Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiträge für Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte
Orientierungssatz
1. § 172 Abs. 2 SGB VI verpflichtet den Arbeitgeber nur dann, anteilig die Beiträge zu einem berufsständischen Versorgungswerk zu tragen, wenn der Beschäftigte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wurde. Das setzt voraus, dass überhaupt eine Versicherungspflicht bestand, von der eine Befreiung erteilt werden konnte. War der Arbeitnehmer aus anderen Gründen, zB nach § 20 des Sozialversicherungsgesetzes der DDR iVm. der Übergangsregelung des § 231a SGB VI, von der Versicherungspflicht befreit, besteht deshalb kein Anspruch auf Übernahme anteiliger Beiträge durch den Arbeitgeber.
2. Dem Arbeitnehmer kommt auch keine analoge oder erweiternde Anwendung von § 172 Abs. 2 SGB VI zugute. Die Bestimmung will nicht generell sicherstellen, dass Beschäftigte iSd. Sozialversicherungsrechts dann, wenn sie in einem berufsständischen Versorgungswerk versichert sind, von ihrem Arbeitgeber eine anteilige Übernahme der Beiträge verlangen können. Das soll vielmehr nur dann gelten, wenn das gesetzliche Rentenversicherungssystem durch die gesetzliche Versicherungspflicht in einem berufsständischen Versorgungswerk ersetzt wird.
3. Die gesetzliche Anknüpfung an die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und ihren Ersatz durch einen als gleichwertig anerkanntes berufsständisches Versorgungswerk ist nicht gleichheitswidrig.
4. § 231a SGB VI, der die Fortsetzung der Befreiung von einer Versicherungspflicht nach § 20 des Sozialversicherungsgesetzes der DDR betrifft, verstößt ebenfalls nicht gegen den Gleichheitssatz. Das ergibt sich schon daraus, dass die von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht Befreiten bis Ende 1994 ohne Weiteres durch einfache Erklärung ihre Versicherungspflicht wiederherstellen konnten.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 2, § 231a
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Urteil vom 29.12.2005; Aktenzeichen 7/1/7 Sa 447/03) |
ArbG Erfurt (Urteil vom 06.08.2003; Aktenzeichen 4 Ca 4020/02) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 29. Dezember 2005 – 7/1/7 Sa 447/03 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Anwaltskammer dem Kläger, der bei ihr als Geschäftsführer tätig war, für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 30. April 2002 den hälftigen Beitrag zum Rechtsanwaltsversorgungswerk zu erstatten hat.
Der Kläger ist am 4. Oktober 1957 geboren. Er ist seit dem 1. Oktober 1986 als selbständiger Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 25. Juni 1992 wurde er mit Wirkung vom 1. Dezember 1990 gem. § 20 des Sozialversicherungsgesetzes der DDR auf Grund des Abschlusses einer Lebensversicherung von der Versicherungspflicht befreit. Die Befreiung wirkt nach § 231a SGB VI fort.
Mit dem 1. Oktober 1994 nahm der Kläger seine Geschäftsführertätigkeit für die Beklagte auf. Dem lag ein undatierter “Geschäftsführervertrag” zugrunde, der mit einem “Änderungsvertrag” vom 24. Oktober 1996 teilweise geändert wurde.
Mit Wirkung vom 8. Juni 1996 wurde in Thüringen das Versorgungswerk der Rechtsanwälte als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Der Kläger ist dort seit dem 1. Juli 1996 Mitglied. Für den streitbefangenen Zeitraum hat der Kläger von der Beklagten die hälftige Übernahme seiner Beiträge für das Versorgungswerk verlangt, die sie ihm trotz Fristsetzung mit Schreiben vom 15. November 2002 zum 13. Dezember 2002 nicht geleistet hat.
Mit seiner am 23. Dezember 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 13. Januar 2003 zugestellten Klage macht der Kläger diese Forderung geltend. Er beruft sich darauf, er sei Arbeitnehmer gewesen. Berufsrechtliche Bedenken gegen die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer der Anwaltskammer hätten nicht bestanden.
Der geltend gemachte Anspruch stehe ihm nach § 172 Abs. 2 SGB VI zu. Soweit dem entgegenstehe, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht auf Grund des dort in Bezug genommenen § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfolgt sei, sondern bereits nach § 20 des Sozialversicherungsgesetzes der DDR iVm. § 231a SGB VI, liege darin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Es habe für ihn keine Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht im Versorgungswerk gegeben.
