Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Mittagspausenregelung in Baden-Württemberg
Leitsatz (amtlich)
- Die Landesregierung von Baden-Württemberg ist nicht zuständig für die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit von Angestellten und Arbeitern.
- Die Ausübung des Direktionsrechts zur Umsetzung einer tariflichen Arbeitszeitverkürzung verstößt gegen den Grundsatz billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1 BGB), wenn der Arbeitgeber allein seine Interessen durchzusetzen versucht (“Mittagspausenregelung”).
Normenkette
LVerf Bad.-Württ. Art. 70 Abs. 2, Art. 69, 49 Abs. 1 S. 4, Abs. 2; GG Art. 84 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1, Art. 65; LPVG Bad.-Württ. § 79 Abs. 1 Nr. 1, § 85; Bad.-Württ. AZVO § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 2; AZO § 13 Abs. 2; BGB § 315 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Januar 1991 – 13 Sa 46/90 – wird zurückgewiesen.
Das beklagte Land trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger und das beklagte Land streiten darüber, ob die Anordnung des beklagten Landes, wonach die Arbeitszeit des Klägers montags bis donnerstags von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr und freitags von 7.30 Uhr bis 15.50 Uhr dauert, rechtswirksam ist.
Der Kläger ist seit dem 1. November 1974 als technischer Angestellter in der Fachhochschule K… beim beklagten Land beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ÖTV. Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet auf das Arbeitsverhältnis der BAT in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Bis 31. März 1989 betrug die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 40 Stunden und war wie folgt verteilt:
montags bis freitags von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr; die Mittagspause von 30 Minuten wurde je nach Arbeitsanfall in der Zeit zwischen 12.00 Uhr und 14.00 Uhr genommen.
Ab 1. April 1989 wurde die wöchentliche Arbeitszeit tarifvertraglich auf 39 Stunden verkürzt und mit Wirkung vom 1. April 1990 weiter auf 38,5 Stunden. Im Hinblick auf die für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst geltende Arbeitszeitregelung traf das Land Baden-Württemberg in der Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der baden-württembergischen Arbeitszeitverordnung vom 12. Dezember 1988 (GBl. 1989 S. 1) eine entsprechende Regelung zur Verkürzung der Arbeitszeit für Beamte und Richter des Landes Baden-Württemberg. Die Verordnung normiert in ihrer ab 1. April 1990 geltenden Fassung in § 3 Abs. 1 Satz 2, daß in Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit dadurch erreicht wird, daß die tägliche Mittagspause von bisher 30 Minuten auf zunächst 40 und dann 45 Minuten verlängert wird und gemäß § 4 Abs. 1 AZVO Baden-Württemberg die Arbeitszeit am Freitag um 15.50 Uhr und ab 1. April 1990 um 15.45 Uhr endet. Gleichzeitig gab das Finanzministerium folgenden Beschluß der Landesregierung über die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst vom 12. Dezember 1988 bekannt:
- “
- Die Arbeitszeit bei den Gerichten, Verwaltungen und Betrieben des Landes richtet sich nach den Vorschriften der Verordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit der Beamten und Richter des Landes (Arbeitszeitverordnung – AZVO) in der Fassung vom 31. Januar 1979 (GBl. S. 87), zuletzt geändert durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung vom 12. Dezember 1988 (GBl. 1989 S. 1). Die Arbeitszeitverordnung gilt unbeschadet der tariflichen Bestimmungen für die Angestellten und Arbeiter des Landes entsprechend.
- Die Anordnung der Landesregierung vom 18. Dezember 1978 (GABl. 1979 S. 43) wird aufgehoben.”
