Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Arbeiters im Gesundheitswesen
Leitsatz (amtlich)
Ein zwischen einer Zentralküche und einer automatischen Warentransportanlage zwischengeschaltetes Tiefkühlhochregallager in einem Universitätsklinikum stellt keine Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage im Sinne der Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 für Arbeiter im Gesundheitswesen dar.
Normenkette
MTArb § 21 Abs. 1; MTL II § 21 Abs. 1; TV-Lohngruppen-TdL § 2 Abs. 1; Anlage 1 zum TV-Lohngruppen-TdL Lohngruppe 4 Fallgruppe 1, Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung des Klägers.
Der Kläger absolvierte eine dreieinhalbjährige Lehre zum Starkstromelektriker (heutige Berufsbezeichnung: Energieanlagenelektroniker). Nach vierjähriger Gesellentätigkeit trat er am 1. Januar 1978 in die Dienste des beklagten Landes. Er wurde als Elektriker bei der Technischen Abteilung der Verwaltung der Kliniken und Medizinischen Institute der W…-Universität M… eingestellt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt gemäß § 2 des Arbeitsvertrages den jeweiligen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Länder (MTL II). Nach § 21 Abs. 1 MTL II richtet sich der Lohn nach der Tätigkeit, der Dienstzeit (ab 1. April 1991: Lohnstufen) und dem Lebensalter. Damit wird auf § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum MTL II verwiesen. Der MTL II ist ab 1. März 1996 durch den MTArb ersetzt worden, ohne daß sich an der geschilderten Rechtslage etwas geändert hat. § 21 Abs. 1 MTArb ist wortgleich mit § 21 Abs. 1 MTL II. Auch § 2 Abs. 1 TV-Lohngruppen-TdL ist inhaltlich identisch mit § 2 Abs. 1 des TV über das Lohngruppenverzeichnis zum MTL II.
In der Zeit der Einstellung des Klägers standen erste Bereiche des neu errichteten Zentralklinikums vor der Fertigstellung. Der Kläger war zunächst als Betriebselektriker im gesamten Bereich der medizinischen Einrichtungen tätig. Mit der Inbetriebnahme des Versorgezentrums des neuen Zentralklinikums ab dem Jahre 1979 hat der Kläger die Installation der Großkücheneinrichtung und die gesamte kühltechnische Einrichtung einschließlich des Transportsystems begleitend betreut. Bei der kühltechnischen Einrichtung handelt es sich um ein System, das für 1200 bis 1500 Patienten pro Tag die Verpflegung verpackt, befördert sowie ein- und auslagert. Dabei werden die in Alu-Schalen verpackten Komponenten durch einen Durchlauf-Schockfroster tiefgefrostet und nach automatischer Verpackung in Lagerbehälter in das Tiefkühlhochregallager eingelagert. Die Ein- und Auslagerung erfolgt mittels dreier automatischer Regalbedienungsgeräte, die die Lagerbehälter in sechs Hochregalen positionieren, absetzen und aufnehmen. Die gesamte Steuerung erfolgt rechnergestützt.
Der Kläger absolvierte in den Jahren 1979 bis 1982 verschiedene Schulungen zur Betreuung dieses Tiefkühlhochregallagers. Seit Mai 1992 wurde diese Einrichtung komplett überholt und auf den neuesten technischen Stand gebracht. Auch der Rechner und die Steuerungstechnik für das Versorgungszentrum der Universtitätskliniken wurden erneuert. Der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt durchgängig zu diesen Arbeiten beigezogen war, erhielt wieder verschiedene Schulungen zur Bedienung, Parametrierung und Programmierung der automatischen Steuerungen und über den softwaremäßigen Aufbau eines Anwenderprogramms. Ab 1. Juli 1992 betreute der Kläger als Vorarbeiter auch die zentrale Sterilisationsanlage.
