Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung. dauerhafte Arbeitsunfähigkeit. Langandauernde Krankheit. Beweiswürdigung. Aussetzung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine auf einer Krankheit des Arbeitnehmers beruhende ordentliche Kündigung ist in drei Stufen zu prüfen: Erstens ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen zukünftigen Gesundheitszustands des Arbeitnehmers erforderlich. Zweitens müssen die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder durch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung hervorgerufen werden. Drittens ist zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers geführt haben. Steht fest, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann oder ist die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss, ist schon aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört und ist die Kündigung regelmäßig gerechtfertigt.
- Eine vom Berufungsgericht gem. § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und schließlich, ob sie rechtlich möglich ist.
- Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Gerichte für Arbeitssachen, ob sie den Kündigungsschutzrechtsstreit aussetzen oder nicht, wenn ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit über die Zustimmung des Integrationsamts noch anhängig ist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; ZPO § 286
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. September 2005 – 8 Sa 2213/03 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers, über Annahmeverzugsansprüche und von der Beklagten widerklagend geltend gemachte überzahlte Vergütungsansprüche.
Der im Jahre 1964 geborene, ledige und mit einem Grad der Behinderung von 30 einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger war bei der Beklagten, die einen Betrieb der chemischen Industrie mit ca. 565 Arbeitnehmern betreibt, bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 1. September 1982 als technischer Angestellter beschäftigt. Seit 1996 übte er die Funktion eines Main-Operators (Industriemeister Chemie) aus.
Nach dem Auftreten von innerbetrieblichen Konflikten war der Kläger im Zeitraum 5. November bis 10. Dezember 1999 in einer Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie eines Hospitals stationär behandelt worden. Seine anschließend beabsichtigte stufenweise Wiedereingliederung in seinen früheren Arbeitsbereich scheiterte, weil der Werksarzt die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für einen Einsatz mit Fahr- und Steuertätigkeiten nicht erteilt hatte. Ab Januar 2002 wurde der Kläger probeweise als Reparatur-Koordinator eingesetzt. Mit Wirkung vom 1. März 2002 attestierte der Werksarzt auch für diese Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Die Beklagte stellte den Kläger unter Anrechnung des Tarifurlaubs und der Berücksichtigung der sechswöchigen Entgeltfortzahlung ab 21. März 2002 von der Arbeit frei.
Auf Antrag der Beklagten vom 21. März 2002 stimmte das Integrationsamt mit Bescheid vom 24. September 2002 der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 5. März 2004 zurückgewiesen. Die von ihm erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht ist noch nicht entschieden (VG Gelsenkirchen – 11 K 1685/04 –).
Mit Schreiben vom 27. September 2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung zum 31. Dezember 2002. Es liege beim Kläger eine psychische Erkrankung vor, die nach den werksärztlichen Feststellungen sowohl eine Beschäftigung als Main-Operator mit Fahr- und Steuertätigkeiten als auch die zuletzt probeweise ausgeübte Tätigkeit als Reparatur-Koordinator nicht zulasse.
Der Kläger hat sich zum einem mit seiner vorliegenden Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung gewandt und seine vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt. Zur Begründung seiner Klage hat er insoweit ausgeführt: Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Er sei weder dauerhaft leistungsunfähig noch sei ungewiss, ob er vollständig genesen werde. Seit dem 1. August 2002 sei er wieder arbeitsfähig. Dies ergebe sich aus den Stellungnahmen seines behandelnden Arztes Dr. R… vom 4. Juli 2002, vom 2. September 2003 und vom 7. Januar 2004. Die früher gelegentlich auftretenden psychischen Störungen seien nach der stationären Behandlung im Jahr 1999 und durch die Einnahme der verordneten Medikamente vollständig verschwunden. Im Übrigen seien die krankheitsbedingten Ausfälle Folge einer auf einem Arbeitsunfall beruhenden Lösungsmittelintoxikation. Er sei 1997 in eine ungesicherte Grube mit Lösungsmitteln und anderen Chemikalien gefallen. 1999 habe er einen weiteren Arbeitsunfall erlitten, bei dem ihm Lösungsmittel in die Augen gespritzt seien. Deshalb leide er an einer Polyneuropathie, die zunächst auch zu einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit geführt habe. Die Beschwerden seien jetzt abgeklungen. Wenn er die verordnete Medikation einnehme, könne er ohne Weiteres in seiner früheren Position beschäftigt werden.
