Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Ruhepause. Lage. Vergütung. Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 Satz 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung des "im Voraus feststehend" auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause hat und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann.
Orientierungssatz
1. Nach § 5 Nr. 5.5.7 GMTV wird Beschäftigten im Dreischichtbetrieb die regelmäßige Arbeitszeit, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause entfällt, bezahlt. Die Tarifnorm bezweckt, dass den Beschäftigten im Dreischichtbetrieb durch die Schichtgestaltung kein finanzieller Nachteil entstehen darf und sie stets die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit vergütet erhalten (Rn. 18).
2. Regelmäßige Arbeitszeit entfällt iSd. § 5 Nr. 5.5.7 GMTV nicht allein dadurch, dass sie durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause unterbrochen wird und sich dadurch die bloße Anwesenheitszeit des Arbeitnehmers im Betrieb verlängert (Rn. 17).
3. Anders als § 11 Abs. 2 Satz 1 JArbSchG gibt § 4 Satz 1 ArbZG keinen bestimmten Rahmen für die Lage der Ruhepause vor. Die konkrete Ausübung der Pausenanordnung unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB der Billigkeitskontrolle, ferner ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der Pausenzeiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu beachten (Rn. 20).
Normenkette
ArbZG § 4 S. 1; Richtlinie 2003/88/EG Art. 2 Nr. 1; GMTV Feinstblechpackungsindustrie § 5 Nr. 5.5.7 Fassung: 2018-03-20
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2023 - 2 Sa 234/22 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Vergütung von Pausenzeiten.
Rz. 2
Der Kläger war vom 24. Oktober 1988 bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden am 31. Mai 2022 bei der Beklagten in deren Betrieb in H als Mitarbeiter in der Produktion mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Seine tarifliche (Grund-)Vergütung betrug zuletzt 2.819,00 Euro brutto monatlich, die einem Stundenlohn von 18,52 Euro brutto entspricht.
Rz. 3
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Gemeinsame Manteltarifvertrag für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Feinstblechpackungsindustrie (iF GMTV) vom 20. März 2018, gültig ab 1. Januar 2019, Anwendung, der zur Arbeitszeit ua. bestimmt:
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„§ 5 |
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Regelmäßige Arbeitszeit |
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5.1 |
Normale Vollzeit |
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Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden (‚normale Vollzeit‘). |
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… |
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5.5 |
Lage und Verteilung der Arbeitszeit |
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5.5.1 |
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden ohne Pausen kann gleichmäßig oder ungleichmäßig, in der Regel von Montag bis Freitag verteilt werden, wobei 8 Stunden je Tag ohne Pausen bzw. 40 Stunden pro Woche nicht überschritten werden dürfen. |
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Eine davon abweichende Verteilung der Arbeitszeit in der Woche kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse bei Abwägung der Interessenlage der Beschäftigten mit dem Betriebsrat vereinbart werden. |
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… |
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5.5.7 |
Beschäftigten im Dreischichtbetrieb wird die regelmäßige Arbeitszeit, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause entfällt, bezahlt. |
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… |
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5.8 |
Die gleichmäßige bzw. ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 5.5 und § 5.6 erfolgt auf der Basis einer Jahres- oder Halbjahresplanung, die rechtzeitig durch Betriebsvereinbarung festzulegen ist. |
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…“ |
Rz. 4
Entsprechend einer von der Beklagten mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarung wurde im Betrieb H im Streitzeitraum in der Produktion in einem vollkontinuierlichen Fünfschichtsystem mit einem Schichtrhythmus von zehn Wochen gearbeitet. Dabei folgten nach je zwei Früh-, Spät- und Nachtschichten vier Tage frei. Die tägliche Arbeitszeit ohne Pausen betrug werktags 7 Stunden und 40 Minuten, sonntags 11 Stunden und 25 Minuten. Durchschnittlich ergab sich hieraus eine wöchentliche Arbeitszeit von 32,18 Stunden. Um die Differenz zu der tariflichen Vollarbeitszeit von 35 Stunden auszugleichen, vereinbarten die Betriebsparteien zusätzliche 19,18 sog. Einbringschichten mit einer Arbeitszeit von 7 Stunden und 40 Minuten. Im Rahmen der Regelung von pauschal geplanten Einbringzeiten heißt es in der Betriebsvereinbarung außerdem:
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„Darüber hinaus werden jedem Mitarbeiter im 5-Schichtsystem pauschal 7,5 Einbringstunden pro Jahr für die Beibehaltung der flexiblen Pausengestaltung gutgeschrieben. |
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Nur aus dringenden Gründen soll ein Mitarbeiter seine abgesprochene Pause unterbrechen müssen. Danach muss er den Rest der Pause nehmen können.“ |
Rz. 5
Ohne hierzu verpflichtet zu sein, verbrachte der Kläger seine Pausen in der Regel in der Kantine des Betriebs. Dort befindet sich ein Monitor, der eventuelle Störungen an Maschinen durch Blinken - tonlos - anzeigt.
