Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohn und besondere Entschädigung bei Dienstreisen

 

Normenkette

MTV für Arbeiter des Bundes (MTB II) vom 27. Februar 1964 §§ 38-39

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 30.11.1988; Aktenzeichen 2 Sa 535/88)

ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 12.02.1988; Aktenzeichen 1 Ca 775/87)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 30. November 1988 – 2 Sa 535/88 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger wohnt in W.. Er ist im dortigen Marinearsenal beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes vom 27. Februar 1964 (MTB II) nebst den ihn ergänzenden und ändernden Regelungen Anwendung. Zu den Tätigkeiten des Klägers gehören Instandsetzungsarbeiten auf Schiffen und sonstigem schwimmenden Gerät der Bundeswehr, u.a. in Bremen-Lemwerder, Bremerhaven und Emden. Die Einsätze an diesen auswärtigen Arbeitsplätzen dauern in der Regel mehrere Tage, meist von montags bis freitags. Das Marinearsenal ordnet unabhängig von der Dauer des Beschäftigungsauftrags für Hin- und Rückfahrt jeweils nur eine Dienstreise an.

Der Kläger macht von der Möglichkeit auswärtiger Übernachtung keinen Gebrauch, sondern fährt wie seine Kollegen während der auswärtigen Arbeitseinsätze abends nach Hause zurück, um dort zu übernachten und am nächsten Morgen wieder zur auswärtigen Arbeitsstelle zu fahren. Der Kläger begehrt, ihm die Reisezeiten zu vergüten, die er für solche Heimfahrten (Zwischenfahrten) aufwendet. Er beruft sich auf Nr. 16 Abs. 1 Buchst. f SR 2 a MTB II. Dort heißt es:

„Soweit an einem Tage Reisezeit allein oder Reisezeit und Arbeitszeit zusammen die regelmäßige Arbeitszeit nicht überschreiten, wird die Reisezeit voll vergütet. Darüber hinaus wird der überschießende Teil der Reisezeit mit zwei Dritteln vergütet. In jedem Falle ist jedoch mindestens der für die regelmäßige Arbeitszeit zustehende Lohn zu zahlen. Als Reisezeit gilt diejenige Zeit, die der Arbeiter für den Weg zum auswärtigen Beschäftigungsort und von dort zur Arbeitsstelle und in gleicher Weise wieder zurück aufzuwenden hat. Zeitzuschläge (§ 27) werden nur für die tatsächliche Arbeitszeit gezahlt.”

Die Beklagte hat für die Zwischenfahrten den Arbeitern zunächst keine Leistungen gewährt. Später hat sie durch Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 6. Oktober 1980 mit Wirkung vom 1. Oktober 1980 bestimmt:

„Arbeiter des Marinearsenals, die während einer mehrtägigen auswärtigen Verwendung i. S. der Nr. 16 SR 2 a MTB II an ihren Wohnort zurückkehren, obwohl es ihnen nicht zuzumuten ist, erhalten bei Benutzung ihres eigenen Kfz für die Hin- und Rückfahrt Wegstreckenentschädigung (WE) in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BRKG – und ggf. Mitnahmeentschädigung nach § 6 Abs. 3 BRKG – höchstens jedoch 12,– DM für sich und jeden mitgenommenen Beschäftigten des Marinearsenals. Es werden jedoch keine höheren Kosten erstattet, als Fahrkosten für den Arbeiter und für die von ihm Mitgenommenen bei Benutzung regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel entstanden wären. Durch die Hin- und Rückfahrt während desselben Beschäftigungsauftrages wird die Ausbleibezeit nicht unterbrochen.

Diese Regelung gilt nicht für die Hinfahrt zu Beginn und die Rückfahrt am Ende des Beschäftigungsauftrages sowie bei Gestellung von Schlafgelegenheit.

Diese Regelung tritt am 01. Oktober in Kraft.”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nicht nur die erstmalige Fahrt zum auswärtigen Einsatzort und die Heimfahrt am Ende des Beschäftigungsauftrags, sondern auch die Zwischenfahrten seien ausschließlich durch seine dienstliche Verwendung veranlaßt und nicht seinem Privatbereich zuzuordnen. Der dienstliche Bezug dieser Fahrten ergebe sich auch daraus, daß Wegstreckenentschädigung gewährt und durch die Hin- und Rückfahrt während desselben Beschäftigungsauftrags die Ausbleibezeit nicht unterbrochen werde.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm bei mehrtägigen Auswärtsbeschäftigungen die Reisezeit für nicht dienstlich angeordnete tägliche Heimfahrten zwecks Übernachtung zu 2/3 zu vergüten.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Klageanspruch abgelehnt, weil er sich aus Nr. 16 Abs. 1 Buchst. f SR 2 a MTB II nicht herleiten lasse. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung könne zwar unter Reisezeit jede zur Durchführung einer Reise aufgewendete Zeit verstanden werden. Die Tarifregelung betreffe jedoch nur die für eine Dienstreise aufgewendete Zeit. Dies folge daraus, daß sie eine Abweichung von § 39 MTB II darstelle, wo der Lohnanspruch bei Dienstreisen geregelt sei. Reisezeit sei daher die Wegezeit, die der Arbeiter bedingt durch die Dienstreise aufwende. Bei den mehrtägigen Dienstreisen, die Gegenstand der Klage seien, ordne die Beklagte aber nur eine Hin- und eine Rückreise an. Die Zeiten, die die Arbeiter zwischendurch für die Heimfahrten während der Freizeit aufwendeten, seien nicht von der Anordnung erfaßt und damit nicht durch die Dienstreise bedingt. Auch Sinn und Zweck der Tarifnorm sprächen nicht für die Vergütungspflicht. Die Beklagte fordere weder die in den täglichen Heimfahrten liegende Leistung des Klägers noch spare sie auf diese Weise Kosten.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Zeiten, die der Kläger während eines mehrtägigen Beschäftigungsauftrags für die täglichen Heimfahrten aufwendet, keine Reisezeiten im Sinne von Nr. 16 Abs. 1 Buchst. f SR 2 a MTB II sind.