Diesen Beschluß teilte der leitende Verwaltungsbeamte der Fachhochschule mit Schreiben vom 21. März 1989 allen Mitarbeitern wie folgt mit:
“…
Von der Landesregierung Baden-Württemberg wurde die Umsetzung dieser Arbeitszeitverkürzung dahingehend vorgenommen, daß die Arbeitszeit im Landesbereich ab 01.04.1989 wie folgt geregelt wird:
Montag bis Donnerstag |
7.30 Uhr bis 16.00 Uhr |
Freitag |
7.30 Uhr bis 15.50 Uhr, |
jeweils unterbrochen von einer 40minütigen Mittagspause. |
Ungeachtet der Proteste gegen die vorstehende Regelung seitens der Gewerkschaften ist diese Arbeitszeit ab kommenden Monat gültig. Es wird gebeten, diese neue Dienstzeitregelung zu beachten.”
An dieser zeitlichen Festlegung der Arbeitszeit haben weder der örtliche Personalrat noch der Hauptpersonalrat mitgewirkt. Der Kläger hält die Arbeitszeit- und Pausenregelung für unverbindlich, da die Personalvertretung an ihr nicht mitgewirkt habe.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß die Anordnung des beklagten Landes, wonach die Arbeitszeit des Klägers montags bis donnerstags von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr und freitags von 7.30 Uhr bis 15.50 Uhr dauert, rechtsunwirksam ist;
- festzustellen, daß der Kläger nicht verpflichtet ist, eine Mittagspause einzuhalten, die länger als 30 Minuten ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat es vorgetragen, mit der Anordnung über die Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung habe es von seinem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. Hierzu sei es aufgrund von Art. 70 Abs. 2 in Verb. mit Art. 49 Abs. 2 der Landesverfassung ermächtigt. Die Einrichtung der Behörden und damit auch die Ordnung der inneren Verhältnisse, zu der auch die Arbeitszeit gehöre, sei Sache der Landesregierung. Die Frage der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst sei zudem eine Frage von grundsätzlicher und weittragender Bedeutung, weshalb die Landesregierung diese Frage an sich ziehen könne. Auf der Ebene der Landesregierung gebe es keine Mitbestimmung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist nicht begründet, da die Anordnung der Landesregierung rechtsunwirksam ist.
I.1. Nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 LPVG Baden-Württemberg (LPVG) hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Die tarifliche Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit mit Wirkung ab 1. April 1989 und 1. April 1990 macht eine neue Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit bzw. der Pausen bzw. eine andere Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage erforderlich. Dementsprechend liegt eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit vor. Da der Tarifvertrag selber die Umsetzung der Verkürzung der Arbeitszeit nicht regelt, schließt ein Tarifvorrang die Mitbestimmung nicht aus. Ebenso stellt die Anordnung der Landesregierung keine gesetzliche Regelung dar, die das Mitbestimmungsrecht ausschließen könnte, da nach eigenem Vortrag des beklagten Landes dieses von seinem privatrechtlichen Direktionsrecht gegenüber den bei ihm beschäftigten Arbeitern und Angestellten Gebrauch machen wollte.
2.a) Dem beklagten Land ist darin zu folgen, daß es sich bei der Arbeitszeitanordnung nicht um eine Anweisung an seine Dienststellen handelt, in bestimmter Weise mit den jeweiligen Personalräten eine Regelung zu treffen, sondern daß die Landesregierung mit unmittelbarer Wirkung für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst eine Arbeitszeitregelung treffen wollte. Hierfür spricht schon die Überschrift der Bekanntmachung des Finanzministeriums: “Anordnung der Landesregierung über die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst”. Das entspricht auch dem Willen des Finanzministeriums. Da dem Finanzministerium offenkundig die Kompetenz fehlt (Art. 49 Abs. 1 Satz 4 LVerf Baden-Württemberg – LVerf – i.V.m. § 5 LVG) Arbeitszeitregelungen für die übrigen Ressorts zu treffen, kann nicht angenommen werden, daß es dennoch die für die Bediensteten aller Ressorts gedachte Mittagspausenregelung als eigene Entscheidung gewollt hat (ebenso Schenke, Die Verfassungswidrigkeit der baden-württembergischen “Mittagspausenregelung”, Die Personalvertretung 1990, 155). Hat aber das in Tarifangelegenheiten federführende Finanzministerium die Anordnung der Landesregierung nur bekanntgegeben, kann diese über den technischen Vorgang der Veröffentlichung hinaus nicht als Ressortentscheidung des Finanzministeriums in der Sache gewertet werden.
