Entscheidungsstichwort (Thema)
DO-Angestellte. Lohnkürzung. Alimentationsprinzip. Dienstordnungsangestellte. Arbeitszeitverkürzung ohne Entgeltausgleich
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung einer Dienstordnung, die wegen einer vorübergehenden Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit aus Gründen der Beschäftigungssicherung die Kürzung der Bezüge von Dienstordnungsangestellten vorsieht, verstößt gegen das nach den Vorschriften der RVO für diese Arbeitnehmer geltende Alimentationsprinzip und ist deshalb nichtig.
Orientierungssatz
1. Das beamtenrechtliche Alimentationsprinzip gilt nach den Bestimmungen der RVO auch für Dienstordnungsangestellte. Danach schuldet der Dienstherr eine amtsangemessene Besoldung. Diese hat der Bundesgesetzgeber für Bundes- und Landesbeamte einheitlich im Bundesbesoldungsgesetz geregelt. Daran sind auch Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Besoldung ihrer Dienstordnungsangestellten gebunden.
2. Die Bestimmung einer Dienstordnung, die auf tarifliche Regelungen über Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich zur Beschäftigungssicherung Bezug nimmt und dadurch eine Kürzung der Bezüge für Dienstordnungsangestellte bewirkt, verstößt gegen höherrangiges Recht und ist deshalb nichtig.
Normenkette
BGB § 611; Tarifvertrag zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der AOK und der Beschäftigungssicherung (WBTV-AOK) vom 20. Januar 1998 § 11; Tarifvertrag über die kollektive Arbeitszeitverkürzung bei der AOK Sachsen (KAZTV-AOK Sachsen) vom 6. April 1998 § 4 Abs. 1-2; Tarifvertrag über die kollektive Arbeitszeitverkürzung bei der AOK Sachsen (KAZTV-AOK Sachsen) vom 6. April 1998 Anlage 1 zu § 4; RVO §§ 351, 352 S. 2, § 353 Abs. 1; 2. BesVNG Art. VIII § 1 Abs. 1; 2. BesVNG Art. VIII § 2 Abs. 1; BBesG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1; SGB IV § 29 Abs. 3; GG Art. 33 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Februar 2000 – 9 Sa 687/99 – insoweit aufgehoben, als es die Beklagte für die Zeit vor dem 31. Dezember 1998 zur Zahlung von Zinsen verurteilt hat. Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 9. Juni 1999 – 11 Ca 12241/98 – zurückgewiesen.
2. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung des Klägers, dessen Arbeitszeit aus Gründen der Beschäftigungssicherung ohne Entgeltausgleich vorübergehend verkürzt wurde.
Der Kläger ist in der Regionaldirektion Leipzig der beklagten Ortskrankenkasse als Dienstordnungsangestellter beschäftigt. Er führt die Dienstbezeichnung „Verwaltungsrat” und erhält gemäß Dienstvertrag vom 27. Januar 1992 Besoldung nach Besoldungsgruppe A 13 Bundesbesoldungsordnung (BBO).
Für das Anstellungsverhältnis des Klägers gilt die jeweilige Dienstordnung der Beklagten. Die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Dienstordnung (im folgenden: DO aF) wurde durch eine Dienstordnung mit Stand 13. Juli 1998 (im folgenden: DO nF) abgelöst. Diese in der Sitzung des Verwaltungsrats der Beklagten vom 17. Juni 1998 beschlossene Dienstordnung wurde mit Bescheid des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie vom 3. Juli 1998 genehmigt. In der DO aF heißt es auszugsweise:
„§ 32
Besitzstandswahrung
(1) Auf den bisherigen Dienstverträgen und der bisherigen Dienstordnung der AOK Sachsen beruhende günstigere Rechtsverhältnisse der Angestellten bleiben unberührt, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.
(2) Für ein bestehendes Dienstverhältnis im Vorbereitungsdienst oder Anwärterdienst gelten die bisherigen Vorschriften weiter.
§ 33
Inkrafttreten
(1) Diese Dienstordnung tritt mit Wirkung vom 01.01.1997 in Kraft.
…”
In der Dienstordnung nF heißt es auszugsweise:
„§ 29
Sozialplan/Sozialtarifvertrag
(1) …
(2) Für die Angestellten gelten die Regelungen des Tarifvertrages zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der AOK und der Beschäftigungssicherung (WBTV-AOK) und des darauf aufbauenden Tarifvertrages über die kollektive Arbeitszeitverkürzung bei der AOK Sachsen vom 06.04.1998.
