Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Baumaschinenführers

 

Leitsatz (amtlich)

  • Für die Vergütung der Bauarbeiter sind die regionalen Lohntabellen als die spezielleren Tarifverträge vorrangig heranzuziehen. Dabei handelt es sich um selbständige Tarifverträge.
  • Bei der Auslegung der Berufsgruppen der regionalen Lohntabellen sind jedoch die allgemeinen Eingruppierungsgrundsätze des BRTV-Bau sowie der Anhang zum BRTV-Bau mitzuberücksichtigen.
  • Demgemäß muß zur Erfüllung der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Niedersachsen der Arbeitnehmer die Prüfung als Baumaschinenführer erfolgreich abgelegt haben und eine Baumaschine führen bzw. mit einer solchen eingesetzt werden.
  • Eingruppierungsfeststellungsklagen sind auch im Bereich der Privatwirtschaft zulässig.
 

Normenkette

TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) § 5; Berufsgruppenanhang dazu § 2 Berufsgruppe M III; Lohntabelle für die gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden im Baugewerbe des Landes Niedersachsen vom 17. April 1986 (Lohntabelle Nieders.) Berufsgruppe M III

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 26.08.1987; Aktenzeichen 4 Sa 860/87)

ArbG Hildesheim (Urteil vom 27.05.1987; Aktenzeichen 1 Ca 16/87)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 26. August 1987 – 4 Sa 860/87 – aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 27. Mai 1987 – 1 Ca 16/87 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten der beiden Rechtsmittelinstanzen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden angehörende Kläger steht seit dem Jahre 1980 als gewerblicher Arbeitnehmer in den Diensten der Beklagten, die ein Unternehmen des Straßen- und Tiefbaus betreibt und über den regionalen Verband in Niedersachsen dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. angeschlossen ist. Der Kläger wird als Führer eines Radladers eingesetzt.

Vom 3. bis 27. März 1986 nahm der Kläger an einem Lehrgang zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Baumaschinenführer teil. Am 8. April 1986 bestand er bei der Industrie- und Handelskammer Hannover-Hildesheim in der Fachrichtung Erd- und Tiefbau die Prüfung als Baumaschinenführer nach Maßgabe der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluß Geprüfter Baumaschinenführer vom 12. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2539). Der Kläger wird nach der Berufsgruppe M IV der Lohntabelle für die gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden im Baugewerbe des Landes Niedersachsen vom 17. April 1986 (Lohntabelle Nieders.) entlohnt.

Mit seiner am 15. Januar 1987 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Differenz zwischen dem an ihn gezahlten und dem Lohn nach der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. nebst 4 v.H. Zinsen aus den entsprechenden Nettobeträgen in Anspruch genommen. Für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 1986 hat er einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt und für die Folgezeit eine entsprechende Feststellungsklage erhoben. Dazu hat der Kläger vorgetragen, er habe die Prüfung als Baumaschinenführer erfolgreich abgelegt und fahre bei der Beklagten einen Radlader. Damit erfülle er alle Voraussetzungen der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. Der Radlader sei auch als Baumaschine im tariflichen Sinne anzusehen. Weitere tarifliche Anforderungen bestünden nicht. Demgemäß hat der Kläger beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 516,88 DM brutto nebst 4 v. H. Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 15. Januar 1987 und weitere 284,-- DM brutto nebst 4 v.H. Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 10. Februar 1987 zu zahlen,
  • festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Januar 1987 Lohn nach der Berufsgruppe M III Lohntabelle Nieders. zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, der Kläger werde tarifgerecht vergütet. Zwar habe er die Prüfung als Baumaschinenführer abgelegt. Da er sie in der Fachrichtung Erd- und Tiefbau abgelegt habe, jedoch im Straßenbau eingesetzt werde, übe der Kläger keine entsprechende Tätigkeit aus. Eine solche verlangten die tariflichen Bestimmungen aber. Dabei sei zu berücksichtigen, daß ihr Umsatz weit überwiegend aus der betrieblichen Tätigkeit im Straßenbau resultiere. Zu Tiefbauarbeiten werde der Kläger mit seinem Radlader nur ausnahmsweise herangezogen. Der Radlader werde auch nicht vom Kläger gewartet, wie es tariflich gefordert werde, sondern von ihren Kraftfahrzeugmechanikern.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klagebegehren erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen berufungsgerichtlichen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und damit zur Wiederherstellung des im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zutreffenden arbeitsgerichtlichen Urteils. Der gegenteiligen Beurteilung des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.

Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die nach der Senatsrechtsprechung auch im Bereich der Privatwirtschaft zulässig ist (vgl. das Urteil des Senats vom 20. Juni 1984 – 4 AZR 208/82 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel).

Mit den Vorinstanzen ist in der Hauptsache davon auszugehen, daß aufgrund beiderseitiger Tarifbindung zwischen den Parteien die Tarifverträge des Baugewerbes nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend gelten. Sie sind zudem allgemeinverbindlich, so daß sich dieselbe Rechtswirkung vorliegend auch aus § 5 Abs. 4 TVG ergibt.

Das Landesarbeitsgericht beurteilt die Rechtslage nach dem Berufsgruppenverzeichnis des Anhangs zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (Anhang BRTV-Bau). Daher läßt es die Lohntabelle für die gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden im Baugewerbe des Landes Niedersachsen vom 17. April 1986 (Lohntabelle Nieders.), auf die sich der Kläger in erster Linie stützt, nach der unstreitig seine Vergütung berechnet wird und bei der es sich um einen selbständigen Tarifvertrag handelt (vgl. BAGE 41, 344, 346, 349 = AP Nr. 46 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau), außer Betracht. Das wirkt sich zwar deswegen nicht unmittelbar aus, weil sich vorliegend die Tätigkeitsmerkmale für die Berufsgruppe M III 1 in der Lohntabelle Nieders. und im Anhang BRTV-Bau wörtlich decken. Gleichwohl ist die Lohntabelle Nieders. als der speziellere Tarifvertrag in erster Linie und vorrangig heranzuziehen.

Damit hat der Senat davon auszugehen, daß vorliegend einmal die tariflichen Tätigkeitsmerkmale der Lohntabelle Nieders., die wörtlich denen des Anhangs BRTV-Bau entsprechen, heranzuziehen sind, daneben aber auch die allgemeinen Eingruppierungsgrundsätze des § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau, die folgenden Wortlaut haben:

Für die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Berufsgruppe sind seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuübende Tätigkeit maßgebend ….

Die Zugehörigkeit der einzelnen Arbeitnehmer zu den vorstehend aufgeführten Berufsgruppen richtet sich nach dem Anhang zum Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe – Berufsgruppen für die Berufe des Baugewerbes –. Der Anhang ist wesentlicher Bestandteil dieses Tarifvertrages.

Diese ungewöhnliche Tarifkonstellation zwingt dazu, bei der Auslegung der als speziellerer Tarifvertrag in erster Linie heranzuziehenden Lohntabelle Nieders. die vorstehenden Eingruppierungsgrundsätze des BRTV-Bau, den Inhalt des Anhangs BRTV-Bau sowie den Sinn und Zweck dieser Vorschriften im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung mitzuberücksichtigen (vgl. die Urteile des Senats BAGE 41, 344, 349 = AP Nr. 46 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau sowie vom 11. Mai 1983 – 4 AZR 524/80 – AP Nr. 49 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Dabei sind die allgemeinen Grundsätze der Tarifauslegung anzuwenden. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist jedoch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Dazu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil häufig nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (vgl. BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).

Nach Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. sind zu vergüten

Arbeitnehmer, die die Prüfung als Baumaschinenführer mit Erfolg abgelegt haben.

