Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschuß zum Kurzarbeitergeld. Termin in Erfurt
Leitsatz (redaktionell)
Teilweise Übereinstimmung mit den Sachen – 4 AZR 541/92 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) und – 4 AZR 542/92 –
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; ZPO § 219
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 28.07.1992; Aktenzeichen 1 Sa 91/92) |
ArbG Brandenburg (Urteil vom 17.01.1992; Aktenzeichen 4 Ca 1983/91) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 28. Juli 1992 – 1 Sa 91/92 – wird zurückgewiesen.
2. Der Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis zum 31. März 1992 gegen die Beklagte einen tariflichen Anspruch auf Zuschuß zum Kurzarbeitergeld hat.
Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 1991 Arbeitnehmerin der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fand kraft beiderseitiger Verbands Zugehörigkeit der am 13. Juli 1990 zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. und der in der damaligen DDR als Mitgliedsverband des FDGB bestehenden IG Metall abgeschlossene Tarifvertrag über Kündigungsschutz und Qualifizierung bei Umstrukturierungsmaßnahmen (TVKQ) Anwendung.
Vom Mai bis zum 17. Juli 1991 hat die Klägerin an einer sogenannten Vorschaltmaßnahme, danach an einer sogenannten Hauptmaßnahme des Arbeitsamtes zur Umschulung teilgenommen. Die Klägerin bezog vor dem 30. Juni 1991 und auch danach noch Kurzarbeitergeld. Ob es sich dabei um Kurzarbeitergeld wegen vorübergehenden Arbeitsausfalls nach § 63 Abs. 1 oder um solches wegen betrieblicher Strukturveränderungen nach § 63 Abs. 5 AFG-DDR gehandelt hat, ist nicht festgestellt. Die Beklagte hat der Klägerin aufgrund des TVKQ bis zum 30. Juni 1991 einen Zuschuß zum Kurzarbeitergeld gezahlt, danach nicht mehr.
Für Ansprüche auf Zuschuß zum Unterhaltsgeld enthält der TVKQ folgende Bestimmungen:
§ 1
Besonderer Kündigungsschutz bei betriebsbedingten Kündigungen
1. Für einen Arbeitnehmer, der bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrages in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, kann eine Kündigung dieses Arbeitsverhältnisses, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die seiner Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG), frühestens zum 30.06.1991 wirksam werden. …
§ 4
Zuschuß zum Unterhaltsgeld und Kurzarbeitergeld
1. Der Arbeitnehmer erhält für die Zeit, in der für ihn der besondere Kündigungsschutz nach § 1 gilt und er entweder Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 AFG oder Kurzarbeitergeld bezieht, einen Zuschuß zu diesen Leistungen.
2. Der Zuschuß zum Unterhaltsgeld ist so zu bemessen, …
4. Arbeitnehmer, die am 30.06.1991 an einer noch nicht abgeschlossenen Maßnahme der beruflichen Fortbildung oder Umschulung gemäß §§ 41 ff. AFG teilnehmen, erhalten für die über diesen Zeitpunkt hinaus reichende restliche Zeit der geförderten Maßnahme, längstens bis 31.03.1992, den in § 4 Ziff. 2 bezeichneten Zuschuß zum Unterhaltsgeld weiter. …
§ 5
Ausschluß von Doppelbelastungen
Die vorstehenden Regelungen in den §§ 1, 3 und 4 stellen einen Ausgleich bzw. die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Sinne des § 112 BetrVG dar, die dem Arbeitnehmer entstehen können.
Alle Rechte und Ansprüche aus diesem Abkommen entfallen, wenn betrieblich eine andere Regelung über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile getroffen wird . Bereits erbrachte betriebliche Leistungen sind in diesem Falle zurückzugewähren.
§ 6
Laufzeit
Dieser Tarifvertrag tritt am 01.07.1990 in Kraft und endet am 30.06.1991. Eine Nachwirkung ist ausgeschlossen. Die Rechte aus § 4 Ziff. 4 bleiben jedoch bis zum 31. März 1992, aus § 1 Ziff. 3 bis zum 31. Dezember 1992 erhalten.
Im März 1991 wurde zwischen der Beklagten und dem in ihrem Betrieb bestehenden Betriebsrat ein Sozialplan abgeschlossen, der Regelungen im Zusammenhang mit der Entlassung, Umschulung und Versetzung von Arbeitnehmern aufgrund geplanter Betriebsänderungen vorsieht. Aufgrund dieses Sozialplans erhielt die Klägerin von der Beklagten eine Abfindung.
Zur möglichen Anrechnung von Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld nach dem TVKQ auf Sozialplanleistungen haben die Treuhandanstalt und die IG Metall am 25. Mai 1992 „Rahmenvereinbarungen” getroffen, in denen es u.a. heißt:
2. Rahmenvereinbarungen zwischen Industriegewerkschaft Metall und Treuhandanstalt
Teil I Zusatzerklärung zur Gemeinsamen Erklärung zwischen THA, DGB und DAG zu Sozialplan- und Qualifizierungsfragen im Tarifbereich Metall
…
II. Zuschuß zum Kurzarbeitergeld
THA und IGM stellen nochmals klar, daß die Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld gem. § 4 Abs. 3 TV auf Sozialplanleistungen nicht angerechnet werden. Dies gilt nicht, wenn im Sozialplan eine Anrechnung ausdrücklich vorgesehen wird und das Sozialplanvolumen nicht dadurch das Maximalvolumen der Zweckzuwendung unterschreitet. Die Zuschüsse werden daher bei der Berechnung der Zweckzuwendung seitens der THA nicht berücksichtigt, so daß die Unternehmen die Mittel der Zweckzuwendung ungekürzt für Sozialplanleistungen einsetzen müssen. Soweit aufgrund des ursprünglich gegenteiligen Standpunktes der THA oder irrtümlich eine Anrechnung vorgenommen worden ist, sind entsprechende Nachzahlungen zu leisten bzw. Rückzahlungen auszugleichen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach dem TVKQ stehe ihr auch für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 31. März 1992 ein Zuschuß zum Kurzarbeitergeld zu. Da sie schon vor dem 1. Juli 1991 an einer vom Arbeitsamt geförderten Umschulungsmaßnahme teilgenommen habe, reiche der Anspruch auf Zuschuß über die Laufzeit des TVKQ hinaus bis zum 31. März 1992. Dem Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld stehe auch die Zahlung einer Abfindung nach dem Sozialplan nicht entgegen, denn diese solle die Belastung durch den Verlust des Arbeitsplatzes mildern, während der Zuschuß die Einkommensminderung während der Umschulung ausgleichen solle. Außerdem sei § 5 TVKQ mit Ablauf des 30. Juni 1991 außer Kraft getreten und könne schon aus diesem Grund den Anspruch der Klägerin nicht erfassen. Schließlich ergebe sich aus der Rahmenvereinbarung zwischen der Treuhandanstalt und der IG Metall, daß Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld nach dem TVKQ und – von der Treuhandanstalt refinanzierte – Sozialplanleistungen nicht aufeinander angerechnet werden sollten. Die Rahmenvereinbarung habe den Charakter eines Konzern-Tarifvertrages, dem auch die Beklagte als ein im streitbefangenen Zeitraum von der Treuhandanstalt konzernabhängiges Unternehmen unterlegen habe.
