Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragliche Übergangsversorgung. Vertrauensschutz. Gleichheitssatz. Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Tarifvertrages. Recht der Vorruhestandsleistungen. Tarifrecht
Orientierungssatz
- § 5 und die Protokollnotiz II 1a des TV-ÜVCockpit 1989 sind so auszulegen, daß die Übergangsversorgung mit Ablauf des 63. Lebensjahres endet. Voraussetzung ist, daß der ehemalige Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt neben der gesetzlichen Altersrente auch eine Zusatzrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder erhält. Es ist nicht entscheidend, ob er dort bereits 35 Jahre Versicherungszeit zurückgelegt hat.
- Die Tarifvertragsparteien dürfen Rechtsverhältnisse ua. dann für die Zukunft neu regeln (“unechte Rückwirkung”), wenn die bisherige Regelung objektiv nicht geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand zu begründen. Tarifvertragliche Übergangsversorgungsregelungen dienen dem Zweck, den Zeitraum zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Beginn der Rentenberechtigung finanziell abzusichern. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, eine tarifvertragliche Übergangsversorgung, die Leistung bis zum Abauf des 65. Lebensjahres gewährt, so abzuändern, daß sie bereits dann auslaufen soll, sobald der Arbeitnehmer mit Vollendung des 63. Lebensjahres berechtigt ist, eine Rente zu beziehen. Das gilt auch, wenn die Voraussetzungen für die Übergangsversorgung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der tariflichen Regelung schon ganz oder teilweise erfüllt waren.
- Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn die Tarifvertragsparteien einerseits die Übergangsversorgung ab dem Zeitpunkt einstellen, ab dem ein gesetzlich und in der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versicherter Arbeitnehmer eine mit Abschlägen verbundene Gesamtversorgung erhält, andererseits aber den Arbeitnehmern, die eine befreiende Lebensversicherung bezogen auf das Erreichen des 65. Lebensjahres abgeschlossen haben, nicht zumuten, diese vorzeitig aufzulösen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; “Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Oktober 1989” bei der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH) und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) § 5, Protokollnotiz II 1a; “Tarifvertrag Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Oktober 1989” ua. der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft (DLH) und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) (künftig: TV-ÜVCockpit 1989) § 5, Protokollnotiz II 1a; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 28 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2000 – 8 Sa 1657/99 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Übergangsversorgung bis zum 63. oder bis zum 65. Lebensjahr zu zahlen hat.
Der Kläger war bei der Beklagten mehr als 30 Jahre als Mitarbeiter des Cockpitpersonals beschäftigt. Nach Vollendung seines 55. Lebensjahres schied er mit Ablauf des Monats Oktober 1989 aus. Die Beklagte zahlte ihm auf der Basis des “Tarifvertrag(es) Übergangsversorgung für das Cockpitpersonal vom 1. Oktober 1989” (künftig: TV-ÜVCockpit 1989) ab dem 1. November 1989 eine Übergangsversorgung, die zuletzt monatlich 9.097,98 DM betrug. Nachdem der Kläger sein 63. Lebensjahr vollendet hatte, stellte die Beklagte die Übergangsversorgung ein. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger eine Altersrente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (künftig: BfA) und eine Rente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (künftig: VBL) beziehen. Er hatte jedoch noch keine 35 Jahre Versicherungszeit in der VBL zurückgelegt.
Der TV-ÜVCockpit 1989 trat – mit hier nicht einschlägigen Ausnahmen – nach seinem § 9 Abs. 1 am 1. Oktober 1989 in Kraft und lautete auszugsweise:
Ҥ 5
(1) Der Mitarbeiter hat nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente, wenn er wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und 10 Dienstjahre vollendet hat; (…).
(2) Die Zahlung der Zusatzrente beginnt in dem Monat nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemäß Abs. 1 und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung (AV) bzw. der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), spätestens mit Vollendung des 65. Lebensjahrs.
