Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Verpflichtung eines Landkreises zur Übernahme von Landesbediensteten schließt die Beibehaltung der bisherigen Arbeitsbedingungen ein. Der Arbeitnehmer kann eine einzelvertraglich mit dem Land vereinbarte übertarifliche Vergütung auch dann verlangen, wenn die Tarifgruppe in der für die Gebietskörperschaft geltenden Vergütungsordnung nicht enthalten ist.
Normenkette
Landesgesetz Rheinland-Pfalz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 5. Oktober 1993 Art. 7 Abs. 9; Landkreisordnung Rheinland-Pfalz § 54 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 1996 – 5 (7) Sa 1095/95 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und gegebenenfalls zu welchen Bedingungen der Kläger von dem Beklagten in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen ist.
Der Kläger war vom 15. März 1961 bis 31. Januar 1963 Sachbearbeiter bei der Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation. Vom 1. Februar 1963 bis 31. August 1988 war er als Verfahrensleiter und Arbeitsgruppenleiter bei der L… GmbH … beschäftigt. Seine Vergütung bemaß sich ab dem 1. Januar 1976 nach VergGr. III BAT. Im Zuge der Liquidation der Gesellschaft wurde der Kläger zum 1. September 1988 in den Dienst des Landes Rheinland-Pfalz übernommen und auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 31. August 1988 bei der Berufsbildenden Schule für Landwirtschaft und Weinbau in B… unter Einreihung in die Vergütung der VergGr. III BAT als technischer Angestellter in der Abteilung Landwirtschaft und Umweltschutz beschäftigt. Seit dem 1. Januar 1991 erhält er mit Zustimmung des Ministeriums für Finanzen eine übertarifliche Vergütung nach VergGr. IIa BAT.
Mit dem Landesgesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 5. Oktober 1993 (Rheinland-Pfalz GVBl. 1993, 481, 509; künftig: LandesG) sind gemäß Art. 7 Abs. 6 Aufgaben, die die Kreisverwaltung bisher als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung wahrnahm, als Auftragsangelegenheiten auf die Landkreise übertragen worden. Hierzu heißt es in Art. 7 Abs. 9:
“Die Landkreise sind verpflichtet, die bisher für die Aufgaben der Kreisverwaltung als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung vom Land gestellten Beamten und Angestellten mit deren Zustimmung zum 1. Januar 1995 in ihren Dienst zu übernehmen. Sie haben rechtzeitig alle dafür erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.”
Der Kläger gehört zu dem betroffenen Personenkreis. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1994 teilte er dem Beklagten seine Bereitschaft zum Wechsel mit. Der beklagte Landkreis lehnte eine Übernahme des Klägers mit einer Vergütung nach VergGr. IIa BAT ab. Er bot dem Kläger an, ihn ab 1. Januar 1995 als vollbeschäftigten Angestellten auf unbestimmte Zeit weiterzubeschäftigen und ihn nach der VergGr. III Fallgruppe 1c der Anlage 1 zum BAT (Techniker-Tarifvertrag) zu vergüten. Die Differenz zum bisherigen Gehalt werde als persönliche Zulage gewährt, auf die künftige Steigerungen mit je 1/4 – begrenzt auf die Höhe des jeweiligen tatsächlichen Steigerungsbetrages – angerechnet würden. Der Kläger hat den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag nicht unterzeichnet.
Die VergGr. IIa BAT ist in der Vergütungsordnung des Tarifbereichs der VKA nicht enthalten. Die Vergütung nach VergGr. II BAT/VKA liegt in der für den Kläger maßgeblichen Dienstaltersstufe höher als seine bisherige Vergütung.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag mit dem im öffentlichen Dienst üblichen Inhalt zu schließen, dessen Vergütungsregelung folgenden Wortlaut haben soll:
Der Angestellte wird nach VergGr. IIa (Techniker-Tarifvertrag) zum BAT vergütet, hilfsweise der Angestellte wird nach der VergGr. II BAT/VKA vergütet.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, der dem Kläger grundsätzlich zustehende Anspruch auf Wahrung seines Besitzstandes sei mit dem angebotenen Vertrag gewahrt. Ein Anspruch des Klägers auf Fortführung des tarifwidrigen Zustandes bestehe nicht. Außerdem fehle es an der erforderlichen Zustimmung des Klägers zur Übernahme.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag entsprochen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Beklagte ist verpflichtet, mit dem Kläger einen Arbeitsvertag abzuschließen, der eine Vergütung nach der VergGr. IIa BAT (Techniker-Tarifvertrag) enthält.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus Art. 7 Abs. 9 Landesgesetz Rheinland-Pfalz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften (LandesG). Danach sind die von der Kommunalreform betroffenen Landkreise verpflichtet, die für die Aufgaben der Kreisverwaltung als untere Behörde der allgemeinen Landesverwaltung vom Land gestellten Beamten und Angestellten mit deren Zustimmung zum 1. Januar 1995 in ihren Dienst zu übernehmen. Ein Ablehnungsrecht der Landkreise besteht nicht für den Personenkreis, der bis zum 31. Dezember 1994 seine Zustimmung erklärt hat.
1. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß Art. 7 Abs. 9 LandesG einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch der Angestellten auf Abschluß eines Arbeitsvertrages begründet. Für die Annahme einer lediglich öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Landkreise gegenüber dem Land bestehen keine Anhaltspunkte. Die Umwandlung der Landesaufgaben in Auftragsangelegenheiten läßt die Anstellungsverhältnisse der Mitarbeiter, die die entsprechenden Aufgaben wahrnehmen, unberührt. Eine gesetzliche Vorschrift zur Überleitung ihrer Rechtsverhältnisse fehlte vor Inkrafttreten des LandesG und mußte deshalb ausdrücklich geschaffen werden. Durch das LandesG wird für den Angestellten ein Anspruch auf Übernahme und für den nunmehr zuständigen Träger die Pflicht zum Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages begründet.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Anspruch des Klägers sich auf den Abschluß eines Vertrages richtet, der inhaltlich seinem bestehenden Arbeitsvertrag mit dem Land einschließlich der VergGr. IIa BAT entspricht.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat einen Anspruch auf rechtsgleiche Übernahme von Arbeitnehmern bereits dann bejaht, wenn die maßgeblichen Übernahmevorschriften keine inhaltlichen Einschränkungen oder Vorgaben enthielten (BAG Urteil vom 14. Januar 1958 – 3 AZR 37/55 – AP Nr. 13 zu § 1 TOA, zu 3 der Gründe; Urteil vom 18. April 1961 – 3 AZR 70/60 – AP Nr. 1 zu § 40 ErrichtungsG Bundesanstalt AVAV; Urteil vom 1. Dezember 1959 – 3 AZR 285/56 – AP Nr. 3 zu § 18 BundVersAnstG f. Angest.). Daran ist festzuhalten.
b) Nach Auffassung des Landesarbeitsgericht ergibt sich der Anspruch des Klägers auf ungeschmälerten Besitzstand aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 9 LandesG. Dem stimmt der Senat zu. Unter “Übernahme” wird im Rechtssinn wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch allein der Wechsel in der Inhaberschaft oder Trägerschaft verstanden. Hinzuweisen ist etwa auf die Schuldübernahme im Sinne der §§ 414 ff. BGB, Art. 7 Abs. 9 LandesG enhält keine Einschränkungen für den Inhalt der abzuschließenden Arbeitsverträge. Die tarifgerechte Bezahlung der zum Wechsel bereiten Angestellten wird nicht vorausgesetzt.
c) Die Richtigkeit dieser Auslegung wird durch den mit der Übernahmepflicht verfolgten Zweck bestätigt. Die mit der Kommunalreform veränderte Aufgabenzuordnung soll auch personell umgesetzt werden. Landesbedienstete, die bisher bereits in der Kreisverwaltung tätig waren, sollen ihr Arbeitsgebiet nunmehr als Kommunalbedienstete erledigen. Hiermit läßt sich ein Ablehnungsrecht des Beklagten oder ein Anspruch auf Modifizierung des Anstellungsvertrages nicht vereinbaren. Die Auffassung des Beklagten führt dagegen zu dem Ergebnis, daß er in jedem Einzelfall nicht nur die Eingruppierung der zu übernehmenden Bediensteten überprüfen kann, sondern sein Angebot von dem Ergebnis seiner Arbeitsplatzbewertung abhängig machen könnte. Der von dem Landesgesetzgeber angestrebte Wechsel des Dienstherrn wird damit im Ergebnis in Frage gestellt und dem Bedürfnis nach zügiger Harmonisierung von Aufgabe und Zuordnung des Personals nicht gerecht.
Der Landesgesetzgeber hat mit dem LandesG eine möglichst rasche Umsetzung der personellen Vorgaben beabsichtigt. Das wird deutlich aus dem unterschiedlichen Inkrafttreten des Gesetzes. So ist Art. 7 Abs. 9 LandesG bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft getreten, also mit dem 6. Oktober 1993, Art. 7 Abs. 6 LandesG erst am Tag der nächsten Kommunalwahl (Art. 9 Abs. 1 LandesG).
