Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung bei beruflicher Umschulung
Leitsatz (amtlich)
- Nach § 35 Nr. 2a RTV-Maler wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung seines Urlaubs fällig, wenn er länger als drei Monate außerhalb des betrieblichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages tätig gewesen ist. Hierzu zählt die Teilnahme des Arbeitnehmers an einer Umschulung.
- Auf die rechtliche Ausgestaltung des Umschulungsverhältnisses, auf den Ort der Umschulung, ihre Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit oder durch einen Sozialversicherungsträger kommt es nicht an.
Normenkette
Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk vom 30. März 1992 § 34 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. Dezember 1995 – 5 Sa 1083/95 – unter Zurückweisung der Revision im übrigen – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. Juni 1995 – 5 Ca 1316/95 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – teilweise geändert und insgesamt neu gefaßt.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.375,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Mai 1995 von dem sich daraus ergebenden Nettobetrag zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 2/5 und der Beklagte zu 3/5.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche des Klägers auf Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war seit dem 1. März 1982 bei dem Beklagten als Maler und Lackierer beschäftigt. Sein Monatslohn betrug zuletzt 3.500,00 DM brutto.
Auf das Arbeitsverhältnis war der Rahmentarifvertrag (künftig: RTV) für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk vom 30. März 1992 (Allgemeinverbindlicherklärung vom 17. November 1992, Bundesanzeiger vom 1. Dezember 1992, Nr. 225 S. 8974) anzuwenden. In dem RTV heißt es auszugsweise:
Ҥ 35
Zahlung des Urlaubsentgelts
1. …
2. Der Arbeitnehmer hat gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung durch Auszahlung des Urlaubsentgelts und des zusätzlichen Urlaubsgeldes. Er wird fällig, wenn der Arbeitnehmer
a) länger als drei Monate außerhalb des betrieblichen Geltungsbereiches des Tarifvertrages tätig gewesen ist und darüber auf Verlangen Nachweis führt,
b) dauernd erwerbunfähig ist…
c) auswandern will…
d) in ein Angestelltenverhältnis in einem unter diesen Tarifvertrag fallenden Betrieb überwechselt…
e) eine selbständige Tätigkeit im Maler- und Lackiererhandwerk aufnimmt.
Der Anspruch wird auch fällig, wenn der Arbeitnehmer stirbt.
Bei Notstandsarbeitern, Werkstudenten oder ähnlichen in Ausbildung befindlichen Personen wird das Urlaubsentgelt und das zusätzliche Urlaubsgeld mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Das gleiche gilt für ausländische Arbeitnehmer bei Rückkehr in ihr Heimatland.
3. Ist der Arbeitnehmer aus dem Maler- und Lakkiererhandwerk ausgeschieden, so ist derjenige von diesem Tarifvertrag erfaßte Arbeitgeber zur Zahlung des Urlaubsentgelts und des zusätzlichen Urlaubsgeldes verpflichtet, bei dem der Arbeitnehmer zuletzt in einem Arbeitsverhältnis gestanden hat.
…”
Das nach § 36 RTV zu zahlende Urlaubsgeld beträgt 25 % des Urlaubsentgelts. Dieses bestimmt sich nach § 34 RTV. Es beträgt bei einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen 11,4 % des lohnsteuerpflichtigen Bruttolohnes und errechnet sich aus dem bis zur Fälligkeit des Urlaubsanspruchs verdienten Bruttolohn sowie aus den Ausgleichsbeträgen bei einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen.
Vom 30. Januar 1992 bis zum 12. September 1994 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Im Zusammenhang mit einer angeblich von ihm ausgesprochenen Kündigung zahlte der Beklagte dem Kläger für die Zeit bis 31. August 1993 Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.668,05 DM brutto = 5.659,59 DM netto. Den vom Kläger deswegen geführten Kündigungsschutzprozeß beendeten die Parteien am 28. Januar 1994 mit einem Vergleich. Hiernach bestand das Arbeitsverhältnis ungekündigt fort. Am 8. September 1994 kündigte der Kläger zum 21. September 1994 und verlangte Zahlung von Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld für den Zeitraum 1. September 1993 bis 12. September 1994. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kläger zunächst arbeitslos; zum 5. Dezember 1994 hat er eine auf die Dauer von zwei Jahren angelegte Umschulung zum Verwaltungsfachangestellten bei dem Berufsförderungswerk Oberhausen aufgenommen.
Der Kläger hat seiner am 11. März 1995 zugestellten Klage folgende Berechnung zugrunde gelegt:
Urlaubsabgeltung (Ausgleichsbetrag) |
55 Wochen × 75,00 DM |
4.125,00 DM |
11,4 % Arbeitgeberanteil |
470,25 DM |
25 % Urlaubsgeld |
1.148,81 DM |
Er hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.744,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Mai 1995 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils unter Minderung des Zinssatzes auf den sich aus der Klageforderung ergebenden Nettobetrag. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nur in Höhe eines Teilbetrags von 3.375,00 DM brutto begründet. Im übrigen ist sie nicht begründet. Auf der Grundlage von 36 Ausgleichswochen hat er Anspruch auf Urlaubsabgeltung für das Kalenderjahr 1994; Abgeltungsansprüche für 1993 sind verfallen.
I. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung wird nach § 35 Nr. 2a RTV fällig, wenn der Arbeitnehmer länger als drei Monate außerhalb des betrieblichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages tätig gewesen ist und darüber auf Verlangen Nachweis führt. Diese Voraussetzungen hat der Kläger mit dem 5. März 1995 erfüllt. Die Teilnahme an der außerbetrieblichen Umschulung ist Tätigkeit im tariflichen Sinn. Zahlungspflichtig ist der Beklagte als der Arbeitgeber, bei dem der Kläger zuletzt im Arbeitsverhältnis gestanden hat, § 35 Nr. 3 RTV.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß Arbeitslosigkeit den Abgeltungstatbestand nicht erfüllt. Seinen Ausführungen ist jedenfalls insoweit zuzustimmen. Dies wird bestätigt durch die tarifliche Verjährungsregelung der Urlaubsansprüche. Die Sonderbestimmungen in § 37 Nr. 2 und § 37 Nr. 4 RTV wären überflüssig, wenn Arbeitslosigkeit die Fälligkeit des Abgeltungsanspruchs bewirkt. Den Verfall der nach § 35 Nr. 2 RTV fällig werdenden Ansprüche regelt § 37 Nr. 3 RTV.
2. Zu Unrecht setzt das Landesarbeitsgericht jedoch die berufliche Umschulung der Arbeitslosigkeit gleich.
a) Umschulung ist Teil der Berufsbildung nach § 1 Abs. 1 BBiG. Sie ermöglicht die berufliche Umorientierung, die zu einer anderen beruflichen Tätigkeit befähigen soll, § 1 Abs. 4 BBiG. Die Ausbildung ist gerichtet auf den Erwerb der für den neuen Beruf erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse. Mit ihr wird damit ein aktives, unmittelbar berufsbezogenes Handeln des Umschülers verlangt. Dieser ist nicht untätig im Sinne des RTV. Anders als bei der Arbeitssuche ist der weitere berufliche Werdegang eines Umschülers nicht offen. Die Umschulung zielt auf den Berufswechsel und damit auf das Ausscheiden aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages.
b) Eine Umschulung in einem Arbeitsverhältnis wird nicht verlangt. Der Begriff “Tätigkeit” ist nicht auf selbständige oder unselbständige Arbeit beschränkt, sondern erfaßt das gesamte Spektrum möglicher beruflicher Umschulung. Orte der beruflichen Umschulung können sowohl Betriebe als auch sonstige Bildungeinrichtungen im Sinne von § 1 Abs. 5 BBiG sein. Eine solche Einrichtung ist das Berufsförderungswerk Oberhausen. Die Weiterbildung kann aufgrund eines Berufsbildungsvertrags, aber auch im Rahmen eines bereits bestehenden oder neu zu begründenden Arbeitsverhältnisses durchgeführt werden. Auf die rechtliche Ausgestaltung des Umschulungsverhältnisses, auf den Ort der Umschulung, ihre Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit oder durch einen Sozialversicherungsträger kommt es deshalb nicht an.
c) Soweit der Beklagte abweichend hiervon seine Auffassung mit der synonymen Verwendung der Begriffe “Beschäftigung” und “Tätigkeit” im Tarifvertrag begründet, ist dem nicht zu folgen. Nach § 35 RTV sind als beschäftigt und tätig auch Mitarbeiter anzusehen, die von dem Betrieb ausgebildet werden. Das ergibt sich aus § 35 Nr. 3 RTV. “Werkstudenten oder ähnlichen in Ausbildung befindlichen Personen” ist nach § 35 Nr. 3 RTV die Urlaubsabgeltung bereits bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen. Ausgenommen aus dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags sind nach § 1 Nr. 3 RTV nur “Lehrlinge” i. S. von § 21 HandwO, also Auszubildende im Sinne von § 1 Abs. 2 BBiG.