(…)
§ 6
(1) (…)
(2) Auf die Zusatzrente sind Altersrenten oder Renten wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit von der VBL bzw. AV anzurechnen. (…)”
Dem Tarifvertrag ist folgende Protokollnotiz II 1a (künftig: Protokollnotiz) beigefügt:
“Die Zahlung der Zusatzrente (§ 5) endet regelmäßig mit Vollendung des 63. Lebensjahres. Sofern bei befreiender Lebensversicherung Ansprüche auf Altersversorgung aus dieser Versicherung nach dem am 01.10.1989 gültigen Versicherungsvertrag erst ab Alter 65 bestehen, wird die Übergangsversorgung solange fortgeführt. Entsprechendes gilt, soweit und solange Anspruch auf VBL-/AV-Gesamtversorgung noch nicht besteht, weil der Mitarbeiter die Wartezeit von 35 Jahren noch nicht erfüllt hat.”
Vor dem TV-ÜVCockpit 1989 galt bei der Beklagten ein entsprechender Übergangsversorgungstarifvertrag aus dem Jahre 1982 (künftig: TV-ÜVCockpit 1982). Nach dessen § 5 Abs. 2a wurde
“die Zusatzrente … vom vollendeten 55. Lebensjahr bis zum Beginn der Altersrente aus der Angestellten-Versicherung bzw. VBL, längstens bis zum vollendeten 65. Lebensjahr gezahlt, wenn der Arbeitnehmer bei Vollendung des 55. Lebensjahres noch im Dienste der DLH/CFG steht”.
Ferner war in § 9 Abs. 1 Unterabs. 1 bestimmt:
“Auf die Zusatzrente des unmittelbar Berechtigten sind Renten aus der Angestelltenversicherung, der VBL-Versorgung (…) in voller Höhe anzurechnen.”
Der Hintergrund der Änderung des Tarifvertrages ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Die Beklagte beruft sich darauf, die Änderung weiche von der alten tariflichen Regelung ab, nach der es auf die tatsächliche Gewährung einer Rente angekommen sei. Es werde jetzt auf die Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezuges abgestellt. Demgegenüber trägt der Kläger vor, die Tarifvertragsparteien hätten hinsichtlich der Wartezeit keinen Unterschied zwischen der BfA- und der VBL-Rente machen wollen. Die Vollendung des 63. Lebensjahres als Zeitpunkt möglichen Rentenbezuges sei deshalb aufgenommen worden, weil 1989 in diesem Lebensalter eine abschlagsfreie Altersrente im Normalfall sichergestellt gewesen sei.
Der TV-ÜVCockpit ist am 15. Mai 2000 mit Wirkung vom 1. Juli 2000 neu gefaßt worden (künftig: TV-ÜVCockpit 2000). Nach § 5 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 endet die Zusatzrente nunmehr mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensalter vollendet wird. In § 5 Abs. 2 Unterabs. 2 iVm. § 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 ist sichergestellt, daß Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der VBL auf diese Zusatzrente angerechnet werden, sobald sie bezogen werden können.
Der TV-ÜVCockpit 2000 wurde von der Beklagten mit Rundschreiben “An alle Cockpitbesatzungen” vom 6. Juni 2000 bekanntgegeben. Darin wurde ua. ausgeführt, der neue Tarifvertrag gelte “für alle diejenigen von Ihnen, die vor dem 1.1.1995 eingestellt worden sind, also noch eine VBL-gleiche Altersversorgung erhalten”.
Nachdem die Beklagte außergerichtlich die Forderung des Klägers, ihm die Zusatzrente bis zum 65. Lebensjahr zu zahlen, abgelehnt hatte, verfolgt er seine Forderung nunmehr gerichtlich weiter. Er macht geltend, zwar habe er bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine BfA- und VBL-Rente beanspruchen können, diese sei aber niedriger, als wenn er sie erst mit dem 65. Lebensjahr in Anspruch genommen hätte. Die Zahlung der Zusatzrente bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres stünde ihm deshalb zu, weil er bei Vollendung des 63. Lebensjahres noch nicht 35 Jahre bei der VBL versichert gewesen sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- an ihn 218.351,52 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus je 9.097,98 DM brutto seit dem 1. Dezember 1997, dem 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 1998 sowie ab 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 1999 zu zahlen;
- ihm monatliche Abrechnungen über die Übergangsversorgung für den Zeitraum November 1997 bis einschließlich Oktober 1999 zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Ina Gosch, B. Lang
Die Richterin am BAG Reinecke ist infolge Krankheit dienstunfähig. Sie ist an der Unterschrift verhindert.
Düwell
Fundstellen
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 23 |
EzA |