…
Abschnitt 6: Überleitungsvorschriften
§ 32
Besitzstandswahrung
(1) Auf den bisherigen Dienstverträgen und der bisherigen Dienstordnung der AOK Sachsen beruhende günstigere Rechtsverhältnisse der Angestellten bleiben unberührt, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen.
(2) Für ein bestehendes Dienstverhältnis im Vorbereitungsdienst oder Anwärterdienst gelten die bisherigen Vorschriften weiter.
(3) Abs. 1 und Abs. 2 finden hinsichtlich § 29 Abs. 2 keine Anwendung.
§ 33
Inkrafttreten
(1) Diese Dienstordnung tritt mit Wirkung vom 01.01.1997 in Kraft.
…”
Der in der DO nF in Bezug genommene WBTV-AOK vom 20. Januar 1998 erfaßt nach den Bestimmungen über seinen persönlichen Geltungsbereich ausdrücklich auch Dienstordnungsangestellte (§ 2 Abs. 2) und sieht in § 11 Abs. 1 vor, daß durch bezirkliche oder örtliche Tarifverträge die regelmäßige Arbeitszeit (§ 15 Abs. 1 BAT/AOK bzw. BAT/AOK-O) für längstens drei Jahre auf bis zu 32 Stunden wöchentlich herabgesetzt werden kann, gegebenenfalls beschränkt auf einzelne Organisationseinheiten. Für diesen Zeitraum besteht nach § 11 Abs. 2 WBTV-AOK Kündigungsschutz hinsichtlich betriebsbedingter Kündigungen und nach § 11 Abs. 3 WBTV-AOK ein Anspruch auf Teillohnausgleich. Nach § 4 Abs. 1 des am 6. April 1998 von der AOK Sachsen und der Gewerkschaft der Sozialversicherung abgeschlossenen Tarifvertrags über die kollektive Arbeitszeitverkürzung bei der AOK Sachsen (KAZTV-AOK Sachsen), der für alle unter den WBTV-AOK fallenden Beschäftigten der AOK Sachsen gilt, richtet sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach § 15 Abs. 1 BAT/AOK-O. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für jede Organisationseinheit der AOK zu verkürzen. Nach Anlage 1 zu § 4 Abs. 2 ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen ab dem 1. Mai 1998 für die Regionaldirektion Chemnitz und die Regionaldirektion Leipzig, der der Kläger angehört, auf 37 Stunden festgesetzt. Bei der Regionaldirektion Dresden und der Hauptverwaltung beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden.
Ab dem 1. August 1998 verkürzte die Beklagte die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der in der Regionaldirektion Leipzig beschäftigten Dienstordnungsangestellten von 40 auf 37 Stunden und zahlte ihnen entsprechend gekürzte Bezüge. Für den Kläger, der der Beklagten seine Arbeitskraft im Umfang der bisherigen Arbeitszeit auch über den 1. August 1998 hinaus angeboten hat, ergibt sich eine monatliche Verdienstminderung in Höhe von 498,22 DM brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kürzung der Arbeitszeit und der Bezüge verstoße gegen § 32 DO aF. Außerdem sei die Regelung über die Arbeitszeitverkürzung für Dienstordnungsangestellte unangemessen, weil der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen, der den Tarifangestellten gewährt werde, für Dienstordnungsangestellte keinen Vorteil bringe. Sie seien nach § 16 DO ohnehin nur personenbedingt kündbar. Zudem verstoße die Anwendung tariflicher Regelungen auf sein Dienstverhältnis gegen die negative Koalitionsfreiheit. Schließlich bestehe kein sachlicher Grund für die unterschiedlichen Arbeitszeiten in den verschiedenen Regionaldirektionen.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn restliche Bezüge für August 1998 in Höhe von 498,22 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 1. September 1998 zu bezahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn restliche Bezüge für September 1998 in Höhe von 498,22 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 1. Oktober 1998 zu bezahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn restliche Bezüge für Oktober 1998 in Höhe von 498,22 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 1. November 1998 zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Arbeitszeitverkürzung und die damit einhergehende Verdienstminderung für Dienstordnungsangestellte sei rechtmäßig. Nach § 355 Abs. 3 RVO sei eine