Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der tariflichen Sonderzahlung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelverfahren zu – 10 AZR 234/97 –
Normenkette
Manteltarivertrag für die Arbeitnehmer/innen in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben vom 15. Januar 1993 Abschn. XI. Ziff. 11
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 10.12.1996; Aktenzeichen 7 Sa 374/96) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.10.1995; Aktenzeichen 11 Ca 5686/95) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 1996 – 7 Sa 374/96 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung der tariflichen Jahressonderzuwendung für das Kalenderjahr 1994.
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten. Ab dem 1. Januar 1994 galt zwischen den Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen in Betriebsküchen, Kasinos, Kantinen und sonstigen Verpflegungsbetrieben vom 15. Januar 1993 (MTV), der u.a. lautet:
„V. Vergütung
5.1 Grundlage, Vergütungsabrechnung
Die Vergütung erfolgt nach den Mindestsätzen des zwischen den gleichen Parteien abgeschlossenen Entgelttarifvertrages. Mit der Vergütung ist dem/der Arbeitnehmer/in eine Abrechnung auszuhändigen, aus welcher das Bruttoentgelt, seine Errechnung und die Abzüge ersichtlich sind.
5.2 …
5.3 …
5.4 Berechnung des Stundenverdienstes
Für jede nicht mit dem Monatsentgelt abgegoltene Arbeitsstunde ist 1/173,5 vom Monatsentgelt zu zahlen. Die Zuschläge werden je Stunde von 1/173,5 berechnet. …
VI. Arbeitsbefreiung, Arbeitsunterbrechung
6.1. Anlässe von Arbeitsbefreiung
6.1.1 …
6.1.2 Ferner wird, soweit keine andere Entschädigung in Anspruch genommen werden kann, die Durchschnittsvergütung bis zur Höchstdauer von zwei Tagen fortgewährt ….
Die Durchschnittsvergütung wird aus dem Gesamtverdienst der letzten zwei Monate ermittelt.
6.2 Vergütung im Krankheitsfall
Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder Unfall erhalten alle Arbeitnehmer/innen ihre Bezüge für 42 Kalendertage weiter. Als Bezüge gelten die Bruttobezüge des letzten voll gearbeiteten Monats einschließlich eventueller Zulagen und/oder regelmäßiger Mehrarbeitsvergütung, wobei eine inzwischen eingetretene Vergütungserhöhung zu berücksichtigen ist.
…
XI. Jahressonderzuwendung
11.1 Anspruchsvoraussetzung
Arbeitnehmer/innen, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von elf Monaten haben und sich an diesem Tag in ungekündigtem Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahressonderzuwendung.
11.2 Höhe
Die Jahressonderzuwendung beträgt
1993 |
90 % |
1994 |
95 % |
1995 |
50 % der Monatsvergütung. |
Sie kann in den Jahren 1993 und 1994 in zwei gleichen Teilen gezahlt werden. …”
Die Beklagte zahlte dem Kläger im Mai 1994 50 % und mit dem Novemberentgelt weitere 45 % des tariflichen Monatsentgelts als Jahressonderzuwendung für das Kalenderjahr 1994.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Jahressonderzuwendung richte sich nach dem effektiven Monatsentgelt. Einschließlich der übertariflichen Zulagen in Höhe von 1.331,00 DM monatlich schulde die Beklagte als zweite Rate der Jahressonderzuwendung noch 45 % von 1.331,00 DM = 590,85 DM brutto.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen an ihn 590,85 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Berechnung der Jahressonderzuwendung sei allein die tarifliche Monatsvergütung zugrunde zu legen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers auf die begehrte auf der Grundlage des effektiven Monatsverdienstes berechnete höhere tarifliche Jahressonderzuwendung für das Kalenderjahr 1994 sei nicht begründet, weil die Höhe der Jahressonderzuwendung nach der tariflichen Mindestmonatsvergütung zu berechnen sei.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. II. Die Klage ist unbegründet.
1. Gemäß Abschn. XI. „Jahressonderzuwendung” Ziff. 11.2 MTV beträgt die Jahressonderzuwendung 1994 95 % der „Monatsvergütung”. Die Auslegung des Tarifbegriffes Monatsvergütung ergibt, daß sich die Höhe der Jahressonderzuwendung gemäß Ziff. 5.1 MTV nach den Mindestvergütungssätzen des zwischen den gleichen Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Entgelttarifvertrages richtet. Damit steht dem Kläger über den erhaltenen Betrag hinaus für das Kalenderjahr 1994 keine weitere Jahressonderzuwendung in Höhe von 590,85 DM brutto zu.
