Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. studentische Hilfskräfte
Normenkette
BGB § 620; KSchG 1969 § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 17. Mai 1995 – 2 Sa 254/95 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
Der Beklagte stellt Extrawachen auf den Stationen des Krankenhauses Süd. Dafür setzt er Medizinstudenten ein. Sie haben sich ihm gegenüber zur Ableistung von Extrawachen bereit erklärt und werden namentlich in einer Liste geführt, die den einzelnen Stationen vorliegt. Jeweils zum 15. eines Monats hängt ein Stationspfleger den Dienstplan für Extrawachen für den folgenden Monat aus. Darin können sich die Medizinstudenten eintragen. Dem Beklagten ist es vorbehalten, bereits eingetragene Dienste abzusagen. Ein Tausch von eingetragenen Extrawachen ist nur mit Zustimmung der Stationsleitung möglich. Eine Verpflichtung der Medizinstudenten, bestimmte Dienste zu übernehmen oder sich in einem bestimmten zeitlichen Umfang zur Verfügung zu halten, besteht nicht.
Der Kläger ist Medizinstudent. Er leistete zuletzt von Juni bis Dezember 1993 im Umfang von durchschnittlich 37,5 Stunden monatlich Extrawachen. Hierfür erhielt er eine Stundenvergütung von je 20,69 DM brutto. Er hat die von ihm eingetragenen Dienste stets wahrgenommen; der Beklagte hat seinerseits keinen Dienst abgesagt. Am 2. Juni 1993 hatte er, der Kläger, eine Erklärung unterschrieben, in der es u.a. heißt:
„Einsatzzeiten können sich ändern, z.B. am Wochenende oder durch plötzliche Änderung im Stationsablauf.
Ich bin verpflichtet, unverzüglich zu informieren, falls ich z.B. durch Krankheit vorgemerkte Extrawachen nicht übernehmen kann.”
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, zwischen den Parteien sei durch schlüssiges Verhalten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Nach der vertraglichen Vereinbarung stehe ihm ein Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich des jeweiligen Arbeitseinsatzes zu. Für eine einsatzbezogene Befristung des Arbeitsverhältnisses fehle es an einem Sachgrund.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen dem Beklagten und ihm ein Arbeitsverhältnis auf Dauer besteht.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht des Beklagten ist zwischen den Partein ein auf den jeweiligen Arbeitseinsatz begrenztes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die einsatzbezogene Befristung gestatte es dem Kläger, die Erfordernisse des Studiums mit denjenigen aus dem Arbeitsverhältnis in Einklang zu bringen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Der Beklagte hat die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Klage auf Feststellung eines Dauerarbeitsverhältnisses ist zulässig (vgl. BAG Urteil vom 20. Juli 1994 – 5 AZR 627/93 – AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu A II der Gründe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, m.w.N.), jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Parteien weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart haben. Vielmehr haben sie einen auf den jeweiligen Arbeitseinsatz bezogenen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen, dessen Befristung wirksam ist.
Entgegen der Ansicht des Klägers läßt das Verhalten der Parteien nicht darauf schließen, daß zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zustande gekommen ist. Vor allem sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich ergeben könnte, daß der Beklagte den Kläger über die jeweiligen Extrawachen hinaus arbeitsvertraglich binden wollte. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, enthält die von dem Kläger unterzeichnete Personalerklärung lediglich eine Absprache über grundsätzliche Beschäftigungsbedingungen bei künftigen Arbeitseinsätzen. Außerhalb dessen hatte der Kläger jedoch keine Dienstleistungspflicht übernommen. Die Arbeitseinsätze unterlagen keinem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB). Weder war der Kläger bereits aufgrund der Eintragung im Dienstplan verpflichtet, Extrawachen für den Beklagten zu leisten, noch war der Beklagte an die vom Kläger vorgenommenen Eintragungen gebunden. Erst wenn der Beklagte eine entsprechende Eintragung akzeptiert hatte, war der Kläger zur Leistungserbringung verpflichtet.
2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts steht nicht im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Januar 1993 (BAGE 72, 147 = AP Nr. 20 zu § 1 BUrlG). In diesem Urteil hat der Neunte Senat bei einer Studentin, die nach einer mehrwöchigen Einarbeitung als Sitz- und Sonderwache in einer Intensivstation eines Universitätsklinikums für geeignet gehalten und in den Kreis der zukünftig zu Sitzwachen heranzuziehenden studentischen Hilfskräfte aufgenommen worden war, ein dauerndes Teilzeitarbeitsverhältnis bejaht. Bei der rechtlichen Bewertung des Rechtsstatus dieser Mitarbeiterin wurde maßgeblich auf die mehrwöchige Einarbeitung, den damit verbundenen Nachweis der Qualifikation und den Wegfall einer gesonderten Prüfung der Befähigung bei künftigen Einsätzen als Sitz- und Sonderwache abgestellt. Dagegen mußte der Kläger im vorliegenden Fall schon keine vergleichbare Einarbeitung zurücklegen, um in den Kreis der studentischen Aushilfen, denen Arbeitseinsätze angeboten wurden, aufgenommen zu werden. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich noch in einem weiteren wesentlichen Punkt von dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Januar 1993 (a.a.O.) zugrunde lag. Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits war nicht Mitglied einer Gruppe, der es gestattet war, manche Mitglieder zeitweise von der Arbeitseinteilung auszunehmen oder vorgesehene Dienste ohne Zustimmung des Arbeitgebers zu tauschen, um so der für Studenten notwendigen Flexibilität Rechnung zu tragen. Weder die Lage der Arbeitszeit noch der Umfang der Arbeitsmenge unterlagen einem einseitigen Bestimmungsrecht des Klägers und seiner Arbeitskollegen.
