Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
- Der Kündigungstatbestand in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 5 Ziff. 1 EV) setzt eine vorsätzliche erhebliche Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit voraus.
- Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit bestimmt sich nach dem materiellen Unrechtscharakter des Verhaltens des Gekündigten. Es kommt nicht darauf an, ob sein Verhalten durch geltende Gesetze oder obrigkeitliche Anordnungen erlaubt oder von der Strafverfolgung ausgeschlossen war.
- Abs. 5 Ziff. 1 EV erfordert eine Prüfung, ob ein Festhalten am Arbeitsverhältnis wegen des früheren Verhaltens des Arbeitnehmers im Einzelfall unzumutbar erscheint.
- Hat ein Jugendfürsorger die Klage auf Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils zur Annahme an Kindes Statt nach § 70 Abs. 1 FGB-DDR betrieben, stellt das allein keinen wichtigen Grund nach Abs. 5 Ziff. 1 EV dar. Sollte ein von seiner Mutter in der DDR allein zurückgelassenes Kind gegen deren Willen adoptiert werden, sind die Absichten und Ziele des Jugendfürsorgers maßgebend, die seinen Maßnahmen zugrunde lagen. Verfolgte er vertretbar das Wohl des Kindes, schließt dies in der Regel einen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit aus.
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20, Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1, Abs. 5 Ziff. 1, Abs. 5 Ziff. 2; BGB §§ 626, 1748; Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 beschlossenen Fassung Art. 12, 13 Ziff. 2, Art. 13 Ziff. 16, Art. 26 Ziff. 3; IPBR Art. 12 vom 19. Dezember 1966, Art. 17 vom 19. Dezember 1966, Art. 18 Abs. 4 vom 19. Dezember 1966, Abs. 23 vom 19. Dezember 1966, Art. 24 Abs. 1 vom 19. Dezember 1966; G 131 S. 1686) § 3 i.d.F. vom 13. Oktober 1965 (BGBl. I; HäftlingshilfeG i.d.F. vom 13. März 1957 (BGBl. I S. 168) § 2 Abs. 1; BundesvertriebenenG i.d.F. vom 23. Oktober 1961 (BGBl. I S. 1883) § 3 Abs. 2; Familiengesetzbuch-DDR § 70; Richtlinie Nr. 25 des Plenums des Obersten Gerichts der DDR zu Erziehungsrechtsentscheidungen vom 25. September 1968 (GBl. der DDR II S. 847); KSchG §§ 4, 7, 13
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die der Beklagte unter Berufung auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 1 bzw. Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig Abs. 5 Ziff. 1 bzw. Abs. 4 Ziff. 1 EV) ausgesprochen hat.
Der im Jahre 1939 geborene Kläger war seit Oktober 1963 Jugendfürsorger beim Rat des Stadtbezirks Berlin-T… und zuletzt amtierender Amtsleiter des Vormundschaftswesens beim Bezirksamt Berlin-L…. Als Jugendfürsorger hatte er ein im Oktober 1966 geborenes Kind zu betreuen, das zunächst zusammen mit seiner Mutter in Ost-Berlin lebte. Der griechische Vater des Kindes lebte in West-Berlin. Ende 1968 verließ die Mutter die DDR und zog nach längerem Auslandsaufenthalt Ende Juni 1969 ebenfalls nach West-Berlin. Das Kind verblieb bei den Großeltern. Die Großeltern kehrten im August 1969 von einer Reise in die Bundesrepublik Deutschland nicht in die DDR zurück. Das Kind kam zunächst in ein Heim und wurde dann im Oktober 1969 einem Ehepaar in Pflege gegeben, das es adoptieren wollte.
