. April 1993 – 7 AZR 297/92 – AP Nr. 34 zu § 2 KSchG 1969, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Das gilt nach der Senatsrechtsprechung jedenfalls für solche Vertragsbedingungen, die dem Änderungskündigungsschutz nach § 2 KSchG unterliegen, weil sie die Arbeitspflicht nach Inhalt und Umfang in einer Weise ändern, die sich unmittelbar auf die Vergütung auswirkt und damit das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung maßgeblich beeinflußt. Das trifft auf eine vorübergehende Erhöhung der Arbeitszeit um 1/3 der bisherigen Arbeitsverpflichtung und eine daran knüpfende höhere Vergütung zu. Diese vertragliche Vereinbarung unterlag auch dem gesetzlichen Änderungskündigungsschutz. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hatte bei Ablauf der befristeten Arbeitszeiterhöhung schon mehr als sechs Monate bestanden.
Die Befristung einer Vertragsbedingung, vor deren Änderung der Arbeitnehmer durch § 2 KSchG geschützt wird, nimmt ihm das Recht, die soziale Rechtfertigung der Vertragsänderung gerichtlich überprüfen zu lassen. Damit ist eine objektive Umgehung des gesetzlichen Änderungskündigungsschutzes nur verbunden, soweit ein sachlicher Grund für die befristete Vertragsgestaltung fehlt (BAG Urteil vom 13. Juni 1986 – 7 AZR 650/84 – BAGE 52, 197 = AP Nr. 19 zu § 2 KSchG 1969).
Für die Prüfung des sachlichen Grundes ist die individuelle soziale Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ohne Bedeutung. Wie der Senat mit Urteil vom 10. August 1994 (– 7 AZR 695/93 – AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) klargestellt hat, bestimmen sich die Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle nicht nach einem unterschiedlichen Schutzbedürfnis der betroffenen Arbeitnehmer. Das gilt auch für die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung befristeter Vertragsänderungen, die der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterliegen. Auch deren sachliche Rechtfertigung ist nach dem konkreten Inhalt der vorübergehenden Vertragsänderung und den Wertungsmaßstäben des zu ihrer Rechtfertigung angeführten Sachgrundes zu beurteilen.
Nach diesen Grundsätzen ist die vorübergehende Erhöhung des Stundendeputats der Klägerin aus Gründen der Vertretung sachlich gerechtfertigt.
- Die sachliche Rechtfertigung einer Befristungsabrede liegt in Vertretungsfällen darin, daß der Arbeitgeber zu einem zeitweilig ausfallenden Mitarbeiter in einem Arbeitsverhältnis bzw. Dienstverhältnis steht und in aller Regel mit dessen Rückkehr rechnen muß. Aus diesem Grund steht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis, das es sachlich rechtfertigt, einen Arbeitnehmer befristet zur Vertretung einzustellen oder einen anderen Mitarbeiter zeitlich begrenzt mit der Erledigung der Arbeitsaufgaben des ausfallenden Mitarbeiters ganz oder teilweise zu betrauen. Der Sachgrund setzt allerdings voraus, daß der Arbeitgeber prognostizieren kann, der zu vertretende Mitarbeiter werde seine Arbeit wieder aufnehmen bzw. seinen Dienst wieder antreten (BAG Urteil vom 22. November 1995 – 7 AZR 252/95 – AP Nr. 178 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
Nach dem Vorbringen des beklagten Landes hat die Klägerin die ihr arbeitsvertraglich zugeordnete Lehrkraft vertreten. Die Klägerin wurde im Umfang der vertraglich vereinbarten Vertretungsstundenzahl zur Erteilung von Sportunterricht an diejenige Grundschule abgeordnet, an der auch die zu vertretende Lehrkraft zuletzt als Sportlehrer tätig gewesen war. Diese konkrete Behauptung des beklagten Landes wird durch den bloßen Hinweis der Klägerin auf das Fehlen einer fehlenden unmittelbaren Vertretung nicht in Frage gestellt.
Das beklagte Land durfte im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf die Rückkehr des zu Vertretenden prognostizieren. Zwar war der zu Vertretende bereits vor der Vereinbarung einer vorübergehenden Arbeitszeiterhöhung mit der Klägerin mehrfach und langfristig arbeitsunfähig erkrankt. Darüber hinaus hatte eine Rehabilitationsmaßnahme im Oktober 1995 auch nicht zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit geführt. Auch hatte das beklagte Land noch vor Vertragsschluß mit der Klägerin eine amtsärztliche Begutachtung des zu Vertretenden zur Feststellung der dauerhaften Dienstunfähigkeit eingeleitet. Dessen Ergebnis hat allerdings erst im Oktober 1996 und damit nach Vertragsschluß vorgelegen. In dem Gutachten wurde eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des zu Vertretenden nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Darüber hinaus enthielten die gutachterlichen Ausführungen Hinweise auf eine weitere Verwendbarkeit der erkrankten Lehrkraft außerhalb des Schuldienstes. Danach fehlt es an Anhaltspunkten, nach denen bereits Anfang Februar 1996 die tatsächliche Beendigung des Dienstverhältnisses konkret abzusehen war. Soweit die Klägerin die Fehlerhaftigkeit dieser Prognose damit belegen will, daß der damalige Schuldirektor bzw. die Schulsekretärin eine Rückkehr des zu Vertretenden nicht mehr für möglich gehalten hätten, ist das unerheblich. Es spricht nichts dafür, daß sich das beklagte Land ein entsprechendes Wissen dieser Personen, soweit es überhaupt zutreffend gewesen wäre, hätte zurechnen lassen müssen.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Wilke, Straub
Fundstellen
Haufe-Index 871682 |
BB 1999, 1880 |
BB 2000, 1682 |
DB 1999, 1963 |
FA 1999, 344 |
NZA 1999, 1115 |
ZTR 1999, 514 |
AP, 0 |
PersR 1999, 417 |
ZfPR 2000, 80 |
KomVerw 2000, 295 |
FuBW 2000, 568 |
FuNds 2000, 646 |