3. Da die Parteien für den jeweiligen konkreten Arbeitseinsatz befristete Arbeitsverträge geschlossen hatten und das Landesarbeitsgericht die Befristungsvereinbarung zu Recht für wirksam erachtet hat, endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der letzten für den Beklagten geleisteten Extrawache.
a) Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 620 BGB grundsätzlich möglich, darf dem Arbeitnehmer jedoch nicht den Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen entziehen. Daher bedarf eine Befristung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes (BAG – GS Beschluß vom 12. Oktober 1960, BAGE 10, 65 ff. = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Fehlt es daran, liegt eine objektiv funktionswidrige und deshalb mißbräuchliche Vertragsgestaltung mit der Folge vor, daß sich der Arbeitgeber nicht auf die Befristung stützen kann.
Vorliegend ist davon auszugehen, daß der Kläger allgemeinen Kündigungsschutz genoß, obwohl der letzte Arbeitsvertrag ebenso wie die vorangegangenen nur für jeweils eine Extrawache und damit auf einen Arbeitseinsatz beschränkt geschlossen worden war. Auf die Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht. Dabei kommt es vor allem auf den Anlaß und die Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an (BAGE 62, 48, 53 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, zu II c aa der Gründe; BAGE 65, 86, 94 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu A II 2 der Gründe). Ein solcher sachlicher und zeitlicher Zusammenhang des letzten Arbeitsvertrages mit den vorausgegangenen Arbeitsverträgen der Parteien läßt sich hier ebenso wie in dem vom Senat im Urteil vom 4. April 1990 (BAGE 65, 86 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) entschiedenen Fall aus der Regelmäßigkeit des Einsatzes des Klägers und aus dem Umfang seiner Heranziehung herleiten. Die Befristung erweist sich dennoch als wirksam, weil sie sachlich gerechtfertigt ist.
b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Rechtsprechung des Senats zur Zulässigkeit der Befristung von Arbeitsverträgen mit Studenten, die neben dem Studium einer Beschäftigung nachgehen, zugrunde gelegt (BAG Urteil vom 10. August 1994 – 7 AZR 695/93 – AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.). Danach liegt ein Grund für die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit studentischen Hilfskräften nicht schon darin, daß diese neben einer Tätigkeit bei dem jeweiligen Arbeitgeber einem Studium nachgehen. Das hat seinen Grund darin, daß das Bundesarbeitsgericht im Rahmen der Befristungskontrolle nicht auf eine mit der Nebentätigkkeit verbundene geringere Schutzbedürftigkeit abstellt (BAG Urteil vom 14. Januar 1982, BAGE 37, 305 = AP Nr. 65 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Auch Befristungen für sogenannte Nebentätigkeiten sind nur dann sachgerecht, wenn verständige und verantwortungsbewußte Parteien eine Befristung ihres Arbeitsvertrages vereinbaren würden. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist anerkannt, daß es dem Interesse von Studenten entspricht, nur solche Arbeitsverhältnisse einzugehen, die ihnen den Abschluß ihres Studiums in normaler Zeit ermöglichen. Deshalb wird eine Befristung des Arbeitsverhältnisses mit einem Studenten sachlich begründet sein, wenn er dadurch die Möglichkeit erhält, die Erfordernisse des Studiums mit denen des Arbeitsverhältnisses in Einklang zu bringen und diesem Bedürfnis nicht durch eine flexible Gestaltung des Arbeitsvertrages selbst schon Rechnung getragen wird. Wegen der wechselnden Inanspruchnahme durch das Studium können Studenten immer nur für einen begrenzten Zeitraum übersehen, in welchem Umfang und in welchen Zeiten sie sich neben ihrem Studium noch arbeitsvertraglich binden können. Eine konkrete vertragliche Festlegung erfolgt deshalb regelmäßig kurzfristig und auch nur für einen überschaubaren Zeitraum.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß diese Gesichtspunkte die vorliegende Befristung rechtfertigen. Der Kläger war bei Abschluß des letzten befristeten Arbeitsvertrages noch Student. Das für diesen Personenkreis typische Interesse an einer Entscheidungsfreiheit, die den Anforderungen eines geordneten, erfolgversprechenden Studiums Rechnung trägt, bestand auch bei ihm, wie der wechselnde zeitliche Umfang der von ihm geleisteten Extrawachen und seine mehrmonatigen Pausen zwischen den einzelnen Extrawachen belegen.
c) Auf die Senatsentscheidung vom 10. August 1994 (a.a.O.) kann sich der Kläger nicht berufen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war der Student durch den Arbeitsvertrag nur für einen unerheblichen Zeitraum gebunden. Bei einer vereinbarten Höchstarbeitszeit von 17,5 Stunden während des Semesters und 40 Stunden in den Semesterferien war er lediglich verpflichtet, monatlich eine Wochenendschicht wahrzunehmen. Im übrigen konnte er das Arbeitsverhältnis ruhen lassen und brauchte die Höchstarbeitszeit nicht auszuschöpfen. Durch ein solches Maß an Flexibilität war das zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsverhältnis nicht gekennzeichnet. Im Gegensatz zu dem vom Senat am 10. August 1994 (a.a.O.) zu entscheidenden Fall konnte dem Interesse, das Erfordernis eines geregelten Studiums mit der Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen, nur durch eine einsatzbezogene Befristung Rechnung getragen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Steckhan, Schmidt, Fischermeier, Ruppert, G. Güner
Fundstellen