b) Daran ändert entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Beschluß vom 6. September 1989 – PVS 10/89 –) nichts, daß nach den in der Anordnung in Bezug genommenen § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 der baden-württembergischen AZVO nach den örtlichen oder dienstlichen Verhältnissen oder aus persönlichen Gründen eine von der getroffenen Anordnung abweichende Mittagspausenregelung durch eine Dienststelle oder einen Betrieb ausnahmsweise getroffen werden kann. Solange dies nicht geschieht, hat die einzelne Dienststelle keine nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 LPVG mitbestimmungspflichtige Entscheidung getroffen, es bleibt also bei der Anordnung der Landesregierung. Diese Auffassung steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 1981 (– 6 P 35.79 – Buchholz 238.38 § 60 PersVG Rheinland-Pfalz Nr. 1). Denn diese Entscheidung betraf einen Fall, bei dem die Dienststelle eine Maßnahme beabsichtigte, die auf einer Anweisung ihrer vorgesetzten weisungsbefugten Dienststelle beruhte. In diesem Falle stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, daß die Existenz einer Weisung nichts daran ändert, daß eine von der angewiesenen Dienststelle getroffene Maßnahme der Mitbestimmung der dort etablierten Personalvertretung unterfällt. Eben das trifft aber dann nicht zu, wenn – wie hier geschehen – die Dienststelle keine eigene Entscheidung trifft, sondern nur die Entscheidung eines anderen staatlichen Organs weitervermittelt (so auch Beschluß des BVerwG vom 22. Februar 1991 – 6 PB 8.90 – n.v. in einer Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg betreffend eben diese “Mittagspausenregelung”).
Liegt aber eine Anordnung der Landesregierung und nicht des Finanzministeriums über die Arbeitszeit für Arbeiter und Angestellte vor, dann ist diese grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig, da nach § 85 Abs. 1 LPVG der Personalrat prinzipiell nur an den Maßnahmen zu beteiligen ist, die die Dienststelle, bei der er gebildet ist, für ihre Beschäftigten trifft und bei der Landesregierung ein Personalrat nach dem LPVG nicht zu bilden ist und nicht besteht (§ 55 Abs. 1 LPVG).
II. Die Anordnung der Landesregierung ist aber rechtsunwirksam, da die Landesregierung für die Regelung der Arbeitszeit einschließlich der Pausen von Angestellten und Arbeitern nicht zuständig ist und diese Regelung sich als Umgehung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats erweist.
1. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ergibt sich die Zuständigkeit nicht aus § 70 Abs. 2 LVerf, wonach die Einrichtung der staatlichen Behörden im einzelnen der Regierung obliegt, aufgrund der von ihr erteilten Ermächtigung den Ministern. Der Begriff der “Einrichtung der Behörden” wird sowohl im Grundgesetz wie in Landesverfassungen gebraucht. Nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln die Länder die Einrichtung der Behörden als eigene Angelegenheit, wenn sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen; nach Art. 85 Abs. 1 GG bleibt die Einrichtung der Behörden auch dann Angelegenheit der Länder, wenn diese die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes ausführen. Bei der Behördeneinrichtung im Sinne von Art. 84, 85 GG handelt es sich nur um einen Ausschnitt aus der Organisationsgewalt (Maunz/Dürig, GG, Stand September 1991, Art. 84 Rz 13). Zur Einrichtung der Behörde gehören alle Maßnahmen, die deren inneres Gefüge betreffen, “z.B. die Frage kollegialer oder hierarchischer Gestaltungen, die Mitwirkung ehrenamtlich tätiger Staatsbürger …, also die Einrichtung der Behörden in organisatorischer und personeller Hinsicht” (Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 7. Aufl., Art. 84 Rz 6). Die Einrichtung der Behörde wird in einem Gesetz nicht nur geregelt, wenn es eine neue Behörde schafft, sondern auch, wenn es deren näheren Aufgabenkreis festlegt, dagegen gehört nicht zur Einrichtung eine Regelung, die bloß eine mittelbare Wirkung auf ihre Tätigkeit entfaltet (Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 6. Aufl., Stand April 1992, Art. 84 Rz 26). Dementsprechend gehört die Regelung des Dienstrechts nicht zur Einrichtung der Behörde.
