Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der Steuerschuld durch den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Die Steuerlast für die Bezüge aus nichtselbständiger Tätigkeit trifft den Arbeitnehmer. Eine Vereinbarung, durch die es der Arbeitgeber übernimmt, die Steuerschuld zu tragen, muß den dahingehenden Willen klar erkennen lassen (Bestätigung von BAG 15, 168 = AP Nr. 15 zu § 670 BGB).
2. Die Erklärung des Arbeitgebers, eine Auslösung werde „steuerfrei” gewährt, bedeutet in der Regel nicht, daß der Arbeitgeber die Steuern tragen wolle, wenn sich die Annahme über die Steuerfreiheit als unzutreffend erweist.
Normenkette
BGB §§ 670, 611, 133, 157, 242, 249; EStG 1969 § 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2; LStDV i.d.F. vom 12. Januar 1968 (BGBl. I, 61) § 2 Abs. 4; LStDV i.d.F. vom 12. Januar 1968 (BGBl. I, 61) § 30 Abs. 1 S. 1; LStDV i.d.F. vom 12. Januar 1968 (BGBl. I, 61) § 46 Abs. 1 S. 1; LStDV i.d.F. vom 12. Januar 1968 (BGBl. I, 61) § 46 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Aktenzeichen 9 Sa 1074/72) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Januar 1973 – 9 Sa 1074/72 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. Januar 1969 als Kesselreiniger im Betrieb des Beklagten tätig. Er erhielt neben einem Stundenlohn von brutto 5,50 DM eine kalendertägliche Auslösung in Höhe von 15,– DM. Die Parteien waren darüber einig, daß die Auslösung steuerfrei gezahlt werde. Der Kläger erhielt den Betrag, ohne daß für ihn Steuern oder Sozialabgaben entrichtet wurden.
Im Sommer 1971 vertrat das Finanzamt anläßlich einer Betriebsprüfung bei dem Beklagten die Ansicht, die Auslösung müsse versteuert werden. Gegen den Kläger ergingen am 18. Oktober 1971 zwei Lohnsteuerbescheide, mit denen er zur Nachzahlung in Höhe von 1.184,70 DM für 1969 und in Höhe von 1.313,14 DM für 1970 herangezogen wurde. Gegen den Beklagten ergingen auch für weitere Arbeitnehmer, entsprechende Haftungsbescheide. Beide Parteien haben gegen die Bescheide des Finanzamts Rechtsmittel eingelegt.
Der Beklagte zahlt seinen Arbeitnehmern ab 1. Juli 1971 die Auslösung nur noch als Bruttobetrag und zwar arbeitstäglich. Der Kläger war hiermit nicht einverstanden und schied am 31. Juli. 1971 bei dem Beklagten aus.
Für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 1971 hat der Beklagte als Steueranteil für die Auslösung 193,83 DM einbehalten. Diesen Betrag sowie weitere 117,60 DM, die er zur Abwehr der Steuernachforderung als Fahrtkosten, Portokosten und Verdienstausfall aufgewendet habe, hat der Kläger von dem Beklagten verlangt; außerdem hat er die Feststellung begehrt, daß der Beklagte „gegebenenfalls verpflichtet ist, die sogenannte Auslösung von 15,– DM täglich zu versteuern”.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er sei nicht verpflichtet, die Steuern für den Kläger zu tragen. Beide Parteien seien davon ausgegangen, daß die Auslösung steuerfrei sei. Er habe sich nach Übernahme des Betriebes bei seinem Steuerberater erkundigt, ob die Auslösung steuerfrei gezahlt werden könne, und aufgrund einer bejahenden Auskunft die Zahlungen entsprechend vorgenommen. Er habe sich nicht verpflichtet oder verpflichten wollen, anfallende Steuern für den Kläger zu tragen.
Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsantrag der Klägers entsprochen und den Beklagten verurteilt, die einbehaltenen Steuern in Höhe von 193,83 DM zu erstatten; die Klage auf Schadenersatz hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben der Beklagte Berufung und der Kläger Anschlußberufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Beklagten stattgegeben und die Klage in vollem Umfange abgewiesen; die Anschlußberufung des Klägers mit der er den Anspruch von 117,60 DM Auslagenersatz weiterverfolgt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfange weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1. Bei der Entscheidung, ob der Kläger von dem Beklagten verlangen kann, daß dieser die streitige Steuerschuld trägt, ist von dem Grundsatz auszugehen, daß den Arbeitnehmer für seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit die Steuerlast trifft. Für den streitigen Zeitraum ergibt sich dies aus § 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 12. Dezember 1969 – EStG 1969 – (BGBl. I, 2265) sowie § 46 Abs. 1 Satz 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. vom 12. Januar 1968 (BGBl. I, 61); diese Vorschriften besagen ausdrücklich, daß der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner ist. Dies hat auch für die vor und nach diesem Zeitraum in Kraft befindlich gewesenen Fassungen, des Einkommensteuergesetzes und der Lohnsteuer-Durchführungsverordnungen gegolten. Der Arbeitgeber hat nur bei der Erhebung der Lohnsteuer mitzuwirken, indem er den Lohnsteuerabzug vornimmt (§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG 1969, § 30 Abs. 1 Satz 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Er haftet neben dem Arbeitnehmer für die richtige Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer gegenüber dem Finanzamt (§ 38 Abs. 3 Satz 2 EStG 1969, § 46 Abs. 1 Satz 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung. Entsprechend dieser steuergesetzlichen Regel schuldet der Arbeitgeber, auch ohne daß dies ausdrücklich klargestellt werden müßte, die dem Arbeitnehmer gewährten Leistungen in Geld oder geldwerten Vorteilen nur als Bruttoentgelt, d.h. daß auch im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander die Steuerlast den Arbeitnehmer trifft (vgl. BAG 15, 168 [172 f.] = AP Nr. 15 zu § 670 BGB [zu 4 der Gründe]).
2. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, daß der Arbeitgeber die auf die Bezüge des Arbeitnehmers zu leistenden Lohnsteuern tragen soll. Die Steuergesetzgebung läßt eine solche Regelung zu, wie sich aus den Bestimmungen darüber ergibt, in welcher Weise bei einer derartigen Vereinbarung die Lohnsteuer zu berechnen ist (vgl. § 2 Abs. 4 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Eine solche Vereinbarung muß jedoch als Ausnahme von der regelmäßigen Steuerlast des Arbeitnehmers erkennbar und deutlich erklärt worden sein (BAG 15, 168 [172 f.] = AP Nr. 15 zu § 670 BGB [zu 4 der Gründe]). Derartige Absprachen werden üblicherweise dahin getroffen, daß der Arbeitgeber zusagt, den Lohn als Nettolohn zu zahlen. Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer den als Nettolohn vereinbarten Betrag ungekürzt durch Steuern und den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung erhält, während der Arbeitgeber sich verpflichtet, die Steuern und Beiträge für den Arbeitnehmer tragen. Wenn eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden ist, dann ist für die Beteiligten klar, daß der Arbeitnehmer die vereinbarten Bezüge ungekürzt erhalten soll; allenfalls bleibt dann, noch offen, wie sich die für die Bemessung der Steuern erheblichen persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers im Rahmen der Vereinbarung auswirken (vgl. dazu BAG 22, 398 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Nettolohn).
II.
Nach den vorstehenden Erwägungen kann der Kläger von dem Beklagten nur dann die Freistellung von der Lohnsteuer-Nachforderung des Finanzamts verlangen, wenn der Beklagte es übernommen hat, die Lohnsteuer auf die gezahlte Auslösung zu tragen. Eine solche Vereinbarung liegt hier jedoch nicht vor.
1. Der Kläger macht geltend, die Absprache zwischen den Parteien, die Auslösung werde „steuerfrei” gezahlt, sei als Nettolohnvereinbarung zu werten. Denn die Parteien hätten unterschieden zwischen dem Stundenlohn, der als Bruttobetrag bezeichnet worden sei, und der Auslösung, die. ihm „steuerfrei” und damit ohne Abzüge wie ein Nettolohn verbleiben sollte.