Rz. 6
Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner am 15. Februar 2022 anhängig gemachten Klage zuletzt Vergütung der von ihm im Zeitraum Juli bis Dezember 2021 genommenen Ruhepausen verlangt. Er hat sich dabei auf § 5 Nr. 5.5.7 GMTV gestützt und gemeint, die Auslegung der Tarifnorm ergebe, dass Beschäftigte im Dreischichtbetrieb privilegiert werden sollten, indem ihnen die Zeit der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen vergütet werde. „Entfallen“ iSd. Tarifnorm würde Arbeitszeit auch dann, wenn Beschäftigte wegen der Ruhepausen länger im Betrieb anwesend sein müssten. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Anspruch hilfsweise darauf gestützt, die streitgegenständlichen Pausen seien vergütungspflichtige Arbeitszeiten iSv. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG und vorgebracht, bei den in der Kantine verbrachten Pausen habe er sich gleichsam in „Daueralarmbereitschaft“ befunden. Allein die Möglichkeit, dass der sich dort befindende Monitor durch Aufblinken einen Störfall an einer Maschine anzeigt und er von einem Vorgesetzten hätte gebeten werden können, seine Pause zu unterbrechen, habe ihn in eine permanente „Hab-Acht-Stellung“ versetzt, die dem Erholungseffekt der Pause entgegengestanden hätte.
Rz. 7
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 903,31 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen. |
Rz. 8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und im Wesentlichen darauf verwiesen, dass nach dem bei ihr mit dem Betriebsrat vereinbarten und praktizierten Schichtmodell durch die gesetzlichen Ruhepausen beim Kläger nicht - wie dies § 5 Nr. 5.5.7 GMTV verlange - regelmäßige Arbeitszeit entfallen sei. Auch Unionsrecht könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, seine Pausen in der Kantine zu verbringen, und habe bei Störungen an einer Maschine, die äußerst selten aufgetreten wären, auch nicht von sich aus seine Pause unterbrechen müssen.
Rz. 9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.
Rz. 11
I. Die Klage ist zulässig, auch wenn der Kläger seit der Berufungsinstanz prozessual zwei Streitgegenstände geltend macht (vgl. zum Streitgegenstandsbegriff BAG 20. März 2024 - 4 AZR 218/23 - Rn. 18 ff. mwN), nämlich einen schon erstinstanzlich verfolgten tariflichen Anspruch auf Vergütung der von ihm im Streitzeitraum genommenen Pausen und zum anderen „hilfsweise“ vorbringt, die von ihm genommenen Pausen seien keine „echten“ Pausen gewesen, sondern „als vergütungspflichtige Arbeitszeiten iSv. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG anzusehen“. Dabei verkennt er indes, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Richtlinie 2003/88/EG (iF Arbeitszeit-RL), auch wenn sie bestimmte Bereitschaftszeiten unionsrechtlich als Arbeitszeit einordnet, die Art und Weise ihrer Vergütung nicht regelt, sondern den einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts überlässt (EuGH 9. März 2021 - C-580/19 - [Stadt Offenbach am Main] Rn. 57 mwN). Wenn der Kläger argumentiert, die Pausen seien Arbeit bzw. Arbeitszeit gewesen, macht er deshalb der Sache nach Vergütung für Überstunden und damit einen anderen Streitgegenstand geltend.
Rz. 12
Weil das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen für eine Klageänderung in der Berufungsinstanz ausdrücklich bejaht und über sie entschieden hat, ist in der Revisionsinstanz in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO nicht mehr zu überprüfen, ob eine Klageänderung vorliegt und ob diese die Voraussetzungen des § 533 ZPO erfüllt (st. Rspr., vgl. nur BAG 23. August 2023 - 5 AZR 349/22 - Rn. 17; 29. März 2023 - 5 AZR 255/22 - Rn. 11).
Rz. 13
II. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch des Klägers auf Vergütung der streitgegenständlichen Pausen verneint.