Vertragliche Vereinbarungen mit der Beklagten stünden seinem Anspruch nicht entgegen. Der Anspruch sei für den streitbefangenen Zeitraum auch nicht verjährt. Ebenso wenig sei er verwirkt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.624,18 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz ab dem 14. Dezember 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei kein Arbeitnehmer gewesen. Schon aus berufsrechtlichen Gründen sei seine Tätigkeit als ehrenamtliche einzustufen. Auch bestehe kein gesetzlicher Anspruch auf die Leistung. Jedenfalls stünden dem vertragliche Vereinbarungen entgegen. Der Anspruch sei verwirkt und zumindest teilweise verjährt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Prozessuale Gründe stehen einer Entscheidung durch den Senat nicht entgegen.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Revision zulässig. Sie ist ausreichend begründet, da der Kläger in seiner Revisionsschrift wiederholt Bezug auf konkrete Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nimmt und sich mit ihnen auseinandersetzt.
2. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist in der Revisionsinstanz nicht mehr zu prüfen (§ 72 Abs. 2 iVm. § 65 ArbGG). Eine Ausnahme ist nur denkbar, wenn das Gericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht vorab entscheidet, obwohl eine Partei die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt (vgl. BAG 26. März 1992 – 2 AZR 443/91 – AP ArbGG 1979 § 48 Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 48 Nr. 5). So liegt der Fall hier nicht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob in Wirklichkeit eine öffentlich-rechtliche Forderung vorliegt, so dass der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben wäre (für den Arbeitgeberzuschuss zur privaten Krankenversicherung: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 4. Juni 1974 – GmS-OGB 2/73 – BSGE 37, 292; für Übernahme eines Teils der Aufwendungen für eine Altersversorgung in entsprechender Anwendung der Regelungen des SGB: BSG 22. Mai 1985 – 1 RS 1/84 – BSGE 58, 110). Ebenso kann offenbleiben, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben wäre, weil der Kläger kein Arbeitnehmer iSd. ArbGG war.
II. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Übernahme anteiliger Beiträge zum Versorgungswerk zu. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 172 SGB VI, noch aus einer erweiternden oder entsprechenden Anwendung dieser Regelung oder aus sonstigen Bestimmungen. Der Kläger wird dadurch auch nicht gleichheitswidrig benachteiligt.
1. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Übernahme anteiliger Beiträge zum Versorgungswerk sind nicht gegeben.
a) Der Anspruch folgt nicht aus § 172 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Die die Übernahme der Beitragspflicht regelnde Bestimmung im SGB VI lautet:
Ҥ 172 Arbeitgeberanteil bei Versicherungsfreiheit
…
(2) Für Beschäftigte, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit sind, tragen die Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, höchstens aber die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten nicht von der Versicherungspflicht befreit worden wären.
…”
Die danach in Bezug genommene Regelung lautet:
Ҥ 6 Befreiung von der Versicherungspflicht
(1) Von der Versicherungspflicht werden befreit
1. Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn
a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,
b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und
c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist,
…”
Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass bei ihm die persönlichen Voraussetzungen dieser Regelungen vorlagen, er insbesondere in einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten stand und auch das Versorgungswerk den Anforderungen der Regelung entspricht. Die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI scheitert nämlich daran, dass der Kläger mit Aufnahme seiner Tätigkeit für die Beklagte keiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr unterlag, von der er auf Grund dieser Regelung hätte befreit werden können und müssen. Er war nämlich bereits nach § 20 des Sozialversicherungsgesetzes der DDR iVm. § 231a SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit. Insoweit gilt Folgendes:
Nach dem am 28. Juni 1990 in der DDR verabschiedeten Gesetz über die Sozialversicherung (GBl. I S. 486) waren grundsätzlich auch Selbständige versicherungspflichtig (§ 1 Buchst. b, §§ 3, 10 Abs. 1). Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung war dabei wie folgt geregelt:
Ҥ 20
Befreiung von der Versicherungspflicht
(1) In der Rentenversicherung werden Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, innerhalb von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. …
(2) Voraussetzung für die Befreiung gemäß Absatz 1 ist, daß der Versicherte für sich und seine Familienangehörigen Anspruch auf gleichwertige Leistungen aus einer anderen Versicherung hat. Gleichwertig sind die Leistungen, wenn die Beiträge für eine andere Versicherung mindestens dem Betrag entsprechen, der bei Versicherungspflicht von einem Arbeitseinkommen in Höhe der halben Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten wäre und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall der verminderten Erwerbstätigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepaßt werden. …”
Nach Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet F…, Abschn. III Nr. 2 Buchst. b des Einigungsvertrags galten die Bestimmungen zur Versicherungspflicht und Befreiungsmöglichkeit (§§ 10 und 20 des Gesetzes über die Sozialversicherung) bis zum 31. Dezember 1991 weiter. Beim Kläger sind durch Bescheid die Voraussetzungen für die Befreiung mit Wirkung zum 1. Dezember 1990 festgestellt.
