Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung. Arbeitsverweigerung

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 01.09.1997; Aktenzeichen 15 Sa 44/97)

ArbG Stuttgart (Urteil vom 30.01.1997; Aktenzeichen 5 Ca 6670/96)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 1. September 1997 – 15 Sa 44/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin war aufgrund Arbeitsvertrages vom 31. März 1995 als teilzeitbeschäftigte Verkäuferin im Lebensmittelgeschäft des Beklagten, das von diesem und seiner Ehefrau geführt wurde, tätig, und zwar innerhalb einer Regelarbeitszeit von 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr bei einer Vergütung von 14,00 DM pro Stunde. Die Tätigkeit der Klägerin bestand im Einkauf und Verkauf von Waren, in der Überwachung und Entgegennahme von Warenanlieferungen und der Führung der Kasse; sie arbeitete an fünf Tagen in der Woche.

Die Klägerin ist am 8. Februar 1996 schriftlich abgemahnt worden, weil sie sich der Bitte, bis 18.30 Uhr zu arbeiten, widersetzt und dabei im Ton vergriffen habe. Am 12. Februar 1996 ist die Klägerin erneut abgemahnt worden, weil sie am 9. Februar 1996 das Aussortieren verdorbener Ware unterlassen habe. Mit Schreiben vom 18. April 1996 erhielt die Klägerin eine weitere Abmahnung, weil am 17. April beim Obst und Gemüse verdorbene Ware festgestellt worden sei. Nachdem die Klägerin am 5. Juni 1996 gegen 9.30 Uhr durch die Ehefrau des Beklagten aufgefordert worden war, verdorbene Ware zu entfernen, weil das Verfalldatum überschritten war, wobei sie auch die Regale reinigen sollte, antwortete die Klägerin, sie sei keine Putzfrau und werde nicht reinigen. Nach der Bitte des Beklagten am 7. Juni 1996 gegen 12.45 Uhr, die Regale am folgenden Tag zu reinigen, wiederholte die Klägerin, sie sei keine Putzfrau. Nach der nochmaligen Aufforderung, dies am Nachmittag zu erledigen, wobei die Klägerin bei ihrer Weigerung blieb, wurde ihr mit Schreiben vom 7. Juni 1996 fristlos gekündigt.

Die Klägerin hat zu ihrer Rechtfertigung vorgetragen, am 8. Februar 1996 habe sie nachmittags Überstunden machen sollen, obwohl sie für ihren Sohn einen Arzttermin gehabt habe, den der Beklagte unter Mißachtung der ärztlichen Schweigepflicht durch direkten Anruf beim Arzt zu verlegen versucht habe; dabei habe sich herausgestellt, daß sie irrtümlich den Arzttermin für ihren Sohn um eine Woche vertauscht habe. Die Abmahnung vom 12. Februar 1996 sei unbegründet, weil sie nicht zur Nachmittagsarbeit verpflichtet sei; außerdem habe der Beklagte selbst am Vortag schlechte Ware nicht ausgeräumt. Ähnliches gelte für den Abmahnungssachverhalt vom 18. April 1996. Im übrigen habe sie den Laden vormittags allein führen müssen, so daß sie Kundschaft zu bedienen und für das Aufräumen und Reinigen keine Zeit gehabt habe.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 7. Juni 1996 hinaus bis zum 30. September 1996 fortbestanden hat.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag sich auf den Sachverhalt der Abmahnungen berufen und im wesentlichen ausgeführt, der zentrale Vorwurf gegenüber der Klägerin gehe dahin, sie habe sich beharrlich geweigert, während ihrer bedienungsfreien Arbeitszeit die Verkaufsräume und die Regalsysteme zu reinigen; das Verhalten der Klägerin von März bis Juni 1996 müsse als Dauerzustand angesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält der Beklagte an seinem Klageabweisungsantrag fest.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß die der Klägerin gegenüber erklärte außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 30. September 1996 aufgelöst hat.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Im Hinblick auf die nicht widerlegte Einlassung der Klägerin sei es schon zweifelhaft, ob die von dem Beklagten angeführten Sachverhalte überhaupt als Kündigungsgründe geeignet seien; zwar möge die Klägerin bei der Nichtbeachtung der Anweisung, auf Ordnung, Sauberkeit und Qualität in den Auslagen zu achten und die Räume sowie Regale zu reinigen, ihre Pflicht verletzt haben, ihr sei aber zugute zu halten, daß sie ihre Arbeitskraft nur außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit nicht zur Verfügung gestellt habe. Auf die Bitte des Beklagten vom 7. Juni 1996, am Folgetag, einem Samstag, zu arbeiten, habe die Klägerin nicht einzugehen brauchen, weil sie nur zur Einhaltung einer Fünf-Tage-Woche verpflichtet gewesen sei. Die Nichtbefolgung der Anweisung, die Verkaufsräume und Regalsysteme zu reinigen, habe demnach nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können. Weitere Kündigungsvorwürfe des Beklagten (angeblicher Eierdiebstahl, offengelassene Türen, Zigarettenabgabe ohne Kaufpreisentrichtung und Inkasso von Kleinbeträgen ohne Bonierung) seien gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet.

