Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlendes Feststellungsinteresse
Normenkette
ZPO §§ 256, 265, 325; BGB § 613a
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. November 1998 – 10 Sa 1125/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr unstreitig beendetes Arbeitsverhältnis seit dem 1. Oktober 1996 der BAT anzuwenden war.
Der Kläger war seit dem 1. Juli 1989 bei der Beklagten im öffentlichen Schlachthof des Zweckverbands W. in Z. als vollbeschäftigter Tierarzt tätig. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 28. Juni 1989 hatten die Parteien vereinbart, daß sich ihr Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen vom 1. April 1969 (TV Ang iöS) bestimmte. Nach § 3 des Arbeitsvertrages richtete sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall und der Heranziehung zur Arbeit.
Nachdem die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Klägers im Jahr 1989 noch ca. 29 Stunden betragen hatte, arbeitete er ab 1990 ständig mehr als 38,5 Stunden wöchentlich; seine durchschnittliche Arbeitszeit lag bei 205 Stunden monatlich. Er war ausschließlich für die Beklagte tätig und unterhielt keine Tierarztpraxis. Mit Schreiben vom 28. August 1996 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß seine Arbeitszeit als nicht vollbeschäftigter Angestellter die Stundengrenze von 38,5 Stunden wöchentlich nicht erreichen dürfe und dies künftig berücksichtigt werde. 1997 kam es daraufhin zu einer Reduzierung der Arbeitszeit.
Wegen der beabsichtigten Umwandlung des öffentlichen Schlachthofs in einen privaten und des dadurch kraft öffentlichen Rechts verursachten Übergangs der Zuständigkeit für die Fleischbeschau von der Beklagten auf den Landkreis Rotenburg kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 19. Dezember 1997 fristgemäß.
Der Landkreis Rotenburg schloß mit den am Schlachthof W. beschäftigten amtlichen Tierärzten und Fleischkontrolleuren der Beklagten neue Arbeitsverträge ab. Nach § 3 des mit dem Landkreis Ende April 1998 geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrags vom 11. März 1998 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem TV Ang iöS.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen ihm und der Beklagten habe ein Arbeitsverhältnis nach BAT bestanden, da er im gleichen Umfang zur Arbeitsleistung herangezogen worden sei wie ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer. Mit diesem Inhalt sei das Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB auf den Landkreis Rotenburg übergegangen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien seinerzeit begründete Arbeitsverhältnis den Regelungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) unterfiel und die Beklagte verpflichtet gewesen ist, den Kläger mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu beschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien habe kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der TV Ang iöS und nicht der BAT Anwendung gefunden. Hieran habe sich auch im Hinblick auf den zeitlichen Umfang des Einsatzes des Klägers nichts geändert.
Der Kläger hat dem Landkreis Rotenburg den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Die Beklagte und der Streitverkündete beantragen, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis auf Grundlage des BAT bestanden habe. Die Zulässigkeit der Klage hat es unterstellt.
II. Dem Berufungsurteil ist nur im Ergebnis zu folgen. Die Klage ist bereits unzulässig.
1. Dem Hauptantrag fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
a) Nach dieser Bestimmung kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Es ist unzulässig, lediglich abstrakte Rechtsfragen durch das Gericht klären zu lassen. Zwischen den Parteien muß erkennbar ein konkreter Streit bestehen. Fehlt es daran, würde die Entscheidung lediglich die Erstattung eines Rechtsgutachtens darstellen; dies ist dem Gericht jedoch verwehrt. Das Feststellungsurteil muß trotz der fehlenden Vollstreckbarkeit kraft seiner inneren Wirkung geeignet sein, den Kläger zum Ziel zu führen und den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen (BAG 16. Juli 1998 – 6 AZR 672/96 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27; 26. November 1998 – 6 AZR 103/98 – n.v.).
b) Der Hauptantrag, mit dem der Kläger in der Berufungsinstanz die Feststellung begehrt hat, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf der Grundlage des BAT bestanden hat, bezieht sich auf die Vergangenheit. Ein Interesse an dieser Feststellung besitzt der Kläger nicht.
aa) Bei Klagen, die auf Feststellung eines beendeten Rechtsverhältnisses gerichtet sind, bedarf das Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses einer besonderen Begründung. Die Klage ist nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (st. Rspr. vgl. BAG 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Reichsbund Nr. 1 = EzA ZPO § 265 Nr. 48 m.w.N.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 256 Rn. 16; Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 46 Rn. 65; GK – ArbGG/Dörner Stand Mai 2000 § 46 Rn. 75). Dies gilt grundsätzlich auch für Feststellungsklagen, die ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis bezogen waren (BAG 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – a.a.O.), jedenfalls dann, wenn dieses Rechtsverhältnis bereits vor der letzten mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts beendet war (BAG 3. März 1999 – 5 AZR 275/98 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 53 = EzA ZPO § 256 Nr. 50). So liegt der Fall hier.
