Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 28.04.1993; Aktenzeichen 6 (4) Sa 172/92) |
ArbG Bautzen (Urteil vom 30.07.1992; Aktenzeichen 8 Ca 9/92) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 28. April 1993 – 6 (4) Sa 172/92 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der im Jahre 1943 geborene Kläger stand seit dem 1. August 1967 im Schuldienst der ehemaligen DDR. Er unterrichtete an der H.-Oberschule H. in den Fächern Physik und Mathematik. Von 1958 bis 1960 war der Kläger FDJ-Leitungsmitglied der Klassen 9 und 10 der H.-Mittelschule E. und von 1960 bis 1963 der Lehrlingsklasse im Reparaturwerk „C.” Nachdem er von 1972 bis 1975 der Parteileitung an seiner Schule als Mitglied angehört hatte, übte er dort von 1975 bis 1989 die Funktion eines ehrenamtlichen Parteisekretärs aus. In den Jahren 1975 und 1984 besuchte er die Kreisparteischule Hoyerswerda, im Jahre 1989 die Bezirksparteischule in Cottbus. Im Januar 1990 trat er aus der SED aus.
Nachdem der Beklagte den Kläger persönlich angehört hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. März 1992, dem Kläger zugegangen am 26. März 1992, zum 30. Juni 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung.
Mit seiner am 7. April 1992 beim Kreisgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Aus seinen früheren Tätigkeiten und Funktionen könne nicht auf mangelnde Eignung geschlossen werden. Er habe das Amt des Parteisekretärs übernommen, weil kein anderer es gewollt habe. Er habe sich als Parteisekretär wenig engagiert und passiv verhalten. Als ehrenamtlicher Parteisekretär sei er Vorsitzender der Betriebsparteiorganisation der SED innerhalb des Betriebs „Schule” gewesen. Die Betriebsparteiorganisationen hätten als kleinste Einheiten im Rahmen der Gesamtparteiorganisation selbst keinen Einfluß und keine Entscheidungskompetenz gehabt. Jeder Parteisekretär habe auch unter Berücksichtigung der politischen Vorgaben der SED erheblichen Handlungsspielraum für die Ausübung seiner Funktion besessen. Ihm, dem Kläger, sei nicht bekannt, daß er als Parteisekretär den Direktor der Schule kontrolliert oder auf Einhaltung der Parteilinie überwacht habe. Auch habe er als Parteisekretär nicht die politische Bildung der Schüler und Lehrer verantwortlich durchgesetzt. Die Kündigung verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei nicht fristgerecht erfolgt.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe,
- für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, der Kläger habe sich aufgrund der in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen und der Parteischulbesuche in hohem Maße mit den Bildungszielen der SED identifiziert. Deshalb könne er nun den Schülern die Werte des Grundgesetzes nicht glaubwürdig vermitteln und sei für den Lehrerberuf ungeeignet. Der Parteisekretär habe als Vorsitzender der Grundorganisation ein Bindeglied zwischen der SED und der jeweiligen Schule gebildet. Die Zielvorstellungen der SED sollten durch den Parteisekretär im schulischen Bereich umgesetzt werden. Der Parteisekretär habe die parteipolitischen Ideen und Vorstellungen in den Schulalltag hineintragen müssen. Er sei in der Regel Mitglied der Schulleitung gewesen und habe bei jeder politischen Entscheidung des Direktors ein Mitspracherecht besessen. Er habe den Direktor auf die Einhaltung der Parteilinie an der Schule kontrolliert und Verantwortung für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer getragen. In diesem Sinne habe er die Parteiversammlungen geleitet, in denen ständig das politische Klima an der Schule besprochen worden sei. Er sei an der Bescheidung der Anträge für Besuchsreisen in die Bundesrepublik beteiligt gewesen und habe ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen besessen. Die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs und für die Teilnahme an der Jugendweihe habe ihm oblegen. Der Parteisekretär habe ferner monatlich schriftliche Berichte über das politische Klima an der Einrichtung und über Besonderheiten