Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsachenvergleich über Versorgungsansprüche
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gerichtlicher Vergleich über tatsächliche Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs verstößt nicht gegen zwingende Grundsätze des Betriebsrentengesetzes. Auch eine Einigung, wonach keine Versorgungsrechte bestehen, wird weder durch § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG, noch durch § 3 Abs. 1 BetrAVG verboten.
2. Eine Beschränkung der Revision auf einen Teil des Berufungsurteils ist nur zulässig, wenn dieser Teil den Gegenstand eines abgetrennten Verfahrens und einer selbständigen Entscheidung bilden könnte. Die Beschränkung der Revision auf rechtliche Gesichtspunkte ist unzulässig und für das Revisionsgericht unbeachtlich.
Normenkette
BetrAVG § 17 Abs. 3 S. 3, § 3 Abs. 1; BGB §§ 134, 779, 133, 157; ArbGG 1979 §§ 72, 72a; ZPO § 546
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 25.05.1983; Aktenzeichen 5 Sa 589/82) |
ArbG München (Urteil vom 02.02.1982; Aktenzeichen 19 Ca 11432/81) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Mai 1983 – 5 Sa 589/82 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob Versorgungsansprüche des Klägers aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs erloschen sind.
Der Kläger, geboren am 2. Juni 1916, war seit dem 1. Oktober 1964 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Einkaufsleiter der Zweigniederlassung Großkönigsdorf. Im Jahre 1977 beschloß die Beklagte, die Zweigniederlassung zu schließen. Mit dem Betriebsrat wurde ein Sozialplan vereinbart. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde ordentlich zum 30. Juni 1980 gekündigt. Dem widersprach der Kläger mit der Begründung, das Kündigungsschreiben enthalte keine Hinweise auf eine Abfindung und die bestehenden Pensionsansprüche. Hierüber kam es zwischen den Parteien zu Verhandlungen. Die Beklagte bot dem Kläger zuletzt einen Betrag von 10.300,16 DM zur Abfindung sämtlicher Ansprüche an, hielt aber daran fest, daß ein Pensionsanspruch nicht bestehe.
Mit einer am 8. Juli 1980 zum Arbeitsgericht Köln (7 Ca 4574/80) erhobenen Klage verlangte der Kläger, gestützt auf den Sozialplan, von der Beklagten die Zahlung einer Abfindung von 32.622,35 DM. In der Güteverhandlung vom 22. August 1980 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
“1) Die Parteien sind sich darin einig, daß ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 24.3.1980 mit Ablauf des 30.9.1980 sein Ende finden wird.
2) Wegen Aufgabe des sozialen Besitzstandes zahlt die Beklagte an den Kläger zum Zeitpunkt des Ausscheidens eine Abfindung von 13.000,-- DM brutto = netto nach §§ 9, 10 KSchG.
3) Im übrigen sind sich die Parteien darin einig, daß das Arbeitsverhältnis bis zum 30.9.1980 ordnungsgemäß abgewickelt wird, daß jedoch über die in diesem Vergleich festgelegten Ansprüche hinaus keinerlei gegenseitige, finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung bestehen, und der Rechtsstreit – 7 Ca 4574/80 – damit erledigt ist.
4) Beide Parteien behalten sich den Widerruf dieses Vergleichs, durch einen beim Arbeitsgericht Köln einzureichenden Schriftsatz bis einschließlich 10.9.1980 vor.”
Der Vergleich wurde nicht widerrufen.
Der Kläger erhält seit der Vollendung des 65. Lebensjahres von einer Unterstützungskasse der Beklagten eine monatliche Betriebsrente von 32,40 DM. Im vorliegenden Rechtsstreit macht er zusätzliche Ruhegeldansprüche geltend, und zwar nach einer bei der Beklagten am 1. Januar 1966 eingeführten “Pensionsordnung für Führungskräfte”. Danach sind versorgungsberechtigt,
“Werksleiter, Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, sowie in Ausnahmefällen Mitarbeiter, bei denen dies durch Vorstandsbeschluß bzw. durch Beschluß der Geschäftsführung festgelegt wird.”