Hierzu hat das Landesarbeitsgericht (unter Heranziehung der wortgleichen Tätigkeitsmerkmale des Anhangs BRTV-Bau) ausgeführt, allein nach dem Tarifwortlaut spreche viel für die Rechtsauffassung des Klägers. Ihr stünden jedoch die Eingruppierungsgrundsätze des § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau entgegen. Danach komme es entscheidend auf Ausbildung, Fertigkeiten, Kenntnisse und auszuübende Tätigkeit des Bauarbeiters an. Zwar führe der Kläger eine Baumaschine. Dabei handele es sich jedoch um eine solche, die dem Erd- und Tiefbau zugeordnet sei, während er tatsächlich im Straßenbau eingesetzt werde. Daher werde der Kläger nicht in einer Tätigkeit eingesetzt, die seiner Ausbildung entspreche. Die von ihm für sich beanspruchten Tätigkeitsmerkmale kämen für den Kläger mithin nur in Betracht, wenn er entweder seine Prüfung in der Fachrichtung Straßenbau abgelegt hätte oder im Erd- und Tiefbau tätig würde. Dafür spreche auch der Inhalt der Berufsgruppe M III 4, auf den analog zurückgegriffen werden könne.

Dieser Beurteilung des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Wenn die regionalen Tarifvertragsparteien in Übereinstimmung mit dem Anhang BRTV-Bau Lohn nach der Berufsgruppe III 1 denjenigen Arbeitnehmern zuerkennen,

die die Prüfung als Baumaschinenführer mit Erfolg abgelegt haben,

dann spricht schon der insoweit ganz eindeutige und keinerlei weitere Erfordernisse vorschreibende Tarifwortlaut, wie auch das Landesarbeitsgericht einräumt, mit großem Gewicht für die Rechtsauffassung des Klägers. Die Tarifvertragsparteien verlangen hier nämlich lediglich die erfolgreiche Ablegung der Prüfung als Baumaschinenführer und nicht etwa die Ablegung dieser Prüfung in irgendeiner bestimmten Fachrichtung des Baugewerbes. Dabei ist nicht zu übersehen, daß eine dementsprechende Einschränkung, die die Beklagte den Tarifvertragsparteien unterstellt, leicht und sicher hätte formuliert werden können. Damit spricht zugleich viel dafür, daß die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes auf Bundesebene und im regionalen Bereich des Landes Niedersachsen die fachliche Qualifikation eines Bauarbeiters, der als Baumaschinenführer erfolgreich geprüft worden ist, schlechthin höher veranschlagen als die niedriger eingestufter Arbeitnehmer und demgemäß darin auch den Sinn und Zweck der Regelung für die Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. erblicken (vgl. das Urteil des Senats BAGE 40, 278, 282 = AP Nr. 43 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

An diese Wertung der Tarifvertragsparteien sind die Gerichte für Arbeitssachen gebunden. Sie haben die Tarifregelung nicht auf ihre Zweckmäßigkeit und ihre Vereinbarkeit mit § 242 BGB hin zu überprüfen (vgl. die Urteile des Senats BAGE 48, 65, 73 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie sowie vom 20. August 1986 – 4 AZR 265/85 – AP Nr. 47 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, 11. März 1987 – 4 AZR 229/87 – und 2. Dezember 1987 – 4 AZR 431/87 –, beide zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, mit weiteren Nachweisen).

Entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigt, wie die Revision zutreffend hervorhebt, auch der tarifliche Gesamtzusammenhang keine andere Beurteilung. Wenn nach der Berufsgruppe M III 2 Lohntabelle Nieders.

Arbeitnehmer gemäß M IV 1 nach zweijähriger Tätigkeit und nach Berufsgruppe M III 3 Lohntabelle Nieders.

Arbeitnehmer gemäß M IV 2 mit der Befähigung, selbständig Reparaturen auszuführen

zu vergüten sind, so kann daraus als allgemeines Argument allenfalls hergeleitet werden, daß der Bauarbeiter der Berufsgruppe M III 1, was beim Kläger unstreitig der Fall ist, nicht nur als Baumaschinenführer geprüft sein, sondern objektiv auch eine Baumaschine führen und an einer solchen praktisch tätig sein muß. Das bestätigt insbesondere ein Vergleich mit der Berufsgruppe M III 3 Lohntabelle Nieders. Wenn es danach ausreicht, daß der Bauarbeiter die Befähigung besitzt, selbständig Reparaturen auszuführen, dann muß es beim Arbeitnehmer der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. im Sinne etwa vergleichbarer Anforderungen, die aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ableitbar sind, ausreichend sein, wenn er eine Baumaschine führt bzw. mit einer solchen eingesetzt wird.