1. Bereits der Wortlaut dieser als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden Tarifnorm stützt die gegenteilige Auslegung des Klägers nicht. Die Bestimmung enthält in Satz 4 eine Definition des Begriffs „Reisezeit”. Danach gilt als Reisezeit die Zeit, die der Arbeiter für den Weg zum auswärtigen Beschäftigungsort und von dort zur Arbeitsstelle und in gleicher Weise wieder zurück aufzuwenden hat. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend angenommen hat, tritt der Kläger die Heimfahrten, die er während eines Beschäftigungsauftrags zwischendurch unternimmt, nicht an, um seine Arbeitsstelle zu erreichen, sondern, um dorthin zu gelangen, wo er übernachten möchte. Zur Erreichung seiner Arbeitsstelle und seines auswärtigen Beschäftigungsortes braucht der Kläger somit nicht die Zeiten dieser täglichen An- und Abfahrten aufzuwenden. Dafür genügt es vielmehr, daß er gemäß der Anordnung der Beklagten zu Beginn des Beschäftigungsauftrags zum Einsatzort reist und nach Beendigung des Beschäftigungsauftrags wieder zurückreist. Auch wirtschaftlich sind die täglichen Heimfahrten nicht erforderlich, weil der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Ausbleibezulage und, wenn er einen dahingehenden Antrag stellt, auf Erstattung der Übernachtungskosten hat (Nr. 16 Abs. 1 Buchst. a und b SR 2 a MTB II).

2. Die Auslegung der Tarifbestimmung unter Berücksichtigung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien führt zu keinem anderen Ergebnis.

a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auf den Sinnzusammenhang zwischen Nr. 16 SR 2 a MTB II und §§ 38, 39 MTB II abgestellt. Aus ihm ergibt sich, daß in Nr. 16 Abs. 1 Buchst. f SR 2 a MTB II die Arbeitsvergütung für die Zeit der „Dienstreise” geregelt ist. Der Begriff der Reisezeit in diesem Sinne bezeichnet die Wegezeit, die bedingt durch die Dienstreise aufgewendet wird (vgl. dazu auch BAGE 55, 185 = AP Nr. 10 zu § 46 BPersVG). Wird aber bei einer mehrtägigen Dienstreise nur eine Hin- und eine Rückreise angeordnet, sind alle weiteren Fahrten, die der Arbeitnehmer zwischendurch unternimmt, zur Erledigung des auswärtigen Dienstgeschäfts nicht erforderlich, jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, dem Arbeiter, der von der Möglichkeit zwischenzeitlicher Heimfahrt keinen Gebrauch macht, die tariflichen Entschädigungsansprüche nach Nr. 16 Abs. 1 Buchst. a und b SR 2 a MTB II zustehen. Die Zwischenfahrten sind somit ausschließlich dem Privatbereich des Arbeiters zuzuordnen.

b) Auch Sinn und Zweck der Tarifregelung sprechen gegen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Es erscheint nicht einsichtig, Arbeitern, die ihre Freizeit für Heimfahrten nutzen, neben der ungekürzten Ausbleibezulage einen Vergütungsanspruch zuzubilligen, während Arbeiter, die am auswärtigen Beschäftigungsort bleiben, diese oder eine vergleichbare Leistung nicht erhalten.

3. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem Verhalten der Beklagten nicht entnommen, diese habe die Zwischenfahrten als Dienstreisen angeordnet.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist dem Erlaß vom 6. Oktober 1980 eine dienstliche Veranlassung der täglichen Heimfahrten nicht zu entnehmen. Die Beklagte hat sich darin nur bereit erklärt, den Arbeitnehmern, die nach Hause fahren wollen, statt der ersparten Übernachtungskosten die Aufwendungen zu erstatten, die durch die täglichen Hin- und Rückfahrten entstehen. Wenn dies auch in Kenntnis und Billigung einer bei den Arbeitnehmern verbreiteten Übung geschehen sein mag, so fehlt es doch an einem Hinweis darauf, daß die Beklagte durch die Erlaßregelung eine weitergehende Verpflichtung eingegangen ist. Eine stillschweigende Anordnung der täglichen Heimfahrten als Dienstreisen kann in der Erlaßregelung somit nicht gesehen werden. Die Tatsache, daß den Arbeitern die Ausbleibezulage selbst dann in ungekürzter Höhe erhalten bleibt, wenn sie abends an ihren Wohnort zurückkehren, um dort zu übernachten, spricht vielmehr dafür, daß die Beklagte durch die Erlaßregelung keine weiteren tariflichen Ansprüche auslösen, sondern nur eine übertarifliche Leistung bestimmen wollte.

b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht schließlich die dienstliche Anordnung der Zwischenfahrten auch nicht daraus hergeleitet, daß die Beklagte mit der Regelung einen Kostenvorteil angestrebt hat.

Dem Kläger verbleibt neben der Wegstreckenentschädigung, die ihm für seine täglichen Heimfahrten nach dem Erlaß vom 6. Oktober 1980 übertariflich gezahlt wird, die Ausbleibezulage, die die Beklagte auch zahlen müßte, wenn der Kläger am auswärtigen Arbeitsort übernachten würde. Dies schließt es aus anzunehmen, die Zwischenfahrten seien zum Vorteil der Beklagten und damit dienstlich angeordnet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Dr. Sponer, Kose

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073456

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