Die Klägerin hat beantragt.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 972,38 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1991 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Meinung scheitert der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch bereits daran, daß sie weder vor noch nach dem 30. Juni 1991 Unterhaltsgeld erhalten hat. In § 4 Ziff. 4 Satz 1 TVKQ sei nämlich für die Zeit nach dem 30. Juni 1991 lediglich ein Zuschuß zum Unterhaltsgeld vorgesehen.
Selbst wenn aber die Voraussetzungen des § 4 Ziff. 4 Satz 1 TVKQ erfüllt wären, so stehe einem solchen Anspruch doch die Überforderungsklausel des § 5 Abs. 2 TVKQ entgegen, da für den Betrieb der Beklagten ein Sozialplan abgeschlossen worden sei. Dabei sei es unerheblich, daß die im Sozialplan enthaltenen Regelungen mit denen des TVKQ nicht deckungsgleich seien. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut von § 5 TVKQ, sondern auch aus dessen Zweck. Die im TVKQ enthaltene sozialplanähnliche Regelung sei nämlich als Notlösung anstelle betrieblicher Regelungen in einer Zeit getroffen worden, in welcher der Abschluß von Sozialplänen nach dem erst am 1. Juli 1990 in der damaligen DDR in Kraft gesetzten BetrVG praktisch noch kaum möglich gewesen sei. Damals habe es nämlich in der DDR noch weitgehend an Betriebsräten und anderen betrieblichen Arbeitnehmervertretungen gefehlt, welche die Beteiligungsrechte nach dem BetrVG hätten wahrnehmen können. Vor diesem Hintergrund sei es nur folgerichtig, wenn nach Abschluß eines betrieblichen Sozialplans die tarifliche Ersatzregelung hinter diesen zurücktrete. § 5 TVKQ sei auch auf Ansprüche, die nach Außerkrafttreten des TVKQ fällig würden, anzuwenden. Die Rahmenvereinbarungen zwischen der IG Metall und der Treuhandanstalt seien hier schon deshalb ohne Bedeutung, weil sie nicht als Tarifvertrag anzusehen seien.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Zur Verhandlung über die Revision hat der Vorsitzende des Senats Termin in Erfurt anberaumt. Die Parteien sind entsprechend geladen worden. Die Beklagte hat diese Ladung für unzulässig gehalten und beantragt, den Termin in Erfurt aufzuheben und Termin am Gerichtssitz in Kassel anzuberaumen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende mit Beschluß vom 19. März 1993 – 4 AZR 585/92 – aus den Gründen des in einem Parallelrechtsstreit ergangenen Beschlusses vom 4. Februar 1993 (– 4 AZR 541/92 – EzA § 219 ZPO Nr. 1) zurückgewiesen. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die in Erfurt stattgefunden hat, hat die Beklagte erneut die Terminierung in Erfurt als rechtswidrig gerügt.
Entscheidungsgründe
Die Revision, über die in Erfurt zu verhandeln und zu entscheiden war, ist nicht begründet.
A. Der Senat hatte in Erfurt über die Revision zu verhandeln und zu entscheiden. Die Ladungen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind ordnungsgemäß ergangen. Der Vorsitzende konnte Erfurt als Terminsort bestimmen.
I. Für die Bestimmung des Terminsortes sowie für die Entscheidung über den Antrag der Beklagten auf Verlegung des in Erfurt anberaumten Termins nach Kassel war vor Eintritt in die mündliche Verhandlung der Vorsitzende des Senats zuständig. Dies ergibt sich, wie der Senat in einem Parallelrechtsstreit mit Beschluß vom 10. März 1993 (– 4 AZR 541/92 (B) – NZA 1993, 382 f.) entschieden hat, aus § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 227 ZPO. Wegen der Begründung im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Beschluß verwiesen.
II. Die mündliche Verhandlung konnte in Erfurt anberaumt werden. Dies ergibt sich aus § 219 Abs. 1 ZPO.
In seinem Beschluß vom 4. Februar 1993 (EzA. a.a.O.) hat der Vorsitzende die Bestimmung von Erfurt zum Terminsort im wesentlichen damit begründet, daß sie wegen des auf die Verhältnisse in den neuen Bundesländern bezogenen Prozeßgegenstandes, wegen der besseren Erreichbarkeit des Terminsortes für die Verfahrensbeteiligten, wegen des erleichterten Zugangs zum Termin für die an diesem Verfahren besonders interessierte Öffentlichkeit in den neuen Bundesländern und wegen der für den Senat am Terminsort bestehenden Möglichkeit, Erkenntnisse über die Lage in den neuen Ländern zu gewinnen, erforderlich i.S.v. § 219 Abs. 1 ZPO gewesen sei.