Zum anderen hat der Kläger für den Zeitraum September 2002 bis einschließlich Januar 2003 die Zahlung der Arbeitsvergütung in Höhe von monatlich 3.701,00 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes sowie ein nach einer Betriebsvereinbarung zu zahlendes betriebliches “Begrüßungsgeld” iHv. 2.500,00 Euro und ein 13. Monatsgehalt einschließlich eines Alterszuschlags beansprucht.
Er hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27. September 2002 beendet worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen weiterzubeschäftigen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.049,25 Euro brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.960,25 Euro netto nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage und widerklagend die Rückzahlung der geleitsteten Augustvergütung iHv. 2.135,84 Euro begehrt.
Sie hat zur Begründung ihrer Anträge vorgetragen: Die Kündigung sei wegen der mangelnden gesundheitlichen Eignung des Klägers sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis könne wegen der bestehenden chronischen psychischen Erkrankung und den mit ihr verbundenen, unvorhersehbar auftretenden akuten Ausfällen des Klägers nicht fortgesetzt werden. Eine Weiterbeschäftigung führe zu erheblichen Gefährdungen für Mitarbeiter und die betrieblichen Produktionsanlagen, in denen ständig mit hochexplosiven Stoffen gearbeitet werde. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit unkontrolliert reagiert, es sei zu einer Notabschaltung der Produktionsanlagen gekommen. Aus Sicherheitsgründen sei sein Einsatz nicht mehr zu vertreten. Diese Einschätzung hätten der Werksarzt und der vom Integrationsamt beauftragte Gutachter Dr. S… bestätigt. Andere Einsatzmöglichkeiten bestünden nicht.
Die Vergütung für August 2002 iHv. 2.135,84 Euro (netto) sei irrtümlich gezahlt worden. Die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche bestünden nicht. Der Kläger sei zum einen nach wie vor arbeitsunfähig. Zum anderen sei der Entgeltfortzahlungszeitraum ausgeschöpft gewesen. Die Voraussetzungen für die Sonderzahlung hätten nicht vorgelegen.
Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.
Das Arbeitsgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten des Arbeitsmediziners Dr. P… und des Neurologen Dr. K… die Klage abgewiesen und den Kläger verurteilt, an die Beklagte die geleistete August-Vergütung iHv. 2.135,84 Euro zurückzuzahlen. Das Landesarbeitsgericht hat nach einer weiteren Beweiserhebung (Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens der Ärzte Prof. Dr. A… und Dr. B… und einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. B… vom 30. Mai 2005 sowie der Vernehmung des behandelnden Arztes des Klägers, Herrn Dr. R… als sachverständigen Zeugen), die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf Grund der fristgemäßen Kündigung vom 27. September 2002 zum 31. Dezember 2002 aus personenbedingten Gründen rechtswirksam beendet worden ist. Schon deshalb besteht keine Weiterbeschäftigungsverpflichtung der Beklagten und kein Anspruch des Klägers auf Zahlung des “Begrüßungsgeldes” und des 13. Monatsgehalts einschließlich des Dienstalterszuschlags. Ferner hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugslohn ab September 2002. Dagegen ist der widerklagend geltend gemachte Rückzahlungsanspruch der Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet, da der Kläger weder im August noch später arbeitsfähig und damit nicht leistungsbereit iSv. § 615 Satz 1 BGB und der Entgeltfortzahlungszeitraum ausgeschöpft war.