Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung für die auf die Deutsche Bahn AG übergeleiteten Arbeitnehmer. Erwerbsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Teilweise Parallelsache zu dem Senatsurteil vom 16. September 1997 – 9 AZR 532/96 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1996 – 11 Sa 48/96 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Urlaubsabgeltung zu zahlen.
Der seinerzeit tarifgebundene Kläger nahm im April 1974 eine Beschäftigung als Arbeiter bei der Deutschen Bundesbahn auf. Nach Art. 2 § 14 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens ist das Arbeitsverhältnis im Januar 1994 auf die Beklagte übergeleitet worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger in der Nachrichtenmeisterei beschäftigt. Am 15. November 1994 erkrankte er so schwer, daß seine Arbeitsfähigkeit nicht wiederhergestellt worden ist. Das Arbeitsverhältnis wurde nach Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zum 15. März 1995 beendet. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses weigerte sich die Beklagte, den Restanspruch auf neun Urlaubstage aus dem Jahr 1994 abzugelten. Nach vergeblicher Mahnung am 19. Mai 1995 und 14. September 1995 hat der Kläger mit der am 19. Dezember 1995 erhobenen Klage die Abgeltung gerichtlich geltend gemacht.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 1.638,48 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag ab 20. Mai 1995 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
1. Der im Jahr 1994 entstandene und von der Beklagten nicht vollständig erfüllte tarifliche Urlaubsanspruch ist nach der zwischen den beiderseits tarifgebundenen Parteien geltenden Bestimmung des § 10 Abs. 15 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn AG vom 27. Dezember 1993 (MW) „wegen Arbeitsunfähigkeit … bis spätestens 30.06. des folgenden Kalenderjahres” übertragen worden. Nach der hier anwendbaren gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 BurlG (vgl. BAG Urteil vom 16. September 1997 – 9 AZR 532/96 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn) ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. März 1995 ein Abgeltungsanspruch des Klägers für den Resturlaub entstanden. Dieser Anspruch ist jedoch wegen der bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers erloschen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entsteht nämlich der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch nicht als Abfindungsanspruch, sondern als Ersatz für die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht. Er ist daher – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Freistellungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1993 – 9 AZR 683/92 – BAGE 75, 171 = AP Nr. 15 zu § 7 BurlG; vom 3. Mai 1994 – 9 AZR 522/92 – AP Nr. 64 zu § 7 BurlG Abgeltung; vom 9. August 1994 – 9 AZR 346/92 – EzA § 7 BurlG Abgeltung Nr. 95). Der Abgeltungsanspruch erlischt deshalb mit dem Ende des Übertragungszeitraums, wenn ein Freistellungsanspruch bei Fortdauer des Arbeitsverhältnisses nicht hätte erfüllt werden können (vgl. BAG Urteil vom 3. Mai 1994 – 9 AZR 522/92 –, a.a.O.). Da nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Kläger bis zu dem „30.06 des folgenden Kalenderjahres”, bis zu dem nach § 10 Abs. 15 MTV der übertragene Urlaub „spätestens … abzuwickeln” war, nicht wieder arbeitsfähig geworden ist, ist der Abgeltungsanspruch mit Ablauf des 30. Juni 1995 untergegangen.
2. Der Kläger kann die Abgeltung auch nicht wegen der in dem Tarifvertrag über die Sicherung der Einkommen und Arbeitsbedingungen für die zur Deutschen Bahn AG übergeleiteten Arbeitnehmer (ÜTV) vom 23. Dezember 1993 geregelten Besitzstandswahrung beanspruchen.
Nach § 11 ÜTV richtet sich der Abgeltungsanspruch eines Arbeiters, der bereits vor Inkrafttreten des MTV zum 1. Januar 1994 beschäftigt worden ist, nach den tariflichen Bestimmungen des bis zum 31. Dezember 1993 gültigen Tarifvertrages für die Arbeitnehmer der Deutschen Bahn (LTV), soweit dort ein „über den nach § 10 Abs. 2 oder Abs. 3 MTV hinaus gehender Anspruch auf Erholungsurlaub” bestimmt war. Entgegen der Ansicht der Revision enthält § 11 ÜTV keine Besitzstandswahrung für eine gegenüber § 7 Abs. 4 BurlG günstigere Regelung in dem bis zum 31. Dezember 1993 geltenden LTV. Zwar ist in § 28 d Abs. 2 Ziff. 1 a Satz 2 und 3 LTV geregelt: „Soweit der Urlaub nicht gewährt werden kann oder die Kündigungsfrist nicht ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Entsprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsvertrag oder wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit endet …”. Nach dem Senatsurteil vom 16. September 1997 (– 9 AZR 532/96 – a.a.O.) bezieht sich die Besitzstandswahrung in § 11 ÜTV aber nicht auf diese tarifliche Sonderregelung über die erweiterte Abgeltung von Urlaubsansprüchen bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, sondern ausschließlich auf die Erhaltung der bisherigen Urlaubsdauer gegenüber der in § 10 Abs. 2 und 3 MTV getroffenen Neuregelung.
3. Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch für die verfallene Urlaubsabgeltung. Er hat nicht dargelegt, daß er vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit 1994 Urlaub verlangt hat und die Beklagte sich bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Schuldnerverzug befunden hat.
II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Bott, R. Schmidt, H. Kranzusch
Fundstellen