Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung bei Gratifikationen
Leitsatz (amtlich)
Die Begründung und Ausprägung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) spricht dafür, den Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht auf den Betrieb zu beschränken, sondern betriebsübergreifend auf das ganze Unternehmen zu erstrecken.
Normenkette
BGB § 242; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. Dezember 1997 – 10 Sa 1143/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat auch die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Sonderzahlungen für 1996 hat.
Die Beklagte betreibt sechs Kliniken, darunter die S -Klinik in Bad mit rund 150 Arbeitnehmern. Dort und in vier weiteren Kliniken ist jeweils ein Betriebsrat gewählt. Es besteht ein Gesamtbetriebsrat. Der Kläger ist seit 1980 als Psychologe in der S -Klinik beschäftigt. In seinem Formular-Arbeitsvertrag ist u.a. folgendes bestimmt:
„§ 8 Weihnachtsgratifikation u. Sonderzahlungen
1. Soweit der Arbeitgeber allgemein eine Weihnachtsgratifikation oder Sonderzahlung gewährt, erhält der Arbeitnehmer sie ebenfalls.
2. Der Arbeitnehmer erkennt an, daß die Gratifikation und die Sonderzahlung freiwillig gezahlt werden und hierauf auch nach wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst.”
Vor 1996 zahlte die Beklagte allen Arbeitnehmern der sechs Kliniken jahrelang mit dem Novembergehalt ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld und außerdem, jeweils zur Hälfte im Februar und im Juli, ein 14. Monatsgehalt. Nach dem vom Kläger nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurden die Leistungen den Arbeitnehmern jeweils durch Aushang oder Rundschreiben mit Freiwilligkeitsvorbehalt angekündigt. Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat waren nicht beteiligt.
Die Zahlungen waren jeweils von einem Vorbehalt begleitet. Dieser lautete hinsichtlich des Weihnachtsgeldes u.a. wie folgt:
„Wir weisen ausdrücklich darauf hin, daß die Zahlung der Weihnachtsgratifikation freiwillig, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Übernahme einer Verpflichtung für die Zukunft erfolgt. Die Zahlung steht im Ermessen des Arbeitgebers …”
Zum 14. Gehalt war er folgendermaßen formuliert:
„Wir leisten die Sonderzahlung – soweit sie das tarifliche Urlaubsgeld übersteigt – freiwillig außerhalb aller rechtlichen Verpflichtungen und knüpfen daran die Bedingung, daß wir in Zukunft diese freiwillige Zuwendung jederzeit reduzieren oder einstellen.”
Aufgrund von Sparmaßnahmen der Sozialversicherungsträger im Rehabilitationsbereich verrringerte sich die Patientenzahl im Jahr 1996. Aufgrund dessen beschloß die Geschäftsführung der Beklagten am 8. Februar 1996, in der S -Klinik – anders als in den übrigen Betrieben – die Sonderzahlungen im Februar und im Juli 1996 ganz entfallen zu lassen und im Juli lediglich das tarifliche Urlaubsgeld zu zahlen. Nach Protesten des Gesamtbetriebsrats wurde diese Entscheidung revidiert: Auch die Arbeitnehmer der S -Klinik erhielten eine Sonderzahlung, allerdings erst im März 1996 und nur zur Hälfte der sonst im Februar üblichen Leistung.
