Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung einer stillen Gesellschaft
Orientierungssatz
1. Es ist zulässig, einen stillen Gesellschafter zum Prokuristen zu bestellen und ihm die kaufmännische Geschäftsführung zu überlassen. Hierdurch wird abweichend von § 335 Abs 2 HGB aF = § 230 Abs 2 HGB nF keine Außenhaftung begründet.
2. Eine Haftung aufgrund Rechtsscheins kommt nur dann in Betracht, wenn im Geschäftsverkehr der Anschein entsteht, der Handelnde sei persönlich haftender Gesellschafter einer Gesellschaft und ein Dritter im Vertrauen hierauf Rechtsgeschäfte abschließt.
Normenkette
BGB §§ 419, 611, 613a; HGB § 230 Fassung 1985-12-19, § 335 Fassung 1897-05-10
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 24.10.1984; Aktenzeichen 2 Sa 220/83) |
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 26.08.1983; Aktenzeichen 9 Ca 316/83) |
Tatbestand
Die Klägerin trat am 16. Mai 1977 in die Dienste des am 15. Juli 1978 verstorbenen R J, der unter der Firma R J, Bad D, eine Gravieranstalt und Metallwarenfabrik betrieb. An diesem Unternehmen waren seit 1962 drei stille Gesellschafter beteiligt, denen das Recht eingeräumt war, das Geschäftsvermögen des Unternehmens einschließlich des Fabrikgrundstückes zu übernehmen. Durch notariellen Vertrag übertrugen die stillen Gesellschafter ihre Rechte aus dem Gesellschafts- und Optionsvertrag auf den Streithelfer des Beklagten. Dieser trat mit Wirkung vom 1. Januar 1967 an deren Stelle als stiller Gesellschafter in das Unternehmen. Aufgrund eines weiteren notariellen Vertrages vom 21. August 1974 zwischen R J, dem Streithelfer und dem Beklagten trat der Beklagte als stiller Gesellschafter in das Unternehmen ein. Er wurde zum Prokuristen bestellt. Der Streithelfer übertrug ihm die Hälfte seiner Einlage und räumte ihm das Optionsrecht zum Erwerb des Fabrikgrundstücks zur Hälfte ein. Zugleich wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefaßt. Hierin heißt es in § 14:
Ausscheiden des Geschäftsinhabers oder eines
stillen Gesellschafters
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1. Kündigt der Geschäftsinhaber oder ein stil-
ler Gesellschafter, so scheidet er aus dem
Unternehmen aus.
2. Bei Kündigung der Gesellschaft sowie Aus-
schließung oder Konkurs eines Gesellschaf-
ters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst,
sondern nach Ausscheiden des betreffenden
Gesellschafters von den übrigen Gesellschaf-
tern fortgesetzt.
3. Scheidet der Geschäftsführer aus, so wird
die Gesellschaft von den stillen Gesell-
schaftern in einer geeigneten Gesellschafts-
form fortgesetzt.
Die stillen Gesellschafter sind dann berech-
tigt, das Handelsgeschäft mit AKTIVEN und
PASSIVEN und dem Recht zur Fortführung der
Firma, zu übernehmen und weiterzuführen.
Unter dieses Übernahmerecht fällt auch das
Recht zur Übernahme des im Grundbuch von Bad
D auf den Namen von R J ein-
getragenen Grundbesitzes, dessen derzeitiger
grundbuchmäßiger Beschrieb lautet:
Band 22, Heft 24, Best.Verz. I, Nr. 5,
Bauplatz am S Weg, Plan Nr.
15, Parz. 1 008/4, 74 a 78 qm.
In § 15 heißt es:
Erbfolge
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1. Stirbt der Geschäftsinhaber, so gilt ent-
sprechend § 14 Abs. 3, daß die Erben des
Geschäftsinhabers aus der Gesellschaft aus-
scheiden. Die stillen Gesellschafter können
den Gesellschaftsanteil übernehmen und die
Erben gem. § 16 abfinden.
2. Stirbt ein stiller Gesellschafter, so wird
die Gesellschaft mit seinen Erben fortge-
setzt.