Nach einem Aktenvermerk des Klägers vom 1. November 1969 fürchteten die Pflegeeltern, die Mutter werde das Kind zurückfordern, falls sie eines Tages wieder zurückkehren sollte. Ausweislich des Aktenvermerks hat der Kläger die Pflegeeltern dahin “beruhigt, daß wir dann das Kind nicht herausgeben würden, daß sich höchstens evtl. der Zeitpunkt der Adoption etwas verzögern könnte”. Im selben Monat wandte sich die Mutter an den seinerzeit noch zuständigen Jugendfürsorger beim Stadtbezirk Berlin-P… und an den Staatsratsvorsitzenden der DDR mit der Bitte um Herausgabe ihres Kindes. Mit Schreiben vom 24. Dezember 1969 beantragte der Kläger beim Präsidium der Deutschen Volkspolizei eine sog. Adressensperrung für das Kind, um im Hinblick auf die beabsichtigte Änderung des (griechischen) Vornamens Auffälligkeiten im Wohngebiet zu vermeiden und eventuelle Nachforschungen der Eltern zu unterbinden. Ende Januar 1970 fragte er unter Bezugnahme auf § 70 Abs. 2 Familiengesetzbuch (FGB-DDR) bei der seinerzeit noch aktenführenden Stelle an, ob nicht auf eine Einwilligung zur Adoption verzichtet werden könne, wenn der Aufenthalt der Mutter unbekannt sei. Die Vormundschaftsakte wurde dem Referat des Klägers unter dem 6. Juli 1970 zur weiteren Bearbeitung übersandt.
Nachdem die Mutter aufgefordert worden war, ihr Einverständnis mit der Adoption des Kindes zu erklären, schrieb sie im November 1970 an das Referat des Klägers. Sie stellte die Sachlage aus ihrer Sicht dar, lehnte die Einwilligung zu einer Adoption ab und drückte ihre Hoffnung auf eine Familienzusammenführung in West-Berlin aus. Daraufhin erhob das Referat des Klägers im Februar 1971 Klage beim Stadtbezirksgericht Berlin-Treptow auf Ersetzung der Einwilligung zur Adoption. Die Mutter wurde am 11. Februar 1972 im Wege der Rechtshilfe vom Amtsgericht Berlin-S… als Partei vernommen. Sie erklärte wiederum, sie sei mit der Adoption ihres Kindes nicht einverstanden und wolle weiterhin dessen Übersiedlung zu ihr erreichen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Stadtbezirksgericht Berlin-T… am 11. Mai 1972 war sie durch einen Rechtsbeistand vertreten, nachdem sie zwischenzeitlich den Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Vogel eingeschaltet hatte. Der Kläger gab als Terminsvertreter der klagenden Behörde zu Protokoll, aus der Stellungnahme der Kindesmutter gehe hervor, daß sie sich um eine Zusammenführung bemüht habe; es sei nicht bekannt, ob sie einen Antrag auf Zuführung des Kindes gestellt habe, einer solchen Zuführung würde man nicht zustimmen. Das Stadtbezirksgericht lehnte den Antrag des Rechtsbeistands der Mutter ab, beim Ministerium für Inneres eine Auskunft einzuholen, ob diese dort einen Antrag gestellt habe und ob dafür Aussicht auf Erfolg bestehe. Es gab der Klage mit Urteil vom 11. Mai 1972, das am 22. Juli 1972 rechtskräftig wurde, statt. Am 31. August 1972 entsprach der Jugendhilfeausschuß dem Antrag der Pflegeeltern auf Adoption des Kindes.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 28. Januar 1992 wegen der dargestellten Vorgänge unter Bezugnahme auf Abs. 5 Ziff. 1 bzw. Abs. 4 Ziff. 1 EV fristlos und vorsorglich ordentlich zum 15. Februar 1992. Zuvor hatte er den Personalrat unter Vorlage eines Entwurfs des Kündigungsschreibens beteiligt.