Dieser Auslegung der Vereinbarung ist das Landesarbeitsgericht jedoch zu Recht nicht gefolgt. Abgesehen von dem schon unterschiedlichen Wortlaut bedeuten – auch wenn man die vom Kläger für beide Parteien in Anspruch genommene Begriffsvorstellung von Laien berücksichtigt – „Nettolohn” und steuerfreier Lohn in der Sache verschiedenes. Parteien, die einen Nettolohn vereinbaren gehen davon aus, daß die zugesagten Leistungen an sich um die Steuern und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zu kürzen sind; sie verabreden jedoch, daß diese Lasten der Arbeitgeber übernimmt und der Arbeitnehmer deshalb den Lohn ungekürzt erhält. Von steuerfreien Beträgen spricht man dagegen, wenn die Arbeitsvertragsparteien davon ausgehen, daß für bestimmte Zuwendungen keine Steuern zu zahlen sind und demgemäß auch die Frage, wer sie tragen soll, weder auftaucht noch einer Vereinbarung bedarf.
Für seine Ansicht, die Vereinbarung steuerfreier Bezüge sei einer Nettolohnvereinbarung gleichzusetzen, kann der Kläger sich auch nicht auf die Ausführungen von Putzo in der Anmerkung zu AP Nr. 1 zu § 611 BGB Nettolohn berufen. Wenn dort gesagt ist, eine Nettolohnvereinbarung bezwecke, dem Arbeitnehmer den Betrag zu gewährleisten, der ihm zur freien Verfügung steht und mit dem er von vornherein rechnen kann, so wird damit nur beschrieben was bei der Auslegung einer Nettolohnvereinbarung berücksichtigt werden soll. Daraus läßt sich jedoch nichts herleiten für die hier zu entscheidende Frage, ob dem Kläger ein Nettolohn zugebilligt war.
2. Wenn die Arbeitsvertragsparteien verabreden, daß der Arbeitgeber eine bestimmte Leistung als steuerfrei erbringt, so bedeutet dies in der Regel nur folgendes: Die Parteien gehen davon aus, daß nach steuerlichen Vorschriften die Leistung nicht der Steuerpflicht unterliegt und sie deshalb ohne Steuerabzug erbracht werden kann. Erweist sich diese Annahme aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen als unzutreffend, dann tritt die gesetzliche Regel in Kraft, daß der Arbeitnehmer die anfallenden Lohnsteuern zu tragen hat. Nur wenn sich aufgrund besonderer Umstände feststellen läßt, daß mit der Zusage einer „steuerfreien” Leistung im Einzelfall der Arbeitgeber die Steuerlast dann tragen will, wenn sich die Annahme über die Steuerfreiheit als unrichtig herausstellen sollte, kann etwas anderes gelten.
Nach diesen Erwägungen kann der Kläger die Steuerlast nicht auf den Beklagten abwälzen. Das Landesarbeitsgericht hat keine Umstände festgestellt, denen entnommen werden müßte, daß der Beklagte dem Kläger die Auslösung auf jeden Fall ungekürzt zukommen lassen und etwa anfallende Steuern selbst tragen wollte. Die Bezeichnung der Leistung als Auslösung weist darauf hin, daß ihre Steuerfreiheit Auge gefaßt und in Anspruch genommen werden sollte. Denn Auslösungen können nach Abschnitt -22 der Lohnsteuer-Richtlinien 1970 (Bundessteuerblatt Teil 1, 25) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen steuerfrei gewählt werden. Der Beklagte hat sich bei seinem Steuerberater erkundigt, ob er die Auslösung steuerfrei gewähren könne, und eine bejahende Antwort erhalten. Unter diesen Umständen spricht alles dafür, daß er mit der Erklärung über die Steuerfreiheit gegenüber dem Kläger nicht mehr und anderes als die angenommene steuerrechtliche Bewertung kennzeichnen wollte und der Kläger dies nach den Auslegungsmaßstäben der §§ 133, 157, 242 BGB auch so verstehen mußte.
III.
Der Kläger kann sich demgemäß nicht auf eine Vereinbarung berufen, aufgrund deren der Beklagte verpflichtet wäre; die für die Auslösungen verlangten Lohnsteuern zu tragen. Es scheidet aber auch eine andere Anspruchsgrundlage für las Begehren des Klägers aus.