Nach dem Tode R J schlugen seine erbberechtigten gesetzlichen Erben die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses aus. Der Beklagte, der weiterhin als Prokurist im Handelsregister eingetragen war, führte das Unternehmen unter der Firma R J mit zunächst 60 Mitarbeitern weiter. Die Buchhalterin fertigte weisungsgemäß am 15. Juli 1978 einen Abschluß und legte neue Sachkontenblätter an. Am 20. November 1978 erstellte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum gleichen Stichtag eine Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung, welche für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum 15. Juli 1978 einen Fehlbetrag von 109.221,94 DM ausweist. Damit ergab sich zu Lasten R J ein negatives Kapitalkonto über 93.587,24 DM, das wegen Uneinbringlichkeit zum Nachteil der stillen Gesellschafter ausgebucht wurde. Am 22. Januar 1980 bestellte das Nachlaßgericht einen Nachlaßpfleger. Dieser übertrug durch notariellen Vertrag vom 5. Juni 1981 das Betriebsgrundstück auf den Beklagten und den Streithelfer. Er ging davon aus, daß die Voraussetzungen für die Ausübung des Optionsrechtes eingetreten seien. Das Nachlaßgericht hob am 25. Juni 1981 die Nachlaßpflegschaft wieder auf und stellte durch weiteren Beschluß vom 18. Februar 1983 fest, daß ein anderer Erbe als der Fiskus von Baden-Württemberg nicht vorhanden ist.
Seit dem Jahre 1981 arbeitete das Unternehmen mit Verlust. Der Beklagte nahm unter eigenem Namen einen Kredit in Höhe von 100.000,-- DM auf und stellte dem Unternehmen den Betrag als Darlehen zur Verfügung. Auch sein Sohn und die Ehefrau des Streithelfers gaben dem Unternehmen Darlehen über größere Beträge. Dessen Sanierung und Umwandlung in eine juristische Person mißlang. Am 30. Juni 1983 stellte es seinen Geschäftsbetrieb ein. Zu diesem Zeitpunkt war es zahlungsunfähig. Seit April 1983 hatte die Klägerin Vergütung in einer Gesamthöhe von 4.299,41 DM brutto nicht mehr erhalten. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens erhielt sie Konkursausfallgeld.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Beklagte für die rückständigen Lohnansprüche hafte. Hierzu hat sie vorgetragen, mit dem Tode des Geschäftsinhabers sei die stille Gesellschaft aufgelöst worden. In § 14 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages sei vorgesehen, daß die bisherigen Gesellschafter die Gesellschaft in einer geeigneten Gesellschaftsform fortsetzen. Im Verlaufe der fünfjährigen Fortsetzung des Geschäftsbetriebes sei eine offene Handelsgesellschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes entstanden. Das ergebe sich aus der Ausbuchung des negativen Kapitalkontos, der Übernahme des Fabrikgrundstückes und aus den erheblichen Nachschüssen des Beklagten und seines Streithelfers. Diese hafteten mithin als Gesellschafter oder als Betriebsnachfolger. Zumindest hätten sie den Rechtsschein einer Gesellschaft erweckt. Schließlich stelle die Übernahme des Betriebsgrundstückes eine Vermögensübernahme dar, die einen weiteren Haftungstatbestand begründe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an das
Arbeitsamt V ,
vertreten durch den Direktor, J
-Straße 7, -V
zu AZ II C 3 Kaug - Stamm-Nr. 202 ei-
nen Betrag in Höhe von 4.299,51 DM
brutto zu bezahlen.
Der Beklagte und der Streithelfer haben beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise ihre jeweilige Haftung auf das Geschäftsvermögen der Firma R J, Bad D, eingetragen im Handelsregister - HRA 969 - des Amtsgerichts-V zu beschränken. Sie haben vorgetragen, sie seien auch nach dem Tode des Geschäftsinhabers stille Gesellschafter geblieben. Zwischen ihnen sei mangels Abschluß eines Gesellschaftsvertrages weder eine Personengesellschaft zustande gekommen, noch hätten sie das Handelsgeschäft nach § 14 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages übernommen noch seien sie Betriebsnachfolger geworden. Sie hätten auch nicht den Rechtsschein erweckt, daß sie Geschäftsinhaber seien. Für die Verbindlichkeiten hafte vielmehr das Land Baden-Württemberg als Erbe. Eine Vermögensübernahme habe nicht stattgefunden; das Grundstück sei bis an die Grenze belastet gewesen. Der Streithelfer hat darüber hinaus behauptet, er habe die stille Gesellschaft zum 31. Dezember 1982 gekündigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten und des Streithelfers hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Restlohn für die Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni 1983, der auf die Bundesanstalt für Arbeit hätte übergehen können.
