Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafe bei Nichtantritt der Arbeit
Normenkette
BGB § 339 S. 1, §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 8. März 1979 einen Arbeitsvertrag, wonach der Beklagte ab 1. Juli 1979 bei der Klägerin als Zentraleinkäufer für Papier- und Spielwaren tätig werden sollte. Die ersten drei Monate des Arbeitsverhältnisses sollten als Probezeit gelten. Für diese Zeit war ein Monatsgehalt von 3.600,-- DM brutto und eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vereinbart. In § 10 des Arbeitsvertrages heißt es wörtlich:
“Tritt der Arbeitnehmer die Arbeit nicht an, oder legt er sie ohne Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist nieder (Arbeitsvertragsbruch), verwirkt er eine Vertragsstrafe in Höhe der für einen Monat vereinbarten Brutto-Bezüge. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer aus einem von ihm verschuldeten Grund fristlos entlassen werden sollte.”
Mit einem der Klägerin am 29. Mai 1979 zugegangenen Schreiben kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1979. Die Klägerin teilte dem Beklagten daraufhin mit, sie nehme seine Kündigung nicht an und erwarte, daß der Beklagte am 2. Juli 1979 seinen Dienst antrete. Der Beklagte trat seinen Dienst bei der Klägerin nicht an.
Mit der Klage macht die Klägerin die in § 10 des Arbeitsvertrags vereinbarte Vertragsstrafe geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Arbeit aufzunehmen; die Kündigungsfrist habe erst mit dem Zeitpunkt der vorgesehenen Arbeitsaufnahme zu laufen begonnen. Eine Kündigung vor Dienstantritt sei durch die Vereinbarung der Vertragsstrafe ausgeschlossen worden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.600,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die Vertragsstrafe sei nicht verwirkt. Die Nichtaufnahme der Arbeit am 2. Juli 1979 stelle keinen Arbeitsvertragsbruch dar, da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung bereits am 30. Juni 1979 vor seiner Aktualisierung aufgelöst worden sei. Die Kündigungsfrist für seine vor Dienstantritt statthafte Kündigung habe mit deren Zugang und nicht erst ab dem vorgesehenen Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme zu laufen begonnen. Zu der Kündigung habe er sich deshalb entschlossen, weil sein bisheriger Arbeitgeber ihm nach Abschluß des Arbeitsvertrags mit der Klägerin eine bessere Position angeboten habe. Seine Versuche, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin einvernehmlich aufzulösen, seien gescheitert.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der Vertragsstrafe verurteilt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, die Vertragsstrafe zu zahlen (§ 339 Satz 1 BGB). Er hat die Arbeit am 2. Juli 1979 nicht angetreten. Hierzu war er nach dem Arbeitsvertrag jedoch verpflichtet. Der Arbeitsvertrag ist durch die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht bereits vor dem 2. Juli 1979 aufgelöst worden; die Parteien hatten eine ordentliche Kündigung vor Dienstantritt vertraglich ausgeschlossen.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, daß ein Arbeitsvertrag, der erst zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt werden soll, grundsätzlich bereits vor der vorgesehenen Arbeitsaufnahme gekündigt werden kann. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 16, 204 = AP Nr. 1 zu § 620 BGB, zu II 4 der Gründe; BAG 26, 71 = AP Nr. 2 zu § 620 BGB, zu III der Gründe; BAG 31, 121 = AP Nr. 3 zu § 620 BGB, zu II 1a der Gründe). Diese Rechtsprechung wird von der ganzüberwiegenden Meinung im Schrifttum geteilt (vgl. KR-Hillebrecht, § 620 BGB, Rz 52 ff. mit weiteren Nachweisen).
2. Abweichend von dieser Regel können die Vertragsparteien aber auch vereinbaren, daß eine Kündigung vor Dienstantritt ausgeschlossen ist. Eine solche der Regel widersprechende Abrede muß aber unmißverständlich getroffen werden. Wenn die Parteien hierüber in dem Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen haben, muß ein dahingehender übereinstimmender Parteiwille aus dem Vertrag und den gesamten Umständen eindeutig erkennbar sein (BAG 31, 121 = AP Nr. 3 zu § 620 BGB).
3. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob eine Kündigungsmöglichkeit vor Dienstantritt ausgeschlossen ist. Das Berufungsgericht hat jedoch angenommen, daß sich ein solcher Ausschluß der Kündigungsmöglichkeit vor Vertragsbeginn mit der erforderlichen Eindeutigkeit aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
a) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der Kündigungsausschluß vor Dienstantritt sei im Streitfall schon deshalb mit der notwendigen Eindeutigkeit abbedungen, weil die Parteien für den Fall des Nichtantritts der Arbeit eine Vertragsstrafe vereinbart haben, vermag der Senat dem zwar nicht zu folgen.
