Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsurlaubs
Leitsatz (amtlich)
Die tarifvertragliche Regelung einer besonderen Leistung, die ein zusätzliches Entgelt darstellt und mit der der Zuwachs an Erfahrungswissen honoriert werden soll, darf Zeiten des Erziehungsurlaubs unberücksichtigt lassen.
Orientierungssatz
1. Eine unzulässige mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ist nur gegeben, wenn die streitige Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben. Zudem muss der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entsprechen und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sein.
2. Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses dürfen unberücksichtigt bleiben, wenn mit der tatsächlichen Arbeitsleistung ein Zuwachs an Erfahrungswissen verbunden ist, der durch das Entgelt vergütet werden soll.
Normenkette
EG Art. 141; GG Art. 6 Abs. 1-2; BEEG § 15 Abs. 2 S. 6; ZPO § 256; Entgelttarifvertrag der Kliniken der Unternehmensgruppe Dr. Marx vom 1. März 1999 § 3; Manteltarifvertrag der Kliniken der Unternehmensgruppe Dr. Marx vom 1. März 1999 §§ 9-10
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. November 2006 – 4 Sa 588/06 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 26. April 2006 – 4 Ca 2022/05 – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Bemessung einer tariflichen Betriebszugehörigkeitszulage.
Die 1964 geborene Klägerin ist seit dem 15. September 1985 bei der Beklagten als Krankengymnastin beschäftigt, zuletzt in Teilzeit. Sie befand sich vom 31. Oktober 1996 bis zum 30. Oktober 1999 im Erziehungsurlaub. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft Organisationszugehörigkeit die Haustarifverträge der Kliniken der Unternehmensgruppe Dr. Marx Anwendung. § 3 des Entgelttarifvertrags vom 1. März 1999 (im Folgenden: ETV-M) lautet auszugsweise:
“1. Bei seiner/ihrer Einstellung erhält der/die Arbeitnehmer/-in die Anfangsgrundvergütung einer Vergütungsgruppe. Nach Ablauf von sechs Beschäftigungsmonaten erhält er/sie die Grundvergütung der jeweiligen Vergütungsgruppe. …
Ab dem 3., 5., 10., 15., 20. und 25. Beschäftigungsjahr erhält der/die Arbeitnehmer/-in eine Betriebszugehörigkeitszulage (Anlage 1 und 1a).
Die Betriebszugehörigkeitszulage errechnet sich jeweils auf die Vergütung (zuzüglich der bisher erworbenen Betriebszugehörigkeitszulage) des/der Arbeitnehmers/-in, die er/sie vor dem Stichtag zur Anpassung an die Beschäftigungsjahre erhalten hat. Die Betriebszugehörigkeitszulage ist separat zur Grundvergütung auszuweisen.
…
3. Die Betriebszugehörigkeitszulage wird für eine Vollbeschäftigung gezahlt. Nicht vollbeschäftigte Arbeitnehmer/-innen erhalten die Betriebszugehörigkeitszulage anteilig auf die für ihre Teilzeitbeschäftigung vereinbarte Vergütung.
Wird nach einer Vollzeitbeschäftigung eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart, so vermindert sich neben der Vergütung der jeweiligen Vergütungsgruppe auch die erworbene Betriebszugehörigkeitszulage anteilig.”
In § 9 des Manteltarifvertrags vom 1. März 1999 (MTV-M) ist unter der Überschrift “Beschäftigungszeit” geregelt:
“1. Beschäftigungszeit ist die Zeit einer Beschäftigung innerhalb der Klinik.
Wird ein unbefristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen, so werden Zeiten aus einem vorhergehenden befristeten Arbeitsverhältnis (Ärzte/-innen im Praktikum, Praktikanten/-innen und Auszubildende sind hiervon ausgenommen) voll angerechnet, wenn im unbefristeten Arbeitsverhältnis die Fristen des § 3 MTV abgelaufen sind.
Eine Verpflichtung zur Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten besteht nicht, wenn der/die Arbeitnehmer/-in auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist und wieder eingestellt wird, es sei denn, daß er/sie
a) wegen Ableistung des Wehrdienstes oder eines ihn ersetzenden öffentlichen Dienstes,
b) wegen Betreuungsaufgaben in der eigenen Familie,
c) wegen Arbeitsunfall oder Krankheit
aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und sich unverzüglich nach Wegfall des Grundes um seine/ihre Wiedereinstellung beworben hat.
