Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlendes Feststellungsinteresse
Normenkette
ZPO §§ 256, 265, 325; BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. November 1998 – 10 Sa 1116/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr unstreitig beendetes Arbeitsverhältnis seit dem 1. Oktober 1996 der BAT anzuwenden war.
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1980 bei der Beklagten im öffentlichen Schlachthof des Zweckverbands W. in Z. als vollbeschäftigte Tierärztin tätig. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 1979 hatten die Parteien die Anwendung des BAT vereinbart. Nach der Geburt ihrer Tochter äußerte die Klägerin Anfang 1984 den Wunsch nach einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Beibehaltung des BAT. Die Beklagte lehnte dies ab, weil der den Schlachthof betreibende Zweckverband der hierfür notwendigen Einrichtung einer vierten Planstelle einer hauptamtlichen Tierärztin nicht zugestimmt hatte. Daraufhin schlossen die Parteien am 27. April 1984 unter Aufhebung des bisherigen Arbeitsvertrags vom 20. Dezember 1979 einen neuen Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin ab dem 1. Mai 1984 als nicht vollbeschäftigte Fleischbeschautierärztin beschäftigt wurde. Nach § 2 dieses Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen vom 1. April 1969 (TV Ang iöS). Nach § 3 des Arbeitsvertrags richtete sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall und der Heranziehung zur Arbeit. In einer schriftlichen Nebenabrede vom 27. April 1984 sicherte die Beklagte der Klägerin eine wöchentliche Beschäftigung von mindestens 25 Stunden zu.
In der Zeit vom 1. Mai 1984 bis einschließlich September 1995 betrug die Arbeitszeit der Klägerin durchschnittlich 140 bis 150 Stunden monatlich; die durchschnittliche Wochenarbeitszeit lag damit unter 38,5 Stunden. Von Oktober 1995 bis September 1996 betrug die Arbeitszeit der Klägerin regelmäßig mindestens 170 Stunden monatlich und damit mehr als 38,5 Stunden wöchentlich. Das Verlangen der Klägerin, mit ihr wegen des Umfangs ihrer Arbeitszeit einen Arbeitsvertrag als vollzeitbeschäftigte Angestellte mit Geltung des BAT abzuschließen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 1996 ab. Die Arbeitszeit der Klägerin änderte sich in der Folgezeit nicht; die Klägerin wurde weiterhin regelmäßig mit mindestens 170 Stunden monatlich eingesetzt.
Wegen der beabsichtigten Umwandlung des öffentlichen Schlachthofs in einen privaten und des dadurch kraft öffentlichen Rechts verursachten Übergangs der Zuständigkeit für die Fleischbeschau von der Beklagten auf den Landkreis Rotenburg kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 19. Dezember 1997 fristgemäß. Die bei der Beklagten beschäftigten Tierärzte – unter anderem auch die Klägerin – unterzeichneten im Dezember 1997 eine Erklärung, in der sie ihre Bereitschaft zum Ausdruck brachten, mit dem Landkreis Rotenburg Arbeitsverträge abzuschließen. In dieser Erklärung heißt es: „Die Frage eines Betriebsübergangs nach § 613 a BGB wird von dieser Erklärung und dem Abschluß entsprechender Arbeitsverträge nicht berührt.”
Der Landkreis Rotenburg schloß mit den am Schlachthof W. beschäftigten amtlichen Tierärzten und Fleischkontrolleuren der Beklagten neue Arbeitsverträge ab. Die Klägerin wird seit dem 1. April 1998 vom Landkreis Rotenburg als amtliche Tierärztin beschäftigt. Nach § 3 des mit dem Landkreis geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags vom 11. März 1998 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem TV Ang iöS.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, zwischen ihr und der Beklagten habe ein Arbeitsverhältnis nach BAT bestanden, da sie im gleichen Umfang zur Arbeitsleistung herangezogen worden sei wie ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer. Mit diesem Inhalt sei das Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB auf den Landkreis Rotenburg übergegangen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
- festzustellen, daß zwischen den Parteien bis zum 31. März 1998 ein Arbeitsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf der Grundlage des BAT bestanden hat,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Klägerin rückwirkend zum 1. Oktober 1996 als hauptamtlich tätige und beschäftigte Tierärztin nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag einzustellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien habe kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der TV Ang iöS und nicht der BAT Anwendung gefunden. Hieran habe sich auch im Hinblick auf den zeitlichen Umfang des Einsatzes der Klägerin nichts geändert.