I. Für die Lohnansprüche der Klägerin haftet allein der Rechtsnachfolger von R J, möglicherweise beschränkt auf den Nachlaß. Die Klägerin hat ihren Arbeitsvertrag am 16. Mai 1977 mit R J geschlossen. Etwaige Vergütungsansprüche sind daher allein gegen ihn entstanden und richten sich nach seinem Tode gegen den Rechtsnachfolger. Ihre Vergütungsansprüche sind auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen, als sie den Antrag auf Zahlung von Konkursausfallgeld stellte (§ 141 m AFG).
II. Der Beklagte ist weder bei Begründung des Arbeitsverhältnisses noch nach dem Tode R J in die Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten.
1. Bei der Begründung des Arbeitsvertrages am 16. Mai 1977 war der Beklagte stiller Gesellschafter R J. Aus den Rechtsgeschäften einer stillen Gesellschaft wird aber nicht der stille Gesellschafter, sondern nur der Geschäftsinhaber selbst berechtigt und verpflichtet.
a) Eine stille Gesellschaft besteht dann, wenn sich ein Gesellschafter an dem Handelsgewerbe eines anderen mit einer Einlage beteiligt, die in das Vermögen des Geschäftsinhabers übergeht (§ 335 Abs. 1 HGB a.F. = § 230 Abs. 1 HGB n.F.). Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß R J ein Handelsgewerbe betrieben hat und mit seinem Unternehmen in das Handelsregister eingetragen war. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 21. August 1974 zwischen R J, dem Streithelfer und dem Beklagten übernahm der Beklagte die Hälfte der Einlage des stillen Gesellschafters und übertrug sie in das Vermögen R J. Es steht der Annahme einer stillen Gesellschaft nicht entgegen, daß dem Beklagten in erheblichem Umfang Kontroll- und Verwaltungsrechte sowie die kaufmännische Leitung übertragen wurde, die in die Stellung eines Prokuristen gekleidet war. Dies ist rechtlich zulässig (BGH WM 1964, 296; BGH DB 1966, 187; Schlegelberger/Karsten Schmidt, HGB, Bd. III, 2. Halbbd., 5. Aufl. 1986, § 335 Rz 70). Die Verstärkung der Rechtsstellung eines stillen Gesellschafters ändert nichts an den Rechtsbeziehungen der Gesellschafter untereinander.
b) Die stille Gesellschaft ist eine sogenannte Innengesellschaft. Der stille Gesellschafter ist zwar an Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt. Er haftet aber grundsätzlich nicht im Außenverhältnis, wenn er seine Einlage erbracht hat. Aus den Rechtsgeschäften der Gesellschaft wird allein der Betriebsinhaber berechtigt und verpflichtet (§ 335 Abs. 2 HGB a.F. = § 230 HGB n.F.). Da der Beklagte seine Einlage schon bei Abschluß des Gesellschaftsvertrages geleistet hat, kann er als stiller Gesellschafter nicht in Anspruch genommen werden.
2. Der Beklagte ist auch nicht mit dem Tode R J allein oder in gesellschaftlicher Verbundenheit mit dem Streithelfer aufgrund der Nachfolgeregelungen im Gesellschaftsvertrag Arbeitgeber der Klägerin geworden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat den Gesellschaftsvertrag dahin ausgelegt, daß dem Beklagten und dem Streithelfer das Recht eingeräumt worden ist, das Unternehmen des Erblassers durch Erklärung gegenüber den Erben zu übernehmen, falls sie die stille Gesellschaft mit den Erben nicht fortsetzen wollen. Ob dies zutrifft, kann hier dahinstehen. Denn der Beklagte und der Streithelfer haben das Unternehmen nicht übernommen. Der Auffassung der Klägerin, mit dem Tode des Unternehmensinhabers und der Fortführung des Unternehmens sei eine Gesellschaft bestehend aus den Erben und den stillen Gesellschaftern enstanden, vermag der Senat nicht zu folgen.