Änderung der Dienstordnung zulässig. Einen Besitzstand hinsichtlich der regelmäßigen Arbeitszeit gebe es nicht. Die Arbeitszeitverkürzung sei dringend erforderlich gewesen, um im Wettbewerb mit anderen Krankenkassen bestehen zu können. Da die Personalüberhänge in den einzelnen Regionaldirektionen unterschiedlich gewesen seien, habe es unterschiedliche Arbeitszeitregelungen gegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat bis auf einen Teil der geforderten Zinsen keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht der Klage in bezug auf die Hauptforderung unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattgegeben. Dem Kläger steht für die Monate August bis Oktober 1998 die volle Besoldung nach Besoldungsgruppe A 13 BBO zu. Zwar war die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers nach § 29 Abs. 2 DO nF iVm. § 11 Abs. 1 WBTV-AOK, § 4 KAZTV-AOK Sachsen und Anlage 1 hierzu auf 37 Stunden wöchentlich verkürzt. Dies führte jedoch nicht zu einer Verminderung der Bezüge des Klägers. Denn soweit § 29 Abs. 2 DO nF eine Kürzung der Besoldung bewirken soll, verstößt die Bestimmung gegen höherrangiges Recht und ist deshalb nichtig.
I. Durch § 29 Abs. 2 DO nF wird die Besoldung des Klägers gekürzt. Nach dieser Bestimmung gelten für die Dienstordnungsangestellten die Regelungen des WBTV-AOK und des darauf aufbauenden KAZTV-AOK Sachsen. Dort ist zwar nicht ausdrücklich bestimmt, daß sich die Vergütung der von der Arbeitszeitverkürzung betroffenen Beschäftigten vermindert. Daß dies der Fall ist, ergibt jedoch die Auslegung der in der Dienstordnung in Bezug genommenen tariflichen Regelung.
1. Durch § 4 KAZTV-AOK Sachsen wird die Arbeitszeit des Klägers verkürzt. In dieser Bestimmung heißt es:
„§ 4
Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit richtet sich nach § 15 Abs. 1 BAT/AOK-O.
Sie kann für jede Organisationseinheit der AOK Sachsen verkürzt werden. Organisationseinheiten im Sinne dieses Tarifvertrages sind die
- Regionaldirektion Chemnitz
- Regionaldirektion Dresden
- Regionaldirektion Leipzig
- Hauptverwaltung
- Gesundheitsförderung
(2) Die Festsetzung der zu reduzierenden Arbeitszeit für die einzelnen Organisationseinheiten erfolgt in Anlage 1 zu diesem Tarifvertrag.”
In Anlage 1 zu § 4 Abs. 2 KAZTV-AOK Sachsen heißt es:
„Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen ab dem 01.05.1998 für die
- …Regionaldirektion Chemnitz 37 Stunden
- Regionaldirektion Dresden 40 Stunden
- Regionaldirektion Leipzig 37 Stunden
…”
Danach ergibt sich für den in der Regionaldirektion Leipzig beschäftigten Kläger eine wöchentliche Arbeitszeit von 37 Stunden. Dies bedeutet eine Kürzung um drei Stunden wöchentlich im Verhältnis zu der bis dahin nach § 19 Abs. 1 Buchst. d DO iVm. § 1 Abs. 1 der SächsAZVO vom 12. Januar 1993 geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden. Dieser Arbeitszeitverkürzung steht § 19 Abs. 1 Buchst. d DO nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung gelten – soweit durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in der Dienstordnung nichts anderes bestimmt ist – die jeweiligen Vorschriften für Beamte des Freistaates Sachsen über Pflichten und Rechte entsprechend oder sinngemäß. Damit ist zwar grundsätzlich auch auf die SächsAZVO verwiesen, die eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht vorsieht. Deren Regelungen finden jedoch keine Anwendung, weil § 29 Abs. 2 DO nF mit der Verweisung auf den KAZTV-AOK Sachsen etwas anderes bestimmt.
2. Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 37 Stunden wöchentlich hat nach den in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen eine Reduzierung der Vergütung auf 37/40 zur Folge.
a) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ergibt sich dies jedoch nicht aus einer bundes- und landesbeamtenrechtlich einheitlichen Regelung, nach der bei verkürzter Arbeitszeit die Dienstbezüge entsprechend zu kürzen sind. Eine solche Regelung gibt es nicht.