bb) Der Kläger hat sich jedoch nicht darauf berufen, daß sich auf Grund der begehrten Feststellung noch Rechtsfolgen gegenüber der Beklagten ergeben können. Er nimmt an, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei beendet, weil ein Betriebsübergang stattgefunden hat, und macht nicht – auch nicht hilfsweise – geltend, es bestehe fort. Aber auch bei Ablehnung eines Betriebsübergangs sieht der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten offenbar als beendet an. Auf Vorbringen, das bei dieser Sachlage ein Interesse an einer Feststellung gegenüber der Beklagten erkennen läßt, hat der Kläger verzichtet. Insoweit hätte es der Darlegung bedurft, ob und ggf. welche Ansprüche noch geltend gemacht werden sollen und können, die sich aus der Anwendbarkeit des BAT für den streitgegenständlichen Zeitraum, d.h. bis zu dem Zeitpunkt, ab dem der Kläger nicht mehr für die Beklagte tätig wurde, ergeben.
cc) Der Kläger kann sein Feststellungsinteresse gegenüber der Beklagten auch nicht darauf stützen, daß der Übergang der Zuständigkeit für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung von der Beklagten auf den Landkreis Rotenburg, verbunden mit der Übernahme der für diese Verwaltungsaufgabe bisher eingesetzten Arbeitnehmer durch den Landkreis, ein – wie er meint – Betriebsübergang nach § 613 a BGB gewesen sei. Der Kläger meint insoweit, sein Arbeitsverhältnis sei mit dem Inhalt auf den Landkreis Rotenburg übergegangen, den es im Zeitpunkt des Übergangs hatte. Es komme deshalb auch weiterhin darauf an, welchen Inhalt das Arbeitsverhältnis vor dem 1. April 1998 gehabt habe. Es sei davon auszugehen, daß sich der Landkreis Rotenburg an eine gerichtliche Feststellung des von ihm erbetenen Inhalts halten und die Regelungen des BAT auf das Arbeitsverhältnis anwenden werde. Diese Begründung rechtfertigt nicht die Annahme eines Feststellungsinteresses gegenüber der Beklagten. Der Kläger verkennt, daß der vorliegende Rechtsstreit zwischen ihm und seinem früheren Arbeitgeber nicht geeignet ist, im Verhältnis zu seinem neuen Arbeitgeber eine Klärung der Arbeitsbedingungen herbeizuführen, wie er das offenbar anstrebt.
Zwar wird angenommen, daß die Rechtskraft eines gegen den alten Arbeitgeber ergehenden Urteils in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 ZPO für und gegen den neuen Arbeitgeber wirkt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Betriebsübergang stattgefunden hat (vgl. BAG 20. März 1997 – 8 AZR 769/95 – BAGE 85, 330, 334 m.w.N.). Gegenstand der Rechtskraft ist jedoch nur der Subsumtionsschluß des Gerichts, also die Feststellung, daß der erhobene prozessuale Anspruch auf Grund des festgestellten Sachverhalts und seiner Subsumtion unter das objektive Recht begründet oder nicht begründet ist (vgl. Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 322 Rn. 17). Die Ausführungen des Senats zu den Fragen, ob das nachfolgende Arbeitsverhältnis des Klägers zum Landkreis Rotenburg durch einen Betriebsübergang i.S.d. § 613 a BGB oder anders zustande gekommen ist, und welche Arbeitsbedingungen in diesem Arbeitsverhältnis gelten, insbesondere ob der Inhalt des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses zu der Beklagten dafür von Bedeutung ist, würden dadurch, daß der erkennende Senat sie im Rahmen der Zulässigkeit der Feststellungsklage diskutiert, nicht an der Rechtskraft teilnehmen. Etwaige für den Kläger im Verhältnis zum Landkreis Rotenburg günstige Annahmen des Senats würden somit im Falle eines Betriebsübergangs auf den Landkreis Rotenburg nicht in entsprechender Anwendung der §§ 265, 325 ZPO gegen diesen wirken. Der Kläger müßte den Inhalt des nachfolgenden Arbeitsverhältnisses – soweit streitig – somit in einem weiteren Rechtsstreit gegen den Landkreis Rotenburg klären lassen.
Daran ändert nichts, daß der Kläger dem Landkreis Rotenburg den Streit verkündet hat. Dadurch ist zwar im Verhältnis des Klägers zum Landkreis Rotenburg, auch wenn dieser dem Kläger nicht beigetreten ist, die Interventionswirkung eingetreten (§ 74 Abs. 3 i.V.m. § 68 ZPO). Diese hat aber nicht die Entscheidung über den prozessualen Anspruch und damit die Rechtskraft, sondern die Richtigkeit der Entscheidung zum Gegenstand und bezieht sich immer nur auf das zwischen dem Streitverkünder (hier Kläger) und seiner Gegenpartei (hier Beklagte) ergehende Urteil. Die oben bezeichneten Fragen, die sich im Anschluß an einen etwaigen Betriebsübergang im Folgeprozeß stellen können, werden somit auch durch die Wirkungen der Streitverkündung nicht erfaßt.
2. Auch der Hilfsantrag ist unzulässig, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, W. Zuchold, Augat
Fundstellen