Leitsatz (amtlich)
Kann der Arbeitgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit dartun, daß sein Arbeitnehmer ihm während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unerlaubte Konkurrenz gemacht hat, dann ist der Arbeitnehmer verpflichtete, über die von ihm getätigten Geschäfte Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen.
Normenkette
BGB § 242; HGB §§ 60-61, 65
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 18.06.1969; Aktenzeichen 6 Sa 14/69) |
Tenor
Tatbestand
Der Beklagte war bei der Klägerin, einer Beratungsgesellschaft für Rationalisierung und Automation von Betrieben, vom 9. Oktober 1967 bis zu seiner fristlosen Entlassung am 23. September 1968 als Analytiker tätig. Seine Aufgabe bestand darin, mit denjenigen Firmen, bei denen durch Vertreter der Klägerin Interesse für eine Betriebsprüfung festgestellt worden war, über den Abschluß eines entsprechenden Vertrages zu verhandeln und gegebenenfalls die Analyse durchzuführen und den darauf aufbauenden Betriebsrationalisierungsvertrag abzuschließen. In dieser Weise war der Beklagte auch für eine Firma M… in B… tätig, ohne daß es zum Abschluß des Rationalisierungsvertrages mit der Klägerin kam. Als Entgelt erhielt der Beklagte ein Gehalt von wöchentlich 200,– DM; hinzu kamen für Vertragsabschlüsse gestaffelte Erfolgsvergütungen.
Am Freitag, dem 13. September 1968, teilte der Beklagte der Klägerin telefonisch mit, er könne in der darauffolgenden Woche wegen Krankheit nicht arbeiten; am 21. September 1968 ließ er die Klägerin wissen, daß er noch Bäder nehmen müsse. Die Klägerin kündigte dem Beklagten am 23. September 1968 fristlos, weil sie, wie sie behauptet hat, eindeutige Hinweise erhalten habe, daß der Beklagte in der hier in Rede stehenden Zeit nicht krank gewesen sei, sondern für eigene Rechnung bei der Firma M… eine Beratung über Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt habe.
Auf entsprechende Klage ist der Beklagte durch Teilurteil des Arbeitsgerichts zur Rechnungslegung über diejenigen Geschäfte verurteilt worden, die er während seiner Beschäftigung bei der Klägerin mit deren Kunden durchgeführt habe. Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt hatte, daß er während der Dauer seiner Beschäftigung bei der Klägerin in deren Handelszweig für eigene oder fremde Rechnung keine Geschäfte getätigt habe, wobei die von der Klägerin als ihre Kundin bezeichnete Firma M… ausgeklammert bleibe, hat das Berufungsgericht auf entsprechend eingeschränkten Klageantrag den Beklagten verurteilt, darüber Auskunft zu erteilen, welche Geschäfte er mit der Firma M… in der Zeit vom 9. Oktober 1967 bis zum 23. September 1968 in dem Handelszweig der Klägerin gemacht habe, und über diese Geschäfte Rechnung zu legen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt.
Entscheidungsgründe
1. Der Sachverhalt unterliegt arbeitsrechtlicher Beurteilung. Das Landesarbeitsgericht hat den schriftlichen Vertrag der Parteien vom 9. Oktober 1967 (Bl. 5 ff. VorA) dahin gewürdigt, daß der Beklagte zur Leistung weisungsgebundener Arbeit für die klagende Aktiengesellschaft verpflichtet und deshalb Handlungsgehilfe (kaufmännischer Angestellter) im Sinne des § 59 HGB war. Die Einzelheiten, aus denen das Landesarbeitsgericht seine Ansicht hergeleitet hat, sind unstreitig und werden auch von der Revision nicht in Frage gestellt. Die Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Revision macht lediglich geltend, der Beklagte müsse als Selbständiger angesehen werden, weil er wie ein Handelsvertreter erfolgsabhängige Vergütung bezogen habe. Das ist schon im Tatbestand unrichtig, weil der Beklagte – neben gleitenden Bezügen, die sich nach der Höhe der von ihm vermittelten Aufträge richteten – ein festes Gehalt von 200,– DM je Woche bezog. In rechtlicher Hinsicht steht die Vereinbarung erfolgsabhängiger Bezüge, wie § 65 HGB zeigt, der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen. Die Vergütungsregelung läßt deshalb keine Schlüsse im Sinne der Revision zu.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß der allein in die dritte Instanz gelangte Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung seine Grundlage im Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 242 BGB, also dem Grundsatz von Treu und Glauben hat, der die Rechtsbeziehungen der Parteien in folgender Weise geprägt hat:
a) Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses – nur auf diese Zeit erstreckt sich die Klage – darf der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keinen Wettbewerb machen. Das folgt, ohne daß es besonders vereinbart zu werden braucht, aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Sie gebietet ihm, sich für die Interessen des Arbeitgebers und das Gedeihen des Betriebes einzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Arbeitgeber oder dem Betrieb abträglich ist (vgl. im einzelnen Beschluß des Senats vom 17. Oktober 1969 – 3 AZR 442/68 – [demnächst] AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht [zu III 3] mit weiteren Hinweisen). Das gilt für jede Form der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers, insbesondere auch für den Fall, daß er die von seinem Arbeitgeber am Markt angebotenen Dienste und Leistungen den möglichen Kunden seines Arbeitgebers unerlaubt auf eigene Rechnung anbietet und erbringt.