Der Kläger hat geltend gemacht, weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung sei gerechtfertigt. Er sei nicht in der Lage gewesen, auf eine etwaige Familienzusammenführung Einfluß zu nehmen, sie zu beschleunigen oder zu verhindern. Er habe seinerzeit davon ausgehen müssen, es handele sich um eines der Kinder, welches von seinen Eltern im Zusammenhang mit einer nicht genehmigten Ausreise bewußt zurückgelassen worden sei. Er sei bemüht gewesen, dem Kind einen längeren Heimaufenthalt zu ersparen und ihm eine neue familiäre Perspektive zu verschaffen. Die Entscheidung des Vormundschaftsrats habe er lediglich vorzubereiten gehabt. Erst anläßlich eines Gespräches mit Vertretern des zuständigen Referats beim Stadtbezirk Berlin-Prenzlauer Berg habe er von dem Wunsch der Mutter auf Übersiedlung ihres Kindes erfahren. Die Adressensperrung habe bezweckt, dem Kind ein wohlbehütetes Aufwachsen in einer Pflegefamilie zu ermöglichen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei das Kind bereits 2 1/2 Jahre von seiner Mutter getrennt gewesen und habe seit 16 Monaten im Haushalt seiner Pflegeeltern gelebt. Dort zu bleiben, habe im Interesse des Kindes gelegen, zumal eine Familienzusammenführung damals unwahrscheinlich gewesen sei. Die Namensänderung sei erst nach gerichtlicher Zustimmungsersetzung erfolgt. Eine solche Änderung des Vornamens sei auch nach bundesdeutscher Anschauung gerechtfertigt, wenn der bisherige Vorname die Eingliederung in eine Familie erschwere, vor allem wenn das Adoptivverhältnis durch einen ausländischen Vornamen erkennbar würde.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 28. Januar 1992 nicht beendet worden sei,
- den Beklagten zu verurteilen, ihn als amtierenden Amtsleiter beim Bezirksamt L… zu den bisher geltenden Bedingungen für die Dauer des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Kläger habe gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Nach Art. 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 sei die Familie die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft und habe Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat. Auch in Art. 38 Abs. 1 der Verfassung der DDR habe es geheißen, daß Ehe, Familie und Mutterschaft unter dem besonderen Schutz des Staates stünden. Der Kläger habe intensiv und mit energischer Beharrlichkeit frühzeitig das Adoptionsverfahren in Gang gesetzt. Er habe alles Erforderliche veranlaßt, um das Kind der Mutter auf Dauer zu entziehen, indem er jede Möglichkeit einer Kontaktaufnahme unterbunden habe. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, daß er zum Wohle des Kindes gehandelt und diesem einen Heimaufenthalt erspart habe. Er habe völlig außer acht gelassen, daß das Kind zwei Jahre in der Obhut der Mutter gewesen sei, und das Bestreben der Pflegeeltern, die Erinnerung des Kindes an seine Mutter zu verdrängen, voll unterstützt. Er habe deren Begehren befürwortet, dem Kind einen anderen Vornamen zu geben, was in einem rechtsstaatlichen Adoptionsverfahren unüblich und rechtswidrig sei. Zu der dargestellten Vorgehensweise habe auch nach DDR-Recht keine Verpflichtung bestanden. Deshalb erscheine ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar. Die Verwaltung im Bereich des Vormundschaftswesens erfordere integre Mitarbeiter, deren gesetzmäßiges Verhalten über jeden Zweifel erhaben sein müsse.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
A. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen. In der gegenüber § 1748 Abs. 1 BGB leichteren Ersetzungsmöglichkeit nach § 70 Abs. 1 FGB-DDR könne noch kein Verstoß gegen Art. 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 gesehen werden, wonach die Familie die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft sei und Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat habe. Dies wäre nur dann der Fall, wenn § 70 Abs. 1 FGB-DDR bloß den formalen Deckmantel abgegeben hätte, unter dem das Elternrecht willkürlichen Verletzungen ausgesetzt gewesen wäre. Dagegen spreche bereits, daß das Oberste Gericht der DDR in einer Richtlinie vom 25. September 1968 deutlich gemacht habe, daß die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils zur Annahme an Kindes Statt einen schwerwiegenden Eingriff in seine ihm nach der Verfassung zustehenden Rechte darstelle, der eine sorgfältige Prüfung verlange. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit wäre deshalb nur dann in Betracht gekommen, wenn der Kläger sich in seinem Vorgehen allein dadurch hätte leiten lassen, daß die Mutter nicht nur ihr Kind verlassen, sondern nach dem damaligen Verständnis in der DDR das Land illegal verlassen habe. Demgegenüber habe sich aus der Vormundschaftsakte ergeben, daß der Kläger sich offenbar aufgrund seines anfänglichen Eindrucks in die Vorstellung verrannt habe, es sei für das Kind besser, bei den in geordneten Verhältnissen lebenden Pflegeeltern aufzuwachsen als bei seiner Mutter. Es sei keinesfalls erkennbar, daß der Kläger das Adoptionsverfahren etwa deshalb so nachdrücklich betrieben habe, um die Mutter damit für ihre Republikflucht zu bestrafen, sie zur Rückkehr zu bewegen oder um zur allgemeinen Abschreckung ein Exempel zu statuieren. Dementsprechend habe auch der Beklagte in erster Instanz die vom Kläger für sein Handeln als Jugendfürsorger angeführten redlichen Motive nicht bestritten. Die Adressensperrung habe lediglich der Sicherung der beabsichtigten Adoption gedient und lasse ebenfalls keinen Mißbrauch des formellen Rechts zur Verwirklichung materiellen Unrechts erkennen. Schließlich sei der Kläger in seiner Einschätzung des Kindeswohles durch das in einem prozeßordnungsgemäßen Verfahren ergangene und nicht nur formal begründete Urteil des Stadtbezirksgerichts bestätigt worden. Für die menschenrechtswidrige Praxis der DDR, Kinder von Republikflüchtigen grundsätzlich nicht ihren Eltern herauszugeben, sei der Kläger nicht verantwortlich gewesen.