Die hiergegen gerichtete Rüge der Beklagten bleibt erfolglos.
1. Die Beklagte hat gemeint, eine mündliche Verhandlung in Erfurt sei nicht, wie in § 219 Abs. 1 ZPO für eine nicht am Gerichtssitz stattfindende mündliche Verhandlung vorausgesetzt, erforderlich. Die in dem Beschluß des Vorsitzenden für die Terminierung in Erfurt angeführten Erwägungen seien solche der Zweckmäßigkeit und, soweit sie durch die deutsche Einigung bedingt seien, politischer Natur. Solche Gesichtspunkte könnten aber im Rahmen des § 219 Abs. 1 ZPO, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei, keine Berücksichtigung finden (ebenso Schwerdtner, EWiR, § 219 ZPO, 1/93, S. 311 f.; Walker, NZA 1993, 491 ff.; dagegen zustimmend zum Beschluß des Vorsitzenden: Däubler, BB 1993, 660 f.; Jost, BB 1993, 662 f.; Hanau, EWiR, § 219 ZPO, 2/93, S. 619 f.). Ein solcher Verstoß gegen § 219 Abs. 1 ZPO laufe auf eine Verletzung der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs hinaus.
2. Die von der Beklagten geäußerten Bedenken greifen nicht durch. Der Vorsitzende des Senats konnte Termin zur mündlichen Verhandlung in Erfurt anberaumen. Er konnte dies nach seinem pflichtgemäßen Ermessen unter Berücksichtigung der sich aus dem deutschen Einigungsprozeß ergebenden Besonderheiten als erforderlich ansehen.
a) Nach allgemeiner Auffassung setzt die Erforderlichkeit i.S. des § 219 Abs. 1 ZPO nicht voraus, daß die Durchführung eines Termins am Gerichtssitz schlechthin unmöglich ist. Die Beurteilung dessen, was erforderlich ist, liegt nämlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (RGZ 56, 357, 359; MünchKommZPO-Feiber, § 219 Rz 3; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 219 Rz 4; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 219 Anm. A II b; Zöller/Stöber, ZPO, 18. Aufl., § 219 Rz 2). Eine solche Ermessensausübung setzt aber im Regelfall die Möglichkeit unterschiedlicher Entscheidungen voraus.
b) Soweit die bei der Ermessensausübung anzulegenden Maßstäbe näher erörtert werden, besteht freilich keine Einigkeit. Das gilt sowohl für die Frage, wie streng diese Maßstäbe sein sollen, als auch für die Gesichtspunkte, an denen sie sich zu orientieren haben.
aa) So hat es das Reichsgericht (a.a.O.) bereits als ausreichend betrachtet, wenn das Gericht die auswärtige Abhaltung eines Termins für nützlich hält. Ähnlich sieht Feiber (MünchKommZPO, a.a.O.) die Frage einer auswärtigen Verhandlung weitgehend als eine solche der Zweckmäßigkeit an, die bei Vorliegen sachlicher Gründe zu bejahen sei. Auch Hanau (a.a.O., S. 620) hält gewichtige Gründe prozessualer Zweckmäßigkeit für ausreichend.
Dagegen meinen andere, für die Zulässigkeit einer auswärtigen Verhandlung genüge deren Nützlichkeit oder Zweckmäßigkeit nicht. Sie müsse vielmehr notwendig sein (Zöller/Stöber, a.a.O.; Schwerdtner, a.a.O.). Dies ergebe sich schon aus einem Vergleich mit den beiden ersten in § 219 Abs. 1 ZPO angeführten Ausnahme fällen, nämlich der Augenscheinseinnahme und der Verhandlung mit einer am Erscheinen vor Gericht verhinderten Person (Walker, a.a.O., S. 493).
bb) Was die inhaltlichen Gesichtspunkte betrifft, an denen die Maßstäbe auszurichten sind, so stellen das Reichsgericht (a.a.O.) und Zöller/Stöber (a.a.O.) auf den Nutzen einer auswärtigen Verhandlung für die Herbeiführung einer gerechten Entscheidung des Streits ab. Das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 25. April 1956 – 1 U 605/55 – NJW 1957, 796, 797) und Walker (a.a.O.) halten es für maßgeblich, ob mit einer Verhandlung am Gerichtssitz eine so erhebliche Erschwerung der Rechtsfindung verbunden wäre, daß sie unter Berücksichtigung der Leitgedanken des Prozeßrechts nicht in Kauf genommen werden kann.
Dagegen sieht Feiber (a.a.O.) sachliche Gründe schlechthin als geeignet an, einen auswärtigen Termin zu rechtfertigen. Auch Hanau (a.a.O.) will ohne weitere Einschränkungen gewichtige Gründe prozessualer Zweckmäßigkeit ausreichen lassen.
c) Nach Auffassung des Senats ist das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit in § 219 Abs. 1 ZPO jedenfalls für das Revisionsverfahren dahin zu verstehen, daß eine auswärtige Verhandlung zweckmäßig erscheinen muß. Die Zweckmäßigkeit muß sich aus sachlichen Gründen ergeben, die so gewichtig sind, daß sie eine Ausnahme von dem Grundsatz rechtfertigen, wonach Termine am Gerichtssitz abzuhalten sind. Dabei kommen als sachliche Gründe nicht nur Umstände in Betracht, die unmittelbar auf die gerechte Entscheidung des Einzelfalles bezogen sind.
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine enge Auslegung von § 219 Abs. 1 ZPO nicht etwa deshalb geboten, weil es sich hierbei um eine Ausnahmevorschrift handelt. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, der es erfordern würde, Ausnahmebestimmungen stets nur eng auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können vielmehr auch Ausnahmevorschriften entsprechend ihrem Regelungszweck weit auszulegen und sogar der Analogie zugänglich sein (zuletzt BAG Urteil vom 10. Dezember 1992 – 2 AZR 271/92 – EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 38, m.w.N.).
