Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunft über Liquidationserlöse eines Chefarztes

 

Normenkette

BGB §§ 611, 242, 812

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 03.08.1988; Aktenzeichen 2 Sa 1509/87)

ArbG Kassel (Urteil vom 02.10.1987; Aktenzeichen 3 Ca 337/86)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. August 1988 – 2 Sa 1509/87 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger vom Beklagten für die Betreuung von dessen Privatpatienten ein angemessenes Honorar verlangen kann.

Der Kläger, ein pensionierter Medizinaloberrat, war in der Zeit vom 15. Juli 1979 bis zum 31. Dezember 1984 als Stationsarzt beim Evangelischen Krankenhaus G. in H. angestellt. Für das Arbeitsverhältnis galten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR). Der Kläger erhielt eine Vergütung nach der VergGr. I a AVR mit einer monatlichen Steiler Zulage von 400,– DM. Der Beklagte ist seit dem 1. April 1967 der Chefarzt des Anstellungskrankenhauses. Nach seinem Vertrag mit dem Krankenhausträger vom 7. Dezember 1966, einem sogenannten Altvertrag, ist er in bestimmten Fällen privat liquidationsberechtigt. Eine Mitarbeiterbeteiligung im Sinne von § 17 des Hessischen Krankenhausgesetzes vom 4. April 1973 (GVBl. I S. 145, 148) besteht bei dem Krankenhaus nicht. Der Beklagte führt demgemäß auch keine Anteile an einen vom Krankenhaus verwalteten Fonds ab.

Nach § 2 Abs. 2 seines Dienstvertrages hatte der Kläger den Dienst in der vom Chefarzt festgesetzten Zeit und nach dessen Anordnung zu verrichten. Auf Anweisung des Beklagten betreute der Kläger auch die auf der Station untergebrachten Privatpatienten des Beklagten. Der Beklagte zahlte dem Kläger, ähnlich wie anderen nachgeordneten Ärzten des Krankenhauses, jeweils im Frühjahr des Folgejahres einen Betrag von 5.000,– DM, die er als „Anerkennung” bezeichnete.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe für die Betreuung der Privatpatienten des Beklagten über sein Gehalt und über die vom Beklagten gewährten Beträge hinaus Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Er habe – ebenso wie die übrigen auf den Stationen tätigen Ärzte – die Behandlung von Privatpatienten des Beklagten auf dessen Anweisung übernommen. Sein Dienstvertrag mit dem Anstellungskrankenhaus sehe eine ausdrückliche Verpflichtung zur Behandlung von Privatpatienten des Chefarztes als eigene Dienstpflicht nicht vor. Dadurch, daß der Beklagte die Anweisung zur Behandlung seiner Privatpatienten gegeben habe, sei zwischen den Parteien konkludent ein Dienstvertrag zustandegekommen. Daraus schulde der Beklagte ihm eine angemessene Vergütung. Das habe der Beklagte mit seinen Zahlungen auch grundsätzlich anerkannt. Die gewährten Zahlungen seien aber nicht angemessen. Wegen der Angemessenheit müßten die Regelungen der §§ 4 ff. der Verordnung zur Durchführung des § 17 des Hessischen Krankenhausgesetzes vom 17. Dezember 1973 (GVBl. I S. 471) herangezogen werden. Zunächst müsse der Beklagte aber Auskunft über seine privaten Abrechnungen erteilen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, ihm unter genauer Rechnungslegung Auskunft zu erteilen über seine sämtlichen Einkünfte aus Privatliquidationen bei Behandlungen von Patienten im Krankenhaus der Evangelischen Altenhilfe G. e. V., B. straße, H., die – nach genauer zeitlicher Aufschlüsselung – entstanden sind in der Zeit vom 1. Januar 1982 bis zum 28. Dezember 1984;
  2. nach Auskunftserteilung den Beklagten zu verurteilen, an ihn über den für den Abrechnungszeitraum gezahlten Betrag von 15.000,– DM hinaus einen aus der Auskunft sich ergebenden angemessenen Vergütungsbetrag nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1985 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, zwischen den Parteien habe keinerlei Vertragsbeziehung bestanden, wonach er dem Kläger zur Rechnungslegung verpflichtet sein könnte. Der Kläger sei Angestellter des Krankenhauses gewesen und habe allein als solcher die Patienten – auch die Privatpatienten des Chefarztes – ärztlich betreut und dafür vom Krankenhausträger seine Vergütung bezogen. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Beteiligung des Klägers am Einkommen aus Privatliquidationen habe nicht bestanden. Der Kläger sei vielmehr nach § 2 Abs. 2 seines Dienstvertrages verpflichtet gewesen, in der von ihm, dem Beklagten, fest gesetzten Zeit und nach seiner Anordnung den Dienst zu verrichten, und zwar für das Krankenhaus, nicht aber für ihn, den Beklagten. Wenn die Station des Klägers voll belegt gewesen sei, habe er entweder 14 Kassenpatienten oder – beispielsweise – 10 Kassenpatienten und 4 Privatpatienten oder – im Höchstfall – 14 Privatpatienten des Beklagten zu betreuen gehabt. Da der Arbeitsaufwand und die Tätigkeit des Klägers stets gleich geblieben seien, unabhängig davon, ob er Privat- oder Kassenpatienten versorgt habe, habe er nach § 3 seines Dienstvertrages lediglich Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung gegen den Krankenhausträger gehabt.

Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Auskunftserteilung daraus, daß er, der Beklagte, den ärztlichen Mitarbeitern in der Vergangenheit der Höhe nach unterschiedliche Beträge gezahlt habe. Diese Leistungen habe er freiwillig und ohne eine rechtliche Verpflichtung gewährt.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch Teilurteil zur Auskunftserteilung verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger seinen Anspruch auf Auskunftserteilung weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die vertragliche Verpflichtung des Klägers, in der vom Chefarzt festgesetzten Zeit und nach dessen Anordnung seinen Dienst zu verrichten, bedeute, daß der Kläger auf der ihm zugewiesenen Station ärztliche Dienste zu leisten gehabt habe, gleichgültig ob seine Station nur mit Kassenpatienten oder teilweise auch mit Privatpatienten des Beklagten belegt gewesen sei. Der Kläger sei zur Behandlung von Privatpatienten des Beklagten niemals über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen worden. Er habe vielmehr während seiner Arbeitszeit Kassen- wie auch Privatpatienten betreut, ohne daß zwischen den beiden Arten von Patienten unterschieden worden sei. Daraus folge, daß der Kläger mit der Vergütung, die er von dem Krankenhausträger erhalten habe, auch für die Betreuung der Privatpatienten des Beklagten vergütet worden sei. Vom Kläger sei keine Sonderleistung verlangt worden. In den Anweisungen des Beklagten habe kein Angebot zum Abschluß eines Dienstvertrages gelegen, das der Kläger durch konkludentes Verhalten angenommen habe. Der Beklagte habe seine Anweisungen nämlich nicht als Privatperson, sondern als Vertreter des Arbeitgebers erteilt.

Auch nach Inkrafttreten des Hessischen Krankenhausgesetzes und der entsprechenden Durchführungsverordnung stehe den ärztlichen Mitarbeitern nicht von Gesetzes wegen ein Rechtsanspruch auf Mitarbeiterbeteiligung zu. Voraussetzung hierfür sei vielmehr, daß die Mitarbeiterbeteiligung ausdrücklich als Bestandteil in den jeweiligen Arbeitsvertrag zwischen Arzt und Krankenhausträger aufgenommen sei. Sei eine derartige Vereinbarung vorhanden, habe der Arzt einen Anspruch gegen den Krankenhausträger, nicht aber gegen den Chefarzt persönlich. Im Streitfalle könne sich der Beklagte auf einen „Altvertrag” aus der Zeit vor Inkrafttreten des Hessischen Krankenhausgesetzes berufen, der ihn nicht zu irgendwelchen Zahlungen an die nachgeordneten Ärzte verpflichte. Es bestehe daher kein Rechtsanspruch des Klägers gegen den Beklagten, weil der Beklagte zwar als Chefarzt ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger gehabt habe, aber sonst keine arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien bestanden hätten.

Schließlich könne der Kläger seine Ansprüche auch nicht aus § 15 Abs. 2 der Hessischen Berufsordnung für Ärzte herleiten. Diese Bestimmung mache eine Beteiligung nachgeordneter Ärzte an Privatliquidationen zur Standespflicht. Die Normierung einer Standespflicht stelle aber keine Rechtsgrundlage dar, auf die der Kläger seine Ansprüche stützen könne.

Diese Begründung des Landesarbeitsgerichts ist zutreffend und wird von der Revision ohne Erfolg angegriffen.