Es kann dahinstehen, ob eine solche Klausel generell als konkludente Beschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts vor Dienstantritt anzusehen ist, wie das Berufungsgericht meint. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß die Klausel im Streitfall einen weitergehenden Inhalt hat. In § 10 des Arbeitsvertrags ist nicht lediglich bestimmt, daß der Arbeitnehmer für den Fall, daß er die Arbeit nicht antritt, eine Vertragsstrafe zu zahlen hat. § 10 sieht eine Vertragsstrafe vielmehr für drei verschiedene Fallgestaltungen vor.
aa) Der Fall, daß der Arbeitnehmer die Arbeit nicht antritt, und der Fall, daß er sie ohne Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist niederlegt, sind verbunden durch das Wort “oder”; sie werden damit alternativ aufgeführt. Der hinter der zweiten Alternative enthaltene Klammerzusatz “Arbeitsvertragsbruch” kann sich daher auf beide Fallgestaltungen beziehen. Das würde bedeuten, daß bei Nichtantritt der Arbeit die Vertragsstrafe nur dann als verwirkt anzusehen ist, wenn in dem Nichtantritt der Arbeit gleichzeitig ein Vertragsbruch liegt. Ein solcher würde aber dann nicht vorliegen, wenn der Arbeitsvertrag bereits vor Dienstantritt wirksam gekündigt worden wäre und damit eine Verpflichtung, die Arbeit anzutreten, nicht mehr bestand. In einem solchen Fall läge in der Nichtaufnahme der Arbeit kein Vertragsbruch. Nur dann, wenn der Klammerzusatz “Vertragsbruch” sich nicht auf die erste Alternative, nämlich Nichtantritt der Arbeit bezieht, wäre die für diesen Fall vorgesehene Vertragsstrafe als Indiz dafür anzusehen, daß das Kündigungsrecht vor Arbeitsantritt ausgeschlossen sein soll.
bb) Vorliegend sind beide Auslegungen möglich. Dafür, daß die Vertragsstrafe nur bei einem schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers eingreifen soll, spricht die dritte Alternative; danach ist die Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Arbeitnehmer aus einem von ihm verschuldeten Grund fristlos entlassen wird. Andererseits behält die Klausel aber auch dann ihren Sinn, wenn die Vertragsstrafe unabhängig von einem schuldhaften Verhalten verwirkt sein soll, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit nicht antritt. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß die Parteien des Arbeitsvertrages die Kündigungsmöglichkeit vor Arbeitsbeginn ausschließen wollten.
cc) Da § 10 des Arbeitsvertrags beide Auslegungsmöglichkeiten zuläßt, ergibt sich aus der Vereinbarung der Vertragsstrafe allein noch nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit, daß die Parteien das Kündigungsrecht vor Arbeitsbeginn ausschliessen wollten.
b) Dagegen hält die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
aa) Das Berufungsgericht hat in einer Hilfserwägung dargelegt, der Wille der Parteien, die Kündigungsmöglichkeit vor Arbeitsbeginn vertraglich auszuschließen, sei nicht nur aus der vereinbarten Vertragsstrafe, sondern auch aus den sonstigen Vereinbarungen und Umständen bei Abschluß des Vertrages eindeutig erkennbar. Es ist hierbei davon ausgegangen, daß die Vertragsstrafe als starkes Indiz für den Ausschluß der Kündigungsmöglichkeit zu werten ist; den Umstand, daß daneben gleichzeitig auch eine Probezeit mit verkürzter Kündigungsfrist vereinbart worden ist, – was möglicherweise gegen eine Beschränkung des Kündigungsrechts vor Dienstantritt in Betracht kommen könne (so LAG Frankfurt (Main) Urteil vom 31. Januar 1979 – 10/7n Sa 535/78 –; LAG Baden-Württemberg in DB 1976, 105/106; ferner Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 3. Aufl., Rz 39), trete dagegen zurück. Es hat ferner die Interessenlage der Parteien gewertet und dabei auch die übrigen Vertragsbestimmungen in die Auslegung mit einbezogen. So hat es berücksichtigt, daß das Arbeitsverhältnis nach § 3 des Arbeitsvertrages “am 1. Juli 1979/evtl. früher” beginnen solle und daß § 5a des Arbeitsvertrages eine Steigerung des monatlichen Bruttogehalts bereits nach Ablauf der Probezeit vorsah. Es hat weiter die gehobene Position des Beklagten als Zentraleinkäufer gewürdigt und ist hierbei zu dem Schluß gelangt, daß die Parteien eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit mit der notwendigen Deutlichkeit ausgeschlossen hätten.
bb) Die von der Revision gegen diese Auslegung erhobenen Angriffe sind unbegründet. Die Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB beachtet und auch allen wesentlichen Auslegungsstoff, der zur Ermittlung des Parteiwillens in Frage kommt, berücksichtigt. Die Auslegung verstößt auch nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze. Aus der Vertragsgestaltung ergibt sich, daß die Beklagte an der Arbeitsaufnahme durch den Kläger sehr stark interessiert war; dem Kläger war die Möglichkeit eingeräumt, das Arbeitsverhältnis auch vor dem vereinbarten Zeitpunkt anzutreten; ferner war auch bereits eine Steigerung des Gehalts nach Ablauf der Probezeit vereinbart. Aus den Umständen bei Vertragsabschluß ergibt sich auch, daß der Kläger zu dieser Zeit sein Arbeitsverhältnis bei dem bisherigen Arbeitgeber noch nicht gekündigt hatte und offenbar versuchen wollte, sich aus diesem Arbeitsverhältnis vorzeitig zu lösen. Daher ging auch das Interesse des Klägers dahin, den Arbeitsvertrag mit der Beklagten zu verwirklichen. Diesem gemeinsamen Interesse der Parteien widerspräche es, wenn sie eine Kündigungsmöglichkeit vor Arbeitsantritt offengelassen hätten.
Unterschriften
Dr. Heither, Michels-Holl, Dr. Gehring, Dr. Krems, Arntzen
Fundstellen