Durch Aushang vom 10. Oktober 1996 teilte die Beklagte den Arbeitnehmern der S -Klinik mit, wegen der Belegungssituation könne in diesem Jahr keine Weihnachtsgratifikation gezahlt werden. So geschah es auch. Dagegen erhielten die Arbeitnehmer der übrigen Kliniken der Beklagten das 13. und, nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, auch das 14. Monatsgehalt in vollem Umfang ausbezahlt. Den Regelungen über den Wegfall bzw. die Kürzung der sonst üblichen Zahlungen hat weder der Betriebsrat noch der Gesamtbetriebsrat zugestimmt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für 1996 noch Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt und auf 3/4 eines 14. Gehalts. Das ergebe sich schon aus § 8 Nr. 1 des Arbeitsvertrages, der auf die Handhabung im gesamten Unternehmen verweise. Überdies folge der Anspruch auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, der jeweils auf das Unternehmen bezogen sei. Die Verhältnisse in der S -Klinik hätten sich nicht wesentlich von denjenigen in den anderen Kliniken unterschieden; die zur wirtschaftlichen Lage von der Beklagten vorgelegten Zahlen hat der Kläger pauschal bestritten. Nachdem es für die S -Klinik wegen Personalabbaus am 27. November 1996 zu einem Interessenausgleich und am 3. März 1997 zu einem Sozialplan gekommen sei, seien im März 1997 auch in den anderen Kliniken gleichlautende Interessenausgleiche und Sozialpläne abgeschlossen worden.
Schließlich hat der Kläger seinen Anspruch auch auf die mangelnde Beteiligung des Gesamtbetriebsrats gestützt. Die Kürzung der Sonderzahlungen sei unwirksam. Da sie lediglich in einem Betrieb erfolgt sei, habe sie zu einer mitbestimmungspflichtigen Änderung der Verteilungsrelationen im Unternehmen geführt. Träger des Mitbestimmungsrechts sei vorliegend nicht der Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat gewesen, denn über die Gewährung der Zahlungen habe eine unternehmenseinheitliche Regelung bestanden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.890,15 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Meinung kann sich der Kläger nicht auf § 8 Nr. 1 des Arbeitsvertrages berufen, da dort nur auf die betriebliche, nicht dagegen auf die in anderen Betrieben geübte Praxis verwiesen sei. Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz könne er nichts herleiten. Zum einen erfordere dieser eine Gleichbehandlung nur innerhalb des jeweiligen Betriebs, nicht dagegen unternehmensweit, zum anderen sei die Differenzierung wegen der besonders schlechten wirtschaftlichen Lage der S -Klinik gerechtfertigt gewesen. Hierzu hat die Beklagte unter Beweisantritt Belegzahlen ihrer Kliniken in den einzelnen Monaten des Jahres 1996 vorgetragen. Danach lag die Auslastung der S -Klinik in den Monaten Januar bis Juni 1996 jeweils um 90% und sank dann bis November 1996 unter 70%; die übrigen Kliniken seien in dieser Zeit noch mit Schwankungen zwischen 98 und 102% ausgelastet gewesen. Lediglich die Klinik R habe in den Monaten Mai und Juni 1996 nur eine Quote von rund 92 bzw. 96% erreicht.
Schließlich habe sie, die Beklagte, auch keine Mitbestimmungsrechte verletzt. Ihre Maßnahme sei nicht mitbestimmungspflichtig gewesen, da sich die Verteilungsgrundsätze bezogen auf die Arbeitnehmer der S -Klinik nicht verändert hätten. Es komme nur auf die betrieblichen Verhältnisse an, denn für die Ausübung eines möglichen Mitbestimmungsrechts sei der Betriebsrat zuständig gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß der Kläger die geforderten Sonderzahlungen nicht verlangen kann.
I. Aus § 8 Nr. 1 des Arbeitsvertrages ergibt sich kein Anspruch. Die Beklagte hat die Sonderzahlungen im Jahr 1996 nicht „allgemein” im Sinne dieser Vertragsklausel gewährt.
1. Die Auslegung ist insoweit in vollem Umfang vom Senat zu überprüfen, denn es handelt sich um eine typische Vereinbarung (z.B. Senatsurteil vom 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2 a aa der Gründe; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 73 Rz 15). Die Beklagte hat diese Klausel, wie aus den beim Senat anhängigen Verfahren ersichtlich, über viele Jahre hinweg formularmäßig und gleichbleibend verwandt.
2. § 8 Nr. 1 des Arbeitsvertrags soll den einzelnen Arbeitnehmer davor schützen, daß er hinsichtlich der Sonderzahlungen abweichend von der Regel schlechter behandelt wird als die Masse der übrigen Arbeitnehmer. Insoweit greift die Bestimmung mit dem Tatbestandsmerkmal „allgemein” ein Element des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auf.
Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Begriff „allgemein” hier betriebs- oder unternehmensbezogen zu verstehen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. In keinem der beiden Fälle kann die Bestimmung den vom Kläger geltend gemachten Anspruch begründen. Bezieht sich die „allgemeine” Gewährung einer Sonderzahlung auf den jeweiligen Betrieb, dann kann der Kläger aus § 8 Nr. 1 des Vertrages schon deshalb nichts herleiten, weil ihm nichts vorenthalten wurde, was den übrigen Betriebsangehörigen gewährt worden wäre. Auch wenn aber für einen Anspruch nach dieser Klausel darauf abzustellen sein sollte, welche Leistungen die Beklagte im Unternehmen erbracht hat, könnte sich der Kläger nicht mit Erfolg auf sie berufen. Zwar hat er Sonderzahlungen nicht erhalten, die den Arbeitnehmern anderer Betriebe gewährt worden sind. Damit ist er aber nicht von allgemeinen Leistungen ausgeschlossen worden. Eine Sonderzahlung wird nämlich bezogen auf das Unternehmen dann nicht „allgemein” erbracht, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Belegschaft eines ganzen, nicht unbedeutenden Betriebes von ihr ausgenommen ist.
II. Der Kläger kann sich für den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf eine Gesamtzusage berufen.
1. Ein Anspruch käme allerdings dann in Betracht, wenn die Beklagte die Sonderzahlungen in der Vergangenheit unbefristet zugesagt und sich dabei lediglich deren Widerruf vorbehalten hätte. Dann wäre zu prüfen, ob ein wirksamer Widerruf vorliegt. Im Fall der Verneinung hätte der ursprüngliche Anspruch auch im Jahr 1996 unverändert fortbestanden.
Es gibt indessen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Arbeitnehmer hier einen solchen unbefristeten Anspruch gehabt hätten. Die Beklagte hat vielmehr jede Leistung neu angekündigt und mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen. Dieses Vorgehen entspricht auch der Regelung in § 8 Nr. 2 des Formular-Arbeitsvertrages. In einem solchem Fall hat der durch die Gesamtzusage geschaffene Anspruch regelmäßig nur die jeweilige Zahlung zum Gegenstand, Verpflichtungen für die Zukunft werden auf diese Weise dagegen nicht begründet (z.B. BAG Urteil vom 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – AP Nr. 187 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 der Gründe; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz 531).
Dem Kläger ist immerhin zuzugeben, daß dann, wenn ein Freiwilligkeitsvorbehalt lange Zeit nicht realisiert wird, u. U. ein schützenswertes Vertrauen der Arbeitnehmer darauf entsteht, der Arbeitgeber werde sich nicht beliebig von seiner bisherigen Praxis lösen. Auf diese Weise kann ein zeitlich unbegrenzter Anspruch mit Widerrufsvorbehalt erwachsen. Maßgeblich hierfür sind die Grundsätze, auf denen nach ständiger Rechtsprechung (z.B. Senatsurteil vom 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2 b aa der Gründe) Ansprüche aus betrieblicher Übung beruhen: Hierunter ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Dabei kommt es für die Begründung eines solchen Anspruchs aus betrieblicher Übung nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit Verpflichtungswillen gehandelt hat. Maßgebend ist vielmehr, ob die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften und das entsprechende Angebot stillschweigend annehmen konnten (§ 151 BGB). Vertrauensbildende Umstände dieser Art sind hier indessen nicht erkennbar und werden auch vom Kläger nicht behauptet. Insbesondere ergeben sie sich nicht etwa daraus, daß die streitigen Sonderzahlungen – wie z.B. Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung (vgl. dazu BAGE 24, 177, 181 ff. = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu A II der Gründe) – ihrer Natur nach in einem Austauschverhältnis mit Leistungen stehen würden, welche die Arbeitnehmer im Vertrauen auf die Beständigkeit der Ansprüche über lange Zeit im Voraus zu erbringen hätten.