II.1. Gegen die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Revision Verfahrensrügen im Sinne von § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO nicht erhoben; sie sind daher für den Senat bindend (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die Revision wendet sich jedoch gegen die Auslegung des Dienstvertrages des Klägers und dabei besonders gegen die Auslegung von dessen § 2 Abs. 2. Die Auslegung des – typischen – Vertrages durch das Landesarbeitsgericht verletzt aber nicht die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) oder die Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Die Revision führt aus, nach seinem Dienstvertrag sei der Kläger nicht zur Betreuung der Privatpatienten des Beklagten verpflichtet gewesen. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Kläger schuldete nach seinem Vertrag ärztliche Dienstleistungen. § 2 Abs. 2 seines Dienstvertrages stellt klar, daß er seine Dienste nach der Anordnung des Chefarztes zu verrichten habe. Danach übte der Chefarzt das Weisungsrecht des Arbeitgebers aus. Ob die auf seiner Station befindlichen Patienten Kassenpatienten oder Privatpatienten des Chefarztes waren, änderte nichts an der vom Kläger übernommenen Vertragspflicht, sondern betraf ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Krankenhausträger und dem Chefarzt. Welcher Art der Vertrag zwischen dem einzelnen Patienten und dem Krankenhaus war, hatte auf den Inhalt des Dienstvertrages des Klägers keinen Einfluß. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten sind keine arbeitsvertraglichen Beziehungen (§ 611 BGB) begründet worden. Ein Arbeitsverhältnis bestand nur zwischen dem Kläger und dem Krankenhausträger. Der Senat hat bereits mehrfach in vergleichbaren Fällen entschieden, daß zwischen dem nachgeordneten Arzt und seinem Chefarzt kein Arbeitsverhältnis besteht (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 1981 – 5 AZR 853/78 – AP Nr. 29 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu 1 a der Gründe; BAGE 43, 232, 237 = AP Nr. 36 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche, zu I 1 d der Gründe; vgl. ferner das Senatsurteil vom 8. April 1987 – 5 AZR 4/86 –, unveröffentlicht).

2. Durch die Betreuung von Privatpatienten des Beklagten seitens des Klägers ist der Beklagte auch nicht ungerechtfertigt bereichert worden im Sinne des § 812 BGB. Denn der „rechtliche Grund” für die Tätigkeit des Klägers war der Dienstvertrag des Klägers vom 14. November 1979 mit dem Krankenhausträger. Daraus ergibt sich, daß die Betreuung der Patienten seiner Station Aufgabe des Klägers war. Das ist ein hinreichender rechtlicher Grund für die Versorgung auch der Privatpatienten des Beklagten.

3. Die Bestimmungen des Hessichen Krankenhausgesetzes und seiner Durchführungsverordnung wirken sich auf die Entscheidung des Rechtsstreits nicht aus. Bei dem Vertrag des Beklagten mit dem Krankenhausträger handelt es sich um einen Vertrag, der vor Inkrafttreten des Hessischen Krankenhausgesetzes vom 4. April 1973 geschlossen worden ist (sog. Altvertrag). Eine Verpflichtung des Beklagten, Leistungen an einen Mitarbeiterfonds zu entrichten, ergibt sich aus seinem Vertrag mit dem Krankenhausträger nicht. Selbst wenn sie zu bejahen wäre, hätte der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Auszahlung von Anteilen. Das ist vom Senat bereits entschieden worden und wird von der Revision auch nicht bezweifelt (vgl. BAGE 43, 232, 237 = AP Nr. 36, a.a.O., zu I 1 d der Gründe). Der leitende Arzt schuldet seine Beteiligung nämlich nicht einem einzelnen nachgeordneten Arzt, er muß die Abführung der Beträge vielmehr an den Mitarbeiterfonds vornehmen. Hier gibt es keinen Mitarbeiterfonds.

III. Eine ganz andere, vom Senat jedoch nicht zu entscheidende Frage ist, ob der Beklagte im Verhältnis zum Kläger seine Standespflichten gemäß § 15 Abs. 2 der Hessischen Berufsordnung für Ärzte in der Fassung vom 18. Februar 1978 erfüllt hat. Nach dieser Bestimmung haben Ärzte, die andere Ärzte zu ärztlichen Verrichtungen bei Patienten heranziehen, denen gegenüber nur sie einen Liquidationsanspruch haben, diesen Ärzten eine angemessene Vergütung zu gewähren. Der Beklagte hat bestimmte Beträge an den Kläger gezahlt. Ob diese Beträge eine „angemessene” Leistung im Sinne der genannten Bestimmung darstellen oder nicht, entzieht sich indessen der Beurteilung durch die Gerichte für Arbeitssachen. Die Berufsordnung ist Standesrecht. Sie ist erlassen aufgrund des Hessischen Gesetzes über die Berufsvertretungen in der Fassung vom 27. Juli 1977 (GVBl. I S. 336). Nach § 13 dieses Gesetzes hat die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer die Berufsordnung zu beschließen und gleichzeitig auch eine Schlichtungsordnung zu schaffen. Streitfragen aus dem Bereich der Berufsordnung können daher nicht von den Gerichten für Arbeitssachen entschieden werden, sie fallen vielmehr in die Zuständigkeit der standesrechtlichen Schlichtungsorgane (vgl. insoweit auch BAGE 23, 382, 388 = AP Nr. 25 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel, zu II 3 b der Gründe).

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr Olderog, Dr. Koffka, Blank-Abel

 

Fundstellen

Haufe-Index 1015706

AusR 1991, 24

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