Nach § 7 Abs. 1 DO aF und nF richtet sich die Besoldung nach der Besoldungsgruppe, die der Dienstvertrag festlegt, im übrigen nach den für die Beamten im Freistaat Sachsen geltenden Vorschriften. Das Bundesbesoldungsgesetz, das nach § 1 Abs. 1 auch für die Besoldung der Landesbeamten und damit für die Besoldung der Beamten des Freistaates Sachsen gilt, bestimmt lediglich bei Teilzeitbeschäftigung eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 6 Abs. 1), nicht hingegen bei sonstigen Arbeitszeitverkürzungen. Der Kläger ist nicht teilzeitbeschäftigt. Eine Teilzeitbeschäftigung liegt nur vor, wenn für den einzelnen Arbeitnehmer eine geringere regelmäßige Arbeitszeit als die allgemein für Vollzeitbeschäftigte geltende regelmäßige Arbeitszeit vereinbart wird. Durch § 4 Abs. 2 KAZTV-AOK Sachsen wird jedoch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer herabgesetzt. Dadurch werden die Arbeitnehmer nicht zu Teilzeitbeschäftigten, sie bleiben vielmehr vollzeitbeschäftigt (vgl. BAG 28. Juni 2001 – 6 AZR 114/00 – DB 2002, 274, zu B III 3 b aa (3) der Gründe).
b) Eine Kürzung der Besoldung bei verminderter Arbeitszeit kann auch nicht ohne weiteres aus einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Vergütung und den geleisteten Diensten hergeleitet werden. Dienstordnungsangestellte werden hinsichtlich ihrer Vergütung nach Maßgabe des jeweiligen Beamtenrechts behandelt. Zwar besteht auch zwischen der Besoldung der Beamten und ihrer Dienstleistung eine gegenseitige Abhängigkeit (Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel Besoldungsrecht des Bundes und der Länder Band 1 Stand August 2001 § 1 BBesG Anm. 1.3). Der Gesetzgeber hat jedoch bei der Bemessung der Besoldung neben dem Grundsatz der Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten auch die notwendige Sicherung der finanziellen Unabhängigkeit des Beamten zu berücksichtigen (Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel aaO § 6 BBesG Anm. 4). Der Umfang der Dienstleistung ist daher nicht alleiniger Maßstab für die Höhe der Besoldung des Beamten (Clemens/Millack/Engelking/Lantermann/Henkel aaO § 1 BBesG Anm. 1.3).
c) Daß die Vergütung entsprechend der Arbeitszeitverkürzung zu ermäßigen ist, ergibt sich aus § 29 Abs. 2 DO nF iVm. § 5 KAZTV-AOK Sachsen und § 11 Abs. 3 WBTV-AOK.
Nach § 5 KAZTV-AOK Sachsen wird für die Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ein Teillohnausgleich gewährt, dessen Umfang und Höhe sich nach § 11 Abs. 3 WBTV-AOK richtet. Nach § 11 Abs. 3 WBTV-AOK beträgt der Teillohnausgleich je nach Umfang der Arbeitszeitverkürzung bis zu 40 % „der auf die eingesparte Zeit entfallenden Vergütung”. Damit setzt die tarifliche Regelung eine Verminderung der Vergütung entsprechend der Arbeitszeitverkürzung voraus, die durch den Teillohnausgleich abgemildert werden soll. Da § 11 Abs. 3 WBTV-AOK bei einer Reduzierung der Arbeitszeit bis einschließlich drei Stunden wöchentlich einen Teillohnausgleich von 0 % vorsieht, ergibt sich für den Kläger in den streitgegenständlichen Monaten August bis Oktober 1998 eine Kürzung der Bezüge auf 37/40 der sich aus Anlage IV zum BBesG ergebenden Besoldung nach Besoldungsgruppe A 13.
II. Die Regelung in § 29 DO nF verstößt, soweit sie durch die Verweisung auf die tariflichen Bestimmungen eine Kürzung der Besoldung bewirkt, gegen die Vorschriften der RVO und ist deshalb nichtig.