Danach war die Beklagte, soweit das Jahr 1996 betroffen ist, lediglich aufgrund ihrer erneuten Gesamtzusage verpflichtet, im März ein Viertel eines Monatsgehalts als Sonderzahlung zu gewähren. Diese Verbindlichkeit hat sie erfüllt.
2. Bestand demnach vor der Zusage der Zahlung für Februar 1996 kein Anspruch des Klägers auf Sonderzahlungen für dieses Jahr, so kommt es auf die zwischen den Parteien streitigen betriebsverfassungsrechtlichen Fragen nicht an. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte mit ihrem Vorgehen mitbestimmungswidrig gehandelt hat mit der Folge, daß ihre Maßnahmen unwirksam waren. Die Unwirksamkeit könnte allenfalls den Rechtsgrund für die von der Beklagten geleisteten Zahlungen entfallen lassen. Daraus könnte der Kläger nichts für seinen Rechtsstandpunkt herleiten. Ein Mitbestimmungsverstoß wäre nämlich nicht geeignet, Ansprüche entstehen zu lassen, die vor der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht bestanden und auch bei Beachtung des Mitbestimmungsrechts nicht entstanden wären (BAGE 78, 74, 82 = AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu II 2 der Gründe). Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
III. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit den für die übrigen Kliniken im Jahr 1996 getroffenen Regelungen kann der Kläger ebenfalls keinen Anspruch herleiten. Auch insoweit ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zu folgen.
1. Der Senat hält die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sei schon deshalb auszuschließen, weil dieser lediglich betriebsbezogen gelte, nicht für überzeugend.
a) Nach ständiger Rechtsprechung gebietet es dieser Grundsatz dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Verboten ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Bereich der Vergütung anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, so kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (z.B. Senatsurteil vom 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu 1 a der Gründe). Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt (BAG Urteil vom 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – AP Nr. 187 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 2 b der Gründe).
b) Vieles spricht dafür, daß dem Arbeitgeber nicht nur verboten ist, zwischen Arbeitnehmern desselben Betriebs, sondern auch zwischen Arbeitnehmern verschiedener Betriebe des Unternehmens sachwidrig zu unterscheiden.
aa) Allerdings herrschte ursprünglich die Auffassung, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gelte außer in Ausnahmefällen lediglich betriebsbezogen. Dies wurde daraus geschlossen, daß er seine Grundlage in der Betriebsgemeinschaft habe, also dem Gemeinschaftsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern desselben Betriebs (z.B. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band I, 7. Aufl. 1963, S. 420). Auch heute wird – jedoch ohne Rückgriff auf diese Grundlegung – im Schrifttum eine betriebsbezogene Beschränkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als „noch herrschende Meinung” bezeichnet (zuletzt z.B. Kasseler Handbuch/Künzl, 2.1 Rz 859; Lieb, Arbeitsrecht, 6. Aufl., Rz 102; Lipke/Vogt/Steinmeyer, Sonderleistungen im Arbeitsverhältnis, 2. Aufl., Rz 89; Marhold/Beckers, AR-Blattei SD 800.1, Rz 126 ff.; Tschöpe, DB 1994, 40 ff.; Weber/Ehrich, ZIP 1997, 1681).