an die Kreisleitung der SED abliefern müssen. Er habe an regelmäßigen Schulungen durch hauptamtliche Funktionäre der SED-Kreisleitung beim pädagogischen Kreiskabinett teilnehmen müssen. Der Kläger habe die Durchsetzung der SED-Ideologie an seiner Schule freiwillig übernommen. Er habe die Parteiarbeit nicht aus politischer Unerfahrenheit, Existenzangst oder aufgrund politischen Druckes ausgeführt. Es sei nicht zu erkennen, daß der Kläger eine „innere Wende” vollzogen habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger fehle für eine Tätigkeit als Lehrer die persönliche Eignung. Er habe mehr als 14 Jahre lang mit dem Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs an der Schule eine Funktion mit besonderer Identifikation mit den Zielsetzungen des SED-Staates wahrgenommen. Auch wenn sich die Tätigkeit auf die unterste Ebene der Parteiorganisation beschränkt habe, habe er doch den Vorstellungen und Zielen der SED und damit auch der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik gedient. Immerhin habe es zu den Aufgaben eines Parteisekretärs gehört, der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule zu berichten und Parteiversammlungen seiner Schulparteiorganisation zu leiten, in denen das politische Klima an der Schule besprochen worden sei. Auf diese Weise habe er als Bindeglied zwischen SED und Schule die Zielvorstellungen der Partei auch in der Schulorganisation durchsetzen müssen. Der Kläger habe als Parteisekretär den SED-Staat nach außen mit allen Funktionen und Merkmalen dieses Amtes repräsentiert. Deshalb komme es nicht darauf an, ob er die ihm zugeschriebenen Aufgaben extensiv oder eher zurückhaltend wahrgenommen habe. Daß er die Funktion zur Zufriedenheit der übergeordneten Parteileitungen ausgefüllt habe, ergebe sich schon daraus, daß er sie über einen so langen Zeitraum unangefochten behalten habe. Zusätzlich habe der 1989 begonnene Besuch der Bezirksparteischule der gründlichen marxistisch-leninistischen Bildung des Klägers sowie der Festigung seines Klassenstandpunktes und seiner sozialistischen Denk- und Verhaltensweise gedient, um ihn in die Lage zu versetzen, gesellschaftliche Prozesse zu leiten. Der Kläger habe bis zur Wende Linientreue und Gefolgschaft bewiesen.
Der Kläger habe keine geeigneten Umstände vorgetragen, um die besondere Identifikation mit dem SED-Staat und die daraus zu folgernde Ungeeignetheit für den Lehrerberuf zu entkräften. Daran ändere nichts, daß er nach der Wende bis zur Kündigung in politischer Hinsicht und fachlich unbeanstandet weiter unterrichtet und eine ordentliche fachliche Beurteilung erhalten habe. Eine zweifelsfreie Manifestation seines Bekenntnisses zum Grundgesetz sei nicht ersichtlich.
Auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes könne sich der Kläger schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil sein Sachvortrag insoweit jegliche Substantiierung vermissen lasse. Im übrigen sei der Gleichbehandlungsgrundsatz bei Kündigungen nicht anwendbar. Die maßgebliche Kündigungsfrist gem. § 55 Abs. 2 AGB-DDR sei gewahrt worden.
B. Diese Ausführungen sind zwar nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts aufgrund der getroffenen Feststellungen erweist sich aber als im Ergebnis zutreffend.
I. Der Feststellungsantrag des Klägers umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 20. März 1992 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrags ergibt daher, daß der Kläger nur eine Kündigungsschutzklage, keine weitergehende Feststellungsklage gem. § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 zum 30. Juni 1992 aufgelöst worden.
1. Der Kläger hat schon in der Berufungsinstanz die zunächst erhobene Rüge der fehlerhaften Personalratsbeteiligung nicht aufrecht erhalten. Er hat das Urteil des Arbeitsgerichts, das aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme eine ordnungsgemäße Beteiligung der Personalvertretung angenommen hat, als insgesamt zutreffend bezeichnet. Auch seine Revision geht auf diese Frage nicht mehr ein.