Vom Landesarbeitsgericht und der Beklagten wird der Berufsgruppe M III 4 Lohntabelle Nieders., auch im Hinblick auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, große Bedeutung beigemessen, wonach zu vergüten sind:

Arbeitnehmer, die die Tätigkeitsmerkmale des ausgeübten Berufes gemäß Anhang zum BRTV-Bau erfüllen und sich dies bis zum 31. März 1980 betrieblich unter Gegenzeichnung des Betriebsrates bestätigen ließen. Der Fertigkeitsnachweis war von den bezirklichen Organisationen der Tarifvertragsparteien zu unterzeichnen.

Nach der Meinung des Senats können entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten aus dieser Tarifnorm irgendwelche Anhaltspunkte für die Auslegung der Merkmale der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. schon deswegen nicht gewonnen werden, weil es sich dabei um eine verhältnismäßig alte Übergangsregelung handelt, die keinerlei aktuelle Bedeutung mehr hat. Allein aus dem darin vorgesehenen Verweis auf den Inhalt des Anhangs BRTV-Bau ist schon deswegen nichts herzuleiten, weil sich vorliegend die tariflichen Tätigkeitsmerkmale in beiden Tarifverträgen ohnehin wörtlich decken.

Auch die tariflich vorgeschriebene Mitberücksichtigung der allgemeinen Eingruppierungsgrundsätze des § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau kann vorliegend, wie die Revision richtig erkannt hat, entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. In allgemeiner Weise kommt es für die Eingruppierung der Bauarbeiter nach § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau auf deren Ausbildung, Fertigkeiten, Kenntnisse und auszuübende Tätigkeit an. Hierbei handelt es sich schon nach dem eindeutigen Tarifwortlaut nur um abstrakte, der Ausfüllung bedürftige Vergütungsgrundsätze, die ihre Konkretisierung neben dem Anhang BRTV-Bau insbesondere in den regionalen Lohntabellen der einzelnen Tarifbezirke (vorliegend Niedersachsen) erfahren und erhalten müssen. Verlangt aber demgemäß § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau die Mitberücksichtigung der Ausbildung des Arbeitnehmers und fordert insoweit konkretisierend die Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. nur die Prüfung als Baumaschinenführer, dann ist diese auch unter Mitberücksichtigung des abstrakten Erfordernisses der Ausbildung des Arbeitnehmers ausreichend. Nichts anderes gilt für Fertigkeiten und Fähigkeiten. Im Hinblick darauf kann aufgrund der Konkretisierung in den Merkmalen der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. lediglich gefordert werden, daß der Arbeitnehmer diejenigen Fertigkeiten und Fähigkeiten besitzen muß, die zur Führung einer Baumaschine und zur sachgemäßen Erledigung der damit verbundenen Arbeiten erforderlich sind. Unstreitig verfügt der Kläger, und zwar in entsprechend qualifizierter Weise aufgrund seiner erfolgreichen Prüfung. über solche Fertigkeiten und Fähigkeiten. Wenn die Tarifvertragsparteien in § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau weiter die Berücksichtigung auch der “auszuübenden Tätigkeit” fordern, dann meinen sie damit die Tätigkeit, die der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag auszuüben hat. Das aber ist beim Kläger die Führung und Bedienung eines Radladers, also einer Baumaschine im allgemeinen und im tariflichen Sinne. Danach kann über den reinen Wortlaut der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. hinaus aufgrund des tariflichen Gesamtzusammenhanges nur gefordert werden, daß der betreffende Bauarbeiter auch eine Baumaschine führt bzw. mit einer solchen eingesetzt wird.

