Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendung bei gerichtlichem Beendigungsvergleich
Leitsatz (amtlich)
Wird in einem Prozeßvergleich zur Beendigung eines Kündigungsschutzrechtsstreits geregelt, daß „das Arbeitsverhältnis aufgrund einer arbeitgeberseitigen, fristgerechten, betriebsbedingten Kündigung” sein Ende finden wird, kann darin kein Auflösungsvertrag gesehen werden, der einen Anspruch auf eine anteilige Weihnachtszuwendung nach den AVR Caritasverband begründet.
Normenkette
Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritasverband) Anlage 1 Ziff. XIV; ZPO § 794
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. April 1997 - 9 Sa 1400/96 - aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23. August 1996 - 6 Ca 377/96 - wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer – anteiligen – Weihnachtszuwendung.
Die Klägerin war ab dem 1. Juni 1974 als Küchenleiterin bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes (AVR) Anwendung.
Die Beklagte hatte zum 30. September 1995 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen, die mit dem in Aussicht genommenen Personalabbau im Küchenbereich begründet worden war. Im Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Aachen am 28. September 1995 folgenden Vergleich:
- Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger, fristgerechter, betriebsbedingter Kündigung zum 30.09.1995 sein Ende finden wird.
- Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, daß die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung freigestellt war bzw. freigestellt wird unter Fortzahlung der vertraglichen Vergütung und Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche.
- Die Beklagte zahlt an die Klägerin zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß den §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 9.950,– DM (i.W.: neuntausendneunhundertfünzig Deutsche Mark) brutto = netto.
- Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Mit ihrer Klage vom 6. Februar 1996 macht die Klägerin die Zahlung einer anteiligen Weihnachtszuwendung für das Jahr 1995 geltend, die sie zunächst mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 bei der Beklagten vergeblich eingefordert hatte. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf die Anlage 1 zu den AVR, die soweit hier von Interesse in der Ziff. XIV wie folgt lautet:
„Anteilige Weihnachtszuwendung
Der Mitarbeiter, dessen Dienst- oder Ausbildungsverhältnis vor dem 1. Dezember endet und der mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR … gestanden hat, erhält die anteilige Weihnachtszuwendung,
wenn er wegen
- …
- eines mit Sicherheit zu erwartenden Personalabbaus gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat …”.
Die Klägerin ist der Auffassung, der gerichtliche Vergleich stelle einen Auflösungsvertrag im Sinne der Anlage 1 zu den AVR dar, der aufgrund eines mit Sicherheit zu erwartenden Personalabbaus geschlossen worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.569,76 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit dem 5. Januar 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ein Aufhebungsvertrag im Sinne der AVR sei nicht geschlossen worden. Der Vergleich im Rahmen der Kündigungsschutzklage, wonach das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung der Abfindung ende, sei nicht als Auflösungsvertrag in diesem Sinne anzusehen. Auch eine Eigenkündigung durch die Arbeitnehmerin liege nicht vor. Das anteilige Weihnachtsgeld sei dann nicht zu zahlen, wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen, auch wegen eines mit Sicherheit zu erwartenden Personalabbaus, kündige.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht die anteilige Weihnachtszuwendung nach den maßgebenden Vorschriften der AVR nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, auch ein vor Gericht geschlossener Vergleich, durch den eine Arbeitgeberkündigung ohne rechtskräftiges streitiges Urteil als wirksam anerkannt werde, sei ein Auflösungsvertrag. Es handle sich insoweit um einen Vertrag, durch den das Arbeitsverhältnis aufgelöst werde. Da die der vergleichsweisen Regelung zugrundeliegende Kündigung der Beklagten auf Personalabbaumaßnahmen gestützt worden sei, seien die Voraussetzungen der AVR für die Zahlung der anteiligen Weihnachtszuwendung gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der anteiligen Weihnachtszuwendung nach Ziff. XIV der Anl. 1 zu den AVR. Zwar kann aufgrund der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum 30. September 1995 davon ausgegangen werden, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin wegen Personalabbaus erfolgte. Das Arbeitsverhältnis hat aber nicht durch einen Auflösungsvertrag im Sinne der Ziff. XIV der Anl. 1 zu den AVR geendet.
1. Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht Aachen vom 28. September 1995 ist – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – kein Auflösungsvertrag in diesem Sinne.
Bei der vorliegend in dem Vergleich verwendeten Beendigungsklausel handelt es sich um eine typische Klausel, deren Auslegung nicht nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, sondern uneingeschränkt von diesem selbst gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen ist (BAG Urteil vom 22. Januar 1998 - 2 AZR 367/97 - AP Nr. 47 zu § 794 ZPO). Gemäß §§ 133, 157 sind Vereinbarungen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auszulegen; dabei ist nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille der Vertragsschließenden unter Beachtung der Begleitumstände zu erforschen.
2. Danach kann dem Landesarbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, daß „grundsätzlich ein vor Gericht geschlossener Vergleich, durch den eine Arbeitgeberkündigung ohne rechtskräftiges streitiges Urteil als wirksam anerkannt wird, ein Auflösungsvertrag ist”. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend davon aus, daß ein derartiger Vergleich nur bei Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen zustande kommt; entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich hier jedoch nicht um einen Auflösungsvertrag im Sinne der Ziff. XIV der AVR. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut ist Inhalt des Vergleichs, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der Arbeitgeberkündigung sein Ende finden wird. Dem Landesarbeitsgericht kann somit nicht gefolgt werden, wenn es annimmt, die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob allein die Kündigung des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt habe, sollte bewußt offenbleiben. Die Parteien des Prozeßvergleichs haben im Gegenteil bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis durch die arbeitgeberseitige, fristgerechte, betriebsbedingte Kündigung zum 30. September 1995 beendet wird.
Ein Auflösungsvertrag läge nur dann vor, wenn das Arbeitsverhältnis gerade durch den Vergleich beendet würde. In diesem Fall würde der Prozeßvergleich selbst und allein die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewirken. Vorliegend haben die Parteien eine solche Vereinbarung aber nicht getroffen. In Ziff. 1 des gerichtlichen Vergleichs ist vielmehr festgelegt, daß Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien die arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung sein soll.
3. Soweit der Prozeßvergleich weiter regelt, daß die Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vertraglichen Vergütung und Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche freigestellt wird und die Beklagte an die Klägerin zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zahlt, betrifft das die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses, die darauf aufbaut, daß die Arbeitgeberkündigung vom Arbeitnehmer akzeptiert wird und die Folgen der Kündigung einvernehmlich geregelt werden. Eine solche vertragliche Regelung kann nicht als Auflösungsvertrag im Sinne der Ziff. XIV der AVR angesehen werden.
4. Ist daher davon auszugehen, daß ein Auflösungsvertrag zwischen den Parteien nicht geschlossen wurde, hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine anteilige Weihnachtszuwendung nach den Bestimmungen der AVR. Die AVR sehen in der Anlage 1 Ziff. XIV bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen eines mit Sicherheit zu erwartenden Personalabbaus die Zahlung der anteiligen Weihnachtszuwendung nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer entweder selbst kündigt (was unstreitig nicht erfolgt ist) oder ein Auflösungsvertrag geschlossen wird. Im Falle einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung ein Anspruch nicht gegeben (vgl. zu einer entsprechenden Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte: LAG Bremen Urteil vom 28. Juni 1991 - 4 Sa 49/91 - ZTR 1991, 427).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Hauck, Böck, Thiel, Tirre
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.09.1998 durch Susdorf, Reg.-Hauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 164 |
BB 1999, 477 |
DB 1999, 591 |
ARST 1999, 114 |
FA 1999, 131 |
FA 1999, 32 |
NZA 1999, 270 |
RdA 1999, 292 |
ZTR 1999, 132 |
AP, 0 |
PersR 1999, 89 |