Das Landesarbeitsgericht hat geprüft, ob der Kläger sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen kann, weil der Beklagte für andere Arbeitnehmer die Steuerlast nachträglich übernommen hat. Es hat hierzu aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen ausgeführt, es habe sich entweder um kleinere Beträge für Arbeitnehmer gehandelt, die bereits ausgeschieden waren, oder die Übernahme der Steuern durch den Beklagten sei deshalb geschehen, weil die Arbeitnehmer unter Fortführung des Arbeitsverhältnisses sich mit einer Kürzung der künftigen Auslösungen einverstanden erklärten. Beim Kläger liegt keine der genannten Voraussetzungen vor, so daß er nicht verlangen kann, ebenso behandelt zu werden wie seine Kollegen.
2. Auch im Wege des Schadenersatzes kann der Kläger nicht die Übernahme der Steuern verlangen. Dies käme nur dann in Betracht, wenn der Beklagte durch Nachlässigkeit (Nichtsammlung von Belegen oder dergleichen) oder in anderer Weise schuldhaft dazu beigetragen hätte, daß die Auslösung, wenn sie steuerfrei gewährt werden konnte, wegen derartiger Versäumnisse vom Kläger zu versteuern ist. Bei einer solchen schuldhaften Pflichtverletzung des Arbeitgebers kann die Folge sein, daß er die vom Arbeitnehmer zu tragenden Steuern ganz oder teilweise erstatten muß (BAG 9, 105 [110 f.] = AP Nr. 8 zu § 670 BGB [zu II 2b der Gründe]; BAG 11, 73 [76 f.] = AP Nr. 9 zu § 670 BGB [zu II 2a der Gründe]).
Das Landesarbeitsgericht hat einen Schadenersatzanspruch nur unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob dem Kläger deshalb ein Schaden entstanden sein könnte, weil, er wegen der durch die Nachforderung hohen Steuerschuld unter Umständen einen mit Zinsbelastungen verbundenen Kredit aufnehmen muß. Es hat für einen solchen, vom Kläger übrigens gar nicht erhobenen Schadenersatzanspruch in dem Vorbringen des Klägers keine Grundlage gefunden. Auf die Frage, ob das auf Abwälzung der Steuerschuld gerichtete Begehren des Klägers als Schadenersatz auch aufgrund einer Pflichtverletzung des Beklagten begründet sein könnte ist das Landesarbeitsgericht nicht eingegangen. Gleichwohl kommt eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht nicht in Betracht, weil der Kläger es an jeglichem Vortrag darüber hat fehlen lassen, daß die – im übrigen noch nicht verbindliche – Lohnsteuer-Nachforderung durch ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten veranlaßt sein könnte.
IV.
Der Kläger verfolgt mit seiner Revision auch noch den Anspruch auf Zahlung von 117,60 DM weiter, die er nach seiner Behauptung aufgewendet hat, um die gegen ihn ergangenen Steuerbescheide anzufechten. Die Revisionsbegründung gibt jedoch nicht an, aufgrund welcher Erwägungen sie das angefochtene Urteil insoweit für fehlerhaft hält. Betrifft eine Revision mehrere Ansprüche, dann muß die Revisionsbegründung zu jedem Anspruch ausführen, warum das Urteil angegriffen wird (BAG 2, 58 [59] = AP Nr. 2 zu § 554 ZPO [zu I der Gründe]). Es läßt sich zu Gunsten des Klägers nur anführen, daß dem Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen davon abhängig ist, ob dem Kläger ein Anspruch auf Übernahme der Steuern durch den Beklagten zusteht, so daß die Revisionsbegründung zu dem letztgenannten Punkt sich zugleich mit dem Anspruch auf Zahlung von 117,60 DM befaßt.
Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Revision wegen der Zahlung von 117,60 DM mangels ausreichender Begründung als unzulässig zu behandeln ist. Jedenfalls ist das Rechtsmittel des Klägers insoweit unbegründet. Denn da er nach dem vorstehend Ausgeführten die Steuern für die Auslösungen zu tragen hat, hat er seine eigenen Angelegenheiten wahrgenommen, als er sich gegen die ergangenen Steuerbescheide wandte, und er kann deshalb von dem Beklagten aus keinerlei rechtlichen Gründen Aufwendungsersatz verlangen.
V.
Nach alledem ist die Revision des Klägers unbegründet und mußte deshalb zurückgewiesen werden.
Fundstellen