Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitssäumnis aus Anlaß der Eheschließung

 

Leitsatz (amtlich)

Fehlt eine vorherige Zustimmung des Arbeitgebers für eine Arbeitssäumnis aus Anlaß der Eheschließung gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit § 52 Abs. 2 Satz 1 d BAT, so ist eine spätere Genehmigung dieser Arbeitssäumnis gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 BAT dann aus Rechtsgründen nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer bereits wegen Urlaubs von der Arbeitspflicht freigestellt war.

 

Normenkette

BAT § 18 Abs. 2, § 47 Abs. 6, § 52 Abs. 2; BGB § 616 Abs. 1; BUrlG §§ 1, 3, 9-10, 13

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 03.06.1982; Aktenzeichen 4 Sa 20/82)

ArbG Berlin (Urteil vom 01.02.1982; Aktenzeichen 22 Ca 3/82)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 3. Juni 1982 – 4 Sa 20/82 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin, auf deren Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung findet, hat während ihres Urlaubs in Schweden am Samstag, dem 2. August 1980, standesamtlich geheiratet. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1980 beantragte sie Arbeitsbefreiung unter Bezugnahme auf die Eheschließung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 d BAT für den 27. und 28. Oktober 1980, um die Hochzeit nachfeiern zu können. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine Freistellung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 d BAT könne während des Urlaubs nicht erfolgen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr aus Anlaß ihrer Eheschließung am 2. August 1980 noch einen Tag Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung ohne Anrechnung auf den Erholungsurlaub zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gegenteilig entschieden. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist die Revision mit Beschluß vom 19. Oktober 1982 – 3 AZN 365/82 – zugelassen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin über den vom Arbeitgeber erfüllten tariflichen Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr 1980 hinaus wegen der Eheschließung keinen weiteren Anspruch auf einen Tag Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung hat.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Freistellung aus Anlaß der Eheschließung gemäß § 616 BGB und § 52 Abs. 2 Satz 1 d BAT verneint.

a) Die Tarifvertragsparteien haben mit der Regelung des § 52 Abs. 2 BAT die Anwendung des § 616 Abs. 1 BGB rechtswirksam mit der Folge abbedungen, daß auch in den persönlichen Verhinderungsfällen des § 616 Abs. 1 BGB ein Freistellungsanspruch der Angestellten nur bestehen soll, soweit § 52 Abs. 2 BAT dies vorsieht (vgl. dazu zuletzt BAG 39, 321 = AP Nr. 55 zu § 616 BGB mit weiteren Nachweisen). Danach hat der Angestellte gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 d und Satz 3 BAT bei der Eheschließung an einem arbeitsfreien Tag Anspruch auf Freistellung von einem Arbeitstag unter Fortzahlung der Vergütung. Diese Regelung hat das Landesarbeitsgericht nach Wortlaut und Zusammenhang rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß dieser Anspruch auf Freistellung bei der Eheschließung nur in gegenständlichem und zeitlichem Bezug zur Eheschließung vom Arbeitgeber zu gewähren ist (vgl. BAG 42, 272 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB). Da die Klägerin die Freistellung für eine Nachfeier erst für Ende Oktober 1980 begehrt hat, fehlt es an einem kurzen zeitlichen Abstand von der am 2. August 1980 erfolgten Eheschließung. Ein Freistellungsanspruch der Klägerin aus Anlaß der Eheschließung ist somit nicht mehr möglich. Einen Freistellungsanspruch zur Nachfeier der Eheschließung sieht § 52 Abs. 2 BAT nicht vor.

Damit bedurfte es keiner Entscheidung über die von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung, der Freistellungsanspruch der Klägerin gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 d BAT bestehe schon deswegen nicht, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits wegen ihres Urlaubs von der Arbeitspflicht freigestellt war (vgl. dazu BAG Urteil vom 11. Januar 1966 – 5 AZR 383/65 – AP Nr. 1 zu § 1 BUrlG Nachurlaub; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, 77. Erg.-Lieferung, § 52 Rz 7; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Erg.-Lieferung September 1985, § 52 Rz 19).

2. Soweit die Klägerin einen weiteren Tag tariflichen Urlaub wegen der Eheschließung begehrt, hat das Landesarbeitsgericht diesen Anspruch ebenfalls zutreffend verneint.

§§ 9, 10 BUrlG sehen eine Nichtanrechnung für kur- und krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch vor. Solche Urlaubstage werden nicht verbraucht, sondern bleiben als Anspruch erhalten (vgl. BAG Urteil vom 11. Januar 1966, aaO). Gleiches regelt § 47 Abs. 6 Satz 3 BAT für den den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigenden tariflichen Urlaubsanspruch für die Erkrankung während des Urlaubs. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften für den Fall einer Eheschließung kommt jedoch nicht in Betracht. Es läßt sich aus diesen Vorschriften kein allgemeiner Rechtssatz entnehmen, daß der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet sei, die Vereitelung des Urlaubs infolge urlaubsstörender Ereignisse durch Nachgewährung auszugleichen (vgl. BAG Urteil vom 1. August 1963 – 5 AZR 74/63 – AP Nr. 91 zu § 611 BGB Urlaubsrecht; BAG Urteil vom 11. Januar 1966, aaO). Gemäß §§ 1, 3, § 13 Abs. 1 BUrlG wird zwar die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs garantiert. Dies gilt jedoch nur für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung unter Fortzahlung des Entgelts. Gesetzgeber und Tarifvertragsparteien haben jedoch in Kenntnis der vielfältigen Möglichkeiten, die sich störend auf den Urlaub auswirken können, nur die Fälle der Erkrankung und Kur, nicht jedoch die Eheschließung des Angestellten als so gewichtig angesehen, daß sie eine Nichtanrechnung geregelt haben. Diese Regelungen können somit bei der Eheschließung keine entsprechende Anwendung finden.

Die Klägerin hätte, um ihren Anspruch auf einen weiteren Tag tariflichen Urlaub aufrechtzuerhalten, gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 d i. V. mit § 18 Abs. 2 Satz 1 BAT der vorherigen Zustimmung der Beklagten für eine Arbeitssäumnis aus Anlaß der Eheschließung bedurft. Diese liegt jedoch nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Schreiben der Klägerin vom 20. Oktober 1980 ein unverzüglicher Antrag auf nachträgliche Einholung der Zustimmung gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 BAT liegt (vgl. dazu Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, § 52 Rz 1; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, 3. Aufl., § 52 Rz 3). Eine solche Genehmigung ist im vorliegenden Fall deswegen rechtlich nicht möglich, weil die Klägerin bereits infolge ihres Urlaubs von der Arbeitspflicht freigestellt war und somit ein Fernbleiben von der Arbeit, wie es § 18 Abs. 2 BAT fordert, und damit eine Verletzung der Arbeitspflicht aus Anlaß der Eheschließung nicht vorlag.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Dr. Leinemann, Dr. Heither, Wendlandt, Scheerer

 

Fundstellen

NJW 1986, 1066

RdA 1986, 134

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