b) Der Gesellschaftsvertrag vom 21. August 1974 ist ein Individualvertrag, dessen Auslegung das Revisionsgericht nur darauf überprüfen kann, ob der gesamte Auslegungsstoff berücksichtigt und die Auslegungs- sowie Denk- und Erfahrungsregeln beachtet worden sind (BAG 4, 360, 364 f. = AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt; BAG vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß; BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB; BGH LM ZP0 § 550 Nr. 5). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts weist einen Rechtsfehler nicht auf.
Das Landesarbeitsgericht ist von dem Wortlaut des Vertrages ausgegangen. Sowohl dann, wenn der Unternehmer im Wege des Rechtsgeschäftes unter Lebenden nach § 14 Nr. 3 Unterabs. 2, als auch dann, wenn er wegen seines Todes gemäß § 15 Nr. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages aus dem Unternehmen ausscheidet, wird davon ausgegangen, daß das Unternehmen nicht automatisch auf die stillen Gesellschafter übergeht, sondern diesen wird allein das Recht eingeräumt, das Unternehmen mit Aktiven und Passiven zu übernehmen und den Firmennamen fortzuführen. Aus der Regelung in § 14 Nr. 3 Unterabs. 1 des Gesellschaftsvertrages, nach der die Gesellschaft von den stillen Gesellschaftern in einer geeigneten Rechtsform fortgesetzt wird, läßt sich ein automatischer Übergang nicht ableiten. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhang mit Unterabs. 2 deutlich, daß eine Fortsetzung nur dann in Betracht kommen sollte, wenn die stillen Gesellschafter von dem Recht zur Übernahme Gebrauch machten.
Nur diese Auslegung des Gesellschaftsvertrages wird den Besonderheiten der stillen Gesellschaft gerecht, da allein der Inhaber des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt und die stillen Gesellschafter lediglich eine Einlage unter Übertragung auf den Geschäftsinhaber erbringen. Es kann daher unentschieden bleiben, ob ein Gesellschaftsvertrag über eine stille Gesellschaft überhaupt rechtswirksam vorsehen kann, daß das Unternehmen nicht in den Nachlaß des Geschäftsinhabers, sondern in das Vermögen der stillen Gesellschafter fällt. Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin entspricht es durchaus der Rechts- und Interessenlage der Beteiligten, wenn beim Ausscheiden eines Beteiligten aus der stillen Gesellschaft eine Schlußbilanz erstellt werden muß.
Der Gesellschaftsvertrag ist auch nicht deshalb anders auszulegen, weil das Land Baden-Württemberg als Noterbe in die Gesellschaft eintreten muß. Es mag zutreffen, daß im allgemeinen bei gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklauseln nur eine Begünstigung von natürlichen Personen gewollt ist, die dem Erblasser nahestehen (vgl. Westermann bei Westermann/Scherpf/Sigbach/Paulik/Weichins/Hackbeil, Handbuch der Personengesellschaften, 3. Aufl., Rz 472). Das hindert die Parteien aber nicht, im Einzelfall eine anderweitige Rechtsfolge vorzusehen.
c) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, daß der Beklagte und sein Streithelfer beim Tode des Unternehmers oder im zeitlichen Zusammenhang damit eine Geschäftsübernahme erklärt haben. Diese haben allein den Grundbesitz übernommen. Damit ist aber nicht das bewegliche Vermögen oder das Unternehmen übergegangen.
3. Der Beklagte und sein Streithelfer sind nach dem Tode des Unternehmensinhabers nicht in die Arbeitsverträge eingetreten.
a) Das Landesarbeitsgericht hat für keinen Zeitpunkt nach dem Tode des Geschäftsinhabers eine Feststellung getroffen, daß der Beklagte und sein Streithelfer erklärt haben, das Unternehmen zu übernehmen. Insoweit sind rechtserhebliche Verfahrensrügen nicht erhoben, so daß der Senat daran gebunden ist.
b) Auch eine Betriebsnachfolge des Beklagten und seines Streithelfers scheidet aus. Nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt ein Betriebsnachfolger in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, wenn dieser den Betrieb oder einen Betriebsteil durch Rechtsgeschäft von einem Inhaber erwirbt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Betrieb des Verstorbenen ist nicht aufgrund Rechtsgeschäfts auf den Beklagten oder den Streithelfer übergegangen. Zwischen den Parteien umstritten ist allein, wer nach dem Tode des bisherigen Inhabers des Betriebes, der unverändert fortbestanden hat, Inhaber geworden ist.