Dagegen kann entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten nicht verlangt werden, daß die Prüfung als Baumaschinenführer in einer bestimmten Fachrichtung abgelegt worden sein muß und der betreffende Arbeitnehmer in der Sparte des Baugewerbes tätig zu sein hat, in dem er die Prüfung abgelegt hat. Dabei kann es auch nicht entscheidend auf den Inhalt der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluß Geprüfter Baumaschinenführer vom 12. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2539) ankommen, denn darauf nehmen die Tarifvertragsparteien weder in der heranzuziehenden Tarifnorm aus der Lohntabelle Nieders. noch in § 5 Abs. 2.2 BRTV-Bau Bezug.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich die Beklagte ergänzend zur Begründung ihrer Rechtsauffassung insbesondere noch auf Abschnitt M III/4.3 des § 2 Anhang BRTV-Bau gestützt, worin von den Tarifvertragsparteien Radlader dem Erd- und Tiefbau zugewiesen werden. Auch unter Berufung auf diese Tarifnorm kann die Beklagte jedoch nicht erfolgreich sein. Einmal ist diese Bestimmung nämlich in die Lohntabelle Nieders., der als speziellerer Tarifvertrag der vorrang gebührt, nicht eingegangen. Abgesehen davon lassen sich zur Auslegung der Berufsgruppe M III 1 Lohntabelle Nieders. aus der von der Beklagten herangezogenen Tarifnorm des Anhangs BRTV-Bau keine Argumente gewinnen. Wenn nämlich die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes auf der Bundesebene den Radlader nach den Erfordernissen des Wirtschafts- und Arbeitslebens als Baumaschine des Erd- und Tiefbaus ansehen, dann bestätigen sie damit zugleich, daß der Kläger seine Prüfung als Baumaschinenführer in der Fachrichtung des Baugewerbes abgelegt hat, der die von ihm geführte und praktische eingesetzte Baumaschine entspricht. Dann aber darf ihm nach den aufgezeigten Rechtsgrundsätzen die eingeklagte Vergütung erst recht nicht mit der Begründung verweigert werden, daß der Kläger von der Beklagten mit dem Radlader vorwiegend im Straßenbau eingesetzt wird.

Für die Beurteilung des Senats sprechen auch noch weitere praktische Gründe. Unstreitig besteht zwischen Erd- und Tiefbau auf der einen und Straßenbau auf der anderen Seite ein enger, auch die Arbeitsweisen und den Maschineneinsatz beeinflussender Zusammenhang. Das wird auch daraus deutlich, daß die Beklagte in beiden Fachrichtungen des Baugewerbes tätig wird und das – trotz seines überwiegenden Einsatzes im Straßenbau – auch für den Kläger zutrifft. In diesem Sinne berücksichtigt der Senat ergänzend und zur Bestätigung auch noch den Umstand, daß das zu den Vorakten gelangte Zeugnis der Industrie- und Handelskammer Hannover-Hildesheim den Kläger lediglich allgemein als “geprüften Baumaschinenführer” ausweist und nichts über die Fachrichtung aussagt, in der der Kläger die Prüfung abgelegt hat. Damit entsprechen sich auch Prüfungspraxis und Tarifauslegung, ohne daß es darauf entscheidend ankommt. Damit ist der Auslegung des Senats und des Arbeitsgerichts auch deswegen der Vorzug zu geben, weil sie zu einem vernünftigen, gerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Ergebnis führt (vgl. die Urteile des Senats BAGE 51, 282, 302 = AP Nr. 116 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie vom 1. April 1987 – 4 AZR 397/86 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des Senats).

Die Ausschlußfrist des § 16 BRTV-Bau hat der Kläger nach dem Akteninhalt gewahrt.

Die Zinsforderung des Klägers ist nach § 291, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB begründet.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte nach § 91 ZPO

 

Unterschriften

Dr. Feller, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Wiese, Pahle

 

Fundstellen

Haufe-Index 872436

RdA 1988, 256

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