2. Die Kündigung ist nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt.
a) Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Länder die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Der Kläger unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.
b) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und – 8 AZR 127/92 – AP Nr. 18, a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N.) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volks Souveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitgewirkt hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweis last findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22, a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 b der Gründe).
c) Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Danach begründet die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation für sich allein keine mangelnde Eignung. Die Kündigung erfordert – auf der Grundlage des Parteivortrags – eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt. Abs. 4 Ziff. 1 EV eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tragbarkeit eines Arbeitnehmers für den öffentlichen Dienst allein nach seiner Stellung in der Hierarchie der DDR und seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal zu beurteilen. Die innere Einstellung eines Menschen kann sich ändern, und die Erfahrungen und Einsichten, die gerade Bürger der DDR nach 1989 gemacht haben, können eine solche Änderung herbeigeführt haben (BVerfG Beschluß des 1. Senats vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 – AP Nr. 44 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu C I 3 b aa der Gründe). Der besondere Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist in dieser – der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechenden – Auslegung verfassungsgemäß (BVerfG, a.a.O., zu C I der Gründe).
d) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – AP Nr. 36, a.a.O., zu B II 5 der Gründe).
e) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die langjährige Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlicher Parteisekretär für seine Ungeeignetheit spricht, weiterhin als Lehrer tätig zu sein. Immerhin übte der Kläger das Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs von 1975 durchgehend bis zur Wende aus. Die Parteisekretäre hatten als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken. Wer wiederholt in ein solch wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für eine Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. nur Senatsurteile vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – n.v., zu B III 2 c aa der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128/93 – n.v., zu B III 3 a der Gründe; vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 3 a der Gründe; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v., zu B II 2 c aa der Gründe).
Der Beklagte hat darüber hinaus keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine Ungeeignetheit des Klägers ergeben könnten. Dessen Besuche der Kreisparteischule in den Jahren 1975 und 1984 waren aus der SED-Mitgliedschaft erwachsene allgemein übliche, zudem kurzfristige Betätigungen für die Partei, aus denen ein besonderes Engagement für den SED-Staat nicht hergeleitet werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – n.v., zu B 2 c der Gründe). Entsprechendes gilt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für den Besuch der Bezirksparteischule im Jahre 1989 (vgl. nur BAG Urteil vom 26. Juli 1995 – 2 AZR 657/94 – n.v., zu II 3 c der Gründe). Deshalb konnte die Ablehnung der Schulung vom Kläger nicht verlangt werden. Ebenso indiziert die Mitgliedschaft in der Schulparteileitung keine mangelnde Eignung (Senatsurteile vom 20. Juni 1995 – 8 AZR 508/93 – n.v., zu B III 5 a der Gründe; vom 24. August 1995 – 8 AZR 611/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe; Urteil des Zweiten Senats vom 26. Juli 1995, a.a.O., zu II 3 b der Gründe). Für die persönliche Eignung vollends unbeachtlich ist die Tätigkeit des Klägers als FDJ-Leitungsmitglied in seiner Schüler- und Berufsschülerzeit. Es verbleibt demnach bei der Indizwirkung aufgrund der langjährigen Tätigkeit als Parteisekretär.
f) Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, der Kläger habe die sich aus der ausgeübten Funktion ergebende Indizwirkung nicht entkräftet. Seine Einzelfallprüfung ist zwar teilweise rechtsfehlerhaft und fällt verhältnismäßig kurz aus. Die Annahme, der Kläger habe keine geeigneten Umstände dargelegt, um das Indiz der Ungeeignetheit für den Lehrerberuf noch im Kündigungszeitpunkt auszuräumen, kann aber letztlich nicht beanstandet werden.
