Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlungsgrundsatz im Konzern
Orientierungssatz
1. Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht für eine konzernweite Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgesprochen.
2. Es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 28.02.1986; Aktenzeichen 6/10 Sa 822/85) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.03.1985; Aktenzeichen 11 Ca 504/83) |
Tatbestand
Die Kläger fordern von der Beklagten ab 1. Januar 1981 die Zahlung einer widerruflichen außertariflichen Zulage von 400,-- DM brutto monatlich wie sie die Gruppenleiter der Konzerntochter C Fluggesellschaft erhalten.
Die Kläger sind Divisionschefs bei der beklagten Fluggesellschaft. Sie sind jeweils Vorgesetzte einer Gruppe von etwa 180 Flugbegleitern und Pursern und haben diese Gruppe mit dem Ziel zu führen, für eine vorbildliche Betreuung der Passagiere zu sorgen.
Bei der C-Fluggesellschaft - einer 100 %igen Tochtergesellschaft der Beklagten - sind für diese Aufgabe Gruppenleiter eingesetzt.
Die Kläger und die Gruppenleiter der C-Fluggesellschaft - mit denen die Kläger sich vergleichen - erhalten mit Ausnahme einer außertariflichen Zulage von 400,-- DM brutto monatlich ein Gehalt mit denselben Vergütungsbestandteilen. Das Gehalt der Gruppenleiter von monatlich etwa 6.395,-- DM setzt sich aus einem tariflich geregelten Grundgehalt, einer tariflich geregelten Flug- oder Schichtzulage sowie aus einer außertariflichen Führungszulage von 500,-- DM und einer außertariflichen Trainingspurserzulage von 550,-- DM sowie einer außertariflichen Administrationszulage von 250,-- DM zusammen. Die Kläger beanspruchen die den Gruppenleitern der C-Fluggesellschaft ab 1. Januar 1981 darüber hinaus gewährte widerrufliche außertarifliche Zulage von 400,-- DM unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.
Die Kläger haben hierzu ausgeführt, sie hätten dieselben Anforderungen zu erfüllen wie die Gruppenleiter der C-Fluggesellschaft und hätten eine gleichartige Tätigkeit auszuführen sowie mindestens dieselbe Verantwortung zu tragen.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an jeden
der Kläger einen Betrag in Höhe von
13.200,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen
seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte zu verurteilen, ab dem
1. Oktober 1983 jedem der Kläger eine
widerrufliche Zulage in Höhe von
400,-- DM brutto monatlich zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu geltend gemacht, der Gleichbehandlungsgrundsatz könne nicht konzernweit gelten, sondern sei nur innerhalb eines Betriebs anzuwenden. Außerdem bestünden erhebliche Unterschiede in der Vielfalt der Aufgaben und dem Verantwortungsgrad der Kläger einerseits und der Gruppenleiter bei der C-Fluggesellschaft andererseits.
Das Arbeitsgericht hat die Klage von 26 Divisionschefs abgewiesen. Davon haben sechs Divisionschefs erfolglos Berufung eingelegt. Vier Kläger verfolgen ihr Klageziel mit der Revision weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind nicht begründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine außertarifliche Zulage von 400,-- DM wie sie die Gruppenleiter der C-Fluggesellschaft erhalten. Ein arbeitsvertraglicher Anspruch hierauf besteht nicht. Ebensowenig können die Kläger ihre Forderung aus einem Tarifvertrag herleiten, denn es handelt sich um eine außertarifliche Zulage. Das verkennen sie nicht, aber sie meinen, sie könnten ihre Forderung auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes stützen.
I. Die Forderung der Kläger läßt sich mit der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur begründen, wenn er konzernweit gilt, denn die Gruppenleiter der C-Fluggesellschaft - mit denen sich die Kläger vergleichen - sind Arbeitnehmer einer Konzern-Tochtergesellschaft der Beklagten. Die Arbeitnehmer der Beklagten und der C-Fluggesellschaft gehören auch nicht im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne einem einheitlichen Betrieb an, wie das Berufungsgericht in tatsächlicher Hinsicht unangegriffen festgestellt hat. Die Beklagte und die C-Fluggesellschaft haben unterschiedliche Betriebsführungsstrukturen und eigene Betriebsräte.