Ausfallzeiten, z.B. auch längerer unbezahlter Urlaub, werden bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht berücksichtigt; dies gilt auch bei der Wiedereinstellung.
2. Abgeleistete Beschäftigungsjahre außerhalb der Klinik können auf die Beschäftigungszeit angerechnet werden, wenn sie für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung sind.”
§ 10 MTV-M lautet:
“Vergütung
1. Der/Die Arbeitnehmer/-in erhält eine Vergütung, die sich aus Tarifgehalt, Zulagen und Zuschlägen zusammensetzt.
…
8. Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer/-innen, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht oder die trotz bestehenden Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Lohn und Gehalt haben, erhalten keine Leistungen (mit Ausnahme der Mutterschaftszeit). Ruht das Arbeitsverhältnis oder besteht ein Anspruch auf Vergütung im Kalenderjahr nur teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.”
Mit Schreiben vom 23. August 2002 machte die Klägerin die ab dem 15. Beschäftigungsjahr erhöhte Betriebszugehörigkeitszulage rückwirkend für drei Monate geltend. Der Erziehungsurlaub sei als Beschäftigungszeit anzurechnen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, dass ihr ab dem 1. Mai 2002 die Betriebszugehörigkeitszulage ab dem 15. Beschäftigungsjahr bis zum 14. September 2004 zu zahlen ist;
2. festzustellen, dass ihr ab dem 15. September 2004 die Betriebszugehörigkeitszulage ab dem 20. Beschäftigungsjahr zu zahlen ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die ab dem 15. Beschäftigungsjahr erhöhte Zulage stehe der Klägerin erst seit dem 15. September 2002 zu.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Bestätigung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.
I. Es kann dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse der Klägerin (§ 256 Abs. 1 ZPO) besteht. Das Feststellungsinteresse ist nur für ein stattgebendes Urteil echte Prozessvoraussetzung. Für die Abweisung einer Feststellungsklage ist es jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn auch die in Betracht kommende Leistungsklage abzuweisen wäre (BAG 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – BAGE 104, 324, 330 mwN).
II. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin stand nicht seit dem 15. September 1999 im 15. Beschäftigungsjahr und nicht seit dem 15. September 2004 im 20. Beschäftigungsjahr, denn der Erziehungsurlaub vom 31. Oktober 1996 bis zum 30. Oktober 1999 ist als Periode des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen.
1. Der Tarifbegriff der Beschäftigungszeit wird in § 9 MTV-M auch für § 3 ETV-M definiert. Zeiten der Nichtleistung von Arbeit werden in § 9 Ziff. 1 Abs. 4 MTV-M erläutert. Ausfallzeiten bleiben bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei der Bestimmung der Beschäftigungszeit unberücksichtigt. Dies gilt auch bei der Wiedereinstellung. Mit dieser Regelung wird die tarifliche Behandlung von Ausfallzeiten allgemein festgelegt. Der Begriff “Fortsetzung” bezieht sich dabei nicht nur auf die Anrechnung früherer Berufszeiten nach einer Wiedereinstellung, sondern meint vorrangig eine Fortsetzung nach der Ausfallzeit. Dies folgt aus der in § 9 Ziff. 1 Abs. 4 zweiter Halbsatz MTV-M enthaltenen Ergänzung: dies gilt “auch” bei der Wiedereinstellung. Für eine allgemeine Regelung von Ausfallzeiten spricht vor allem die Stellung neben den anderen Absätzen des § 9 Ziff. 1 MTV-M. In § 9 Ziff. 1 Abs. 1 wird die Beschäftigungszeit innerhalb der Klinik geregelt, danach folgt in § 9 Ziff. 1 Abs. 2 die Anrechnung von Zeiten aus vorgehenden befristeten Arbeitsverhältnissen, in § 9 Ziff. 1 Abs. 3 die Anrechnung früherer Zeiten nach einer rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses und sodann – wiederum gleichrangig – in einem eigenständigen Absatz in § 9 Ziff. 1 Abs. 4 die Regelung der “Ausfallzeiten”. Eine Regelung von Ausfallzeiten lediglich im Rahmen der in § 9 Ziff. 1 Abs. 3 MTV-M normierten Anrechnung bestimmter Vordienstzeiten nach einer Wiedereinstellung wäre übergangslos innerhalb desselben Absatzes erfolgt.