Der Kläger hat vorgetragen, er sei als Einkaufsleiter mit Handlungsvollmacht und zugleich als Werksleiter automatisch in den Kreis der Führungskräfte der Pensionsordnung vom 1. Januar 1966 einbezogen gewesen. Das sei ihm auch mehrfach mündlich bestätigt worden. Damit stehe ihm eine zusätzliche monatliche Betriebsrente von 235,84 DM netto zu. Die Ausgleichsklausel des gerichtlichen Vergleichs vom 22. Februar 1980 erfasse diesen Ruhegeldanspruch nicht, der Anspruch sei in dem Vergleich nicht genannt und auch nie Gegenstand des Rechtsstreits gewesen.
Mit der Klage verlangt der Kläger die Zahlung rückständiger Beträge für die Zeit ab 1. Juli 1981 sowie ab 1. November 1981 die Zahlung der laufenden Pension.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 943,36 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1981 zu zahlen;
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab dem 1. November 1981 eine monatliche Rente von 235,84 DM netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe nicht zum Kreis der nach ihrer Pensionsordnung begünstigten Führungskräfte gehört. Zudem seien sämtliche Ansprüche des Klägers durch die Ausgleichsklausel des gerichtlichen Vergleichs erloschen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nur zugelassen, soweit für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist, ob eine Ausgleichsklausel in einem gerichtlichen Vergleich sich im Hinblick auf § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG auch auf bestrittene Ruhegeldansprüche erstrecken kann. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision und der vorsorglich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist uneingeschränkt statthaft. Sie ist auch begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Die Beschränkung der Revisionszulassung durch das Landesarbeitsgericht ist unwirksam. Der Kläger war nicht gehindert, das Berufungsurteil in vollem Umfang anzugreifen.
1. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht Einigkeit darüber, daß die Revisionszulassung auf einen tatsächlich und rechtlich abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden kann, etwa auf einen von mehreren selbständigen Ansprüchen, auf einen Streitgenossen, einen Anspruchsteil oder eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung (BGHZ 48, 134, 136; 53, 152, 153 ff.; BGH NJW 1982, 1535; 1982, 2380; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 42. Aufl., § 546 Anm. C I 1a; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 546 Anm. 5b, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Stets ist jedoch erforderlich, daß über den abgetrennten Teil gesondert entschieden werden könnte (vgl. neuerdings BGH Urteil vom 7. Juli 1983 – III ZR 119/82 – JR 1984, 113 ff. mit Anm. von Linnenbaum). Für das arbeitsgerichtliche Verfahren gilt nichts anderes (BAG 2, 326, 327 = AP Nr. 45 zu § 72 ArbGG 1953; Urteil vom 6. August 1964 – 2 AZR 442/63 – AP Nr. 2 zu § 72 ArbGG 1953 Zulassungsrevision; Beschluß vom 19. Juni 1981 – 5 AZN 395/80 – AP Nr. 8 zu § 72a ArbGG 1979, zu 4 der Gründe). Dagegen ist es nicht zulässig, die Revision auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder Entscheidungselemente zu beschränken, die nicht Gegenstand eines abgetrennten Verfahrens und einer selbständigen Entscheidung sein könnten (BAG 2, 326, 327 = AP Nr. 45 zu § 72 ArbGG 1953; BGH NJW 1982, 1535). Das Revisionsgericht hat ebenso wie das Tatsachengericht über den prozessualen Anspruch zu befinden. Es ist nicht seine Aufgabe, einzelne, aus dem Streitstoff herauslösbare Rechtsfragen zu beantworten.
Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Revision nur für einen eng umschriebenen rechtlichen Gesichtspunkt zugelassen. Es will die Prüfung des Revisonsgerichts auf die Frage beschränken, ob es unter den hier gegebenen tatsächlichen Voraussetzungen rechtlich zulässig ist, in einer allgemeinen Ausgleichsklausel auf Versorgungsansprüche zu verzichten. Die Entscheidung darüber, ob der Vergleich nach seinem Inhalt Versorgungsansprüche des Klägers überhaupt erfaßt, soll der Senat dagegen ungeprüft hinnehmen. Das ist nicht zulässig. Die entsprechende Rechtsmittelbeschränkung darf nicht beachtet werden. Die Revision ist damit uneingeschränkt statthaft. Der Revisionskläger ist nicht gehindert, auch die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht anzugreifen.