In seinem Urteil vom 26. April 1966 (BAGE 18, 278, 286 = AP Nr. 117 zu § 1 TVG Auslegung, zu IV 2 der Gründe) ist der erkennende Senat ebenfalls noch davon ausgegangen, daß der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz regelmäßig nur betriebsbezogen anwendbar sei. Etwas anderes sollte nach dieser Entscheidung nur dann gelten, wenn „über den einen Betrieb hinaus im Arbeitsleben ein enger lebensmäßiger Zusammenhang zwischen den Angehörigen verschiedener Betriebe desselben Unternehmens besteht”. Später hat das Bundesarbeitsgericht die Frage betont offen gehalten und eine Festlegung vermieden (Urteil vom 26. Mai 1998 – 1 AZR 704/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 2 der Gründe; BAGE 80, 10, 12 = AP Nr. 130 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 der Gründe; BAGE 75, 236, 246 = AP Nr. 112 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu B IV 1 b der Gründe; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 10 AZR 306/91 – AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 b der Gründe; Urteil vom 19. November 1992 – 10 AZR 290/91 – AP Nr. 145 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 b der Gründe; BAGE 52, 380, 391 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität; Urteil vom 25. August 1976 – 5 AZR 788/75 – AP Nr. 41 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 a der Gründe). Es hat den Gleichbehandlungsgrundsatz allerdings im öffentlichen Dienst dienststellenübergreifend auf den gesamten Geschäftsbereich eines Bundesministers bezüglich einer Regelung angewandt, die für alle Dienststellen einer bestimmten Art einheitlich getroffen worden war (Urteil vom 17. Dezember 1992 – 10 AZR 306/91 – AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 b der Gründe). Dagegen hat es eine unternehmensübergreifende Geltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Konzern (BAGE 52, 380, 391 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität) oder im Fall eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen (Urteil vom 19. November 1992 – 10 AZR 290/91 – AP Nr. 145 zu § 611 BGB Gratifikation, zu II 1 b der Gründe) verneint.
Im Schrifttum wird hingegen zunehmend die Auffassung vertreten, daß der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur betriebsbezogen, sondern innerhalb desselben Unternehmens auch betriebsübergreifend Geltung beansprucht (Däubler, Das Arbeitsrecht Band 2, 11. Aufl., Rz 545 ff.; MünchKomm-BGB/Müller-Glöge, 3. Aufl., § 611 Rz 452; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz 847; MünchArbR/Richardi, § 14 Rz 9; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl., § 112 II 1 c; RGRK-BGB/Schliemann, 12. Aufl., § 611 Rz 916; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 17 III 1; von Hoyningen-Huene, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seniorität; Konzen, RdA 1984, 65, 87; Küttner/Kania, Personalbuch 1997, Gleichbehandlung Rz 12; wohl auch Fastrich, Anm. zu AP Nr. 105 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Auch der Senat hat kürzlich, ohne sich allerdings festzulegen, eine Neigung zu dieser Auffassung geäußert (Urteil vom 26. Mai 1998 – 1 AZR 704/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 2 der Gründe).
bb) Die Beantwortung der Streitfrage hängt wesentlich davon ab, worauf sich der Gleichbehandlungsgrundsatz gründet und wie er sich in die Rechtsordnung einfügt.
Auch wenn die Herleitung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im einzelnen umstritten ist (z.B. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz 836), so besteht heute doch Einigkeit darüber, daß er inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt wird (BAGE 78, 272, 276 = AP Nr. 121 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu I 1 der Gründe; ErfK/Dieterich, Art. 3 GG Rz 32). Dieser ist indessen seinem Wesen nach kompetenzbezogen, bezieht sich also auf den Bereich, auf den sich die gebundene Regelungskompetenz erstreckt (ErfK/Dieterich, Art. 3 GG Rz 15 ff.). Das spricht für den Unternehmensbezug des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, denn dieser richtet sich an den Arbeitgeber, der mit dem Unternehmensträger identisch ist. Als Normadressat ist er für das Unternehmen in seiner Gesamtheit verantwortlich. Eine Beschränkung seiner Verpflichtung auf den Rahmen einzelner Betriebe, also auf Teile des Unternehmens, bedürfte besonderer Gründe, die bisher nicht erkennbar sind.
Die Betriebsbezogenheit des § 75 Abs. 1 BetrVG ist hier ohne Bedeutung. Die Vorschrift begründet eine an die Kompetenzen der Betriebsparteien anknüpfende kollektivrechtliche Verpflichtung, die weder den Zweck hat noch geeignet wäre, die aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz fließenden individualrechtlichen Pflichten zu ersetzen. Auch das Argument, daß man nicht gleichzeitig eine unternehmensweite Anwendung des Grundsatzes bejahen und die Erstreckung auf den Konzern verneinen könne, verfängt nicht. Im Konzern handelt nicht nur ein Akteur als Normadressat, sondern mehrere Arbeitgeber, die rechtlich voneinander unabhängig sind.