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kündigung sei aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe eine nicht ausgeheilte bzw. nicht erfolgreich therapierte psychische Erkrankung vorgelegen, die unter Berücksichtigung der bestehenden Arbeitsplatzanforderungen und der zu beachtenden Sicherheitsaspekte einen Einsatz des Klägers in der Produktion ausgeschlossen habe. Eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei auch innerhalb eines absehbaren zumutbaren Überbrückungszeitraums von nicht mehr als 24 Monaten nicht zu erwarten gewesen. Trotz der zum Teil voneinander abweichenden ärztlichen Beurteilungen des Krankheitsbefundes sei das Berufungsgericht hiervon auf Grund der Beweisaufnahme überzeugt. Der Kläger leide an einer dem schizophrenen Formenkreises zuzuordnenden Erkrankung. Auf Grund der Diagnosen von Dr. P… und Dr. K… komme ein Einsatz als Main-Operator oder Reparatur-Koordinator nicht mehr in Betracht, da dem Kläger aus Gefährdungsgründen keine Tätigkeiten mit entsprechender Verantwortung mehr übertragen werden dürften. Auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe weiter fest, dass – entgegen der Auffassung Dr. R… – die aufgetretenen Erkrankungen nicht bzw. nicht maßgeblich auf einer Intoxikation beruhten. Gegen einen solchen Zusammenhang spreche insbesondere das Fehlen von körperlichen Symptomen, wie sie für eine Nervenschädigung durch Belastung mit Giftstoffen kennzeichnend seien. Es sei vielmehr von einer “affektiven Störung” im Sinne einer schweren depressiven Erkrankung mit episodischem Verlauf und zeitweisen psychischen Symptomen auszugehen, die durch eine vorbestehende psychische Vulnerabilität bedingt sei. Sowohl die möglichen Arbeitsunfälle als auch die Stressbelastung am Arbeitsplatz seien damit nicht als Ursachen der psychiatrischen Erkrankung anzusehen. Sie hätten aber – wie auch die psychischen Belastungen im privaten Bereich – jeweils zur psychischen Destabilisierung des Klägers beigetragen.
Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, auch die Interessenabwägung führe nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung, selbst wenn man berücksichtigen würde, dass die Erkrankung des Klägers auf betrieblichen Ursachen beruhe.
Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden sei, sei der Kläger auch nicht weiterzubeschäftigen und habe keinen Anspruch auf die begehrte Vergütung aus Annahmeverzug. Hingegen sei die von der Beklagten widerklagend geltend gemachte Überzahlung zu Recht erfolgt. Insoweit werde auf die erstinstanzliche Begründung Bezug genommen.
B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in der Begründung.
I. Soweit das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung vom 27. September 2002 für wirksam gehalten hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (§ 1 KSchG). Sie ist durch einen personenbedingten Grund iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.
1. Die durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung des unbestimmten Rechtsbegriffs “personenbedingter Kündigungsgrund” ist nur beschränkt darauf überprüfbar, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des BAG, vgl. beispw. 29. April 1999 – 2 AZR 431/98 – BAGE 91, 271).
2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38; 29. April 1999 – 2 AZR 431/98 – BAGE 91, 271; zuletzt etwa 10. November 2005 – 2 AZR 44/05 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 42 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 52) ist eine auf einer Krankheit des Arbeitnehmers beruhende ordentliche Kündigung in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen zukünftigen Gesundheitszustands des Arbeitnehmers erforderlich (1. Stufe). Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Sie können durch Störungen im Betriebsablauf oder durch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung hervorgerufen werden (2. Stufe). Schließlich ist zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers geführt haben (3. Stufe).