2. Hinsichtlich der vom Kläger eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde bedarf es keiner gesonderten Entscheidung. Diese ist nur hilfsweise für den Fall eingelegt, daß die Beschränkung der Revisionszulassung wirksam sein sollte. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Revisionsverfahrens (BAG 36, 66, 72 = AP Nr. 11 zu § 72a ArbGG 1979, zu IV der Gründe a.E.).
B. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht wird noch prüfen müssen, ob der gerichtliche Vergleich vom 22. August 1980 etwaige Ruhegeldansprüche des Klägers erfassen soll.
I. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin zu folgen, daß der Vergleich nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig ist (§ 134 BGB). Der Vergleich verstößt insbesondere nicht gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG und § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG.
1. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kann eine kraft Gesetzes unverfallbare Versorgungsanwartschaft eines Arbeitnehmers nur dann durch eine einmalige Zahlung abgefunden werden, wenn die Anwartschaft auf einer Versorgungszusage beruht, die weniger als zehn Jahre vor dem Ausscheiden erteilt wurde. Die Vorschrift soll verhindern, daß durch Abfindungsvereinbarungen der Versorgungszweck der betrieblichen Altersversorgung und deren Ergänzungsfunktion zur gesetzlichen Sozialversicherung gefährdet werden (BR-Drucks. 590/73 zu § 3, S. 27; Urteil des Senats vom 22. März 1983 – 3 AZR 499/80 – AP Nr. 1 zu § 3 BetrAVG, zu I 2a der Gründe = NZA 1985, 218). Eine vom Gesetz abweichende Abfindungsregelung ist nichtig (Urteil vom 22. März 1983, aaO, zu I 2b der Gründe).
§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG verbietet generell einzelvertragliche Regelungen, durch die von den Mindestbedingungen des Betriebsrentengesetzes zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden soll. Ergibt eine Günstigkeitsprüfung, daß der Arbeitnehmer gegenüber der gesetzlichen Regelung benachteiligt wird, so ist die vereinbarte Regelung nichtig. Das gilt auch für einen Prozeßvergleich (BAG 34, 123, 127 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Wartezeit, zu I 3a der Gründe).
2. Im Streitfall verstoßen weder die vereinbarte Abfindungsregelung noch die Ausgleichsklausel gegen die genannten Vorschriften. Die Abfindungsvereinbarung in Nr. 2 des Vergleichs vom 22. August 1980 betrifft etwa bestehende Ruhegeldansprüche des Klägers nicht, sondern diente ausschließlich dazu, den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen (§§ 9, 10 KSchG). Aber auch die Ausgleichsklausel in Nr. 3 des Vergleichs ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Streitgegenstand des verglichenen Rechtsstreits war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer erhöhten Abfindung nach dem Sozialplan. Der nunmehr umstrittene gerichtliche Vergleich wurde in der ersten Güteverhandlung geschlossen. Es wurde nicht nur die Abfindung geregelt, sondern auch der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abweichend von der Kündigung der Beklagten festgelegt. Ob anläßlich der Vergleichsverhandlung Ruhegeldansprüche des Klägers erörtert wurden, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts umstritten. Daher könnte fraglich sein, ob solche Ansprüche von dem gerichtlichen Vergleich überhaupt erfaßt sein sollten. Aber selbst wenn man davon ausgeht, wäre die Ausgleichsklausel nicht unwirksam.
b) Sowohl § 3 Abs. 1 BetrAVG als auch § 17 Abs. 3 BetrAVG setzen voraus, daß Rechte des Arbeitnehmers durch eine abweichende Vereinbarung betroffen werden. Das Abfindungsverbot des § 3 Abs. 1 BetrAVG greift nur ein bei einer nach § 1 Abs. 1 bis 3 BetrAVG unverfallbaren Versorgungsanwartschaft; es verlangt damit eine Versorgungszusage des Arbeitgebers. § 17 Abs. 3 BetrAVG geht ebenfalls davon aus, daß dem Arbeitnehmer aufgrund einer Zusage Rechte der betrieblichen Altersversorgung zustehen. In einem solchen Falle dürfen die Mindestbestimmungen des Gesetzes nicht unterschritten werden.