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist Art. 7 Abs. 9 LandesG nicht deshalb einschränkend auszulegen, weil der Wechsel in den kommunalen Dienst an die Zustimmung des Angestellten gebunden ist und dem Angestellten ein Wahlrecht eingeräumt wird. Damit hat der Landesgesetzgeber vielmehr den Bedenken Rechnung getragen, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung dazu bestimmt haben, auch im Fall der Betriebsnachfolge des § 613a BGB ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen einen Wechsel seines Arbeitgebers zu bejahen (vgl. zusammenfassend BAG Urteil vom 7. April 1993 – 2 AZR 449/91 B – AP Nr. 22 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; schon BAG, Vorlageschluß an das Bundesverfassungsgericht vom 9. März 1955 – 1 ARV 1/54 – AP Nr. 1 zu § 18 BundVersAnstG f. Angest.).
4. Mit der Verpflichtung zur Vergütung des Klägers nach VergGr. IIa BAT B/L wird dem Beklagten nichts ihm rechtlich Unmögliches abverlangt. Mit seinem entsprechenden Einwand stellt der Beklagte erkennbar nicht auf eine etwaige Unmöglichkeit im Sinne des bürgerlichen Rechts ab, sondern auf seine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nach § 54 Abs. 3 Landkreisordnung (LKO) und die Bindung an die von der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände geschlossenen Tarifverträge.
Gemäß § 54 Abs. 3 LKO sind die Eingruppierung der Angestellten und deren Vergütung sowie alle sonstigen Leistungen nur im Rahmen der zwischen Arbeitgebervereinigungen und Gewerkschaften getroffenen tarifvertraglichen Regelungen zulässig. Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt. Vielmehr steht die Zulässigkeit tarifwidriger Vereinbarungen unter dem Vorbehalt sonstiger Rechtsvorschriften. Ausnahmen sind überdies mit Genehmigung der obersten Aufsichtsbehörde zulässig.
§ 54 Abs. 3 LKO beruht wie vergleichbare kommunale Vorschriften auf der Pflicht zur sparsamen Mittelbewirtschaftung. Außerdem soll unerwünschte Konkurrenz zwischen den kommunalen Körperschaften verhindert werden (vgl. BayVGH Urteil vom 26. Juni 1991 – 3 B 90.2689 – BayVBl. 1992, 17 ff. zu Art. 43 Abs. 4 Bayerische Gemeindeordnung). Verstöße gegen § 54 Abs. 3 LKO berechtigen zu Maßnahmen der Kommunalaufsicht. Darin liegt die Bedeutung der Vorschrift und begrenzt sie zugleich, wie insbesondere aus der Möglichkeit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung deutlich wird.
Der Senat brauchte nicht zu prüfen, ob das Schreiben des Ministeriums für Inneres und Sport vom 27. Dezember 1994 an den Beklagten eine vorweggenommene Genehmigung enthält. Denn Art. 7 Abs. 9 LandesG ist eine “sonstige Rechtsvorschrift” im Sinne von § 54 Abs. 3 LKO und berechtigt den Beklagten bereits deshalb zum Angebot der VergGr. IIa BAT B/L an den Kläger.
Der Senat geht davon aus, daß dem Landtag des Landes Rheinland-Pfalz bekannt war, daß das Vergütungssystem des BAT B/L in Teilbereichen von dem des BAT/VKA abweicht. Das betrifft nicht nur die in dem Bereich der VKA unbekannte VergGr. IIa BAT, die der Beklagte auch bei einer tarifkonformen Eingruppierung des Klägers hätte akzeptieren müssen, sondern auch für die allein im Kommunalbereich vorgeschriebenen Verwaltungsprüfungen 1 und 2 als Voraussetzung für bestimmte Vergütungsgruppen und den fehlenden Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT (vgl. hierzu Übersicht Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, Stand Mai 1997, Bd. III, Teil II Anhang A Einführung). Daraus folgt zwingend, daß im Interesse des vom Gesetzgeber gewünschten Wechsels der Bediensteten vom Land zum Kreis diesen Unterschieden bei dem Abschluß der neuen Arbeitsverträge keine Bedeutung beigemessen werden sollte.
5. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger der Übernahme noch vor dem Stichtag 1. Januar 1995 zugestimmt.
II. Der Beklagte hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Reinecke, Weiss, Busch
Fundstellen
Haufe-Index 884924 |
NVwZ-RR 1998, 770 |
NZA 1997, 1170 |
PersR 1997, 460 |