Es kann hier dahinstehen, ob aus dem Nebeneinander der drei in § 219 Abs. 1 ZPO geregelten Ausnahmefälle auswärtiger Gerichtshandlungen allgemein Schlüsse darauf gezogen werden können, wie streng die an die Erforderlichkeit eines auswärtigen Termins zu stellenden Anforderungen sein müssen. Bei der Festlegung dieser Maßstäbe kann nämlich, soweit das Revisionsverfahren betroffen ist, nicht entscheidend auf die Voraussetzungen abgestellt werden, die für die beiden ersten in § 219 Abs. 1 ZPO aufgeführten Fallgruppen gelten. Insoweit sind die Unterschiede zu berücksichtigen, die zwischen den Tatsacheninstanzen und der Revisionsinstanz bestehen.
Die Augenscheinseinnahme und die Verhandlung mit einer am Erscheinen vor Gericht verhinderten Person spielen nämlich im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht, dem nach § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 561 ZPO der in der Berufungsinstanz festgestellte Sachverhalt zugrunde liegt und in dem nach § 11 Abs. 2 ArbGG Vertretungszwang herrscht, keine Rolle. Diese auf das Verfahren in den Tatsacheninstanzen zugeschnittenen Bestandteile des § 219 Abs. 1 ZPO können nicht bestimmend für die Tragweite dieser Regelung in der Revisionsinstanz sein.
bb) Kann demnach für die Erforderlichkeit einer auswärtigen Sitzung im Revisionsverfahren nicht auf die in den beiden ersten Fallgruppen des § 219 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommenden Wertungen zurückgegriffen werden, so ist die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals aus sich heraus und aus seiner Stellung innerhalb der Regelung zu ermitteln. Dabei hat das Gericht zunächst davon auszugehen, daß nach § 219 Abs. 1 ZPO zwischen den Terminen am Gerichtssitz und auswärtigen Terminen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis bestehen muß. Weiter muß das Gericht die Interessen der am Rechtsstreit Beteiligten und mögliche Auswirkungen einer auswärtigen Verhandlung auf die Rechtsfindung berücksichtigen (vgl. Feiber, a.a.O.).
Im Rahmen der für die Entscheidung über eine auswärtige Verhandlung über eine Revision vorzunehmenden Ermessensausübung kann es aber nicht nur auf solche Gründe ankommen, aus denen sich der Nutzen eines auswärtigen Termins für eine gerechte Entscheidung des Einzelfalls ergibt. Vielmehr sind hier auch über den Einzelfall hinaus reichende Interessen der Allgemeinheit einzubeziehen. Dies ergibt sich aus der auch auf solche übergreifende Interessen gerichteten Aufgabenstellung des Bundesarbeitsgerichts als Revisionsgericht, die in der Wahrung der Rechtseinheit und in der richterlichen Rechtsfortbildung ihren Ausdruck findet.
d) Bei Anlegung dieser Maßstäbe war die Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung in Erfurt zulässig. Für die auswärtige Verhandlung gibt es sowohl auf die Rechtsfindung in den zu entscheidenden Verfahren bezogene als auch hiervon unabhängige im Allgemeininteresse liegende sachliche Gründe. Diese Gründe sind sämtlich durch die Besonderheiten des deutschen Einigungsprozesses bedingt und erhalten dadurch ein solches Gewicht, daß sie eine Ausnahme vom Grundsatz der Verhandlung am Gerichtssitz zu rechtfertigen vermögen.
aa) Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits sind in Rathenow/Brandenburg ansässig. Auch die übrigen am 21. April 1993 zur Verhandlung anstehenden Rechtsstreite waren solche aus den neuen Bundesländern. In allen diesen Verfahren ging es um tarifvertragliche Bestimmungen, die auf den einigungsbedingten besonderen Verhältnissen in den neuen Ländern beruhen und nur dort gelten. Durch die Terminierung in Erfurt wurde den Parteien die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung erleichtert. Dies konnte dazu beitragen, ihnen bei der Verfolgung ihres eigenen Rechtsstreits eine Anschauung davon zu geben, wie das hierfür zuständige oberste Bundesgericht im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens seine Aufgaben wahrnimmt. Diese Anschauung rechtsstaatlicher Abläufe, mit denen sich während des Bestehens der ehemaligen DDR deren Bürger nicht hatten vertraut machen können, ist geeignet, das Verständnis für die Gerichtsentscheidung zu fördern und damit deren befriedende Wirkung zu erhöhen.
Als weiterer dem einzelnen Verfahren dienlicher Gesichtspunkt kommt hinzu, daß dem Senat die mündliche Verhandlung in Erfurt Gelegenheit gegeben hat, unmittelbar Eindrücke von den Verhältnissen in den neuen Ländern zu gewinnen, die sich immer noch grundlegend von denjenigen in den alten Bundesländern unterscheiden.
bb) Neben diesen auf die anstehenden Verfahren bezogenen Gründen war entscheidend die besondere Rolle zu berücksichtigen, die dem Bundesarbeitsgericht im deutschen Einigungsprozeß zugedacht ist.
Der Sitz des Bundesarbeitsgerichts soll nach Thüringen verlegt werden. Mit dieser Verlagerung eines der obersten Bundesgerichte in das Gebiet der neuen Bundesländer soll ein Beitrag zur deutschen Einigung geleistet werden. Gleichzeitig soll sie auch die Bedeutung der neuen Bundesländer betonen und zum Ausdruck bringen, daß die Ausübung höchster, sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckender staatlicher Funktionen in gleicher Weise von den neuen wie von den alten Bundesländern aus erfolgen soll.