III. Der Beklagte haftet nicht für die Lohnforderungen der Klägerin, weil er den Rechtsschein erweckt hätte, er sei Inhaber des Unternehmens geworden.
1. Der Beklagte hat nicht dadurch einen die Haftung begründenden Rechtsschein erweckt, daß er die kaufmännischen Geschäfte der R J GmbH, Bad D, geführt hat. Es ist zulässig, einen stillen Gesellschafter zum Prokuristen zu bestellen und ihm die kaufmännische Geschäftsführung zu überlassen. Hierdurch wird abweichend von § 335 Abs. 2 HGB a.F. = § 230 Abs. 2 HGB n.F. keine Außenhaftung begründet (BGH WM 1964, 296, 297; BGH DB 1966, 336; BGH WM 1966, 1219, 1221).
2. Es ist aber auch nicht in der Zeit nach 1978 ein Rechtsschein gegenüber der Klägerin entstanden, der Beklagte sei Inhaber des Unternehmens geworden.
a) Eine Haftung aufgrund Rechtsscheins kommt nur dann in Betracht, wenn im Geschäftsverkehr der Anschein entsteht, der Handelnde sei persönlich haftender Gesellschafter einer Gesellschaft und ein Dritter im Vertrauen hierauf Rechtsgeschäfte abschließt (BGH JZ 1955, 582, 583; BGHZ 17, 13 ff.). Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin dafür keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen hat. Daß der Beklagte fünf Jahre nach dem Tode des bisherigen Geschäftsinhabers die Geschäfte weiterführte, obwohl der Erbe unbekannt war, im Geschäftsverkehr vorübergehend ohne den Zusatz "ppa" Geschäftspost unterschrieb und gegenüber der Klägerin als Chef auftrat, ist hierfür unzureichend. Wenn der Beklagte die Geschäfte weiterführte, so lag das im Interesse der Arbeitnehmer und Geschäftspartner des Unternehmens wie auch in seinen eigenen, da er nicht unerhebliche Geldmittel in das Unternehmen investiert hatte. Hieraus läßt sich nicht auf die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters schließen. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte ohne den Zusatz "ppa" unterzeichnet hat; hierdurch kann die Klägerin, die ihren Arbeitsvertrag schon vor dem Tode J abgeschlossen hatte, nicht zu weiteren rechtsgeschäftlichen Handlungen veranlaßt worden sein. Wenn der Beklagte der Klägerin gegenüber als Chef aufgetreten ist, so läßt sich auch hieraus nicht auf die Stellung als Gesellschafter schließen. Vielmehr beruhte dies darauf, daß der Beklagte Prokurist und kaufmännischer Leiter des Unternehmens war.
b) Die Klägerin rügt ohne Erfolg, das Landesarbeitsgericht habe den Sachverhalt nicht umfassend gewürdigt und nicht hinreichend aufgeklärt, weil es ihrer Behauptung nicht nachgegangen sei, der Beklagte habe nach dem Tode J Bilanzen und Prüfberichte erstellen lassen. Hiervon konnte das Landesarbeitsgericht zugunsten der Klägerin ausgehen. Auch hieraus läßt sich eine Rechtsscheinhaftung zugunsten der Klägerin nicht herleiten, zumal dies für den Zeitpunkt des Erbfalls ohne Rücksicht auf die Form, in der das Unternehmen weitergeführt wurde, sachdienlich und erforderlich war.
IV. Dem Landesarbeitsgericht ist schließlich darin zu folgen, daß der Beklagte und sein Streithelfer nicht aufgrund einer Vermögensübernahme haften.