Die Erklärung des Klägers vor dem Stadtbezirksgericht, die Mutter habe einmal schriftlich geäußert, das Kind solle lieber in einem Heim bleiben, bedeute keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Selbst wenn man hierin einen Täuschungsversuch zur Erreichung eines obsiegenden Urteils sehen wollte, habe der Kläger doch nur das – vermeintliche – Wohl des Kindes im Auge gehabt. Davon abgesehen könne die Kündigung hierauf nicht gestützt werden, da der Personalrat insoweit nicht beteiligt worden sei.
Der Kläger sei auch nicht persönlich ungeeignet im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV. Aus der Art, wie der Kläger das Verfahren auf Zustimmungsersetzung zur Adoption betrieben habe, ließen sich nach so langer Zeit keine ernsthaften Zweifel mehr an seiner persönlichen Integrität für seine jetzige Tätigkeit als amtierender Amtsleiter im Vormundschaftswesen herleiten. Ausweislich seiner dienstlichen Beurteilung vom 25. März 1992 habe er diese Tätigkeit auch in dem einer eigenen Beobachtung durch den Beklagten zugänglichen Zeitraum von über einem Jahr beanstandungslos ausgeübt. Von einer vorsätzlichen Falschaussage des Klägers bei seiner Anhörung durch die Personalkommission könne nach den gesamten Umständen nicht ausgegangen werden.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten aufgelöst worden.
I. Mit der am 15. Februar 1992 beim Arbeitsgericht eingereichten und dem Beklagten am 16. März 1992 zugestellten Klage ist die Drei-Wochen-Frist der §§ 4, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gewahrt (§ 253 Abs. 1 und 5, § 270 Abs. 3, § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG). Maßgebend für die Anwendung der Klagfrist ist nicht die Begründung, die der Kündigende für die Kündigung gibt. Vielmehr kommt es darauf an, mit welcher Begründung die Kündigung angegriffen wird. Geht es um das Fehlen eines Kündigungsgrundes, ist die Klagfrist einzuhalten. Das hat der Senat bereits in den Urteilen vom 11. Juni 1992 (– 8 AZR 537/91 – AP Nr. 1 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu A I der Gründe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; – 8 AZR 474/91 – AP Nr. 4, aaO, zu B I der Gründe, ebenfalls zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) für die Kündigung nach Abs. 5 EV ausgesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Kläger mit seiner Klage auch die vorsorgliche ordentliche Kündigung angegriffen hat. Demnach ist die Klagfrist auch insoweit gewahrt.
II. Nach Art. 20 Abs. 1 EV i.V.m. Abs. 5 Ziff. 1 EV ist im Bereich des öffentlichen Dienstes ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, insbesondere die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 gewährleisteten Menschenrechte oder die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 enthaltenen Grundsätze verletzt hat und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint.
1. Abs. 5 Ziff. 1 EV regelt die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung im öffentlichen Dienst gegenüber § 626 BGB eigenständig und abschließend. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der jeweiligen Vorschriften, aus dem Regelungszusammenhang des Einigungsvertrages und aus dem Sinn und Zweck des Sonderkündigungsrechts. Der Senat hat das in den bereits zitierten Urteilen vom 11. Juni 1992 (aaO, zu A II 1a bzw. B II 1a der Gründe), die den Kündigungstatbestand des Abs. 5 Ziff. 2 EV betrafen, allgemein für Abs. 5 EV ausgeführt. Hieran ist festzuhalten.