Zwar ist noch keine rechtlich verbindliche Entscheidung über die Verlegung des Gerichtssitzes von Kassel (§ 40 Abs. 1 ArbGG) nach Thüringen getroffen worden. Es gibt aber politische Festlegungen der für eine solche Entscheidung zuständigen Verfassungsorgane, die so weitgehend sind, daß sie bei der Entscheidung über den Terminsort zu berücksichtigen waren. So hat die vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat gebildete Unabhängige Föderalismuskommission am 27. Mai 1992 mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit Vorschläge für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder beschlossen, darunter auch die Verlegung des Bundesarbeitsgerichts nach Thüringen (BT-Drucks. 12/2853). Der Deutsche Bundestag hat am 26. Juni 1992 diese Vorschläge nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern mit großer Mehrheit auch beschlossen, die Unabhängige Föderalismuskommission solle „die Umsetzung der Beschlüsse begleiten …” (Plenarprotokoll 12/100, S. 8457, 8519). Damit hat er die grundsätzliche Billigung dieser Beschlüsse zum Ausdruck gebracht. Infolge dieser politischen Festlegung werden inzwischen, wie aufgrund zahlreicher Berichte in den Medien offenkundig ist, von der Bundesregierung und dem Land Thüringen die Vorbereitungen für die Sitzverlegung, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen sollen, vorangetrieben.
Mit der mündlichen Verhandlung in Erfurt hat der Senat i.S. dieser besonderen Aufgabe des Bundesarbeitsgerichts im deutschen Einigungsprozeß gehandelt und zugleich deutlich gemacht, daß das Gericht ihr bereits in der Übergangszeit vor seiner Verlagerung durch die gelegentliche Abhaltung mündlicher Verhandlungen in Thüringen gerecht werden kann.
cc) Die angeführten, für die Zweckmäßigkeit einer mündlichen Verhandlung in Thüringen sprechenden Gründe sind so gewichtig, daß sie auch unter Beachtung des in § 219 Abs. 1 ZPO angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen Verhandlungen am Gerichtssitz und auswärtigen Verhandlungen diese Terminierung rechtfertigen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Belastungen, die sich – neben den bereits angeführten Erleichterungen – je nach den Umständen des Einzelfalles für die Prozeßbevollmächtigten durch höheren Zeitaufwand und für die unterliegende Partei durch höhere Kosten ergeben können, wenn auch nicht müssen.
Das Gewicht dieser sachlichen Gründe wird durch die Bedeutung des Einigungsprozesses bestimmt, mit dem einer jahrzehntelang nicht erfüllbaren verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands entsprochen wird. So hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Gesetzen auf die historische Einmaligkeit des Einigungsprozesses hingewiesen, welcher der Gesetzgeber Rechnung zu tragen habe und aus der sich weite Gestaltungsspielräume ergeben könnten (vgl. BVerfGE 82, 316, 320 f.; 82, 322, 339; 84, 90, 118; 84, 133, 148). Im Rahmen der Ermessensausübung zur Bestimmung des Terminsorts kann nichts anderes gelten.
B. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung des begehrten Zuschusses verlangen. Ein möglicher Anspruch ist nach § 5 Abs. 2 TVKQ wegen Bestehens eines Sozialplans entfallen.
I. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Klägerin die in § 4 Ziff. 4 TVKQ für einen Zuschuß im streitbefangenen Zeitraum aufgestellten Voraussetzungen erfüllt hat.
1. Zwar hat für die Klägerin bis zum 30. Juni 1991 der besondere Kündigungsschutz nach § 1 TVKQ bestanden, denn sie hat bei Inkrafttreten dieses Tarifvertrages in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden, auf das der TVKQ kraft beiderseitiger Verbands Zugehörigkeit anzuwenden war.
2. Die Klägerin befand sich aber am 30. Juni 1991 noch nicht in der eigentlichen Maßnahme der beruflichen Umschulung, sondern in einer „Vorschaltmaßnahme”. § 4 Ziff. 4 Satz 1 TVKQ könnte indessen so zu verstehen sein, daß die Hauptmaßnahme einer beruflichen Fortbildung oder Umschulung bereits vor dem 30. Juni 1991 begonnen haben muß. Hierfür spricht, daß in § 4 Ziff. 4 Satz 1 von einer „noch nicht abgeschlossenen Maßnahme” die Rede ist und ein Abschluß im Sinne dieser Bestimmung wohl nur bei der eigentlichen Umschulung, nicht dagegen bei einer Vorschaltmaßnahme in Betracht kommt.
Die Frage mag hier aber auf sich beruhen.
II. Selbst wenn die Klägerin nämlich die Voraussetzungen des § 4 Nr. 4 TVKQ erfüllen sollte, ist dennoch aufgrund von § 5 Abs. 2 TVKQ der von ihr geltend gemachte Anspruch nicht entstanden, weil für den Betrieb der Beklagten ein Sozialplan abgeschlossen worden ist. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Sinn der Bestimmung.
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Soweit der Tarifwortlaut jedoch nicht eindeutig ist, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamt Zusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z.B. Senatsurteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, m.w.N.).
2. § 5 Abs. 2 TVKQ setzt einen betrieblichen Sozialplan voraus. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß zur Umschreibung der betrieblichen Regelung in § 5 Abs. 2 die wesentlichen Elemente der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG enthaltenen Begriffsbestimmung des Sozialplans verwandt sind. Zum anderen folgt dies aus der durch das Wort „andere” in § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ geschaffene Verbindung zu Abs. 1 dieser Vorschrift, die ausdrücklich auf § 112 BetrVG verweist. Für den Betrieb der Beklagten ist im März 1991 wegen der beabsichtigten Entlassungen ein Sozialplan abgeschlossen worden.