Das gilt in gleichem Maße für die Landesverfassungen. Entsprechende Regelungen wie in der baden-württembergischen Landesverfassung finden sich in Art. 77 Satz 2 Verf NW und Art. 77 Abs. 1 Satz 2 Bayerische Verfassung. Auch hier wird unter Einrichtung einer Behörde deren tatsächliche Bildung und Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln verstanden, genauso wie dies für Art. 70 Abs. 2 LVerf (Baden-Württemberg) gilt (Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1987, Art. 70 Rz 6). Dementsprechend gehört eine Arbeitszeitregelung nicht zur Einrichtung einer Behörde. Auch dort, wo von einem etwas weiteren Begriff der Einrichtung der Behörde ausgegangen wird, wie etwa in der Bayerischen Verordnung über die Einrichtung der staatlichen Behörden vom 31. März 1954 (Bay RS 200-1-S), fällt eine Regelung der Arbeitszeit nicht hierunter. Nach der genannten bayerischen Verordnung wird von dem Begriff der Einrichtung der Behörden die “Errichtung und Aufhebung, die Vergrößerung und Verkleinerung, die Zusammenlegung und Teilung von Behörden, die Bestimmung ihres Sitzes, die Abgrenzung ihrer Amtsbezirke, die Ordnung ihrer inneren Verhältnisse sowie ihres Verhältnisses zu vorgesetzten, gleichrangigen und nachgeordneten Behörden” erfaßt. Die Einrichtung bezieht sich also auch hier nur auf die Organisation der Behörde, während die Arbeitszeitgestaltung für die Arbeitnehmer Teil des Dienstrechtes ist. Zwischen diesem und dem Organisationsrecht wird aber streng unterschieden. Dementsprechend wird – soweit ersichtlich – in der Literatur übereinstimmend die Ansicht vertreten, daß das Dienstrecht der Beamten und Angestellten nicht unter den Begriff der Einrichtung der Behörden im einzelnen zu subsumieren ist (Feuchte, aaO, Art. 70 Rz 6, 17; Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., Art. 77 Anm. 5d und e; Schenke, Die Personalvertretung 1990, 155, 158). Schenke (aaO) meint zudem, Art. 70 Abs. 2 LVerf könne die Zuständigkeit für das Dienstrecht schon deshalb nicht entnommen werden, weil nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 LVerf innerhalb der Richtlinien der Politik jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig unter eigener Verantwortung leitet. Diese Ressortkompetenz würde über Gebühr und nicht mehr nachkontrollierbar eingeschränkt, wenn Art. 70 Abs. 2 LVerf, der sich nur mit der Einrichtung der Behörden befaßt, eine Zuständigkeit der Landesregierung für das Dienstrecht entnommen würde.
2. Entgegen der Auffassung der Landesregierung des beklagten Landes ergibt sich die Zuständigkeit für die Arbeitszeitregelung auch nicht aus Art. 70 Abs. 2 in Verb. mit Art. 49 Abs. 2 LVerf. Nach Art. 49 Abs. 2 LVerf entscheidet die Regierung u.a. über Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung. Könnte Art. 70 Abs. 2 LVerf, wonach die Einrichtung der staatlichen Behörden im einzelnen der Regierung obliegt, zugleich die Kompetenz zum Erlaß von Regelungen für die Arbeitszeit entnommen werden, wäre dies eine umfassende Zuständigkeit; nicht nur bei grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung könnte die Landesregierung dienstrechtliche Fragen regeln.