a) Entgegen der Auffassung der Revision gibt es in der allgemeinen und tariflichen Rechtsterminologie keinen allgemein gültigen Begriff der Monatsvergütung. Der Tarifbegriff Monatsvergütung ist daher durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und nur so bei Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (vgl. BAGE 60, 219, 224 = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation, m.w.N.).
b) Die Tarifvertragsparteien haben in Abschn. XI. „Jahressonderzuwendung” den Begriff Monatsvergütung nicht ausdrücklich definiert. Der MTV bestimmt jedoch in Abschn. V. „Vergütung” mit der Überschrift der Ziff. 5.1 die „Grundlage” der Vergütung inhaltlich dahingehend, daß die Vergütung nach den Mindestsätzen des Entgelttarifvertrags erfolgt (Satz 1). Daraus ergibt sich der Wille der Tarifvertragsparteien, daß diese vergütungsrechtliche Regelung grundsätzlich für den gesamten MTV und damit auch für die Jahressonderzuwendung in Abschn. XI. MTV gelten soll. Für die Auslegung des Begriffs Monatsvergütung in Abschn. XI. Jahressonderzuwendung bedeutet dies, daß die monatliche Vergütung inhaltlich durch die Mindestsätze des Entgelttarifvertrages bestimmt wird. Die Höhe des Monatsverdienstes i.S. der Ziff. 11.2 ergibt sich somit aus den Mindestsätzen des Entgelttarifvertrages (Mindestmonatsvergütung).
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Jahressonderzuwendung nach Abschn. XI. Ziff. 11.1 MTV. Auch wenn mit dieser Jahressonderzuwendung die in den letzten elf Monaten des Kalenderjahres geleisteten Dienste finanziell honoriert werden sollen, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß sich die Höhe der Jahressonderzuwendung nach dem effektiven Monatsverdienst bestimmt. Dieser Zweck der Jahressonderzuwendung fordert keine bestimmte Höhe dieser Vergütung. Er vermag daher allein über die tarifliche Anspruchsgrundlage hinaus keinen höheren Anspruch zu begründen (st. Rspr. vgl. BAG Urteil vom 8. März 1995 – 10 AZR 208/94 – AP Nr. 184 zu § 611 BGB Gratifikation, m.w.N.).
d) Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist es rechtlich unerheblich, daß der MTV einen uneinheitlichen und nicht durchdachten Sprachgebrauch in den einzelnen Abschnitten über „Vergütung”, „Bezüge” oder „Entgelt” aufweist. Ein bestimmter Inhalt läßt sich dem Begriff „Monatsvergütung” in Abschn. XI. Ziff. 11.2 deswegen nicht zuordnen.
e) Dieses Ergebnis wird durch den tariflichen Gesamtzusammenhang bestätigt. Die Tarifvertragsparteien haben in Abschn. V. Ziff. 1 Satz 2 MTV geregelt, daß mit der Vergütung dem Arbeitnehmer eine Abrechnung ausgehändigt wird, aus welcher das „Bruttoentgelt”, seine Errechnung und die Abzüge ersichtlich sind. Nach Ziff. 5.4 erfolgt die Berechnung des Stundenverdienstes mit 1/173,5 vom „Monatsentgelt”. In dem Abschn. VI. Arbeitsbefreiung, Arbeitsunterbrechung regelt die Ziff. 6.1.2, daß in diesen Fällen die „Durchschnittsvergütung” gewährt wird, die „aus dem Gesamtverdienst der letzten zwei Monate ermittelt” wird. Nach Ziff. 6.2 werden im Krankheitsfall die „Bezüge” für 42 Kalendertage weitergezahlt. „Als Bezüge gelten die Bruttobezüge des letzten voll gearbeiteten Monats, einschließlich eventueller Zulagen und/oder regelmäßiger Mehrarbeitsvergütung, …”.
Entgegen der Auffassung der Revision zeigen diese den Begriff „Vergütung” jeweils inhaltlich näher bestimmenden Regelungen, daß die Tarifvertragsparteien im Gesamtregelungswerk das Problem der Ermittlung der Höhe bestimmter Leistungen durchaus gesehen und – soweit sie es gewollt haben – vom Grundsatz der Ziff. 5.1 Satz 1 MTV auch abweichend oder konkretisierend geregelt haben. Wenn sie dann jedoch in Abschn. XI. „Jahressonderzuwendung” keine modifizierende oder abweichende inhaltliche Bestimmung getroffen haben, wie die Monatsvergütung zu berechnen ist, so wird dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, daß es insoweit bei der grundsätzlichen Vergütungsregelung des Abschn. V. Ziff. 5.1 Satz 1 MTV verbleiben soll.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Hauck, J. Wingefeld, Thiel
Fundstellen