Rz. 14
1. Ein Vergütungsanspruch ergibt sich nicht aus § 5 Nr. 5.5.7 GMTV, der aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Danach wird den Beschäftigten im Dreischichtbetrieb die regelmäßige Arbeitszeit, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause entfällt, bezahlt. Durch die von ihm genommenen Pausen ist bei dem im Dreischichtbetrieb beschäftigt gewesenen Kläger mit der dadurch nach § 5 Nr. 5.5.1 GMTV in statthafter Weise ungleichmäßig verteilten Arbeitszeit jedoch keine regelmäßige Arbeitszeit entfallen. Der Kläger hat unstreitig im Durchschnitt die „normale Vollzeit“ nach § 5 Nr. 5.1 GMTV - 35 Wochenstunden ohne Pausen - gearbeitet.
Rz. 15
Entgegen der Auffassung der Revision kann das tarifliche Erfordernis für die Vergütung von Pausen, nämlich das Entfallen von regelmäßiger Arbeitszeit durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause, nicht im Wege der Auslegung gleichsam „weginterpretiert“ werden (zu den Regeln für die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags vgl. zB BAG 23. August 2023 - 10 AZR 384/20 - Rn. 43; 12. Oktober 2022 - 5 AZR 48/22 - Rn. 19, st. Rspr.).
Rz. 16
a) Schon der Wortlaut von § 5 Nr. 5.5.7 GMTV ist derart klar und eindeutig, dass es sich verbietet, mit der Revision anzunehmen, im Dreischichtbetrieb sei die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause auch dann - gleichsam als eine Art Erschwerniszulage - zu vergüten, wenn keine regelmäßige Arbeitszeit entfällt. Wenn dies der übereinstimmende Wille der Tarifvertragsparteien gewesen wäre, hätte er im Wortlaut Niederschlag finden müssen. Dies wäre auch einfach zu formulieren gewesen, etwa dahingehend, dass den Beschäftigten im Dreischichtbetrieb die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause bezahlt wird. Eine solche Regelungstechnik ist den Parteien des GMTV auch nicht fremd. So haben sie an anderer Stelle - bei den Regelungen zum Leistungsentgelt - bestimmt, dass die im Leistungsentgelt Beschäftigten „als Ausgleich für arbeitsbedingte Ermüdung“ eine „bezahlte Erholungszeit“ von 24 Minuten pro Schicht erhalten, § 13 Nr. 13.5.1.1 und Nr. 13.5.1.2 GMTV.
Rz. 17
Muss aber nach der Tarifnorm regelmäßige Arbeitszeit „entfallen“, kann es dafür entgegen der Ansicht der Revision nicht ausreichen, dass sich durch die gesetzliche Ruhepause, die nach § 4 Satz 1 ArbZG die Arbeitszeit gerade unterbricht, die bloße Anwesenheitszeit des Arbeitnehmers im Betrieb verlängert. Dies ist kein Ausfall von Arbeitszeit iSd. § 5 Nr. 5.5.7 GMTV, sondern Folge der gesetzlichen Pausenregelung.
Rz. 18
b) Verlangt der Wortlaut des § 5 Nr. 5.5.7 GMTV als Voraussetzung für die Vergütung von Pausen das Entfallen von regelmäßiger Arbeitszeit durch die gesetzliche Ruhepause, kann Sinn und Zweck einer solchen Tarifnorm nur darin liegen, dass den Beschäftigten im Dreischichtbetrieb durch die Schichtgestaltung des Arbeitgebers bzw. derjenigen von Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) kein finanzieller Nachteil entstehen darf und sie stets (zumindest) die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit vergütet erhalten. Zwar kann grundsätzlich Sinn und Zweck einer Vergütung von Pausen auch - wie die Revision es ausdrückt - „eine Art Belastungsausgleich“ sein, jedoch muss dafür der Wortlaut einer entsprechenden Tarifnorm zumindest einen dahingehenden Anhaltspunkt enthalten. Deshalb ist die vom Kläger angezogene Entscheidung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 21. Oktober 1987 - 4 AZR 173/87 -) gerade nicht, wie die Revision meint, auf den Streitfall übertragbar. Denn dort ging es um eine Tarifbestimmung, nach deren Wortlaut in „Dreischichtbetrieben... den Arbeitnehmern ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- oder Gehaltsabzug zu gewähren (ist)“. Ähnlich verhält es sich mit Entscheidungen des Ersten und Neunten Senats des Bundearbeitsgerichts. Ersterer lag eine Betriebsvereinbarung zugrunde, die bestimmte: „Beim Wechselschichteinsatz in drei Schichten wird in allen Schichten die gesamte Pausenzeit als Arbeitszeit vergütet.“, und ein Einigungsstellenspruch über die Dauer und Lage der Arbeitszeit, in dem es hieß: „Im Drei-Schicht-Betrieb ist jedoch sicherzustellen, dass den Arbeitnehmern ausreichend Zeit zum Einnehmen der Mahlzeiten ohne Lohn- und Gehaltsabzug gewährt wird.“, (BAG 6. November 1990 - 1 ABR 34/89 -). In dem vom Neunten Senat entschiedenen Fall sah der Wortlaut der Tarifnorm vor, dass den Arbeitnehmern, die in drei Schichten arbeiten, Pausen von mindestens einer halben Stunde zur Erholung und Einnahme des Essens ohne Lohnabzug zu gewähren sind (BAG 23. Januar 2001 - 9 AZR 4/00 -).