Aber auch Art. 49 Abs. 2 LVerf kann eine Zuständigkeit der Landesregierung nicht entnommen werden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung sich im zweiten Hauptteil der Landesverfassung befindet, die unter der Überschrift “Vom Staat und seinen Ordnungen” die Organisation des Staates und hierbei insbesondere die einzelnen Träger der Staatsgewalt und ihr Verhältnis zueinander regelt. Die Verfassung behandelt demgemäß, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, in den einzelnen Abschnitten den Landtag, die Regierung, die Gesetzgebung, die Rechtspflege und die Verwaltung, aber nicht das Verhältnis von Regierung zu Verwaltung. In dem Abschnitt über die Regierung grenzt Art. 49 LVerf die Kompetenzen des Ministerpräsidenten, der einzelnen Minister und der Regierung (Ministerrat) gegeneinander ab. Art. 49 Abs. 2 LVerf bestimmt in diesem Zusammenhang lediglich die Gegenstände, über die die Regierung beschließt, nicht aber der Ministerpräsident oder die einzelnen Fachminister. Sie normiert – wie das Landesarbeitsgericht formuliert – die horizontale Kompetenzverteilung unter den obersten Landesbehörden. Art. 49 Abs. 1 und 2 LVerf haben nur Bedeutung für die interne Kompetenzverteilung zwischen Ministerpräsident, Landesregierung und Fachminister. Hierfür spricht auch Art. 49 Abs. 1 Satz 4 LVerf, wonach jeder Minister innerhalb der Richtlinien der Politik seinen Geschäftsbereich selbständig unter eigener Verantwortung regelt. Zu der Ressortleitungskompetenz zählt aber auch die Bestimmung der Arbeitszeit der Bediensteten des Ressorts. Selbst die durch den Ministerpräsidenten erlassenen Richtlinien der Politik binden nur den einzelnen Minister. Sie ermöglichen aber dem Ministerpräsidenten nicht, an dem zuständigen Ressortminister vorbei unmittelbar in dessen Geschäftsbereich einzugreifen (ebenso Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 49 Rz 9 und Schenke, aaO, S. 160). Regelt Art. 49 LVerf nur die interne Aufgabenverteilung zwischen Ministerpräsident, Regierung und Fachministern, so liegt es nahe, Art. 49 Abs. 2 LVerf, wonach die Regierung über Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung entscheidet, auch nur eine Bedeutung für die Aufgabenverteilung zwischen Ministerpräsident, Landesregierung und Fachministern zu geben (Art. 49 LVerf entspricht im wesentlichen Art. 65 GG, der seinerseits die Stellung von Bundeskanzler, Bundesministern und Bundesregierung regelt). Fragen von grundsätzlicher oder weittragender Bedeutung sind danach die wesentlichen Angelegenheiten im Verhältnis zwischen Ministerpräsident, Ministern und Regierung; sie reichen vom Bund-Länder-Verhältnis über die Regierungskoordination bis zur Konfliktbeilegung (Feuchte, aaO, Art. 49 Rz 15). Zu ihnen gehört aber keinesfalls die Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung in den einzelnen Dienststellen.