2. Aus der Eigenständigkeit der Kündigungsregelung in Abs. 5 Ziff. 1 EV folgt zum einen, daß es keiner doppelten Unzumutbarkeitsprüfung bedarf. Die Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung bestimmen sich allein nach Abs. 5 EV, der eine zusätzliche Interessenabwägung nach den Maßstäben des § 626 Abs. 1 BGB nicht vorsieht. Zum anderen findet § 626 Abs. 2 BGB keine Anwendung. Diese Regelung bezieht sich nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nicht auf eine außerordentliche Kündigung gemäß Abs. 5 EV. Anders als § 626 BGB stellt Abs. 5 EV nicht darauf ab, ob ein Festhalten am Arbeitsplatz “bis zu einem ordentlichen Kündigungstermin” zumutbar erscheint. Er bringt vielmehr zum Ausdruck, bei Beschäftigten, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen, sei nicht hinzunehmen, daß sie überhaupt länger im öffentlichen Dienst verbleiben. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob der Arbeitgeber durch eine ungebührliche Verzögerung seinem eigenen Verhalten zuwider handelt oder einen Verwirkungstatbestand setzt.
3.a) Mit dem in Abs. 5 Ziff. 1 EV umschriebenen Kündigungstatbestand greift der Einigungsvertrag auf eine Formulierung zurück, die – in Gestalt eines Ausschlußtatbestandes – in gleicher Weise in § 3 Satz 1 Nr. 3 a) und b) G 131 (in der Fassung vom 13. Oktober 1965, BGBl. I S. 1686), in § 2 Abs. 1 Nr. 2 HäftlingshilfeG (in der Fassung vom 13. März 1957, BGBl. I S. 168) und in § 3 Abs. 2 Nr. 2 BundesvertriebenenG (in der Fassung vom 23. Oktober 1961, BGBl. I S. 1883) enthalten ist. Zur Konkretisierung der Norm kann daher auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zu den genannten Gesetzesvorschriften zurückgegriffen werden (vgl. bereits MünchKomm-Säcker/Oetker, Zivilrecht im Einigungsvertrag, 1991, Rz 1010). Danach genügt nicht jede unter dem Schutz der politischen Ordnung der DDR begangene Unrechtstat. Es muß sich um eine erhebliche Zuwiderhandlung gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit handeln. Ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung ist dabei nicht erforderlich; es genügt die vorsätzliche Mißachtung der Grundsätze, also ein Handeln in Kenntnis und mit Billigung aller Tatumstände in dem Bewußtsein, damit gegen anerkannte Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder Menschlichkeit zu verstoßen. Dies war regelmäßig dann der Fall, wenn der Täter sich bewußt zum Vollstrecker sozialistischer Unrechtsmaßnahmen gemacht hat, durch die die natürlichen Menschenrechte oder die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verletzt wurden.
Die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit gehen von der Vorstellung aus, daß der Zweck des Staates auf die Schaffung und Erhaltung einer materiell gerechten Ordnung gerichtet sein muß, daß demzufolge alle Zweige der Staatsgewalt der Herrschaft des Rechts im materiellen Sinne unterworfen sind. Sie beruhen auf der Vorstellung, daß einer jeden Rechtsordnung ein Bestand an unabdingbaren Rechten, insbesondere der Einzelpersönlichkeit, vorgegeben ist. Diese können zwar formalrechtlich durch die Gesetzgebung nach Umfang und Tragweite konkretisiert, nicht aber erst zur Entstehung gebracht und materiell niemals beseitigt oder in ihrem Wesensgehalt beschränkt werden. Ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Verhalten durch geltende Gesetze oder durch obrigkeitliche Anordnungen oder Befehle formal erlaubt oder von der Strafverfolgung ausgeschlossen war. Für die rechtliche Beurteilung des Kündigungstatbestandes kommt es nicht auf die formale Gesetzmäßigkeit, sondern auf den materiellen Unrechtscharakter des Verhaltens nach den Maßstäben rechtsstaatlicher Grundsätze an (vgl. BVerwGE 19, 1, 3 ff.; im gleichen Sinne auch BVerwGE 9, 132, 141; BVerwGE 15, 336, 338 f.; BVerwGE 25, 128, 133 ff.; BVerwGE 26, 82, 84 ff.; BVerwGE 31, 337, 338 ff.; BVerfGE 12, 264, 270 f.; MünchKomm-Säcker/Oetker, aaO, Rz 1011-1015). Dementsprechend ist auch in den Erläuterungen der Bundesregierung zum Einigungsvertrag von einem Verstoß gegen elementare Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit die Rede. Durch den Hinweis auf Normen des Internationalen Rechts soll verdeutlicht werden, daß es hier um die Beurteilung von Verhaltensweisen nach allgemein anerkannten Maßstäben geht (BT-Drucks. 11/7817 S. 180).