Ist aber unter den Parteien streitig, ob der Arbeitgeber überhaupt eine Versorgungszusage erteilt hat, so können die §§ 3 und 17 BetrAVG einem Vergleich nicht entgegenstehen; durch den Vergleich soll ja gerade der Streit ausgeräumt werden, von dem das Vorhandensein gesetzlich geschützter Rechte abhängt. Für die Vorschriften der §§ 4 Abs. 4 TVG, 13 Abs. 1 BUrlG, 77 Abs. 4 BetrVG, 19 Abs. 3 HAG, die insoweit vergleichbare Beschränkungen der Vertragsfreiheit enthalten, ist dies weitgehend anerkannt (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 342; Dersch/Neumann, BUrlG, 6. Aufl., § 13 Rz 77; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 77 Rz 20 a. E.; Maus/Schmidt, HAG, 3. Aufl., § 19 Rz 54 und § 25 Rz 31). Das praktische Bedürfnis nach einer gütlichen Einigung ist rechtlich anzuerkennen und besteht auch in der betrieblichen Altersversorgung. Auch hier muß es eine Möglichkeit geben, die Ungewißheit oder den Streit über das Bestehen gegenseitiger Rechte und Pflichten einvernehmlich beizulegen. Das Betriebsrentengesetz hat zwar die Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Kapitalabfindung für erdiente Anwartschaften eingeschränkt und die Freiheit der Vertragspartner generell den Grenzen des Günstigkeitsprinzips unterworfen. Das Gesetz hat aber nicht die Befugnis der Parteien eingeschränkt, sich über die tatsächlichen Voraussetzungen von Ruhegeldansprüchen und Anwartschaften zu vergleichen. Derartige Tatsachenvergleiche werden vom Schutzzweck der gesetzlichen Regelungsverbote nicht erfaßt. Sie sind daher auch in der betrieblichen Altersversorgung möglich (ebenso Blomeyer/Otto, BetrAVG, 1984, § 17 Rz 204).
II. Dem Berufungsgericht kann aber nicht gefolgt werden, soweit es angenommen hat, die Ausgleichsklausel in dem Vergleich vom 22. August 1980 erfasse auch die umstrittenen Versorgungsansprüche des Klägers. Die Auslegung des Berufungsgerichts verstößt gegen die §§ 133, 157 BGB.
1. Das Berufungsgericht stützt seine Auslegung zu Unrecht auf die Rechtsgrundsätze, die der Senat in seinem Urteil vom 9. November 1973 (– 3 AZR 66/73 – AP Nr. 163 zu § 242 BGB Ruhegehalt mit weiteren Nachweisen) aufgestellt hat. In dieser Entscheidung ging es nicht um die Beurteilung eines gerichtlichen Vergleichs, sondern eine sogenannte Ausgleichsquittung, die der Arbeitnehmer bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses unterzeichnet hatte und die einen Verzicht auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis enthielt. Hierzu hat der Senat die Auslegungsregel aufgestellt, daß sich Versorgungsansprüche schon wegen ihres hohen Wertes und ihrer weitreichenden Bedeutung für den Arbeitnehmer regelmäßig dem Geltungsbereich einer Ausgleichsquittung entziehen (aaO, zu I 2 der Gründe). Ob diese Regel auch für die allgemeine Ausgleichsklausel in einem gerichtlichen Vergleich gilt, kann im Streitfall offenbleiben (vgl. hierzu BAG Urteil vom 10. Mai 1978 – 5 AZR 97/77 – AP Nr. 25 zu § 794 ZPO). Denn jedenfalls ist dem Berufungsgericht insoweit zu folgen, daß Rechtsverzichte, zumal in der betrieblichen Altersversorgung, nicht ohne weiteres zu vermuten sind. Deshalb müssen sich auch bei einem Prozeßvergleich hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, daß Versorgungsrechte abgeschnitten sein sollen. Die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen aber nicht aus.