Liegt eine krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit vor, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist die notwendige Negativprognose ohne Weiteres gegeben. Steht fest, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr erbringen kann oder ist die Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss (vgl. BAG 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38), ist schon aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis auf Dauer ganz erheblich gestört. Bei einer dauernden Unfähigkeit des Arbeitnehmers, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, liegen die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen auf der Hand. Der Arbeitgeber ist auf unabsehbare Zeit gehindert, sein Direktionsrecht ausüben zu können und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. Eine ordnungsgemäße Planung des Einsatzes des Arbeitnehmers kann nicht mehr erfolgen (vgl. BAG 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – aaO). Es bestehen deshalb keine schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers mehr an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses. Dies gilt auch im Hinblick auf die notwendige Interessenabwägung. Sie ist zwar auch bei einer Kündigung wegen dauernder oder auf nicht absehbare Zeit bestehender Arbeitsunfähigkeit erforderlich, kann aber nur bei Vorliegen einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zu dem Ergebnis führen, dass der Arbeitgeber trotz der erheblichen Störung des Arbeitsverhältnisses deren Fortsetzung billigerweise weiter hinnehmen muss (vgl. im Einzelnen Senat 21. Mai 1992 – 2 AZR 399/91 – aaO; 10. November 2005 – 2 AZR 44/05 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 42 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 52).
b) Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist ein personenbedingter Kündigungsgrund gegeben.
aa) Es liegt eine krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit des Klägers vor, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahmen in erster und zweiter Instanz für den Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindend die krankheitsbedingte dauerhafte Unfähigkeit des Klägers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Main-Operator zu erbringen, festgestellt. Jedenfalls ist mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit hiernach nicht innerhalb eines absehbaren zumutbaren Überbrückungszeitraums zu rechnen. Eine leidensgerechte andere Beschäftigungsmöglichkeit bestand nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.
bb) Die Revision hat diese Feststellung des Landesarbeitsgerichts nicht mit zulässigen Rügen erfolgreich angegriffen. Die vom Kläger mit der Revision geltend gemachten Aspekte können die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht in Zweifel ziehen. Der Kläger hat mit seiner Revision nicht ausreichend dargelegt, auf Grund welcher Tatsachen die vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte negative Prognose unzutreffend sein soll.
(1) Eine vom Berufungsgericht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme ist durch das Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und Grenzen des § 286 ZPO gewahrt und eingehalten hat. Revisionsrechtlich von Bedeutung ist nur, ob das Berufungsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt ist und schließlich, ob sie rechtlich möglich ist (BAG 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347; s. auch BGH 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91 – NJW 1993, 935, 937). Dabei verlangt die Berücksichtigung der Ergebnisse einer Beweisaufnahme nicht eine Würdigung jeder einzelnen Ausführungen eines Sachverständigen oder Zeugen. Ausreichend ist, dass das Berufungsgericht insgesamt widerspruchsfrei und umfassend zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hat. Zu verlangen ist allerdings, dass alle wesentlichen Aspekte der Ausführungen der Zeugen und Sachverständigen in der Begründung des Gerichts erwähnt und gewürdigt worden sind (vgl. BAG 7. November 2002 – 2 AZR 599/01 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50).
(2) Unter Berücksichtigung dieses Rahmens rechtfertigen die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen keine andere Beurteilung.
Das Landesarbeitsgericht hat den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt. Dies gilt auch für die Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. R…, dessen Ausführungen das Landesarbeitsgericht bei seiner Beweiswürdigung einbezogen, abgewogen und berücksichtigt hat. Die Revision rügt auch nicht erheblich, worin ein möglicher Verfahrensmangel liegen soll. Schließlich ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in sich widerspruchsfrei. Erhebliche Einwände hat der Kläger hiergegen nicht vorgebracht.