Rz. 19
2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die im Betrieb der Beklagten - gestützt auf § 106 Satz 1 GewO, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG - mit Zustimmung des Betriebsrats praktizierte Pausengewährung genüge nach nationalem Recht den Anforderungen an eine Ruhepause iSd. § 4 Satz 1 ArbZG, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 21, 26 ff., BAGE 151, 45; 25. Februar 2015 - 1 AZR 642/13 - Rn. 21, 26 ff., BAGE 151, 35, jeweils mwN) und ist von der Revision auch nicht angegriffen worden.
Rz. 20
a) Verlangen betriebliche Erfordernisse eine flexible Festlegung der Pausen, ist der in § 4 Satz 1 ArbZG vorgesehenen Anforderung des „im Voraus feststehend“ auch dann genügt, wenn der Arbeitnehmer jedenfalls zu Beginn der Pause weiß, dass und wie lange er nunmehr zum Zwecke der Erholung Pause hat und frei über die Nutzung dieses Zeitraums verfügen kann (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 139/08 - Rn. 47, BAGE 132, 195; Baeck/Deutsch/Winzer ArbZG 4. Aufl. § 4 Rn. 24; Kleinebrink DB 2015, 2023, 2025; MHdB ArbR/Reichold 6. Aufl. Bd. 1 § 40 Rn. 85a; Schliemann ArbZG 4. Aufl. § 4 Rn. 19; aA ErfK/Roloff 24. Aufl. ArbZG § 4 Rn. 4; HWK/Gäntgen 11. Aufl. § 4 ArbZG Rn. 4; mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen für „spontan“ gewährte Ruhepausen in BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 29, BAGE 151, 45). Dem steht nicht entgegen, dass nach der Gesetzesbegründung zu Beginn der täglichen Arbeitszeit zumindest ein bestimmter zeitlicher Rahmen feststehen muss, innerhalb dessen der Arbeitnehmer - ggf. in Absprache mit anderen Arbeitnehmern - seine Ruhepause in Anspruch nehmen kann (BT-Drs. 12/5888 S. 24). Dieser Rahmen wird weder im Gesetz - anders als in § 11 Abs. 2 Satz 1 JArbSchG (zutr. BeckOK ArbR/Kock Stand 1. Juni 2024 ArbZG § 4 Rn. 4) - noch in der Gesetzesbegründung näher zeitlich fixiert und kann durch die Rechtsprechung auch nicht willkürfrei näher konkretisiert werden. Für eine Konkretisierung besteht auch kein Bedürfnis, weil sich der Rahmen letztlich aus dem Erfordernis ergibt, innerhalb von sechs bzw. neun Stunden die Pausenzeit festzulegen (zutr. Schliemann ArbZG 4. Aufl. § 4 Rn. 19 f.). Die konkrete Ausübung der Pausenanordnung unterliegt nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB der Billigkeitskontrolle (zutr. ErfK/Roloff aaO). Des Weiteren besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der Pausenzeiten. Bei der Anordnung von Ruhepausen wird zudem zu berücksichtigen sein, dass deren Zweck (insbesondere Erholung, Regeneration und Nahrungsaufnahme) in der Regel verlangt, die Pausen nicht direkt an den Anfang oder kurz vor das Ende der Arbeitszeit des Arbeitnehmers zu legen (vgl. MHdB ArbR/Koberski 5. Aufl. Bd. 2 § 183 Rn. 24). In diesem Rahmen kann der Arbeitgeber entsprechend den betrieblichen Interessen die Pausenzeiten festlegen, soweit nicht durch Betriebsvereinbarung anderes bestimmt ist.
Rz. 21
b) Im vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die von der Beklagten aufgrund betrieblicher Erfordernisse festgelegten Pausenzeiten unbillig waren. Zudem hat der Kläger selbst vorgetragen, dass er die streitgegenständlichen Pausen in der Kantine verbrachte und damit in dieser Zeit offenkundig nicht in der Produktion Arbeitsleistung erbrachte. Er hat für den gesamten Streitzeitraum auch keinen einzigen Fall geschildert, in dem er seine Pause wegen eines Defekts an einer Maschine hätte abbrechen und vorzeitig zur Arbeit zurückkehren müssen.