Die Klägerin hat dem Landkreis Rotenburg den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Die Beklagte und der Streitverkündete beantragen, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis auf Grundlage des BAT bestanden habe. Die Zulässigkeit der Klage hat es unterstellt.
II. Dem Berufungsurteil ist nur im Ergebnis zu folgen. Die Klage ist bereits unzulässig.
1. Dem Hauptantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
a) Nach dieser Bestimmung kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Es ist unzulässig, lediglich abstrakte Rechtsfragen durch das Gericht klären zu lassen. Zwischen den Parteien muß erkennbar ein konkreter Streit bestehen. Fehlt es daran, würde die Entscheidung lediglich die Erstattung eines Rechtsgutachtens darstellen; dies ist dem Gericht jedoch verwehrt. Das Feststellungsurteil muß trotz der fehlenden Vollstreckbarkeit kraft seiner inneren Wirkung geeignet sein, den Kläger zum Ziel zu führen und den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen (BAG 16. Juli 1998 – 6 AZR 672/96 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27; 26. November 1998 – 6 AZR 103/98 – nv.).
b) Der Hauptantrag, mit dem die Klägerin in der Berufungsinstanz die Feststellung begehrt hat, daß zwischen den Parteien bis zum 31. März 1998 ein Arbeitsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf der Grundlage des BAT bestanden hat, bezieht sich auf die Vergangenheit. Ein Interesse an dieser Feststellung besitzt die Klägerin nicht.
aa) Bei Klagen, die auf Feststellung eines beendeten Rechtsverhältnisses gerichtet sind, bedarf das Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses einer besonderen Begründung. Die Klage ist nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (st. Rspr. vgl. BAG 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Reichsbund Nr. 1 = EzA ZPO § 265 Nr. 48 mwN; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 256 Rn. 16; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 46 Rn. 65; GK-ArbGG/Dörner Stand Mai 2000 § 46 Rn. 75). Dies gilt grundsätzlich auch für Feststellungsklagen, die ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bezogen waren (BAG 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – aaO), jedenfalls dann, wenn dieses Rechtsverhältnis bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts beendet war (BAG 3. März 1999 – 5 AZR 275/98 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 53 = EzA ZPO § 256 Nr. 50). So liegt der Fall hier. Die Klägerin ist mit Wirkung vom 1. April 1998 und damit vor dem 16. April 1998, dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht, aus dem tierärztlichen Dienst der Beklagten in den des Landkreises Rotenburg übergetreten.
bb) Die Klägerin hat sich jedoch nicht darauf berufen, daß sich aufgrund der begehrten Feststellung noch Rechtsfolgen gegenüber der Beklagten ergeben können. Sie nimmt an, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei beendet, weil ein Betriebsübergang stattgefunden hat, und macht nicht – auch nicht hilfsweise – geltend, es bestehe fort. Aber auch bei Ablehnung eines Betriebsübergangs sieht die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten offenbar als beendet an. Auf Vorbringen, das bei dieser Sachlage ein Interesse an einer Feststellung gegenüber der Beklagten erkennen läßt, hat die Klägerin verzichtet. Insoweit hätte es der Darlegung bedurft, ob und ggf. welche Ansprüche noch geltend gemacht werden sollen und können, die sich aus der Anwendbarkeit des BAT für den streitgegenständlichen Zeitraum, dh. bis zu dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin nicht mehr für die Beklagte tätig wurde, ergeben.