1. Nach § 419 Abs. 1 BGB haftet derjenige, der das Vermögen eines anderen durch Vertrag übernommen hat, neben dem ursprünglichen Schuldner seit dem Übernahmevertrag.
a) Das Landesarbeitsgericht hat unentschieden gelassen, ob überhaupt das Vermögen durch Ausübung eines Optionsrechtes übernommen worden ist. Es hat die Auffassung vertreten, daß eine Haftung des Beklagten und seines Streithelfers für solche Forderungen ausscheide, die erst lange nach Vermögensübernahme entstanden sind. Dem stimmt der Senat zu.
Nach dem Wortlaut von § 419 Abs. 1 BGB haftet der Vermögensübernehmer grundsätzlich nur für diejenigen Forderungen, die vor der Vermögensübernahme entstanden sind. Die Forderungen müssen grundsätzlich bis zur Vollendung des dinglichen Rechtserwerbes entstanden sein (MünchKomm-Möschel, BGB, Bd. 2, 2. Aufl. 1985, § 419 Rz 40 mit weiterem Nachweis). Dies hat seinen Grund darin, daß der Vermögensübernehmer nur dann der Schuld des ursprünglichen Schuldners beitreten muß, wenn durch die Vermögensübernahme dem Gläubiger Vermögensmassen entzogen worden sind, auf die er ohne die Vermögensübernahme hätte Zugriff nehmen können.
Hiermit weicht der Senat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Der Senat hat entschieden, daß der Vermögensübernehmer für im Zeitpunkt der Vermögensübernahme bereits entstandenen Versorgungsansprüche haften muß (BAG 29, 94 = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB). Versorgungsansprüche unterscheiden sich jedoch vom Arbeitslohn. Die Gegenleistung für die Übernahme der Versorgung durch den Arbeitgeber hat der Versorgungsberechtigte bereits dem ursprünglichen Inhaber des Unternehmens erbracht. Der Versorgungsanspruch erwächst bis zur Versetzung in den Ruhestand und wird möglicherweise ratenweise fällig. Die Ansprüche auf Vergütung entstehen aber erst nach Vermögensübertragung.
b) Die Revision kann gegen diese Auslegung von § 419 BGB keine Einwendungen aus der Rechtslage bei der Nachhaftung von Gesellschaftern herleiten (§§ 128, 159 HGB). Insoweit mag es sein, daß der ausgeschiedene persönlich haftende Gesellschafter auch für solche Lohnansprüche haftet, die nach seinem Ausscheiden in den Diensten der Gesellschaft verdient wurden, wenn nur das betreffende Arbeitsverhältnis beim Ausscheiden aus der Gesellschaft bereits bestanden hatte (vgl. BAG Urteil vom 21. Juli 1977 - 3 AZR 189/76 - AP Nr. 1 zu § 128 HGB, zu II 1 der Gründe; A. Hueck, Das Recht der OHG, 4. Aufl. 1971, S. 449; Reinhardt/Schultz, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 70; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 26. Aufl. 1985, § 128 Anm. 5 B; a.A. Wiedemann, Anm. zu AP Nr. 1 zu § 128 HGB; Wexel, BB 1981, 1401, 1406 f.). Diese Rechtslage ist aber nicht auf die Verhältnisse bei der Vermögensübernahme übertragbar. § 419 BGB legt die Haftung nur für die bis zum Zeitpunkt der Vermögensübernahme entstehenden Ansprüche fest und begründet einen gesetzlichen Schuldbeitritt für den Vermögensübernehmer. §§ 128, 159 HGB regeln demgegenüber die Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, welche durch dessen Ausscheiden nicht beendet werden soll.
Eine Haftung des Beklagten und seines Streithelfers für mehr als zwei Jahre nach der Ausübung des Optionsrechts erwachsende Lohnforderungen scheidet mithin aus.
2. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte und sein Streithelfer rechtsmißbräuchlich dem Unternehmen die Haftungsmasse entzogen haben. Nach den getroffenen Feststellungen war der Wert des Grundbesitzes des Unternehmens durch die diesem zur Verfügung gestellten Kredite bereits ausgeschöpft, so daß eine willkürliche Entziehung der Haftungsmasse ausscheidet.
Schaub Griebeling Ascheid
Heimann Arntzen
Fundstellen