3. Der Abschluß eines Sozialplans läßt nach § 5 Abs. 2 TVKQ alle Ansprüche aus dem TVKQ entfallen, ohne daß es hierfür weiterer Voraussetzungen bedürfte. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob das sich aus dem Sozialplan ergebende Leistungsvolumen größer ist als das der tariflichen Ansprüche und wie hoch im Einzelfall die Sozialplanansprüche des Arbeitnehmers, der nach § 4 Ziff. 4 TVKQ Zuschuß zum Unterhaltsgeld beanspruchen könnte, sind. § 5 Abs. 2 TVKQ hat nämlich nicht die Begrenzung tariflicher Ansprüche auf eine bestimmte Höhe oder die Vermeidung von Doppelansprüchen im Einzelfall zum Gegenstand, sondern erweist sich als Regelung zur nachträglichen Einschränkung des betrieblichen Geltungsbereichs des TVKQ.
a)aa) So sollen die tariflichen Ansprüche entfallen, „wenn” ein betrieblicher Sozialplan vereinbart wird. Wäre mit § 5 Abs. 2 TVKQ nur der Ausschluß von Doppelansprüchen einzelner Arbeitnehmer oder eine Begrenzung von Ansprüchen auf eine bestimmte Höhe bezweckt gewesen, so müßte es „soweit” heißen.
bb) Der Wegfall der Ansprüche nach § 5 Abs. 2 TVKQ setzt lediglich das Vorhandensein einer „anderen” Regelung voraus, ohne daß an deren Inhalt – abgesehen von ihrem Sozialplancharakter – weitere Anforderungen gestellt würden. Sollte die Bestimmung lediglich den Arbeitgeber vor einer Überforderung durch das Volumen der von ihm zu erbringenden Leistungen schützen, so hätten die Tarifvertragsparteien es nicht bei dem Wort „andere” bewenden lassen dürfen, sondern den Wegfall der tariflichen Ansprüche vom Inhalt des Sozialplans, beispielsweise vom Umfang der in ihm vorgesehenen Leistungen, abhängig machen müssen.
cc) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ sollen bei Vorhandensein eines Sozialplans ausdrücklich alle tariflichen Ansprüche entfallen, nicht etwa nur diejenigen, die zusammen mit Sozialplanansprüchen eine bestimmte Grenze übersteigen.
dd) Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TVKQ sind bei Wegfall der tariflichen Ansprüche bereits vom Betrieb erbrachte Leistungen zurückzugewähren, ohne daß es nach dem Wortlaut der Bestimmung auf deren Höhe ankäme. Dabei sind unter betrieblichen Leistungen i.S. dieser Bestimmung die vom Betrieb aufgrund des TVKQ erbrachten und nicht etwa die auf betrieblichen Regelungen beruhenden Leistungen zu verstehen, wie sich aus dem Zusammenhang von § 5 Abs. 2 Satz 2 mit Satz 1 dieser Bestimmung ergibt.
b) Der aus der Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags erkennbare Zweck der Regelung bestätigt diese Wortinterpretation.
aa) Zwar galt bei Abschluß des TVKQ das BetrVG bereits in der damaligen DDR, so daß die Vereinbarung von Sozialplänen nach § 112 BetrVG im Grundsatz rechtlich möglich war. Es muß aber als offenkundig nach § 291 ZPO die Tatsache berücksichtigt werden, daß damals in der DDR noch kaum Arbeitnehmervertretungen mit hinreichender demokratischer Legitimation bestanden, die von den Mitbestimmungsrechten des BetrVG auch tatsächlich hätten Gebrauch machen und Sozialpläne hätten abschließen können. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der nach § 30 Nr. 3 des Gesetzes der DDR über die Inkraftsetzung von Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Juni 1990 (GBl.-DDR I S. 357) möglichen Ausübung von Beteiligungsrechten nach dem BetrVG durch andere betriebliche Arbeitnehmervertretungen als Betriebsräte.
Ebenso offenkundig ist, daß schon bei Abschluß des TVKQ damit gerechnet wurde, daß es infolge des Übergangs der DDR in eine marktwirtschaftliche Ordnung zu Massenentlassungen kommen werde, deren Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer üblicherweise gerade mit Hilfe der im BetrVG den Betriebsräten zur Verfügung gestellten Beteiligungsrechte gemildert werden. Da dieses Instrumentarium praktisch in vielen Betrieben noch nicht einsetzbar war, wollten die Tarifvertragsparteien durch eine Regelung, die ihrem Gegenstand nach Sozialplancharakter haben sollte, diese Lücke füllen. Daß die Tarifvertragsparteien mit dem TVKQ materiell einen Sozialplan schaffen wollten, ergibt sich aus der in § 5 Abs. 1 TVKQ enthaltenen Begriffsbestimmung.
bb) Ist damit dem TVKQ zur Lückenfüllung wegen des weitgehenden Fehlens geeigneter betrieblicher Arbeitnehmervertretungen eine Aufgabe zugewiesen, die nach dem BetrVG üblicherweise von den Betriebspartnern bewältigt wird, so ist es nur folgerichtig, wenn die Tarifvertragsparteien die im TVKQ enthaltene Notlösung bei Vorliegen einer betrieblichen Regelung hinter diese zurücktreten lassen wollten.
Hierfür spricht auch, daß die Betriebspartner im Gegensatz zu den Parteien eines Branchen-Tarifvertrages ihre Regelungen den jeweils im einzelnen Betrieb bestehenden Gegebenheiten und Erfordernissen anpassen können. Daher konnten die Parteien des TVKQ davon ausgehen, daß betriebliche Regelungen wegen ihrer Problemnähe den Bedürfnissen des Einzelfalles besser gerecht werden könnten als die Bestimmungen des TVKQ. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es nur folgerichtig, daß das Zurücktreten des TVKQ hinter eine betriebliche Sozialplanregelung nicht davon abhängig gemacht wird, ob nach dem Sozialplan dieselben Personen Ansprüche haben wie nach dem Tarifvertrag, und wie sich der Umfang dieser Ansprüche insgesamt und im Einzelfall zum Umfang der tariflichen Ansprüche verhält. Nach den betrieblichen Gegebenheiten des einzelnen Falles kann es sich nämlich als angemessen erweisen, wenn im Sozialplan ein anderes Leistungsvolumen oder die Begünstigung anderer Arbeitnehmer vorgesehen wird als im TVKQ.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergeben sich auch aus der Überschrift von § 5 TVKQ und aus der Fußnote zu § 5 Abs. 2 Satz 1 keine Gesichtspunkte, die solches Gewicht hätten, daß sie eine teleologische Reduktion der dem Wortlaut zu entnehmenden Bedeutung der Bestimmung erfordern würden.
aa) So bietet der TVKQ keinen Anhaltspunkt dafür, daß in § 5 Abs. 2 nur solche betriebliche Regelungen gemeint wären, die hinsichtlich des Kreises der Begünstigten, der zum Maßstab genommenen Machteile – also z.B. des Arbeitsplatzverlustes oder der Entgeltminderung während Kurzarbeit oder Umschulung – und der Art sowie des Umfangs des hierfür vorgesehenen Ausgleichs mit dem TVKQ identisch wären oder doch wenigstens weitgehend mit ihm übereinstimmen würden.