b) Im Streitfalle sind insbesondere die Art. 12, 13 Ziff. 2, 16 und 26 Ziff. 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 beschlossenen Fassung sowie die Art. 12, 17, 18 Abs. 4, 23 und 24 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. II 1973, S. 1534) heranzuziehen. Danach sind willkürliche Eingriffe in die Familie untersagt, die Familie hat als die natürliche und grundlegende Einheit der Gesellschaft Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat. In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen. Auch hat jeder Mensch das Recht, sein eigenes Land zu verlassen und dorthin zurückzukehren.
c) Abs. 5 Ziff. 1 EV knüpft an ein früheres Verhalten an, weswegen ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Daher ist stets eine Einzelfallprüfung erforderlich. Die ausführliche Begründung des Senats in den genannten Urteilen vom 11. Juni 1992 für Kündigungsfälle nach Abs. 5 Ziff. 2 EV (– 8 AZR 537/91 – aaO, zu A II 1c der Gründe; 8 AZR 474/91 – aaO, zu B II 1c der Gründe) gilt im Grundsatz auch hier. Auch im Rahmen von Abs. 5 Ziff. 1 EV bestimmt das individuelle Maß der Verstrickung über die außerordentliche Auflösbarkeit des Arbeitsverhältnisses. Allerdings kommt bei einer Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit eine erheblich stärkere Abstufung nach dem Unrechtsgehalt in Betracht. Der Grad der Belastung ist bei einem Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit wegen der engen Voraussetzungen hierfür regelmäßig hoch, die negative Ausstrahlung auf das Arbeitsverhältnis stark. Die Prüfung der Unzumutbarkeit im Einzelfall wird dadurch zwar nicht ausgeschlossen, aber faktisch eingeschränkt.
III. Nach den dargestellten Maßstäben erweist sich die Beurteilung der außerordentlichen Kündigung durch das Landesarbeitsgericht als zutreffend.
1. Die Anwendung des § 70 Abs. 1 FGB-DDR als solche durch einen Jugendfürsorger oder eine andere zuständige Person begründet keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Nach § 70 Abs. 1 FGB-DDR konnte die Einwilligung eines Elternteils zu einer Annahme an Kindes Statt auf Klage des Organs der Jugendhilfe durch das Gericht ersetzt werden, wenn die Verweigerung dem Wohle des Kindes entgegenstand oder sich aus dem bisherigen Verhalten des betreffenden Elternteils ergab, daß ihm das Kind und dessen Entwicklung gleichgültig waren. Dem Adoptionsantrag konnte auch ohne Einwilligung eines Elternteils entsprochen werden, wenn dieser Elternteil zur Abgabe einer Erklärung für eine nicht absehbare Zeit außerstande war, ihm das Erziehungsrecht entzogen wurde oder sein Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte (§ 70 Abs. 2 FGB-DDR).
Die Ersetzungsmöglichkeit nach § 70 Abs. 1 FGB-DDR verstieß für sich betrachtet nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit. Sie ging zwar erheblich weiter als die entsprechende Ersetzungsregelung in § 1748 BGB. Entscheidend für ihre Beurteilung ist freilich die Auslegung des Begriffs des Kindeswohles und die Frage, ob hierbei das natürliche Elternrecht angemessen berücksichtigt wurde. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Richtlinie Nr. 25 des Plenums des Obersten Gerichts der DDR zu Erziehungsrechtsentscheidungen vom 25. September 1968 (GBl. der DDR II, S. 847 ff.) hingewiesen. Das Oberste Gericht geht hier von Art. 38 der DDR-Verfassung aus, wonach es das Recht und die vornehmste Pflicht der Eltern ist, ihre Kinder … zu erziehen. Es führt aus, die Ersetzung der Einwilligung eines Elternteils zur Annahme an Kindes Statt sei einerseits ein schwerwiegender Eingriff in seine nach der Verfassung und dem FGB ihm zustehenden Rechte, weil sie im Ergebnis zur endgültigen Loslösung vom Kind mit allen rechtlichen Konsequenzen führe. Andererseits ermögliche diese Maßnahme, daß ein tatsächliches Eltern-Kind-Verhältnis begründet und das Kind dadurch alle Vorteile einer Familienerziehung haben werde. Danach entsprach es auch unter der Geltung des § 70 Abs. 1 FGB-DDR dem Kindeswohl am ehesten, wenn das Kind von seinen leiblichen Eltern erzogen wurde. Die maßgebliche Problematik lag nicht in erster Linie im Adoptionsrecht. Sie ergab sich erst durch die – nach anderen Gesetzen vorgegebene – fehlende Ausreisefreiheit und die dadurch bedingte dauernde Trennung des Kindes von den Eltern. Wenn das Gesetz hier auf die Lebensverhältnisse des Kindes abstellt, ist das mit allgemeinen überstaatlichen Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen zu vereinbaren. Der Praktiker, der eine solche Vorschrift anwendete, war nicht schon deshalb an einem Verstoß im Sinne von Abs. 5 Ziff. 1 EV beteiligt.
