Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung nach TV Abfindung bei Aufhebungsvertrag
Normenkette
Tarifvertrag über die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer bei der Postbank – Abfindungstarifvertrag (TV Abfind) vom 18. Dezember 1997 – § 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 7. Juli 1999 – 7 Sa 201/99 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Abfindung.
Die am 1. Oktober 1954 geborene Klägerin war seit dem 1. Januar 1988 beim Post-Spar- und Darlehensverein D. (PSD) als Angestellte beschäftigt. Am 1. Januar 1993 wechselte sie zur Zentrale der Deutschen Postbank AG B. Zum 1. Januar 1998 trat für die Arbeitnehmer der Beklagten der Tarifvertrag über die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer bei der Postbank – Abfindungstarifvertrag (TV Abfind) vom 18. Dezember 1997 – in Kraft. Dieser bestimmt in § 3:
„§ 3
Voraussetzungen der Abfindung
Voraussetzung für die Zahlung der Abfindung ist die aus betriebsbedingten Gründen arbeitgeberseitig veranlaßte einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch schriftlichen Aufhebungsvertrag.”
In einer „Postbankanweisung” vom 20. September 1995 zur Bekanntgabe des Tarifvertrages vom 9. August 1995 über die Zahlung von Abfindungen an Arbeitnehmer bei der Postbank – Abfindungstarifvertrag (TV Abfind) – ist in Ziff. 3.2 geregelt:
„3.2 Zahlungsvoraussetzungen (§ 2)
Die Postbank muß an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein betriebliches Interesse haben. Dieses betriebliche Interesse ist grundsätzlich zu unterstellen, d.h., Anträgen auf Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ist stattzugeben. Ein Rechtsanspruch auf die Abfindung besteht nicht.
Ein betriebliches Interesse besteht ausnahmsweise nicht, wenn der freiwerdende Arbeitsplatz durch eine Neueinstellung vom Arbeitsmarkt wieder besetzt werden soll.
Beendigungskündigungen sind nicht zulässig.”
Die Parteien schlossen am 2. Juni 1998 einen Aufhebungsvertrag. In diesem heißt es:
„§ 1
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 15.07.98 in gegenseitigem Einvernehmen endet.
§ 2
Einmalzahlung
(1) Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlt die Postbank Frau S. eine Einmalzahlung in Höhe von insgesamt36.000,– DM/brutto.
(2) Für die Abzüge der Sozialversicherung sowie der Steuern und des Solidaritätzuschlags gelten die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. Sofern eine Veranlagung zur Einkommenssteuer erfolgt, besteht kein Anspruch auf evtl. Erstattung.
(3) Die Einmalzahlung wird mit den Restbezügen nach dem Ausscheiden fällig. Die Zahlung erfolgt unbar.
§ 3
Ausgleich von Ansprüchen
(1) Die Parteien sind sich darüber einig, daß mit Abschluß dieses Aufhebungsvertrages sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen.
(2) Von dieser Ausgleichsklausel unberührt bleibt der Anspruch der Postbank auf Rückzahlung ggf. zuviel gezahlter Vergütung, soweit dies beim Ausscheiden dem Grunde nach bekannt ist.”
Die von der Klägerin innegehabte Stelle wurde von der Beklagten mit einer anderen Mitarbeiterin wieder besetzt.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend, nach dem TV Abfind habe sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von 76.000,00 DM. Die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sei arbeitgeberseitig veranlaßt worden, als ihr erklärt worden sei, im Rahmen einer Umstrukturierung werde ihr Arbeitsplatz als Aufgabengebietsleiterin entfallen und sie komme nicht für die geplante Abteilungsleiterstelle in Frage. Sie habe zwar an eine berufliche Veränderung gedacht, wenn aber kein Interesse der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestanden hätte, hätte diese auch keine Abfindung gezahlt, sondern die Klägerin auf eine Eigenkündigung verwiesen. Gemäß der bestehenden Absicht der Beklagten, Personal in jeder Abteilung um 20 vH zu reduzieren, sei daher ihr Anspruch auf Zahlung einer weitergehenden Abfindung in Höhe von 40.000,00 DM gerechtfertigt. Soweit der Aufhebungsvertrag in § 3 eine Ausgleichsklausel enthalte, sei diese wegen des darin enthaltenen Verzichts auf tarifliche Ansprüche unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 40.000,00 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 16. Juli 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine weitergehende Abfindung. Die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei durch die Klägerin veranlaßt worden. Es habe kein von der Beklagten betriebsbedingt veranlaßtes Ausscheiden der Klägerin vorgelegen. Die Klägerin habe sich selbständig machen wollen. Daher enthalte der Aufhebungsvertrag auch keinen Hinweis auf die Betriebsbedingtheit und auf eine arbeitgeberseitige Veranlassung. Der Klägerin sei auch mitgeteilt worden, daß ihre Stelle wieder besetzt werden müsse; dies sei auch erfolgt. Der Klägerin sei auch erläutert worden, daß sie keine Abfindung nach dem TV Abfind erhalte. Dennoch habe die Klägerin nach einem Tag Bedenkzeit sich entschlossen, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abfindung nach § 3 TV Abfind.