Mit Schreiben vom 15. August 1991 verlangte der Kläger, der ab 1. Oktober 1990 in die Lohngruppe 7a der Anl. 1 des TV über das Lohngruppenverzeichnis zum MTL II umgruppiert worden war rückwirkend ab 1. Oktober 1990 seine Eingruppierung in die Lohngruppe 9 MTL II Fallgruppe 18.1. Das beklagte Land lehnte die Höhergruppierung ab.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er warte Spezialeinrichtungen und Spezialanlagen im Sinne der Lohngruppe 9 MTL II Fallgruppe 18.1. Er setze diese Anlage instand, gewährleiste deren Betriebsbereitschaft und sei in der Lage, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen. Auch erfülle er das Merkmal der zusätzlichen fachlichen Fortbildung. Er habe an zahlreichen Schulungen teilgenommen, die durch die intensiven und lang andauernden Einweisungstätigkeiten an den Anlagen vertieft und vervollständigt worden seien. Dies gelte, wie der Kläger im einzelnen ausgeführt hat, sowohl für die erste Installationsphase als auch für die Phase der technischen Erneuerung des Tiefkühlhochregallagers.
Der Kläger hat beantragt,
- das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 6.798,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 18. Dezember 1992 und weitere 251,80 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Februar 1993 zu zahlen;
- festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihn ab Februar 1993 nach der Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 des MTL II zu vergüten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, bei dem Tiefkühlhochregallager handele es sich nicht um eine Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage. Im übrigen stellten auch die speziell auf eine bestimmte Technik ausgerichteten firmenspezifischen Schulungen des Klägers keine zusätzliche fachliche Fortbildung dar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz zur Klageabweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 MTArb/MTL II. Der Kläger betreue nach zusätzlicher fachlicher Fortbildung die zentrale Sterilisationsanlage sowie das Tiefkühlhochregallager als Spezialeinrichtung in einem Krankenhaus der Maximalversorgung.
Diese Ausführungen halten jedoch einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Der Kläger hat keinen Anspruch gemäß § 21 Abs. 1 MTL II, § 21 Abs. 1 MTArb i.V.m. § 2 Abs. 1 des TV über das Lohngruppenverzeichnis zum MTL II bzw. § 2 Abs. 1 TV Lohngruppenverzeichnis-TdL, wonach für die Einreihung in diese Lohngruppe die mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit maßgebend ist. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9 MTL II/MTArb, die wie folgt lautet:
“18. Im Gesundheitswesen
18.1 Arbeiter der Lohngruppe 4 Nr. 1 mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägigen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren (z.B. Elektromechaniker, Energieelektroniker, Kälteanlagenbauer, Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, Meß- und Regelmechaniker) mit Meisterbrief oder einer zusätzlichen fachlichen Fortbildung, die verschiedene Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen (z.B. zentrale Sauerstoffanlagen, zentrale Vakuumanlagen, zentrale Lachgasanlagen, zentrale Druckluftanlagen, zentrale Sterilisationsanlagen, zentrale Destillieranlagen, zentrale Meß-, Steuer- und Regelanlagen für Klima- und Kälteanlagen in Krankenhäusern der Maximalversorgung) warten, instand setzen, die Betriebsbereitschaft gewährleisten und in der Lage sind, die Regelung und Steuerung der Anlagen technischen Änderungen anzupassen.”
1. Der Kläger ist, was zwischen den Parteien auch außer Streit steht, mit seiner Tätigkeit für das Großklinikum der Universität im Gesundheitswesen beschäftigt. Er ist Arbeiter mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in einem einschlägig anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren. Er verfügt über eine dreieinhalbjährige abgeschlossene Facharbeiterausbildung zum Starkstromelektriker (heute: Energieelektroniker der Fachrichtung Anlagentechnik). Der Kläger wird zur Zeit nach der Lohngruppe 7a MTL II vergütet, die eine vierjährige Tätigkeit in der Lohngruppe 7 Fallgruppe 4 MTL II voraussetzt. Diese wiederum ist Arbeitern der Lohngruppe 6 Fallgruppe 1 MTL II (d.h. Arbeitern mit abgeschlossener Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren und Tätigkeit in ihrem oder einem verwandten Beruf) zugeordnet, die besonders hochwertige Arbeiten (d.h. Arbeiten, die neben vielseitigem hochwertigem fachlichen Können besondere Umsicht und Zuverlässigkeit erfordern) verrichten und sich in dieser Tätigkeit drei Jahre bewährt haben. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besteht auch mindestens die Hälfte der Arbeitszeit des Klägers in der Wartung, Instandsetzung und Gewährleistung der Betriebsbereitschaft der zentralen Sterilisationsanlage und des Tiefkühlhochregallagers. Er ist in der Lage, die Regelungen und Steuerungen dieser Anlagen technischen Änderungen anzupassen.