2. Der Erziehungsurlaub gehört zu den “Ausfallzeiten” iSv. § 9 Ziff. 1 Abs. 4 MTV-M.
a) Wie ein Rückschluss aus dem gesondert in § 9 Ziff. 1 Abs. 4 Satz 1 MTV-M genannten Beispiel “längerer unbezahlter Urlaub” (vgl. hierzu BAG 26. November 2003 – 4 AZR 693/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 30 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 8 mwN) zeigt, erfasst der Tarifvertrag mit dem Begriff “Ausfallzeit” Perioden, in denen das Arbeitsverhältnis zwar rechtlich fortbesteht, die Hauptleistungspflichten aber nicht geschuldet werden, insbesondere keine Arbeitsleistungen erbracht werden. Das entspricht dem üblichen Sprachgebrauch. Ausfallzeit meint eine Zeitspanne, in der jemand oder etwas ausfällt, nicht zur Verfügung steht. Dem entspricht nach § 17 MuSchG die Gesetzessprache. So “gelten” für den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer die “Ausfallzeiten” wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als “Beschäftigungszeiten”. Auch im Erziehungsurlaub fällt der betreffende Arbeitnehmer in diesem Sinne aus, denn er erbringt keine Arbeitsleistung und erhält keine Arbeitsvergütung.
b) § 10 Ziff. 8 MTV-M zeigt, dass die Tarifvertragsparteien das Problem ruhender Zeiten im bestehenden Arbeitsverhältnis gesehen haben. Hiernach erhalten anspruchsberechtigte Arbeitnehmer/-innen, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht oder die trotz bestehenden Arbeitsverhältnisses keinen Anspruch auf Lohn oder Gehalt haben, keine Leistungen. Lediglich Zeiten der Mutterschaft sind hiervon ausgenommen. Ruht das Arbeitsverhältnis oder besteht ein Anspruch auf Vergütung im Kalenderjahr nur teilweise, so erhalten die Arbeitnehmer eine anteilige Leistung. Die Norm bezieht sich vorwiegend auf das in § 10 Ziff. 5 – 7 MTV-M geregelte 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld, bringt aber den allgemeinen Gedanken zum Ausdruck, dass dem Arbeitgeber durch ruhende Arbeitsverhältnisse – ausgenommen Mutterschutzzeiten – keine finanziellen Lasten entstehen sollen. Hiervon wird der Erziehungsurlaub erfasst, denn während dieser Zeit ruht das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes (BAG 10. Februar 1993 – 10 AZR 450/91 – BAGE 72, 222, 226 mwN). Aus § 10 Ziff. 8 MTV-M folgt zugleich, dass die Betriebszugehörigkeitszulage selbst der Entlohnung dient, weil auch sie während des ruhenden Arbeitsverhältnisses nicht fortzuzahlen ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Tarifvertrag in § 10 im Zusammenhang mit der Vergütung den Begriff “Ruhen” und in § 9 im Zusammenhang mit der Beschäftigungszeit den Begriff “Ausfallzeit” verwendet. Die beiden Begriffe knüpfen an die jeweils zu regelnden Tatbestände an.
Dem entspricht der Gebrauch des Begriffs der Beschäftigungszeit in anderen tariflichen Zusammenhängen und bei zusätzlichen tariflichen Leistungen. So nehmen § 13 Ziff. 1 und § 14 Ziff. 6 MTV-M ebenfalls Bezug auf die allgemeine Regelung der Beschäftigungszeit in § 9 MTV-M. Gleiches gilt für die Kündigungsfristen (§ 17 Ziff. 4 MTV-M).
3. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sprechen dafür, den Erziehungsurlaub nicht als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen.
a) Aus der in § 9 Ziff. 2 MTV-M geregelten Anrechnung von außerhalb der Klinik “abgeleisteten” Vordienstzeiten wird besonders deutlich, dass es für die Anerkennung von Beschäftigungszeiten auf den Erwerb beruflicher Erfahrungen in einer Leistungsbeziehung und damit auf ein tatsächlich vollzogenes Arbeitsverhältnis ankommt. Nur dann kann die Beschäftigungszeit für die auszuübende Tätigkeit die tariflich geforderte Bedeutung haben. Dies wird durch den Begriff “abgeleistet” deutlich herausgestellt. Zudem ergibt sich aus der Nichtanrechnung von Ausbildungs- und Praktikantenzeiten, dass es auf das zusätzlich erlangte berufspraktische Wissen ankommt.
b) Ebenso werden nach § 9 Ziff. 1b MTV-M bei Arbeitnehmern, die wegen Betreuungsaufgaben in der eigenen Familie ausgeschieden und später wieder eingestellt worden sind, ausschließlich tatsächliche Vordienstzeiten angerechnet. Im Übrigen lässt sich dieser Regelung entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien das Problem familiärer Betreuungszeiten gesehen und lediglich eine Anrechnung tatsächlich erbrachter Beschäftigungszeiten bestimmt haben. Schwierigkeiten bei der Berücksichtigung früherer Teilzeittätigkeitsjahre entstehen – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – nicht. Diese sind voll anzurechnen, da eine Quotierungsregelung fehlt (vgl. BAG 25. April 2007 – 6 AZR 746/06 – AP TzBfG § 4 Nr. 14 = EzA TzBfG § 4 Nr. 12 mwN).
c) Dass die Zulage auch für Tätigkeiten einfachster Art gezahlt wird, spricht nicht gegen die Annahme, die Beschäftigungszulage sei Entgelt tatsächlich erbrachter Arbeitsleistungen und dabei erworbenen Erfahrungswissens. Dieses Wissen kann auch bei Leistung einfacher Tätigkeiten durch die verbesserte Kenntnis der betrieblichen Abläufe gesteigert werden.
4. Die tarifvertragliche Regelung der Nichtberücksichtigung von Erziehungsurlaubszeiten bei der Bestimmung der Beschäftigungszeit verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
a) Die Nichtberücksichtigung von Erziehungsurlaub bei der Berechnung der Beschäftigungszeit verletzt nicht den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit (Art. 141 EG). Dieser Grundsatz erstreckt sich auf mittelbare Diskriminierungen, mithin Regelungen, die zwar geschlechtsneutral formuliert und deshalb auf Frauen und Männer gleichermaßen anzuwenden sind, jedoch aus Gründen, die auf dem Geschlecht und der Geschlechtsrolle beruhen, tatsächlich (prozentual) erheblich mehr Frauen als Männer nachteilig betreffen. Doch ist die Regelung sachlich gerechtfertigt.
aa) Unter Entgelt iSd. Art. 141 EG sind die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter zu verstehen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in bar oder in Sachleistungen zahlt. Der Grundsatz des gleichen Entgelts gilt deshalb auch für monatliche Zulagen, die vom Arbeitgeber auf Grund des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden (vgl. EuGH 26. Juni 2001 – C-381/99 – EuGHE I 2002, 4961).
bb) Das Verbot der diskriminierenden Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern ist wegen seines Charakters nicht nur für staatliche Stellen verbindlich, sondern erstreckt sich auch auf Tarifverträge, die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regeln (EuGH 8. April 1976 – C-43/75 – [Defrenne II] EuGHE 1976, 455; 21. Oktober 1999 – C-333/97 – [Lewen] EuGHE I 1999, 7243).