Weitere Rügen hat der Kläger nicht substantiiert geltend gemacht. Nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO muss eine Verfahrensrüge die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich der Mangel ergeben soll, auf den sich die Revision stützen will. Dazu muss die Kausalität zwischen dem Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils dargelegt werden. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
cc) Einer gesonderten Feststellung von erheblichen betrieblichen Störungen bedurfte es nicht. Nach den zuvor getroffenen Feststellungen stand fest, dass der Kläger dauerhaft außer Stande war, seine Arbeitsleistung zu erbringen.
dd) Auch die Interessenabwägung hält sich im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts. Die in Betracht kommenden Umstände sind berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegeneinander abgewogen worden. Zum einem ist bei einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers grundsätzlich davon auszugehen, dass der Arbeitgeber eine weitere erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses auf nicht absehbare Zeit billigerweise nicht mehr hinzunehmen braucht. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Zum anderen hat das Berufungsgericht bei der Interessenabwägung – wenn auch im Ergebnis nicht entscheidend – berücksichtigt, dass die dauerhafte Leistungsunfähigkeit möglicherweise auf eine Giftstoffintoxikation zurückzuführen ist. Allerdings hat es ermessensfehlerfrei angenommen, der Beklagten sei es gleichwohl auf Grund der vorliegenden Erkrankung nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortzusetzen.
2. Der Senat konnte über die Kündigungsschutzklage des Klägers abschließend entscheiden, obwohl die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung wegen des noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsgerichtsprozesses noch nicht bestandskräftig ist. Es steht nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im pflichtgemäßen Ermessen der Gerichte für Arbeitssachen, ob sie den Kündigungsschutzrechtsstreit aussetzen oder nicht, wenn ein verwaltungsgerichtlicher Rechtsstreit noch anhängig ist (26. September 1991 – 2 AZR 132/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 10; 17. Juni 2003 – 2 AZR 245/02 – BAGE 106, 293; zuletzt 2. März 2006 – 2 AZR 53/05 – AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16). Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung – einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden – sind der Nachteil einer langen Verfahrensdauer und die daraus für die Parteien entstehenden Folgen abzuwägen. Auch kommt bei Bestandsschutzstreitigkeiten dem gesetzlich geregelten Beschleunigungsgrundsatz von § 9 Abs. 1, § 64 Abs. 8 und § 61a ArbGG eine besondere Bedeutung zu. Auf Grund dessen hat das Interesse der Parteien, die Verkündung möglicherweise einander widersprechender Entscheidungen zu verhindern, grundsätzlich zurückzutreten. Dem Kläger steht ggf. der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO analog zur Seite, falls er später vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen obsiegen sollte (BAG 15. August 1984 – 7 AZR 558/92 – AP SchwbG § 12 Nr. 13 = EzA ZPO § 580 Nr. 2; 2. März 2006 – 2 AZR 53/05 – aaO).
II. Da das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31. Dezember 2002 beendet worden ist, steht dem Kläger kein Verzugslohnanspruch für Januar 2003 aus § 615 Satz 1 BGB zu. Gleiches gilt für das “Begrüßungsgeld” und das 13. Monatsgehalt einschließlich des Dienstalterszuschlags. Alle diese Leistungen haben zur Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder gekündigt noch ein Zustimmungsersetzungsverfahren beim Integrationsamt eingeleitet worden war; insoweit wird auf die vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommene Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
III. Dem Kläger steht auch kein Verzugslohn für die Monate August bis Dezember 2002 nach § 615 Abs. 1 BGB zu. Zwar bestand das Arbeitsverhältnis noch in diesem Zeitraum. Der Kläger war aber, wie schon das Arbeitsgericht zur Begründung der Klageabweisung angeführt hatte, in diesem Zeitraum nicht leistungsfähig. Die Voraussetzungen für einen Verzugslohnanspruch sind deshalb nicht gegeben. Dementsprechend stand dem Kläger auch das Arbeitsentgelt für den Monat August 2002 nicht zu. Die Beklagte konnte deshalb die erbrachte Vergütung, die ohne Rechtsgrund geleistet worden war, nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückfordern.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Bartel, F. Löllgen
Fundstellen