b) Verstößt ein Arbeitnehmer in dieser Weise gegen seine Vertragspflichten, dann stehen dem Arbeitgeber eine Reihe von Rechten zu, insbesondere neben dem Recht zur außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung und dem Anspruch auf Unterlassung (vgl. den vorgenannten Beschluß vom 17. Oktober 1969) der Anspruch auf Schadenersatz wegen Vertragsverletzung und der Anspruch auf Herausgabe des durch die vertragswidrige Handlungsweise Erlangten (hierzu vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 687 BGB und die dort. Anm. von Isele). Daß auch die §§ 60, 61 HGB dem Arbeitgeber entsprechende Rechte einräumen, sei ergänzend erwähnt.
c) Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe allen Anlaß zu der Annahme, daß der Beklagte für die Firma M… auf eigene Rechnung eine Beratungstätigkeit ausgeübt habe. Die Klägerin hat die im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Umstände genannt, auf die sie ihre Vermutungen gründet und die es – gerade auch im Hinblick auf das Verhalten des Beklagten in diesem Rechtsstreit – in hohem Maße wahrscheinlich machen, daß die Annahme der Klägerin zutrifft.
d) Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage hat das Landesarbeitsgericht zu Recht den Anspruch auf Auskunftserteilung und auf Rechnungslegung bejaht. Für den Auskunftsanspruch kann auf die bisherige Rechtsprechung verwiesen werden (vgl. z. B. BAG AP Nr. 12 zu § 242 BGB Auskunftspflicht [zu II]; AP Nr. 24 zu § 74 HGB [zu IV 1] mit Hinweisen). Was dort für den Fall des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gesagt ist, gilt in gleicher Weise für das hier in Rede stehende Wettbewerbsverbot während des bestehenden Arbeitsverhältnisses (so schon BAG AP Nr. 1 zu § 306 BGB [zu I 5]).
Besteht aber eine Auskunftspflicht des Beklagten über seine etwaige Konkurrenztätigkeit, dann muß der Beklagte im Hinblick auf die mit der vorliegenden Stufenklage verfolgten Zahlungsansprüche über die von ihm getätigten Geschäfte auch Rechnung legen. Diese Verpflichtung ist in der Auskunftspflicht sinngemäß mitenthalten und rechtfertigt sich in Fällen der vorliegenden Art, in der die in Anspruch genommene Partei “näher an der Sache” ist, ebenfalls aus § 242 BGB (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 242 BGB Auskunftspflicht).
e) Hiernach ist es entgegen der Ansicht der Revision bedeutungslos, ob die Firma M… “Kundin” der Klägerin gewesen ist oder nicht. Auf dem Gebiet der Betriebsrationalisierung durfte der Beklagte der Klägerin überhaupt keine Konkurrenz machen, auch nicht bei solchen Firmen, die bis dahin nicht Kundinnen der Klägerin waren. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Parteien verabredet hätten, daß dem Arbeitnehmer ausschließlich verboten sei, mit Kunden des Arbeitgebers eigene Geschäfte zu machen, und er für Nichtkunden tätig werden dürfe. Hierfür bietet aber der Vertrag vom 9. Oktober 1967 keinen Anhaltspunkt.
3. Die Revision wendet sich schließlich auch zu Unrecht gegen die Kostenentscheidung des Landesarbeitsgerichts. Wie schon die Klageschrift ergibt, stand von vornherein die angebliche Konkurrenztätigkeit des Beklagten für die Firma M… im Mittelpunkt dieses Rechtsstreits. Wenn unter diesen Umständen das Landesarbeitsgericht den ursprünglich weitergehenden Teil des Klageantrags – wie sich aus der Beibehaltung des vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwerts ergibt – praktisch nicht bewertet hat, so ist das mit Rücksicht auf § 92 Abs. 2 ZPO nicht zu beanstanden. Überdies hat das Landesarbeitsgericht seine Kostenentscheidung (zu Lasten des Beklagten) hinsichtlich des nicht mehr weiterverfolgten Teiles der Klage auf § 91a ZPO gestützt, ohne daß ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind.
Unterschriften
Dr. Stumpf, Hilger, Dr. Gröninger, Helmschrott, Heimann
Fundstellen