1. Bei der Dienstordnung handelt es sich um von der Beklagten auf Grund gesetzlicher Ermächtigung nach den Bestimmungen der RVO erlassenes autonomes Satzungsrecht (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG 25. April 1979 – 4 AZR 791/77 – BAGE 31, 381, 384; 5. März 1980 – 4 AZR 245/78 – BAGE 33, 34, 37; 17. Dezember 1987 – 6 AZR 747/85 – AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 65 = EzA ZPO § 71 Nr. 1, zu III 2 der Gründe). Dieses muß sich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften halten. Ist dies nicht der Fall, ist es als sekundäre Rechtsquelle unwirksam, auch wenn es in einem formell ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen ist (BAG 17. Dezember 1987 – 6 AZR 747/85 – aaO). So verhält es sich hier.
Die Kürzung der Vergütung von Dienstordnungsangestellten verstößt gegen das beamtenrechtliche Alimentationsprinzip. Nach diesem ist der Dienstherr verpflichtet, dem Beamten und seiner Familie amtsangemessenen Unterhalt zu leisten. Das Alimentationsprinzip beruht zwar auf den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), die für Dienstordnungsangestellte nicht unmittelbar gelten, weil diese trotz der weitgehenden Annäherung ihrer Rechtsverhältnisse an das Beamtenrecht keine Beamte, sondern privatrechtliche Angestellte sind. Für die Beurteilung der Angemessenheit ihrer Bezüge gelten diese Grundsätze jedoch entsprechend (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 25. April 1979 – 4 AZR 791/77 – BAGE 31, 381; 1. Juni 1983 – 5 AZR 82/81 – nv.; BSG 13. Juli 1999 – B 1 A 2/97 R – SozR 3-2700 § 144 Nr. 1). Dies ergibt sich aus den Bestimmungen der RVO.
Nach § 351 RVO wird für die von den Krankenkassen besoldeten Angestellten eine Dienstordnung aufgestellt. Diese enthält nach § 353 Abs. 1 RVO einen Besoldungsplan. Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, daß Dienstordnungsangestellte besoldet werden. Sie werden daher vergütet wie Beamte. Dies entspricht dem Grundsatz, daß Dienstordnungsangestellte, die bei Sozialversicherungsträgern grundsätzlich Tätigkeiten verrichten, die bei allgemeinen staatlichen Behörden in der Regel Beamten übertragen sind, hinsichtlich der materiellen Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse einen Status einnehmen sollen, der weitgehend dem der Beamten entspricht (BAG 25. April 1979 – 4 AZR 791/77 – aaO; 12. August 1981 – 4 AZR 918/78 – BAGE 36, 52), zB durch Anstellung auf Lebenszeit (§ 353 Abs. 1 Nr. 3 RVO) oder die Beschränkung der Folgen von Pflichtverletzungen auf die disziplinarrechtlichen Sanktionen für Beamte (§ 352 Satz 2 RVO). Auch die Bestimmungen in Art. VIII des Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG), auf die das Berufungsgericht ua. abgestellt hat, setzen die Geltung des Alimentationsprinzips für Dienstordnungsangestellte voraus. Nach Art. VIII § 1 Abs. 1 2. BesVNG haben bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung bei der Aufstellung ihrer Dienstordnungen den Rahmen des Bundesbesoldungsgesetzes, insbesondere das für die Bundesbeamten geltende Besoldungs- und Stellengefüge einzuhalten und alle weiteren geld- und geldwerten Leistungen sowie die Versorgung im Rahmen und nach den Grundsätzen der für die Bundesbeamten geltenden Bestimmungen zu regeln. Für landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung wie die Beklagte gilt dies gemäß Art. VIII § 2 Abs. 1 Nr. 1 2. BesVNG mit der Maßgabe, daß an die Stelle des für Bundesbeamte geltenden Rechts das für Landesbeamte geltende Recht tritt. Der Zweck dieser Regelung besteht darin, das Besoldungs- und Versorgungsrecht in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu vereinheitlichen und dabei möglichst alle Bediensteten zu erfassen, die Hoheitsbefugnisse ausüben, für die Beamtenrecht maßgeblich ist und bundeseinheitliche Maßstäbe gefunden werden können (BT-Drucks. 7/1906, S 75, 130). Danach sollen die Geld- und geldwerten Leistungen von Beamten und Dienstordnungsangestellten gleich und nicht ungleich sein (BAG 12. August 1981 – 4 AZR 918/78 – BAGE 36, 52, 57). Aus diesem Grund ist es nicht zulässig, Dienstordnungsangestellten Leistungen zu gewähren, die nach beamtenrechtlichen Bestimmungen für Beamte nicht vorgesehen sind (BAG 5. März 1980 – 4 AZR 245/78 – BAGE 33, 34; 12. August 1981 – 4 AZR 918/78 – BAGE 36, 52; 17. Dezember 1987 – 6 AZR 747/85 – AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 65 = EzA ZPO § 71 Nr. 1, zu III 1 a der Gründe). Die darin liegenden Eingriffe in die Koalitions- und Vertragsfreiheit sind rechtlich nur unbedenklich und ergeben nur dann einen Sinn, wenn auch für Dienstordnungsangestellte das Alimentationsprinzip gilt und sie in gleicher Weise wie Beamte besoldet werden. Ansonsten würden sie hinsichtlich ihrer Vergütung außer den zwingenden gesetzlichen Regelungen des Beamtenbesoldungsrechts auch verschlechternden rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmechanismen unterliegen.