Das Berufungsgericht ist allerdings der Auffassung, der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte über den einzelnen Betrieb und das Unternehmen hinaus im Konzern dann, wenn die Konzernobergesellschaft über ihren eigenen Gesellschaftsbereich hinausgehende Rahmenregelungen vorgebe. In der Rechtswissenschaft wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß der Gleichbehandlungsgrundsatz unter bestimmten Voraussetzungen auf den Konzernbereich ausgedehnt werden könne. Hierfür sei allerdings eine zentralistische Regelung der in den verschiedenen Konzerngesellschaften bestehenden Arbeitsverhältnisse Voraussetzung (Martens, Grundlagen des Konzernarbeitsrechts in ZGR 1984, 417, 439) oder es wird abgestellt auf ein "Höchstmaß konzernpolitischer Einflußnahme auf das konzernabhängige Unternehmen" (Martens, aaO, 442). Konzen tritt in seiner Untersuchung "Arbeitnehmerschutz im Konzern" (RdA 1984, 66, 87) dafür ein, den Gleichbehandlungsgrundsatz im Bereich der Sozialleistungen im Konzern anzuwenden, sofern die Konzernspitze die Leistungen aus dem Konzernvermögen gewährt.
Demgegenüber hat die Rechtsprechung sich bisher nicht für eine konzernweite Ausdehnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgesprochen. Zwar findet der Gleichbehandlungsgrundsatz unbestritten innerhalb eines Betriebes Anwendung (BAGE 33, 57, 59 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 1 der Gründe). In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es bisher aber dahingestellt geblieben, ob und in welchen Fällen es einen überbetrieblichen Gleichbehandlungsgrundsatz gibt (BAG Urteil vom 5. März 1980 - 5 AZR 46/78 - AP Nr. 43 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 der Gründe). Gegen die konzernweite Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - sogar im Hinblick auf die auch in diesem Rechtsstreit zu beurteilenden Konzernverhältnisse - hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. August 1986 (- 4 AZR 272/85 - DB 1987, 693, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) erhebliche Bedenken geltend gemacht.
In der vorbezeichneten Streitfrage braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen, weil selbst bei Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes über die Grenzen eines Betriebs und Unternehmens hinaus im Konzern die Klageforderung sich nicht mit einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes begründen läßt.
II.1.Nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat der Arbeitgeber bei kollektiven Maßnahmen gleiches nicht willkürlich ungleich zu behandeln; unterschiedliche Gestaltungen müssen durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Hiernach ist es dem Arbeitgeber verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und schlechter zu stellen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber weiter, bei freiwilligen Leistungen die Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen, daß kein Arbeitnehmer seines Betriebes hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt (BAGE 33, 57, 59 = AP, aaO, zu II 1 der Gründe). Allerdings ist das Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt, wenn der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer individuell begünstigt; andernfalls bliebe für die Vertragsfreiheit kein Raum mehr. Die Begünstigung muß dann aber auf der individualrechtlichen Ebene erfolgen. Verfährt der Arbeitgeber dagegen nach allgemeinen Maßstäben - gewährt er Leistungen nach einem erkennbar allgemeinen Prinzip - so ist die Grenze zum Kollektiven überschritten und müssen Differenzierungen sich am Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen.
2. Aus der außertariflichen Zulage selbst ergibt sich nicht, wofür sie gewährt wird oder von welchen Anforderungen sie im einzelnen abhängig ist. Unstreitig ist die Zulage den Gruppenleitern der C-Fluggesellschaft ohne Wissen und Wollen der Konzernobergesellschaft gewährt worden. Unter diesen Umständen ist die Beklagte außerstande, bestimmte Abgrenzungsmerkmale darzulegen. Die Kläger gehen sogar davon aus, den Gruppenleitern der C sei die streitbefangene Zulage einst irrtümlich gewährt worden. Dann können sie diese Zulage aber erst recht nicht beanspruchen, weil es eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht gibt. Außerdem müssen die Kläger sich im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes entgegenhalten lassen, daß die Gruppenleiter der C einen größeren Verantwortungsbereich haben als sie selbst. Nach den unstreitigen und für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist bei der C-Fluggesellschaft die Führung des Kabinenpersonals und die Verantwortung für die Einrichtung der Kabine und für ihre technische Weiterentwicklung auf die Führungsebene der Gruppenleiter konzentriert, während sie sich bei der Beklagten auf zwei Führungsebenen - nämlich die Kläger und die ihnen vorgesetzten Abteilungsleiter - verteilt. Bereits diese unterschiedliche Führungsstruktur verbietet die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, auf den die Kläger ihre Forderung allein stützen können.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Stadler Buschmann
Fundstellen