cc) Die Klägerin kann ihr Feststellungsinteresse gegenüber der Beklagten auch nicht darauf stützen, daß der Übergang der Zuständigkeit für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung von der Beklagten auf den Landkreis Rotenburg, verbunden mit der Übernahme der für diese Verwaltungsaufgabe bisher eingesetzten Arbeitnehmer durch den Landkreis, ein – wie sie meint – Betriebsübergang nach § 613 a BGB gewesen sei. Die Klägerin meint insoweit, ihr Arbeitsverhältnis sei mit dem Inhalt auf den Landkreis Rotenburg übergegangen, den es im Zeitpunkt des Übergangs hatte. Es komme deshalb auch weiterhin darauf an, welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis vor dem 1. April 1998 gehabt habe. Es sei davon auszugehen, daß sich der Landkreis Rotenburg an eine gerichtliche Feststellung des von ihr erbetenen Inhalts halten und die Regelungen des BAT auf das Arbeitsverhältnis anwenden werde. Diese Begründung rechtfertigt nicht die Annahme eines Feststellungsinteresses gegenüber der Beklagten. Die Klägerin verkennt, daß der vorliegende Rechtsstreit zwischen ihr und ihrem früheren Arbeitgeber nicht geeignet ist, im Verhältnis zu ihrem neuen Arbeitgeber eine Klärung der Arbeitsbedingungen herbeizuführen, wie sie das offenbar anstrebt.
Zwar wird angenommen, daß die Rechtskraft eines gegen den alten Arbeitgeber ergehenden Urteils in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber wirkt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Betriebsübergang stattgefunden hat (vgl. BAG 20. März 1997 – 8 AZR 769/95 – BAGE 85, 330, 334 mwN). Gegenstand der Rechtskraft ist jedoch nur der Subsumtionsschluß des Gerichts, also die Feststellung, daß der erhobene prozessuale Anspruch auf Grund des festgestellten Sachverhalts und seiner Subsumtion unter das objektive Recht begründet oder nicht begründet ist (vgl. Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 17). Die Ausführungen des Senats zu den Fragen, ob das nachfolgende Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Landkreis Rotenburg durch einen Betriebsübergang iSd. § 613 a BGB oder anders zustande gekommen ist, und welche Arbeitsbedingungen in diesem Arbeitsverhältnis gelten, insbesondere ob der Inhalt des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten dafür von Bedeutung ist, würden dadurch, daß der erkennende Senat sie im Rahmen der Zulässigkeit der Feststellungsklage diskutiert, nicht an der Rechtskraft teilnehmen. Etwaige für die Klägerin im Verhältnis zum Landkreis Rotenburg günstige Annahmen des Senats würden somit im Falle eines Betriebsübergangs auf den Landkreis Rotenburg nicht in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 ZPO gegen diesen wirken. Die Klägerin müßte den Inhalt des nachfolgenden Arbeitsverhältnisses – soweit streitig – somit in einem weiteren Rechtsstreit gegen den Landkreis Rotenburg klären lassen.
Daran ändert nichts, daß die Klägerin dem Landkreis Rotenburg den Streit verkündet hat. Dadurch ist zwar im Verhältnis der Klägerin zum Landkreis Rotenburg, auch wenn dieser der Klägerin nicht beigetreten ist, die Interventionswirkung eingetreten (§ 74 Abs. 3 iVm. § 68 ZPO). Diese hat aber nicht die Entscheidung über den prozessualen Anspruch und damit die Rechtskraft, sondern die Richtigkeit der Entscheidung zum Gegenstand und bezieht sich immer nur auf das zwischen dem Streitverkünder (hier Klägerin) und seiner Gegenpartei (hier Beklagte) ergehende Urteil. Die oben bezeichneten Fragen, die sich im Anschluß an einen etwaigen Betriebsübergang im Folgeprozeß stellen können, werden somit auch durch die Wirkungen der Streitverkündung nicht erfaßt.
2. Auch der Hilfsantrag ist unzulässig, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, W. Zuchold, Augat
Fundstellen