Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverbot ohne Karenzschädigung
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
"Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Nichtigkeit entschädigungslos vereinbarter Wettbewerbsverbote (BAG 3. Mai 1994 - 9 AZR 606/92 - AP HGB § 74 Nr 65 = EzA HGB § 74 Nr 56; 13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr 24)."
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 1998
- 20 Sa 59/97 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung.
Der 1942 geborene Kläger war seit 1965 bei der Beklagten als technischer Angestellter beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 21. September 1965 hatte er sich ua. verpflichtet, ein Jahr nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten ohne deren schriftliche Genehmigung keine Beschäftigung in einem Unternehmen mit einem gleichen Produktionsprogramm anzunehmen. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung enthielt der Vertrag nicht.
Das Arbeitsverhältnis endete nach betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 1995 mit dem 31. Juli 1996. Die Kündigung war Gegenstand eines Rechtsstreits, der mit Abwicklungsvertrag vom 4. April 1996 beendet wurde. Dort heißt es ua., Ansprüche des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung seien erledigt.
Mit Schreiben vom 5. August 1996 forderte der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf, an ihn 50 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen als Karenzentschädigung zu zahlen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51.219,96 DM brutto nebst 4 %
Zinsen auf den sich aus jeweils 4.268,33 DM brutto ergebenden
Nettobetrag seit dem 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 1996, 1.
Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli,
1. August und 1. September 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Kläger von der Beklagten keine Karenzentschädigung dafür beanspruchen kann, daß er im Anschluß an das Arbeitsverhältnis Wettbewerb unterlassen hat.
I. Ein Anspruch läßt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag herleiten. Eine Wettbewerbsabrede, die für die Karenz des Arbeitnehmers keine Entschädigung des Arbeitgebers vorsieht, ist nichtig (Senatsurteil 3. Mai 1994 - 9 AZR 606/92 - AP HGB § 74 Nr. 65 mwN = EzA HGB § 74 Nr. 56). Weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber können aus einer solchen Abrede Rechte herleiten. Der Arbeitnehmer erwirbt auch dann keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn er sich des Wettbewerbs enthält. Das gilt auch für das mit einem technischen Angestellten wie dem Kläger vereinbarte Wettbewerbsverbot. Die für Handlungsgehilfen geltenden Vorschriften (§ 74 ff. HGB) sind entsprechend anzuwenden, auch wenn der Kläger nicht Handlungsgehilfe, sondern ein technischer Angestellter ist (so BAG 13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 24).
II. An dieser Rechtsprechung zur Nichtigkeit einer Wettbewerbsabrede ohne vertraglichen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers ist entgegen der Auffassung der Revision festzuhalten.
a) Nach §§ 74 ff. HGB wird nach Wortlaut und systematischen Zusammenhang kein gesetzlicher Zahlungsanspruch des mit einem Wettbewerbsverbot belegten Arbeitnehmers begründet. Nach dem in § 74 Abs. 2 HGB festgelegten Grundsatz der bezahlten Karenz führt eine Wettbewerbsabrede mit einer Entschädigung, die nicht mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung erreicht, nur zu deren Unverbindlichkeit. Der Arbeitgeber kann nicht beanspruchen, daß der Arbeitnehmer Wettbewerb unterläßt, § 75 d HGB. Rechte aus einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot kann nur der Arbeitnehmer herleiten. Er hat die Wahl, ob er sich vom Wettbewerbsverbot löst oder ob er an ihm und damit auch dem dort vereinbarten Entgelt festhält (vgl. RAG 23. Juni 1934 - RAGE 14, 144; BAG 2. August 1971 - 3 AZR 12/71 - AP HBG § 74 Nr. 27). Entscheidet er sich für die Wettbewerbsenthaltung, beschränkt sich nach der Systematik der §§ 74 ff. HGB sein Zahlungsanspruch auf die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Gegenleistung (BAG 5. August 1966 - 3 AZR 154/66 - AP HGB § 74 Nr. 19 = EzA HGB § 74 Nr. 1; 13. September 1969 - 3 AZR 138/68 - BAGE 22, 125; 19. Januar 1978 - 3 AZR 573/77 - BAGE 30, 23 zum bedingten Wettbewerbsverbot). Haben die Arbeitsvertragsparteien überhaupt keine Karenzentschädigung vereinbart, hat die in § 74 Abs. 2 HGB bestimmte Rechtsfolge eines Wahlrechts des Arbeitnehmers wirtschaftlich keinen Sinn. Der Arbeitnehmer hätte auch dann keinen vertraglichen Entschädigungsanspruch, wenn er das Wettbewerbsverbot beachtet. Die Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede steht in diesem Fall deshalb der Nichtigkeit gleich.
b) Dieses Ergebnis wird als "unbefriedigend" beurteilt und ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Mindestentschädigung iSv. § 74 Abs. 2 HGB jedenfalls dann befürwortet, wenn dem Arbeitnehmer die Rechtslage nicht bewußt gewesen sei. Für ihn bestehe die Gefahr, daß er das Wettbewerbsverbot für verbindlich halte, und sich bei seiner neuen beruflichen Orientierung auch dann danach richte, obwohl er keinen oder nur den vertraglich vereinbarten Entschädigungsanspruch habe (Herbert Buchner, Wettbewerbsverbote während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses 2. Aufl. C 285 ff., ua.). Der Streitfall bietet keinen Anlaß zur abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage. Denn dem Kläger war, wie sich aus seinem Schreiben an den Arbeitgeber ergibt, die Nichtigkeit des entschädigungslos vereinbarten Wettbewerbsverbots bekannt. In der vom Kläger angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Januar 1990 (- 3 AZR 110/88 - BAGE 64, 1) ist in einem obiter dictum ohne nähere Begründung offen gelassen worden, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, eine zu geringe Entschädigung sei nicht an die Mindestsumme des § 74 Abs. 2 HGB anzupassen.
c) Ein Rechtsgrund zu einer Aufstockung der Karenzentschädigung im Fall der entschädigungslos oder unzureichend vereinbarten Karenz auf das in § 74 Abs. 2 HGB bestimmte Mindestmaß rechtfertigt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 90 a HGB. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht deshalb verletzt, weil Handelsvertreter nach § 90 a HBG einen zwingenden Anspruch auf "angemessene" Entschädigung haben, wenn sie einem Wettbewerbsverbot unterliegen. Die Rechtsstellung eines Arbeitnehmers ist mit der eines Handelsvertreters nicht vergleichbar (vgl. BAG 27. Juni 1973 - 3 AZR 443/72 - AP HGB § 74 Nr. 32).
III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.
Leinemann
Düwell ReineckeKlosterkemper
R. Trümner
Fundstellen