Anknüpfend daran ist der Kläger weiterhin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Rechtsgrundlage dafür ist § 231a SGB VI. Diese Bestimmung wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1992 durch Art. 1 Nr. 48 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606) in das Gesetz eingefügt und lautete damals:
“Selbständig Tätige, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet aufgrund eines Versicherungsvertrages von der Versicherungspflicht befreit waren, bleiben in jeder Beschäftigung oder Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit. Sie können jedoch bis zum 31. Dezember 1994 erklären, daß die Befreiung von der Versicherungspflicht enden soll. Die Befreiung endet vom Eingang des Antrags an.”
Auch die heutige Fassung dieser Bestimmung knüpft an die so geschaffene Rechtslage an, sie lautet:
“Selbständig Tätige, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet aufgrund eines Versicherungsvertrages von der Versicherungspflicht befreit waren und nicht bis zum 31. Dezember 1994 erklärt haben, daß die Befreiung von der Versicherungspflicht enden soll, bleiben in jeder Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit und bei Wehrdienstleistungen von der Versicherungspflicht befreit.”
Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen beim Kläger vor. Er hat nicht geltend gemacht, einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungsfreiheit gestellt zu haben.
b) Der Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus einer erweiternden oder analogen Anwendung von § 172 Abs. 2 SGB VI.
Eine solche dürfte nur erfolgen, wenn die Situation des Klägers nach dem Grundgedanken der Vorschrift und ihrem Zweck zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers führen würde. Dies ist indes nicht der Fall. Arbeitgeber von Beschäftigten, die der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, sollen keinen Vorteil daraus haben, dass diese Beschäftigten in einem berufsständischen Versorgungswerk und damit in einem nach der gesetzlichen Wertung gleichwertigen Versorgungssystem pflichtversichert sind. Zweck der Bestimmung ist es also nicht, Arbeitgeber dazu zu verpflichten, einen Beitragsanteil von Beschäftigten iSd. Sozialversicherungsrechts zu übernehmen, wenn diese in einem berufsständischen Versorgungswerk versichert sind, sondern – anknüpfend an die Regelungen über die gesetzliche Rentenversicherungspflicht – den zunächst in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten die Versicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk zu ermöglichen, ohne dass ihnen dadurch die sonst, also nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, gegebenen Ansprüche auf Tragung eines Teils des Beitrags entgehen.
Unter Berücksichtigung dieses Zwecks scheidet ein Anspruch des Klägers aus, da er auf Grund seines Befreiungsantrags und der später unterlassenen Erklärung zur Befreiung von der Versicherungsfreiheit gerade nicht mehr der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag.
c) Entgegen der Ansicht des Klägers gab es auch sonst keine gesetzliche Grundlage für die Übernahme anteiliger Beiträge durch den Arbeitgeber (vgl. BAG 23. Januar 2007 – 3 AZR 398/05 – AP SGB VI § 172 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 28, zu II 1a bb der Gründe).
2. Der Kläger wird auch nicht entgegen Art. 3 Abs. 1 GG gleichheitswidrig benachteiligt.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich seiner Eigenart nach ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt, die Maßnahme als willkürlich bezeichnet werden muss. Er verlangt, dass eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen sich – sachbezogen – auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund von hinreichendem Gewicht zurückführen lässt. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung, was auch dann gilt, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt dann vor, wenn Übereinstimmungen der zu ordnenden Lebenssachverhalte nicht berücksichtigt werden, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen oder wenn – anders formuliert – zwischen Gruppen von Regelungsadressaten, die ungleich behandelt werden, keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 4. April 2001 – 2 BvL 7/98 – BVerfGE 103, 310, zu B I 1 und 2a der Gründe).
b) Gemessen daran ist es zunächst gerechtfertigt, dass die Bestimmung des § 172 Abs. 2 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI eine Pflicht des Arbeitgebers, einen Teil der Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu tragen, lediglich dann anordnet, wenn der Beschäftigte von einer gesetzlichen Rentenversicherungspflicht wegen der Mitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk befreit ist. Das ergibt sich aus dem – oben unter II 1b dargestellten – Zweck der Regelung, nicht grundsätzlich eine Beitragspflicht bei Versicherungen in berufsständischen Versorgungswerken für Beschäftigte anzuordnen, sondern an die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuknüpfen und nur eine Regelung für den Fall der Versicherungsfreiheit bei der gesetzlich angeordneten Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk zu treffen. Das ist nicht sachwidrig.