2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Art und Weise, wie der Kläger das Adoptionsverfahren von 1969 bis 1972 konkret betrieben habe, begründe ebenfalls keinen Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dem Kläger sei es bei der Vorbereitung der Adoption um das Kindeswohl gegangen, ist frei von Rechtsfehlern. Wenn die Revision meint, der Kläger habe das Verfahren betrieben, um das Band zwischen Mutter und Kind zu zerstören, so setzt sie lediglich ihre eigene Wertung dagegen. Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht den Tatsachenstoff vollständig berücksichtigt und nicht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze oder Denkgesetze verstoßen. Auch wenn kein Zwang bestand, das Adoptionsverfahren zu betreiben, kann es dem Kläger um das Kindeswohl gegangen sein. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, daß der Kläger die menschenrechtswidrige Praxis der DDR, Kinder von Republikflüchtigen grundsätzlich ihren Eltern nicht herauszugeben, seinem Handeln zugrunde legen mußte. Auf diese Praxis hatte er keinen Einfluß. Auch war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit einer Rückkehr der Mutter nicht zu rechnen. Es stellte sich daher für den Kläger die Alternative, das Kind in einem Heim zu belassen oder auf Dauer den Pflegeeltern anzuvertrauen. Der Kläger hätte zwar die Endgültigkeit der Adoption berücksichtigen müssen und einem solchen Verfahren viel kritischer und vorsichtiger gegenüberstehen müssen. Andererseits erscheint es sehr zweifelhaft, ob die Pflegeeltern das Kind behalten hätten, wenn der Kläger sich nicht für eine Adoption eingesetzt hätte.
Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision auch die Äußerung des Klägers gegenüber den Pflegeeltern, das Kind werde nicht wieder herausgegeben, gewürdigt. Die Auslegung, daraus ergebe sich seine Vorstellung, es sei für das Kind das Beste, bei den in geordneten Verhältnissen lebenden Pflegeeltern aufzuwachsen, liegt nahe. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, es sei dem Kläger nicht darum gegangen, die Mutter für ihre Republikflucht zu bestrafen, sie zur Rückkehr zu bewegen oder zur allgemeinen Abschreckung ein Exempel zu statuieren, ist danach nicht zu beanstanden. Sowohl die Adressensperre wie auch die Regelung des Vornamens des Kindes dienten der Durchführung der Adoption. Es sind keine Tatsachen dafür festgestellt, daß der Kläger das geltende Recht menschenrechts- oder rechtsstaatswidrig mißbraucht hätte. Wie ausgeführt konnte er nicht davon ausgehen, daß eine Familienzusammenführung – sei es in der DDR, sei es im Westen – möglich sein werde.
Die Revision rügt ferner, das Landesarbeitsgericht hätte erwägen müssen, daß die Mutter im Jahre 1968 nicht die Möglichkeit hatte, ihr Kind in den Westen mitzunehmen, daß sie aber von vorneherein die nachträgliche Zusammenführung beabsichtigt habe. Jedoch ändert das an der dargestellten Situation für den Kläger nichts. Mit Sicherheit hätte eine Zusammenführung mit der Mutter in Westberlin dem Kindeswohl am ehesten entsprochen. Das konnte der Kläger aber nicht erreichen. Wenn er bei der ungewissen Aussicht auf eine solche Zusammenführung die von den Pflegeeltern angestrebte Adoption nicht verhindert oder wenigstens weiter herausgezögert hat, so kann das den Vorwurf eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit nicht rechtfertigen.
Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision auch die Erklärung des Klägers in der Gerichtsverhandlung vom 11. Mai 1972 rechtsfehlerfrei gewürdigt. Für die Äußerung, man würde einer Zuführung des Kindes nicht zustimmen, gilt entsprechendes wie für die Äußerung gegenüber den Pflegeeltern. Der Kläger hat keineswegs verheimlicht, daß die Mutter sich um eine Zusammenführung bemüht hatte. Die Erklärung, der Behörde sei nicht bekannt, ob die Mutter einen Antrag auf Zuführung des Kindes gestellt habe, bezieht sich offenbar auf eine bestimmte Antragsform. Für die Entscheidung des Stadtbezirksgerichts kam es hierauf jedoch nicht an. Wenn der Kläger geäußert hat, die Erinnerungen des Kindes an die Mutter seien abgebaut worden, so steht das nicht in Widerspruch zu dem früheren Aktenvermerk des Klägers. Zum einen waren seither über 1 1/2 Jahre vergangen, zum anderen ist ein Abbau von Erinnerungen nicht mit deren völligem Verlust gleichzusetzen.
Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der in der Gerichtsverhandlung protokollierten Erklärung des Klägers befaßt, die Mutter habe in einem Schreiben einmal geäußert, das Kind solle lieber in einem Heim bleiben. Es hat einen Versuch unterstellt, durch Verzerrung des Tatsachenbildes ein obsiegendes Urteil zu erstreiten. Dabei wurde übersehen, daß sich der Beklagte zu keinem Zeitpunkt auf einen solchen Kündigungsgrund berufen hat. Die Berücksichtigung einer etwaigen Täuschung seitens des Klägers scheitert daher nicht erst, wie das Landesarbeitsgericht meint, an der fehlenden Unterrichtung des Personalrats. Vielmehr durfte das Landesarbeitsgericht dieses Verhalten des Klägers nicht von sich aus aufgreifen; denn es handelt sich um einen selbständigen, der Kündigung eine neue Qualität gebenden Kündigungsgrund. Diese Verletzung des Verhandlungsgrundsatzes ist vom Kläger in der Revisionserwiderung auch ordnungsgemäß gerügt worden.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die vorsorgliche ordentliche Kündigung aufgelöst worden.
1. Die Darlegung des Landesarbeitsgerichts, aus der Art, wie der Kläger das Verfahren auf Zustimmungsersetzung zur Adoption betrieben habe, ließen sich nach Ablauf von 20 Jahren keine ernsthaften Zweifel mehr an der persönlichen Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV herleiten, enthält keine Rechtsfehler. Wie oben unter B III 2 ausgeführt, ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, für den Kläger habe das Kindeswohl im Vordergrund gestanden, nicht zu beanstanden. Eine einmalige, sehr lange zurückliegende Fehleinschätzung in einem schwierigen Fall begründet regelmäßig auch dann keine mangelnde persönliche Eignung, wenn damit gravierende Auswirkungen verbunden waren. Zudem hat das Landesarbeitsgericht zutreffend auf die dienstliche Beurteilung vom 25. März 1992 abgestellt, die angesichts des Zeitablaufs seit dem zu beanstandenden Adoptionsverfahren besondere Bedeutung gewinnt.
2. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann von einer vorsätzlichen Falschaussage des Klägers bei seiner Anhörung durch die Personalkommission nicht ausgegangen werden. Das wird von der Revision nicht gerügt. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts ist daher für das Revisionsgericht bindend. Eine mangelnde persönliche Eignung kann somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht angenommen werden.
3. Da der Beklagte eine mangelnde persönliche Eignung nicht dargelegt hat, kommt es auch nicht auf das Ansehen der Jugendpflege in der Öffentlichkeit an. Dem Beklagten obliegt es, durch sachliche Information einem Ansehensverlust entgegenzuwirken. Auch mag geprüft werden, welche Beschäftigungen des Klägers nach seinem Arbeitsvertrag etwa in Betracht kommen.
C. Über die Berechtigung eines Anspruchs auf vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers ist nicht mehr zu befinden. Der Antrag war ersichtlich nur für den Fall gestellt, daß in der Sache nicht abschließend entschieden wird.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Schömburg, Schmitzberger
Fundstellen
Haufe-Index 856676 |
BAGE, 266 |
BB 1994, 1359 |
NZA 1994, 1026 |