cc) Eine unzulässige mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ist nur gegeben, wenn die streitige Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben. Zudem muss der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entsprechen und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich sein (vgl. EuGH 26. Juni 2001 – C-381/99 – EuGHE I 2002, 4961). Diese Bedingungen erfüllen Regelungen, die an die tatsächliche Arbeitsleistung anknüpfen. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt objektiv eine Anspruchsminderung (BAG 15. April 2003 – 9 AZR 137/02 – BAGE 106, 22; 4. Dezember 2002 – 10 AZR 138/02 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 3; vgl. auch EuGH 21. Oktober 1999 – C-333/97 – [Lewen] EuGHE I 1999, 7243). Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses dürfen unberücksichtigt bleiben, wenn mit der tatsächlichen Arbeitsleistung ein Zuwachs an Erfahrungswissen verbunden ist, der durch das Entgelt vergütet werden soll (BAG 9. November 1994 – 10 AZR 3/94 – AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3; 18. Juni 1997 – 4 AZR 647/95 – AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49). Da der Rückgriff auf das Dienstalter in der Regel zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet ist, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten, hat der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht besonders darzulegen, dass der Rückgriff auf dieses Kriterium zur Erreichung des genannten Ziels in Bezug auf einen bestimmten Arbeitsplatz geeignet ist. Art. 141 EG steht dem Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters als entgeltbestimmenden Faktor nicht entgegen (EuGH 3. Oktober 2006 – C-17/05 – [Cadman] EuGHE I 2006, 9583), denn mit der längeren Dauer einer bestimmten Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb wächst die Sicherheit des Arbeitnehmers bei der Ausübung dieser Tätigkeit und das Verständnis für die speziellen Belange des Betriebs (vgl. BAG 10. September 1980 – 4 AZR 719/78 – AP TVG § 1 Auslegung Nr. 125; 21. Oktober 1992 – 4 AZR 73/92 – AP TVG § 1 Tarifverträge Milch-Käseindustrie Nr. 1 = EzA TVG § 4 Milchindustrie Nr. 1). Erfahrungswissen kann auch nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses noch wachsen.
dd) Der Zweck einer tariflichen Leistung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Der Bezeichnung der Leistung kommt Indizwirkung zu (st. Rspr., vgl. nur BAG 22. Oktober 2003 – 10 AZR 152/03 – BAGE 108, 176 mwN). Aus den tariflichen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. zu II. 3.) folgt, dass für den Anspruch auf die Betriebszugehörigkeitszulage nicht lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses entscheidend ist. Die Zulage soll die in der Vergangenheit geleistete Tätigkeit zusätzlich vergüten und den in dieser Zeit erreichten Zuwachs an Qualifikation honorieren.
b) Ebenso wenig verstößt die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsurlaubs gegen die Richtlinie 1992/85 EWG vom 19. Oktober 1992 (ABl. EG Nr. L 348 vom 28. November 1992 S. 1). Denn diese schützt ausschließlich schwangere Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillende Arbeitnehmerinnen (vgl. BAG 15. April 2003 – 9 AZR 137/02 – BAGE 106, 22). Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob dieser Richtlinie unmittelbare Bedeutung für den MTV-M zukommt.
c) Die Richtlinie 1996/34 vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (ABl. EG Nr. L 145 vom 19. Juni 1996 S. 4) sieht vor, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben. Dem steht es nicht entgegen, die Zeiten des Erziehungsurlaubs bei der Bemessung einer arbeitsleistungsabhängigen Vergütung unberücksichtigt zu lassen (vgl. BAG 15. April 2003 – 9 AZR 137/02 – BAGE 106, 22).
d) Nach § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG (gültig ab 1. Januar 2007), zuvor § 15 Abs. 2 Satz 4 BErzGG (vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 § 15 Abs. 3 BErzGG) kann der Anspruch auf Erziehungsurlaub nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Diese Norm verbietet aber keine tarifvertragliche Regelung, nach der die Zeiten des ruhenden Arbeitsverhältnisses für eine zusätzliche tarifliche Leistung nicht anspruchssteigernd berücksichtigt werden (vgl. BAG 26. November 2003 – 4 AZR 693/02 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 30 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 8).
III. Die Klägerin hat gemäß § 91, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Laux, Feldmeier, Mandrossa
Fundstellen
BAGE 2009, 375 |
DB 2008, 1918 |
NWB 2008, 4854 |
EBE/BAG 2008, 132 |
FA 2008, 341 |
FA 2009, 23 |
NZA 2008, 955 |
NZA 2009, 68 |
SAE 2009, 15 |
ZTR 2008, 559 |
AP, 0 |
EzA-SD 2008, 13 |
EzA |
KrV 2008, 295 |
LGP 2009, 58 |
MDR 2008, 1220 |
AUR 2008, 322 |
ArbRB 2008, 263 |
NJW-Spezial 2008, 659 |
RdW 2009, 159 |
HzA aktuell 2008, 9 |
SPA 2008, 5 |