Nach dieser Bestimmung haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindung, die aus betriebsbedingten Gründen auf Grund einer arbeitgeberseitig veranlaßten einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch schriftlichen Aufhebungsvertrag aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheiden. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch schriftlichen Aufhebungsvertrag liegt zwar vor. Sie ist jedoch nicht arbeitgeberseitig iSd. § 3 TV Abfind veranlaßt worden. Das Landesarbeitsgericht hat diese Tarifbestimmung richtig ausgelegt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht hat die Tarifauslegung, entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung, zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BAG 9. März 1983 – 4 AZR 61/80 – BAGE 42, 86; 9. Juli 1980 – 4 AZR 560/78 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Seeschiffahrt Nr. 2; 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 313). Beim Wortlaut ist auszugehen vom allgemeinen Sprachgebrauch, wie er sich aus Wörterbüchern und Lexika ergibt. Der allgemeine Sprachgebrauch wird dann verdrängt, wenn die Tarifvertragsparteien eine eigenständige Definition der benutzten Tarifbegriffe geben oder wenn sie einen allgemeinen Rechtsbegriff verwenden. In diesen Fällen ist anzunehmen, daß die Tarifvertragsparteien den Rechtsbegriff in seiner rechtlichen Bedeutung verwenden (BAG 13. Mai 1998 – 4 AZR 107/97 – BAGE 89, 6). Der Begriff der „arbeitgeberseitigen Veranlassung” kommt als gesetzliches Tatbestandsmerkmal in § 112 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG vor. Das vom Arbeitgeber aus Gründen der Betriebsänderung veranlaßte Ausscheiden von Arbeitnehmern auf Grund von Aufhebungsverträgen wird der Entlassung gleichgestellt. Den gleichen Sinn und Zweck verfolgt die Bestimmung in § 3 TV Abfind. Es bestehen deshalb keine Bedenken, bei der Auslegung des Rechtsbegriffs der „arbeitgeberseitigen Veranlassung” in § 3 TV Abfind die zu § 112 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung des in dieser Bestimmung enthaltenen Rechtsbegriffs heranzuziehen. Danach gilt in § 3 TV Abfind wie in § 112 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG die normative Wertung nicht für jeden vom Arbeitgeber veranlaßten Aufhebungsvertrag oder für jede veranlaßte Eigenkündigung des Arbeitnehmers (BAG 20. April 1994 – 10 AZR 323/93 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 77 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 75, zu II 2 b der Gründe). Diese müssen vielmehr vom Arbeitgeber gerade im Hinblick auf eine geplante Betriebsänderung veranlaßt sein. Der Aufhebungsvertrag – oder die Eigenkündigung – muß an die Stelle einer im Zuge der geplanten Betriebsänderung sonst notwendig werdenden Kündigung treten. Eine Veranlassung in diesem Sinne liegt aber nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung bestimmt, selbst zu kündigen oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen, um so eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden(vgl. BAG 19. Juli 1995 – 10 AZR 885/94 – BAGE 80, 286, 292). Ob das geschehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein bloßer Hinweis des Arbeitgebers auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen oder der Rat, sich eine neue Stelle zu suchen, genügt nicht, um eine Veranlassung in diesem Sinne anzunehmen.
b) Der Aufhebungsvertrag der Klägerin ist nicht in diesem tariflichen Sinne von der Beklagten veranlaßt worden. Die Klägerin hat dafür weder Tatsachen behauptet, noch geben die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts insoweit Aufschluß. Daß im Aufhebungsvertrag vom 2. Juni 1998 jeglicher Hinweis auf vom Arbeitgeber veranlaßte betriebsbedingte Gründe fehlt, belegt vielmehr eher das Gegenteil. Gegen den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ist die Klägerin weder mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung noch mit Revisionsrügen vorgegangen. Damit ist der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt für das Revisionsgericht bindend.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Kamm, Kapitza
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.01.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
FA 2002, 32 |
NZA 2002, 288 |
NJOZ 2002, 609 |