aa) Der Kläger hat vorgetragen, die Parteisekretäre hätten erheblichen Handlungsspielraum besessen. Nachdem der Beklagte die Aufgaben des Parteisekretärs ausführlich dargelegt hat, wäre es Sache des Klägers gewesen, die Aufgabenwahrnehmung im einzelnen zu bestreiten. Das hat der Kläger nicht getan. Ein Bestreiten der eigenen Amtsausübung mit Nichtwissen war nicht zulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO). Der Kläger hat lediglich vorgetragen, er habe nicht die politische Bildung der Schüler und Lehrer verantwortlich durchgesetzt. Damit hat er den Vortrag des Beklagten, er habe für die politische Bildung Verantwortung getragen, nicht bestritten. Auch im übrigen ist von der Beschreibung des Amtes durch den Beklagten auszugehen.
bb) Dem Landesarbeitsgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es die Art der Aufgabenwahrnehmung als unerheblich ansieht. Eine zurückhaltende Ausübung des Amtes des Parteisekretärs kann das Indiz mangelnder Eignung sehr wohl beseitigen. Jedoch wäre es Sache des Klägers gewesen, konkreten Vortrag hierzu zu leisten. Daran fehlt es. Seine Ausführungen, er habe sich wenig engagiert und passiv verhalten, genügen nicht. Sie sind unsubstantiiert. Aus den vom Kläger vorgelegten Schreiben ergibt sich nichts. Hätte der Kläger bestimmte Aufgaben nicht oder zurückhaltend wahrgenommen, so hätte er das auch konkret vortragen können. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht hätte die konkrete Amtsausübung des Klägers aufklären müssen, kann deswegen keinen Erfolg haben.
cc) Zur Entkräftung ungeeignet ist der Vortrag des Klägers, er habe das Amt des Parteisekretärs übernommen, weil kein anderer es gewollt habe. Ein irgendwie gearteter Druck ergab sich für den Kläger daraus nicht. Anscheinend konnte die Übernahme des Amtes sogar problemlos abgelehnt werden. Von Abgabebemühungen des Klägers ist in den Tatsacheninstanzen nicht die Rede.
dd) Der Kläger hat zu seinem sonstigen Verhalten vor 1990 in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen. Sein Austritt aus der SED im Januar 1990 ist zwar vom Landesarbeitsgericht nicht gewürdigt worden. Er erfolgte freilich zu einer Zeit, als hierfür kein persönlicher Mut mehr erforderlich war. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht die unbeanstandete Unterrichtstätigkeit nach der Wende bis zum Ausspruch der Kündigung bewertet. Hieraus ergibt sich noch kein aktives Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Der Kläger hat damit nur aufgezeigt, daß er sich vorübergehend an die neuen Verhältnisse anpassen konnte (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v., zu B II 2 d der Gründe; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 181/93 – n.v., zu II 6 c der Gründe). Das Zeugnis vom 30. Januar 1992 betrifft nur die fachliche, nicht die persönliche Eignung des Klägers. Die schon mit der Klagschrift vorgelegten Schreiben von Schülern, Eltern, Personalrat und Lehrerrat enthalten über die fachliche Eignung hinaus nur Meinungen, aber keine entlastenden Tatsachen.
3. Der Beklagte hat durch die Kündigung vom 20. März 1992 weder den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Der Vortrag des Klägers läßt schon nicht erkennen, daß der Beklagte äußerlich gleich gelagerte Fälle ungleich behandelt habe. Es kommt daher nicht darauf an, daß Kündigungen angesichts der erforderlichen Einzelfallprüfung selbst bei zeitgleicher Ausübung derselben Parteifunktionen unterschiedlich beurteilt werden können (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v., zu B II 2 d der Gründe; BAG Urteil vom 8. Dezember 1994 – 2 AZR 470/93 – n.v., zu B II 5 g der Gründe).
4. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Kündigungsfrist entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach fand weder die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte noch die des § 53 Abs. 2 BAT-O Anwendung (vgl. nur Senatsurteil vom 28. April 1994, a.a.O., zu B III der Gründe). Der Beklagte hat die maßgebende dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gem. § 55 Abs. 2 AGB-DDR eingehalten. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
III. Der Weiterbeschäftigungsantrag war nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Er fällt nicht zur Entscheidung an, weil das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zum 30. Juni 1992 aufgelöst worden ist.
C. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Krause, Rosendahl
Fundstellen