Zwar mögen Sozialpläne dann die Rechtsfolge des § 5 Abs. 2 nicht auslösen, wenn sie nicht im Zusammenhang mit den während der Geltungszeit des TVKQ erfolgten oder eingeleiteten betrieblichen Strukturveränderungen stehen. Dies kann aber hier dahinstehen, denn im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Sozialplan aus dem März 1991, der diese Strukturveränderungen zum Gegenstand hat.
Eine weitere Einschränkung des Kreises der unter § 5 Abs. 2 fallenden Sozialpläne nach deren Regelungsgegenstand kann weder der Überschrift von § 5 noch der Fußnote zu § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ entnommen werden, denn dort ist nicht der Gegenstand der Regelungen, sondern die Höhe der den Arbeitgeber treffenden Belastung genannt. Auch aus § 5 Abs. 1 TVKQ kann eine weitere gegenständliche Einschränkung nicht abgeleitet werden, denn diese Bestimmung besagt nur in allgemeiner Form, daß die in §§ 1, 3 und 4 TVKQ enthaltenen Regelungen ihrem Inhalt nach einen Sozialplan darstellten.
Im Gegenteil spricht das Wort „andere” in § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ gerade dafür, daß der unter diese Bestimmung fallende betriebliche Sozialplan eine sowohl von den Voraussetzungen als auch nach den Rechtsfolgen vom TVKQ abweichende Regelung enthalten kann.
bb) Die Überschrift des § 5 und die Fußnote zu § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ reichen auch nicht aus, um eine Beschränkung des § 5 Abs. 2 auf solche betriebliche Sozialpläne zu rechtfertigen, deren Leistungsumfang denjenigen des TVKQ übersteigt.
Die Überschrift ist nicht eindeutig. Mit Doppelbelastungen können dem Wortsinn nach solche Belastungen des Arbeitgebers gemeint sein, die in ihrer Addition als unangemessen hoch erscheinen. Der Begriff kann aber auch so zu verstehen sein, daß er das Nebeneinander auf verschiedenen Rechtsquellen beruhender Belastungen umfaßt. In der letztgenannten Bedeutung stimmt die Überschrift aber mit der sich aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 ergebenden Auslegung überein.
Die Fußnote zu § 5 Abs. 2 Satz 1 hat zwar eindeutig eine Begrenzung der Höhe der vom Arbeitgeber zu tragenden Belastung zum Gegenstand. Ihr Gewicht wird aber dadurch entscheidend gemindert, daß sie nicht zum Regelungsgegenstand des § 5 Abs. 2 Satz 1 paßt und damit zu dieser Bestimmung, die sie erläutern soll, in Widerspruch steht. Nach der Fußnote soll nämlich eine Begrenzung der Belastung des Arbeitgebers auf die tariflichen Ansprüche Zweck der Regelung sein, was ein Zurücktreten des Sozialplans hinter den TVKQ zur Folge haben müßte. Im Gegensatz hierzu läßt aber § 5 Abs. 2 Satz 1, auch wenn mit der Klägerin eine teleologische Beschränkung dieser Bestimmung für richtig gehalten wird, gerade die tariflichen Ansprüche zugunsten solcher aus dem Sozialplan zurücktreten.
Es kommt hinzu, daß eine Beschränkung von § 5 Abs. 2 Satz 1 auf solche betriebliche Regelungen, die mindestens eine gleich hohe Belastung des Arbeitgebers vorsehen wie der TVKQ, zu kaum praktikablen Ergebnissen führen würde. Es könnte nämlich insoweit nicht auf den Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers abgestellt werden, weil sich aus dessen Höhe nicht die Gesamtbelastung des Arbeitgebers errechnen läßt. Auch wenn dem Arbeitnehmer im Einzelfall nach dem TVKQ ein höherer Anspruch zusteht als nach dem Sozialplan, kann dennoch die Gesamtbelastung des Arbeitgebers durch den Sozialplan diejenige durch den TVKQ bei weitem übersteigen. Allein diese Gesamtbelastung kann aber, wenn überhaupt aufgrund der Fußnote eine teleologische Reduktion von § 5 Abs. 2 Satz 1 geboten sein sollte, der hierbei anzulegende Maßstab sein. Dieser Maßstab wird jedoch im Rahmen des Streits um den Zahlungsanspruch eines Arbeitnehmers kaum handhabbar sein. Im Rahmen eines solchen Rechtsstreits wird es nämlich kaum möglich sein, festzustellen, ob die Gesamtbelastung des Arbeitgebers aus dem Sozialplan die Höhe seiner Belastung aus dem TVKQ erreicht. Eine solche Feststellung würde die Addition der zahlreichen sich aus dem TVKQ bzw. aus dem Sozialplan ergebenden Einzelansprüche erfordern, die vielfach in ihrer Höhe und zum Teil auch ihrem Bestand im Zeitpunkt der Geltendmachung eines einzelnen Anspruchs noch unbekannt sein werden.
d) Gegen diese Auslegung von § 5 Abs. 2 TVKQ greift auch der Einwand der Klägerin nicht durch, sie führe dazu, daß durch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten nach dem BetrVG, auf die möglicherweise Nichtmitglieder der Koalitionen maßgeblichen Einfluß nehmen, über tarifvertragliche Ansprüche von Koalitionsmitgliedern verfügt werde. Die Tarifvertragsparteien haben nämlich in § 5 Abs. 2 TVKQ nicht einzelne tarifliche Ansprüche der Verfügung der Betriebspartner unterworfen, sondern, wie ausgeführt, aus dem Geltungsbereich des TVKQ solche Betriebe ausgenommen, für die wegen Vorhandenseins eines betrieblichen Sozialplans für das ersatzweise Eingreifen einer tariflichen Regelung kein Bedarf mehr besteht.