2. Das Alimentationsprinzip gewährleistet amtsangemessenen Unterhalt. Diesen hat der Gesetzgeber im Bundesbesoldungsgesetz mit der Zuordnung der Ämter zu den Besoldungsgruppen und der Bemessung der jeweiligen Dienstbezüge in Anlage IV zum BBesG geregelt (BVerwG 2. März 2000 – 2 C 1/99 – BVerwGE 110, 363, 368). Das Bundesbesoldungsgesetz gilt für Bundes- und Landesbeamte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BBesG). Daran ist auch die Beklagte als landesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts im Bereich der Sozialversicherung hinsichtlich der Vergütung ihrer Dienstordnungsangestellten, die der Besoldung der Beamten des Freistaates Sachsen zu entsprechen hat, gebunden. Sie kann deren Bezüge ebensowenig absenken wie der Landesgesetzgeber die Bezüge für einzelne Besoldungsgruppen oder Beamte, deren Ämter bundesgesetzlich mit diesen Besoldungsgruppen bewertet sind (vgl. etwa BVerwG 2. März 2000 – 2 C 1/99 – aaO).
3. Durch die Bindung an das Alimentationsprinzip wird das Selbstverwaltungsrecht der Beklagten nicht verletzt. Dieses besteht nach § 29 Abs. 3 SGB IV nur im Rahmen des Gesetzes. Dazu gehören auch die Bestimmungen der RVO, aus denen sich die Pflicht zur Alimentation der Dienstordnungsangestellten ergibt. Eine verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts, wie sie Art. 28 Abs. 2 GG für Gemeinden und Gemeindeverbände vorsieht, besteht für Sozialversicherungsträger nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BAG 26. September 1984 – 4 AZR 608/83 – BAGE 47, 1; 17. Dezember 1987 – 6 AZR 747/85 – AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 65 = EzA ZPO § 71 Nr. 1, zu III 4 b der Gründe mwN).
III. Da die Kürzung der Bezüge des Klägers bereits nach den Bestimmungen der RVO unzulässig ist und dem Kläger deshalb für den streitgegenständlichen Zeitraum die ungekürzte Vergütung zusteht, bedurfte die Frage, ob der Gehaltskürzung die Besitzstandsregelung in § 32 DO aF entgegensteht, wovon das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, keiner Entscheidung.
IV. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nur teilweise begründet. Dem Kläger stehen gemäß § 3 Abs. 6 BBesG, der nach § 7 DO nF auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, keine Verzugszinsen zu. Er hat daher nur einen Anspruch auf Prozeßzinsen (§ 291 BGB) von dem Tage an, der auf den Tag der Klagezustellung folgt. Dies ist der 31. Dezember 1998. Das Berufungsurteil war daher hinsichtlich der für die Zeit vor dem 31. Dezember 1998 zuerkannten Zinsen aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Kapitza, Schneider
Fundstellen
BAGE, 348 |
ARST 2002, 257 |
FA 2002, 58 |
NZA 2002, 808 |
ZTR 2002, 444 |
AP, 0 |
AuA 2002, 574 |
EzA-SD 2002, 10 |
NJ 2002, 448 |
PersR 2002, 449 |
RiA 2002, 278 |
ZfPR 2002, 275 |
AUR 2002, 275 |