Im Gegensatz zur Auffassung der Revisionsbeklagten ist unbeachtlich, wie in § 7 SGB IV der Begriff Beschäftigung bestimmt und im übrigen im Verhältnis zur selbständigen Tätigkeit abgegrenzt ist. Mit den sozialrechtlichen Bestimmungen werden nur die Personenkreise festgelegt, die der freiwilligen oder gesetzlichen Versicherung unterliegen.
d) Die Tarifvertragsparteien haben mit ihrer Urlaubsregelung den ihnen von § 13 Abs. 2 BUrlG eröffneten Rahmen ausgeschöpft. Ohne Rücksicht auf einen Wechsel des Arbeitsplatzes soll der Anspruch des Mitarbeiters auf einen längeren zusammenhängenden Jahresurlaub sichergestellt werden. Ein Urlaubsanspruch ist deshalb nach der Zusammenstellung in § 35 Nr. 2 RTV abzugelten, wenn aufgrund der persönlichen oder beruflichen Lebensumstände des Mitarbeiters zu erwarten ist, daß er nicht als gewerblicher Arbeitnehmer in den Geltungsbereich des Tarifvertrags zurückkehren wird. Das trifft auf die Umschulung zu. Die tarifliche Wartezeit von drei Monaten trägt den vom Landesarbeitsgericht angedeuteten Bedenken wegen eines vorzeitigen Abbruchs der Ausbildung Rechnung.
II. Dem Kläger steht eine Urlaubsabgeltung nur für insgesamt 36 Wochen zu.
1. Auf das Urlaubsjahr 1994 entfallen bis zum 12. September 1994 36 volle Wochen. Die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 21. September 1994 bleibt außer Betracht, weil der Kläger zu dieser Zeit nicht mehr arbeitsunfähig erkrankt war. Der Anspruch beschränkt sich daher nach § 34 Nr. 5 und 6 RTV auf den Ausgleichsbetrag. Dieser beträgt nach § 3 des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub und die Zusatzversorgung vom 23. November 1992 (Allgemeinverbindlicherklärung vom 15. Juni 1993, Bundesanzeiger vom 3. Juli 1993, Nr. 121, S. 6095) 75,00 DM/ Woche. Hinzu tritt das Urlaubsgeld von 25 % gem. § 36 RTV. Soweit der Kläger für das Jahr 1994 für einen längeren Zeitraum Urlaubsabgeltung begehrt, ist die Klage deshalb nicht begründet.
2. Einen Arbeitgeberanteil von 11,4 % vom Ausgleichsbetrag schuldet der Beklagte nicht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, daß der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum Arbeitsentgelt bezogen hat (§ 34 Nr. 4b und Nr. 5 RTV). Das trifft nicht zu. Der Kläger war in dieser Zeit durchgehend ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung arbeitsunfähig erkrankt.
3. Der Abgeltung von Urlaubsansprüchen des Klägers für das Jahr 1993 steht § 37 Nr. 3 RTV entgegen. Danach können Abgeltungsansprüche nach § 35 Nr. 2 RTV bis zum Ende des Kalenderjahres geltend gemacht werden, das auf das Jahr ihrer Entstehung folgt. Der nach § 32 Nr. 4 RTV am 1. Januar 1993 entstandene Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 1993 ist damit mit Ende des Jahres 1994 verfallen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können befristete Ansprüche nicht mit fristwahrender Wirkung bereits vor ihrem Entstehen oder ihrer Fälligkeit geltend gemacht werden (BAG Urteil vom 20. August 1996 – 9 AZR 222/95 – AP Nr. 1 zu § 11 BUrlG Urlaubskasse). Das Aufforderungsschreiben des Klägers vom 8. September 1994 hat den Verfall deshalb nicht hindern können.
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
III. Die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung hat das Erlöschen des klägerischen Anspruchs nicht bewirkt (§ 389 BGB).
1. Es kann offenbleiben, ob der Beklagte die Urlaubsansprüche des Klägers bis zum 31. August 1993 ohne Rechtsgrund erfüllt und ihm deshalb ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zugestanden hat. Sein Anspruch ist jedenfalls verfallen. Er hat die nach § 45 RTV einzuhaltende Verfallfrist nicht gewahrt. Ansprüche sind danach innerhalb von 60 Tagen nach Fälligkeit, spätestens 40 Tage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen. Diese Frist war zur Zeit der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung im Schriftsatz vom 25. April 1995 verstrichen. § 390 Satz 2 BGB, der die Aufrechnung mit verjährten Ansprüchen zuläßt, ist auf tarifliche Ausschlußfristen nicht anzuwenden.
2. Der Ausschlußfrist steht auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht entgegen. Die Berufung auf eine Verfallklausel kann zwar treuwidrig sein, wenn der Schuldner den Gläubiger, sei es auch unabsichtlich, an der rechtzeitigen Geltendmachung der Forderung gehindert hat. Dem Gläubiger steht aber zur weiteren Rechtsverfolgung nicht unbegrenzt Zeit zur Verfügung. Vielmehr muß er reagieren, sobald er von dem Wegfall des Hinderungsgrundes Kenntnis erlangt (BAG Urteil vom 3. Dezember 1970 – 5 AZR 208/70 – AP Nr. 46 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Auf das Aufforderungsschreiben des Klägers vom 8. September 1994 hin hätte der Beklagte tätig werden müssen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Reinecke, Schwarz, R. Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 885478 |
NZA 1997, 1357 |