c) Ein Gleichheitsverstoß folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, dass die Regelung, auf der seine fortbestehende Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht beruht, nämlich § 231a SGB VI in den verschiedenen, aber inhaltsgleichen Fassungen, gleichheitswidrig wäre. Das ist nicht der Fall.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, die Regelung in § 231a SGB VI sei deshalb verfassungswidrig, weil sie anders ausgestaltet sei als die Übergangsregelungen bezogen auf die Befreiung von der Beitragspflicht in den alten Ländern in § 231 SGB VI. Entscheidend ist dabei – worauf auch das Landesarbeitsgericht verwiesen hat –, dass § 231a SGB VI dem dort genannten Personenkreis und damit auch dem Kläger bis Ende 1994 ein Wahlrecht eingeräumt hat. Die Befreiung von der Versicherungspflicht blieb deshalb nicht unabhängig vom Willen des Betroffenen bestehen, sondern nur dann, wenn der von der Versicherungspflicht nach dem Recht der DDR Befreite bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist sich dafür entschied, keine gegenteilige Erklärung abzugeben. Die Regelung knüpft damit an ein diesem Personenkreis eingeräumtes Wahlrecht an. Das ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist die Anknüpfung einer Differenzierung an eine Entscheidung des Norm- oder Regelungsunterworfenen ein sachlicher Differenzierungsgrund für eine ungleiche Behandlung (vgl. BVerfG 21. März 2002 – 1 BvR 2119/01 – NJW 2002, 2307).
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn eine bestimmte Ausübung des Wahlrechts für den Regelungsunterworfenen zu unverhältnismäßigen Folgen führt und daher unzumutbar ist (vgl. BAG 23. Januar 2007 – 3 AZR 398/05 – AP SGB VI § 172 Nr. 1 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 28, zu II 1a dd (2) der Gründe). Dass eine solche Unzumutbarkeit – typischerweise – für die Regelungsunterworfenen hier vorlag, ist nicht ersichtlich. Insbesondere trifft der Hinweis des Klägers nicht zu, durch Ausübung des Wahlrechts wäre er als selbständiger Rechtsanwalt wieder rentenversicherungspflichtig geworden. Die Rentenversicherungspflicht nach dem Gesetz über die Sozialversicherung der DDR endete nämlich nach dem Einigungsvertrag – wie oben unter II 1a dargelegt – mit dem 31. Dezember 1991. Durch den Verzicht auf die Versicherungsfreiheit konnte deshalb lediglich eine Versicherungspflicht nach dem SGB VI zur Geltung kommen (vgl. auch Kees in Ruland/Försterling GK-SGB VI Stand Juli 2008 § 231a Rn. 15). Als selbständiger Rechtsanwalt war der Kläger aber nicht nach dem Recht des SGB VI versicherungspflichtig.
Auch wenn man stattdessen entsprechend der Ansicht des Klägers annähme, bei Verzicht auf diese Befreiung würde die Sozialversicherungspflicht bei selbständig Tätigen nach dem Sozialversicherungsgesetz der DDR wieder aufleben, wäre es dem Kläger möglich gewesen, seine Versicherungspflicht nach dem Sozialversicherungsgesetz der DDR zu beenden und auf eine Versicherungspflicht nach dem SGB VI zu begrenzen. Auch insoweit stand ihm nämlich bis zum 31. Dezember 1994 die Möglichkeit offen, sich von dieser – bei anderer Auslegung des § 231a SGB VI durch den Wegfall der Befreiung von der Versicherungspflicht wieder aufgelebten – Versicherungspflicht befreien zu lassen. Das folgt aus § 229a Abs. 1 SGB VI. Diese Bestimmung räumt – auch schon in der durch Art. 1 Nr. 47 des Gesetzes vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 eingefügten Fassung – selbständig Tätigen bis 31. Dezember 1994 die Möglichkeit ein, sich von einer im “Beitrittsgebiet” bestehenden Versicherungspflicht auf Antrag befreien zu lassen, soweit keine Versicherungspflicht nach dem SGB VI vorliegt.
Es wäre deshalb dem Kläger ohne Weiteres möglich gewesen, bis Ende 1994 ohne unmittelbare Folgen für sich selber sich dem Recht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht zu unterstellen und damit sicherzustellen, dass er im Falle einer abhängigen Beschäftigung iSd. Sozialversicherungsrechts Versicherungsschutz in der gesetzlichen Rentenversicherung genießt. Das hätte ihm dann auch die Möglichkeit eröffnet, sich bei einer gesetzlich angeordneten Versicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreien zu lassen und damit gegen den Arbeitgeber Ansprüche nach § 172 Abs. 2 SGB VI zu erwerben.
Unterschriften
Reinecke, Zwanziger, Schlewing, Furchtbar, Heuser
Fundstellen
Haufe-Index 2039639 |
AP, 0 |
EzA-SD 2008, 16 |
NZA-RR 2009, 444 |
SJ 2008, 42 |