e) Ohne Bedeutung für die Anwendung von § 5 Abs. 2 TVKQ ist, daß im vorliegenden Fall der Sozialplan bereits abgeschlossen war, bevor die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche entstehen konnten. Zwar könnte die Formulierung „Ansprüche aus diesem Abkommen entfallen” in § 5 Abs. 2 Satz 1 TVKQ dem Wortlaut nach bedeuten, daß ein im Einzelfall entstandener Anspruch wieder untergeht, wenn ein betrieblicher Sozialplan abgeschlossen wird. Dieser Textteil kann seinem Wortsinn nach aber auch die Bedeutung haben, daß die von den Tarifpartnern geschaffenen Ansprüche im generell-abstrakten Sinn, also als Anspruchsnormen bei Abschluß eines betrieblichen Sozialplans für diesen Betrieb entfallen. Dem oben (b) dargestellten Zweck der Regelung entspricht nur die letztere Auslegung. Das Zurücktreten der tariflichen hinter der sachnäheren betrieblichen Sozialplanregelung kann nicht auf die Fälle beschränkt werden, in denen tarifliche Ansprüche bereits vor Abschluß des Sozialplans entstanden sind.
4. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 5 Abs. 2 TVKQ auch auf Ansprüche anwendbar, die erst nach dem in § 6 Satz 1 für den 1. Juli 1991 angeordneten Außerkrafttreten des Tarifvertrags entstehen würden. Erfolglos beruft sich die Klägerin insoweit auf den Wortlaut von § 6 TVKQ, in dessen Satz 3 ausdrücklich angeordnet ist, daß die Rechte aus § 4 Ziff. 4 TVKQ bis zum 31. März 1992 „erhalten bleiben”, während § 5 Abs. 2 dort nicht genannt ist.
a) Zunächst ist der Wortlaut des § 6 TVKQ keineswegs eindeutig im Sinne der von der Klägerin für richtig gehaltenen Auslegung. Das Schicksal der im TVKQ enthaltenen Rechtsnormen ist Regelungsgegenstand lediglich der ersten beiden Sätze des § 6, die ihr Außerkrafttreten zum 1. Juli 1991 anordnen und eine Nachwirkung ausschließen. Satz 3 verlängert seinem Wortlaut nach nicht etwa die Geltungsdauer von § 4 Ziff. 4, sondern bestimmt lediglich die Erhaltung von „Rechten”, die im Anspruch auf Weitergewährung von Zuschüssen nach § 4 Ziff. 4 bestehen. Damit liegt schon nach dem Wortlaut von § 6 die Auslegung nahe, daß diese Bestimmung auch nach dem 30. Juni 1991 die weitere Anwendung aller tariflichen Regelungen voraussetzt, von denen der Bestand dieser „Rechte” abhängt, sei es, daß sie die Begründung des Anspruchs (§ 1 Ziff. 1, § 4 Ziff. 1 und 2), sei es, daß sie das Verhindern seiner Entstehung oder seine Vernichtung (§ 5 Abs. 2) betreffen.
b) Dieses Verständnis von § 6 Satz 3 TVKQ wird dadurch bestätigt, daß § 4 keine eigenständige anspruchsbegründende Norm ist, sondern lediglich im Anschluß an in anderen Bestimmungen (§ 1 Ziff. 1, § 4 Ziff. 1 und 2) normierte Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Weiterzahlung gibt und damit auf eine Verlängerung bestehender Zahlungsansprüche hinausläuft.
c) Entscheidend fällt schließlich ins Gewicht, daß, wie oben (unter B II 3) dargelegt. § 5 Abs. 2 das Verhältnis des TVKQ zu betrieblichen Sozialplänen regelt und Betriebe, für die ein solcher betrieblicher Sozialplan abgeschlossen worden ist, von der Geltung der im TVKQ für das einzelne Arbeitsverhältnis enthaltenen Rechtsnormen ausnimmt. Wenn der TVKQ nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur als Notbehelf fehlende betriebliche Sozialplanregelungen ersetzen und nach deren Schaffung hinter diese zurücktreten soll, verbietet sich eine Auslegung von § 6 Satz 3, wonach ausgerechnet nach dem Außerkrafttreten des TVKQ diese Einschränkungen nicht mehr gelten und tarifliche Ansprüche stärkeren Bestand haben sollen als während der Geltungszeit des Tarifvertrages.
5. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin gegen eine Anwendung von § 5 Abs. 2 TVKQ auf die Rahmenvereinbarung zwischen IG Metall und Treuhandanstalt vom 25. Mai 1992.
Diese Rahmenvereinbarung hat nämlich keine Rechte und Pflichten zwischen den im Anteilseigentum der Treuhandanstalt stehenden Unternehmen und ihren Arbeitnehmern begründet. Sie betrifft vielmehr ausschließlich das Verhältnis zwischen der Treuhandanstalt und der IG Metall. Dies ergibt sich schon aus ihrem Charakter als Zusatz zur „Gemeinsamen Erklärung zwischen Treuhandanstalt, DGB und DAG” vom 13. April 1991, deren Schwerpunkt das von der Treuhandanstalt abgegebene Versprechen bildet, den in ihrem Anteilseigentum stehenden Unternehmen Mittel zu einer – der Höhe nach begrenzten – Dotierung von Sozialplänen zur Verfügung zu stellen.
Im übrigen haben sich Treuhandanstalt und IG Metall in den Rahmenvereinbarungen nicht zur Tragweite des § 5 Abs. 2 TVKQ geäußert. Sie haben in Teil I Abschnitt II dieser Rahmenvereinbarungen lediglich eine Erklärung darüber abgegeben, unter welchen Umständen Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld nach dem TVKQ auf Sozialplanleistungen angerechnet werden können.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Dr. Wißmann, Fieberg, Jürgens
Fundstellen