2. Gleichwohl sind die Voraussetzungen der Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 MTL II/MTArb nicht gegeben, weil der Kläger mit den genannten Anlagen nicht “verschiedene Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen” im Sinne dieser Tarifnorm betreut.
Der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1996 (– 4 AZR 247/95 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) den Tarifbegriff, Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen im Sinne des Einreihungsmerkmals der Fallgruppe 18.1 dahin ausgelegt, daß es sich um Einrichtungen und Anlagen handeln muß, die speziell medizinisch/klinischen Zweckes dienen müssen. Diesem aus dem Oberbegriff Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlagen und den in dem Klammerzusatz angeführten Beispielen sonstiger zentraler Anlagen gewonnenen Auslegungsergebnis einschließlich deren ausführliche Begründung schließt sich der erkennende Senat voll inhaltlich an. Insoweit wird auf die Entscheidung des Vierten Senats Bezug genommen.
Bei diesem Inhalt des Tarifbegriffs Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage dient das Tiefkühlhochregallager jedoch nicht der medizinischen Versorgung. Es fehlt an einer krankenhausspezifischen klinischen Zweckbestimmung. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wird mit dieser Anlage die in der Küche hergestellte Patientenverpflegung automatisch verpackt, registriert, etikettiert zum Schockfroster befördert, dort tiefgefrostet, in große Behälter verpackt und schließlich in das Hochregallager bis zur Auslagerung aufgrund der Anforderungen von den einzelnen Stationen eingelagert. Es dient somit dazu, die in der Küche fertiggestellte Patientenverpflegung zu verpacken, einer Tiefkühllagerung zuzuführen und nach dem jeweiligen Bedarf die angeforderte Patientenverpflegung aus dem Hochregallager zu entnehmen und den einzelnen Stationen zuzuleiten. Auch soweit im Lager medizinisch indizielle Verpflegung, wie eine spezielle Diät, aufbewahrt wird, hat die Einrichtung keine zusätzliche medizinische Funktion. Für die medizinisch richtige Ernährung bedarf es dieser Einrichtung nicht. Sie kann auch ohne das Tiefkühlhochregallager in der Küche hergestellt und über die automatische Transportanlage zum Patienten befördert werden. Das Lager ist damit nur eine Zwischenanlage zwischen der Herstellung der Patientenverpflegung in der Küche und deren Versand mit der automatischen Transportanlage an die Stationen. Da ihr somit jegliche klinische Zweckbestimmung fehlt, ist sie keine Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage im Sinne der Tarifnorm.
3. Damit betreut der Kläger mit der zentralen Sterilisationsanlage nur eine Spezialanlage im Sinne der Fallgruppe 18.1 der Lohngruppe 9. Das reicht jedoch für die Einreihung in die Fallgruppe 18.1 nicht aus. Gegenstand der Betreuungstätigkeit müssen “verschiedene” Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen sein, d.h. die Betreuung muß sich auf mindestens zwei nicht gleichartige Spezialeinrichtungen bzw. Spezialanlagen beziehen (vgl. BAG Urteil vom 18. Dezember 1996, aaO). Da diese Voraussetzung nicht gegeben ist, weil das Tiefkühlhochregallager im Tarifsinne keine Spezialeinrichtung bzw. Spezialanlage darstellt, steht dem Kläger schon aus diesem Grunde kein Anspruch auf die Vergütung nach der Lohngruppe 9 Fallgruppe 18.1 zu. Damit kann dahingestellt bleiben, ob das Tatbestandsmerkmal “mit Meisterbrief oder einer zusätzlichen fachlichen Fortbildung” (vgl. dazu BAG Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 759/94 – AP Nr. 2 zu § 17 TV Arb Bundespost) im Sinne dieser Fallgruppe erfüllt ist.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Walther, Staedtler
Richter Hauck ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert.
Matthes
Fundstellen