II. Die gegenüber dieser Entscheidung erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts (§ 626 BGB) greift nicht durch.

1. Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben, und ob bei der erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls daraufhin überprüft worden sind, ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz. Hält sich die Interessenabwägung im Rahmen des Beurteilungsspielraums, kann das Revisionsgericht die angegriffene Würdigung nicht durch eine eigene ersetzen (BAG Urteile vom 26. August 1976 – 2 AZR 377/75 – AP Nr. 68 zu § 626 BGB, zu I 1 der Gründe; vom 2. April 1987 – 2 AZR 418/86 – AP Nr. 96, aaO, zu II 2 der Gründe und vom 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 – AP Nr. 131, aaO, zu II 2a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dieser eingeschränkten Überprüfung halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.

2. Die Rüge der Revision geht im wesentlichen dahin, die Kündigung sei darauf gestützt worden, daß die Klägerin nicht während ihrer Arbeitszeit den erforderlichen Reinigungsarbeiten nachgegangen sei; das Landesarbeitsgericht berücksichtige nicht, daß der Begriff “nachmittags” nicht besage, daß eine Reinigungsarbeit von der Klägerin nach 13.00 Uhr verlangt worden sei; entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts sei die Klägerin auch sonnabends zur Arbeit verpflichtet gewesen, weil die tägliche Arbeit vertraglich ausbedungen worden sei.

Es ist zunächst nicht ersichtlich, inwiefern die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, Nachmittagsarbeit sei angesichts der vertraglich ausbedungenen Arbeitszeit von 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr von der Klägerin nicht geschuldet, rechtlich fehlerhaft sein soll. Die Revision begründet auch nicht näher, wieso Nachmittagsarbeit in der vertraglich ausbedungenen Zeit von 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr, nach herkömmlichen Zeitvorstellungen also bis in die Mittagszeit, liegen könne. Soweit das Landesarbeitsgericht eine Samstagsarbeit nicht als geschuldet ansieht, beruht dies auf tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gemäß § 561 ZPO gebunden ist. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich im Tatbestand festgestellt, die Klägerin habe an fünf Tagen in der Woche gearbeitet. Eine zulässige Revisionsrüge hinsichtlich dieser Feststellung (§ 561 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor. Auf der Basis dieser Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann daher schon von einer Vertragspflichtverletzung nicht die Rede sein, die eine außerordentliche Kündigung begründen könnte. Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich auch nicht, ob überhaupt und ggf. in welchem Umfang die Klägerin zu Reinigungsarbeiten verpflichtet war; in der Tätigkeitsbeschreibung (§ 2) ist davon jedenfalls nicht die Rede.

Soweit die Revision weiter geltend macht, aufgrund der Fehlleistungen der Klägerin sei ein nicht wieder gut zu machender Schaden dadurch entstanden, daß Kunden abwanderten, ist das Revisionsvorbringen schon in sich widersprüchlich, weil am Schluß der Revisionsbegründung nur davon die Rede ist, es habe die Gefahr des Verlustes von Kunden und erheblicher Rufschädigung bestanden. Konkrete betriebliche Auswirkungen sind damit nicht dargetan.

Soweit die Revision schließlich geltend macht, “die weiteren Kündigungsgründe, die vor der Zwei-Wochen-Frist des § 626 BGB lagen”, stünden im engen sachlichen und inneren Zusammenhang mit den Verfehlungen, die zur fristlosen Kündigung geführt hätten, versäumt sie es, im einzelnen darzulegen, worin der innere Zusammenhang welcher verfristeten Gründe mit der Weigerung zur Reinigungsarbeit liege. Wenn das Landesarbeitsgericht schließlich die bloße Nichtbefolgung allgemeiner Anweisungen dahin gewertet hat, diese könne nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, so hält sich diese Würdigung im Rahmen des Beurteilungsspielraums der Tatsacheninstanz (siehe oben zu II 1).

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Fischermeier, Nielebock, Dr. Kirchner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2628898

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