2. Das Berufungsgericht hat entscheidend darauf abgestellt, daß die Parteien außergerichtlich darum gestritten haben, ob der Kläger zu dem nach der Pensionsordnung begünstigten Personenkreis gehörte; wenn der Kläger trotz dieses Streits die Ausgleichsklausel vorbehaltlos gebilligt habe, so habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, daß die Ruhegeldforderungen insgesamt erledigt sein sollten. Das Berufungsgericht hat den Wortlaut der Ausgleichsklausel, aber auch die Zusammenhänge nicht vollständig gewürdigt.
a) Das Berufungsgericht hat übersehen, daß die Ausgleichsklausel Besonderheiten enthält. Sie hat nicht die allgemeine, vielfach gebräuchliche Fassung, daß mit dem Vergleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche erledigt seien. Vielmehr besagt sie zunächst, das Arbeitsverhältnis solle bis zu dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt (30. September 1980) ordnungsgemäß “abgewickelt” werden. “Darüber hinaus” sollen “aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung” keine gegenseitigen finanziellen Ansprüche bestehen. Diese Formulierungen könnten als Einschränkungen verstanden werden und zu der Annahme führen, es seien gerade nicht sämtliche denkbaren Ansprüche, auch soweit sie erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden sollten, durch den Vergleich erledigt. So erhält der Kläger beispielsweise unstreitig eine Unterstützungskassenversorgung. Die Beklagte hat nicht bestritten, daß diese von dem Vergleich nicht erfaßt sein sollte, obwohl sie aus dem Arbeitsverhältnis stammt, also von einer umfassenden Ausgleichsklausel in der Auslegung des Landesarbeitsgerichts erfaßt würde.
b) Vor allem aber hat das Berufungsgericht die zur Auslegung herangezogenen Begleitumstände mißdeutet. Daß die Parteien längere Zeit ohne Ergebnis über die Pensionsforderungen des Klägers verhandelten und den Vergleich in Kenntnis dieses Umstandes schlossen, besagt noch nicht, daß der Kläger auf diese Ansprüche stillschweigend verzichten wollte. Für das gegenteilige Ergebnis sprechen ebenso gute Gründe, nämlich für die Annahme, daß die noch nicht abgeschlossene, aber außerhalb des Rechtsstreits geführte Auseinandersetzung um die betriebliche Altersversorgung des Klägers mit dem Vergleich gar nichts zu tun haben sollte. Wäre festgestellt, daß die Parteien oder ihre Prozeßbevollmächtigten im Zusammenhang mit den Vergleichsverhandlungen vor dem Arbeitsgericht auch die vom Kläger behaupteten Pensionsansprüche erörtert hätten, was aber nach dem Vorbringen des Klägers nicht geschehen ist, so läge die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts nahe. Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt wäre aber ein Vergleich über die Betriebsrente des Klägers nur beiläufig abgeschlossen worden, ein ganz ungewöhnliches Ergebnis, wenn man bedenkt, daß es sich um hohe und für den Kläger bedeutsame Ansprüche handelte. Demgemäß hat auch der Kläger behauptet, er habe seinen damaligen Prozeßbevollmächtigten vor Ablauf der Widerrufsfrist des Vergleichs gefragt, ob die Ausgleichsklausel diese Ansprüche erfasse; der Prozeßbevollmächtigte habe dies verneint. Weshalb im Gegensatz dazu die Beklagte Anlaß hatte, davon auszugehen, der außergerichtlich geführte Streit über die Pension sei mit dem Abschluß des Vergleichs ebenfalls erledigt, ist bisher nicht ausreichend geklärt.
III. Das Berufungsgericht wird hiernach den Vergleich vom 22. August 1980 erneut auslegen und feststellen müssen, ob die behaupteten Pensionsansprüche des Klägers abgegolten sein sollten. Der Senat kann diese Auslegung nicht selbst vornehmen, da es auf die gesamten Umstände ankommt, die zum Abschluß des Vergleichs führten. Das Berufungsgericht wird insbesondere dem Vorbringen des Klägers nachgehen müssen, die Pensionsansprüche seien in dem verglichenen Rechtsstreit mit keinem Wort erwähnt worden und er sei ebenso wie sein Bevollmächtigter für die Beklagte erkennbar der Auffassung gewesen, diese Frage stehe außerhalb des Rechtsstreits.
Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß der Vergleich die Ruhegeldansprüche des Klägers nicht erfaßt, bleibt weiter zu klären, ob der Kläger zu dem nach der Pensionsordnung begünstigten Personenkreis gehört hat und ob er die damals bestehenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllte, eine Frage, auf die das Berufungsgericht aufgrund seines bisherigen Standpunktes nicht eingegangen ist.
Unterschriften
Dr. Dieterich, Griebeling, Dr. Peifer, Dr. Bächle, W. Wieder
Fundstellen
Haufe-Index 1766832 |
BAGE, 355 |
JR 1986, 528 |