Was die Hinweise auf die regelmäßig größere Homogenität der Belegschaft eines Betriebs im Vergleich zu derjenigen eines Unternehmens mit mehreren Betrieben angeht, so ist allerdings nicht zu verkennen, daß die räumliche Entfernung zwischen verschiedenen Betrieben desselben Unternehmens, deren mögliche Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Branchen sowie die zwischen ihnen bestehenden organisatorischen Trennlinien Differenzierungen aus der Sicht des Arbeitgebers eher erforderlich und aus der Sicht der Arbeitnehmer eher erträglich machen können. Solche Elemente können je nach den Gegebenheiten erhebliches Gewicht haben und betriebsbezogene Gruppenbildung rechtfertigen. Ihre Berücksichtigung erfordert jedoch nicht, die Gleichbehandlungspflicht von vornherein nur auf den Betrieb zu beschränken.
2. Der vorliegende Fall macht das deutlich und belegt damit zugleich die nur begrenzte praktische Bedeutung der Grundsatzfrage. Im Ergebnis kann nämlich wiederum offen bleiben, welchen Anwendungsbereich der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hat. Für die von der Beklagten getroffene Regelung der Sonderzahlungen, die die Belegschaft der S -Klinik gegenüber den Arbeitnehmern der übrigen Kliniken benachteiligt, gibt es zumindest billigenswerte Gründe.
Diese ergeben sich aus der ungünstigen wirtschaftlichen Situation der S -Klinik im streitbefangenen Zeitraum. Die Beklagte hat mit den Sonderzahlungen, die sie ausweislich der einschlägigen Rundschreiben und Aushänge an den wirtschaftlichen Erfolg der Kliniken knüpfte, in zulässiger Weise den Zweck verfolgt, ihre Arbeitnehmer am Ertrag teilhaben zu lassen. Angesichts der Unterschiede zwischen der Belegsituation der S -Klinik und der weitaus besseren Auslastung in den anderen Kliniken des Unternehmens war es nicht sachwidrig, die Sonderzahlungen wie geschehen zu beschränken. Waren die Betten der S -Klinik im ersten Halbjahr 1996 nur zu rund 90%, diejenigen der übrigen dagegen zu rund 100% ausgelastet, so bedeutet das unter Berücksichtigung des in Krankenhäusern hohen Anteils an fixen Kosten einen erheblichen wirtschaftlichen Rückstand. Entsprechendes gilt für die weitere Entwicklung bis zum November 1996, in dem das 13. Monatsgehalt gezahlt wurde.
Soweit der Kläger die hierzu von der Beklagten unter Beweisantritt vorgelegten Zahlen bestritten hat, ist dies unerheblich. Es fehlt ein substantiierter Vortrag des Klägers dazu, warum er diese Zahlen für unrichtig hält oder wie die zutreffenden Zahlenverhältnisse beschaffen sein sollen. Sein Hinweis auf die im März 1997 in den anderen Kliniken abgeschlossenen Interessenausgleiche und Sozialpläne genügt dazu nicht. Zum einen läßt der Kläger außer Betracht, daß es allein in der S -Klinik bereits im November 1996 zu einem Interessenausgleich gekommen ist. Zum anderen vernachlässigt er, daß die Vereinbarungen in den übrigen Kliniken erst erhebliche Zeit nach den Zahlungen, die dort im Februar, Juli und November 1996 geleistet worden waren, abgeschlossen wurden.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Münzer, Lappe
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.11.1998 durch Klapp, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 692 |
DStR 1999, 911 |
NJW 1999, 2062 |
NWB 1999, 1165 |
ARST 1999, 101 |
FA 1999, 131 |
JR 1999, 396 |
NZA 1999, 606 |
RdA 1999, 420 |
RdA 2000, 94 |
SAE 2000, 129 |
ZTR 1999, 232 |
AP, 0 |
AuA 1999, 274 |
JAR 2000, 42 |
LL 1999, 430 |