Rz. 22
3. Entgegen der „Hilfsauffassung“ des Klägers vermag auch Unionsrecht der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Rz. 23
a) Die Ruhepause iSv. § 4 ArbZG ist arbeitszeitrechtlich Ruhezeit (vgl. ErfK/Roloff 24. Aufl. ArbZG § 4 Rn. 1; MHdB ArbR/Koberski 5. Aufl. Bd. 2 § 183 Rn. 17). Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeit-RL definiert den Begriff Arbeitszeit als „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer … arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. In Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie wird der Begriff Ruhezeit negativ definiert als „jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union schließen beide Begriffe einander aus. Für die Zwecke der Anwendung der Arbeitszeit-RL ist eine Zeitspanne entweder als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen, weil die Richtlinie keine Zwischenkategorie vorsieht (EuGH 11. November 2021 - C-214/20 - [Dublin City Council] Rn. 35 mwN). Unter den Begriff Arbeitszeit iSd. Arbeitszeit-RL fallen solche Zeitspannen, während deren dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen (EuGH 11. November 2021 - C-214/20 - [Dublin City Council] Rn. 38; 9. September 2021 - C-107/19 - [Dopravní podnik hl. m. Prahy] Rn. 34 mwN, zu Rufbereitschaft und Bereitschaftszeit). Erreichen die Einschränkungen keinen solchen Intensitätsgrad und erlauben diese es dem Arbeitnehmer, über seine Zeit zu verfügen und sich ohne größere Einschränkungen seinen eigenen Interessen zu widmen, liegt keine Arbeitszeit für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie vor (vgl. EuGH 11. November 2021 - C-214/20 - [Dublin City Council] Rn. 39; 9. März 2021 - C-580/19 - [Stadt Offenbach am Main] Rn. 39; 9. März 2021 - C-344/19 - [Radiotelevizija Slovenija] Rn. 38). In unionsrechtskonformer Auslegung des Arbeitszeitgesetzes hat sich das Bundesarbeitsgericht dieser Rechtsprechung angeschlossen (BAG 23. August 2023 - 5 AZR 349/22 - Rn. 49; 27. Juli 2021 - 9 AZR 448/20 - Rn. 47; ebenso für die Arbeitszeit der Beamten das Bundesverwaltungsgericht, vgl. BVerwG 29. April 2021 - 2 C 18.20 - Rn. 29 ff., BVerwGE 172, 254; 13. Oktober 2022 - 2 C 7.21 - Rn. 21 ff., BVerwGE 176, 382; 13. Oktober 2022 - 2 C 24.21 - Rn. 18 ff.).
Rz. 24
b) Im Streitfall hat der Kläger - außer der subjektiven Befindlichkeit einer „Hab-Acht-Stellung“, in der er sich beim Aufenthalt in der Kantine während der streitgegenständlichen Pausen wegen des dortigen Monitors befunden haben will - nicht einmal ansatzweise Tatsachen vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen könnten, er habe seine Pausen zwingend in der Kantine und dort mit Blick auf den Monitor verbringen müssen und ihm seien für die dort verbrachten Pausenzeiten von der Beklagten Einschränkungen von solcher Art auferlegt worden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigten. Entsprechende Anweisungen der Beklagten hat der Kläger nicht nur nicht vortragen, vielmehr in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt, es habe weder eine Verpflichtung bestanden, sich während der Pause in der Kantine aufzuhalten, noch sei er im Falle einer am Monitor angezeigten Störung verpflichtet gewesen, „dass er von selbst an der Maschine erscheine“. Er hat auch für keinen einzigen Monat des Streitzeitraums eine Pause benannt, die er auf Anordnung eines Vorgesetzten zur Behebung einer Störung an einer Maschine ab- bzw. unterbrechen musste. Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (dazu BVerwG 13. Oktober 2022 - 2 C 7.21 - Rn. 21 ff., BVerwGE 176, 382) ergibt damit, dass dem Kläger in den Ruhepausen keine Einschränkungen auferlegt waren, die ihn objektiv hinderten, sich zu entspannen und Tätigkeiten nach eigener Wahl zu widmen.
Rz. 25
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Linck |
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Biebl |
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Bubach |
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Bormann |
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Hoffmann |
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Fundstellen
Haufe-Index 16658800 |
BB 2024, 2739 |
NJW 2024, 10 |