Bei dieser insbesondere auf dem Normzusammenhang beruhenden Auslegung von Art. 49 LVerf (Stellung des Ministerpräsidenten, der Regierung und der Minister) erklärt sich, weshalb bei der Landesregierung keine Personalvertretung eingesetzt ist: Da die Landesregierung gerade keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit in personalvertretungsrechtlich relevante Materien hat, war es überflüssig, bei ihr eine Personalvertretung einzurichten. Gegen diese Ansicht spricht nicht, daß ein Gesetzentwurf der Landtagsfraktion der SPD vom 5. November 1981 abgelehnt wurde, nach dem § 85 Abs. 5 LPVG dahin geändert werden sollte, daß “soweit ein oder mehrere Ministerien, die Landesregierung oder der Ministerpräsident Maßnahmen für Beschäftigte des Geschäftsbereiches einer anderen obersten Dienstbehörde als des Staatsministeriums trifft, die der Beteiligung der Personalvertretung unterliegen, … die zuständige Personalvertretung beim Vorschlag der obersten Dienstbehörde an den Ministerpräsidenten beteiligt” wird. Dieser Änderungsvorschlag wurde nämlich nicht damit begründet, daß die Landesregierung Personalangelegenheiten regele, sondern damit, daß Finanz- und Innenministerium in Personalsachen auch für andere Ressorts tätig werden und dann nicht der richtige Personalrat beteiligt sei (Landtags-Drucks. 8/3145, Sten.Berichte 8. Wahlperiode, 55. Sitzung, S. 4307). Interpretiert man Art. 49 Abs. 2 LVerf wie die Landesregierung, kommt man zu dem widersprüchlichen Ergebnis, daß nach § 79 LPVG zwar die Personalräte in den dort aufgeführten Angelegenheiten echte Mitbestimmungsrechte haben, diese aber jeweils von der Landesregierung “kassiert” werden könnten, indem diese auf eine grundsätzliche oder weittragende Bedeutung verweist. Es läßt sich nämlich kaum eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit vorstellen, bei der eine solche Begründung nicht möglich wäre. Die Revision weist denn auch darauf hin, die Landesregierung habe eine “Einschätzungsprärogative”, so daß ihre Entscheidung über die grundsätzliche oder weittragende Bedeutung von den Gerichten nur beschränkt nachprüfbar sei.
3. Die Kompetenz der Landesregierung für die “Mittagspausenregelung” läßt sich auch nicht Art. 69 LVerf entnehmen, wonach die Verwaltung durch die Regierung, die ihr unterstellten Behörden und durch die Träger der Selbstverwaltung ausgeübt wird. Art. 69 LVerf regelt nur grundsätzlich, wer Träger der öffentlichen Verwaltung ist. Aus ihm ergibt sich keine Kompetenzverteilung, diese ergibt sich aus Art. 70 bis 77 LVerf. Dem Art. 70 LVerf kann aber – wie oben dargelegt – eine Zuständigkeit der Landesregierung für dienstrechtliche Maßnahmen nicht entnommen werden.
4. Die Kompetenz der Landesregierung für die “Mittagspausenregelung” läßt sich entgegen der Ansicht des beklagten Landes auch nicht einer auf § 90 Abs. 1 Satz 1 LBG in Verb. mit § 8 LRiG gestützten Annex-Zuständigkeit entnehmen. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 LBG, auf den § 8 LRiG verweist, wird von der Landesregierung die regelmäßige Arbeitszeit der Landesbeamten durch Rechtsverordnung festgesetzt, nämlich in der AZVO. Der Wortlaut des § 90 LBG ist eindeutig. Er gibt nur eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen für die Regelung der Arbeitszeit von Landesbeamten, nicht aber für Angestellte und Arbeiter.
5. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, eine Zuständigkeit der Landesregierung für die “Mittagspausenregelung” lasse sich nicht § 13 Abs. 2 AZO entnehmen. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit diese vorkonstitutionelle Norm in Baden-Württemberg weitergilt. Nach § 13 Abs. 2 AZO gelten unter bestimmten Voraussetzungen die für Beamte gültigen Dienstvorschriften über die Arbeitszeit auch für Angestellte, nicht jedoch für Arbeiter. Die Landesregierung hat aber die “Pausenregelung” für Beamte auf Angestellte und Arbeiter übertragen wollen, um auf diese Weise das Mitbestimmungsrecht des Personalrats zu umgehen. Zudem regelt § 13 Abs. 2 AZO die Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit, diese ist aber in den §§ 15 bis 17 BAT für die Angestellten geregelt, der für die Angestellten kraft Tarifbindung oder infolge der Bezugnahme im Arbeitsvertrag gilt. Daher ist die Anwendung von § 13 AZO kraft Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen (BAG Urteil vom 3. Oktober 1969, BAGE 22, 144 = AP Nr. 12 zu § 15 AZO, mit Anm. Söllner; Denecke/Neumann/Biebl, AZO, 11. Aufl., § 13 Rz 14). Schließlich beseitigt § 13 Abs. 2 AZO nur die öffentlich-rechtlichen Schranken der Arbeitszeitordnung für Angestellte, die von Körperschaften des öffentlichen Rechts gemeinsam mit Beamten beschäftigt werden, so daß z.B. die tägliche Arbeitszeit ohne Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes auf mehr als zehn Stunden verlängert werden kann. Ob eine Verpflichtung zu einer anderweitigen, insbesondere verlängerten Arbeitszeit besteht, ergibt sich aus dem Einzelvertrag, einer Dienstvereinbarung oder dem Tarifvertrag. § 13 Abs. 2 AZO gibt der Landesregierung nicht die Vollmacht, die Arbeitszeit der Arbeiter und Angestellten inhaltlich zu regeln. Ebensowenig setzt § 13 Abs. 2 AZO Mitbestimmungsrechte nach den Landespersonalvertretungsgesetzen außer Kraft. Das beklagte Land, das sich auf das privatrechtliche Direktionsrecht der Landesregierung gegenüber allen beim beklagten Land beschäftigten Arbeitnehmern beruft, hat sich auch selbst nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 13 Abs. 2 AZO berufen.
III. Selbst wenn die Regierung des beklagten Landes für die Ausübung des Direktionsrechts zur Arbeitszeitgestaltung zuständig gewesen wäre, hätte die “Mittagspausenregelung” keinen Bestand gehabt. Der Arbeitgeber muß bei der Ausübung seines Direktionsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB die Grundsätze billigen Ermessens wahren (BAG Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAGE 33, 71, 75 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu III 1 der Gründe; BAGE 12, 311, 319 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Urlaub und Kur, zu III 2c der Gründe). Eine Leistungsbestimmung – hier die Arbeitszeitanordnung – entspricht billigem Ermessen, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat (BAG Urteil vom 25. Oktober 1989, aaO, zu II 2b, aa der Gründe; BAGE 47, 238, 249 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe). Ob das geschehen ist, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Diese ergibt vorliegend, daß die Regierung des beklagten Landes versucht hat, das Interesse des beklagten Landes einseitig durchzusetzen, ohne ausreichend auf das Interesse der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen, nämlich die Arbeitszeitverkürzung zu einer Vergrößerung des Anteils an Freizeit zu nutzen, die der Arbeitnehmer selber gestalten kann, sei es, daß Beginn oder/und Ende der täglichen Arbeitszeit sich verschieben oder die Arbeitnehmer zusätzliche freie Tage erhalten. Dementsprechend widerspricht die “Mittagspausenregelung” dem Grundsatz der Billigkeit (§ 315 Abs. 1 BGB).
War die Landesregierung nicht befugt, durch Ausübung des Direktionsrechts die Arbeitszeit für die beim beklagten Land beschäftigten Arbeitnehmer zu regeln und entspricht zusätzlich die von ihm getroffene Regelung nicht der Billigkeit, so haben die Vorinstanzen zu Recht der Klage stattgegeben. Daher war die Revision des beklagten Landes mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Kissel, Bitter, Dr. Weller, Koerner, Dr. Schmidt
Fundstellen
Haufe-Index 846727 |
NZA 1992, 979 |