Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Entgelterhöhung. aufschiebende Bedingung. tarifliches Vertragsstrafenversprechen
Leitsatz (redaktionell)
Die tarifliche Verpflichtung zur Zahlung einer höheren Vergütung für den Fall der nicht oder nicht rechtzeitigen Erfüllung bestimmter betrieblicher Forderungen stellt eine aufschiebende Bedingung dar, nicht ein Vertragsstrafenversprechen.
Normenkette
BGB §§ 339, 158 Abs. 1, 343; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten wird - unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Beklagten im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 15. Oktober 2021 - 9 Sa 59/20 - teilweise aufgehoben.
II. Auf die Berufung des Klägers wird - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 21. August 2020 - 2 Ca 134/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 161,49 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 57,15 Euro seit dem 21. März 2020 und aus weiteren 104,34 Euro seit dem 18. Dezember 2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger zu 33 vH, die Beklagte zu 67 vH zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 20 vH und die Beklagte 80 vH. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers aus einem Tarifvertrag.
Rz. 2
Der Kläger ist seit 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts richtet sich das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß individualvertraglicher Vereinbarung in § 16 des Arbeitsvertrags „nach den für die Betriebe der Beklagten räumlich und fachlich geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, soweit im Einzelfall nicht ausdrücklich etwas Anderes zwischen ihnen vereinbart worden ist“.
Rz. 3
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie und beschäftigt ca. 600 Arbeitnehmer. Sie war zunächst Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall) und kündigte ihre Mitgliedschaft zum 31. Dezember 2015. Am 15. Juni 2015 schloss sie mit der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) einen „Firmen-Tarifvertrag“ (Firmen-TV) mit ua. folgendem Inhalt:
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„§ 2 Anerkennung der Tarifverträge |
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Die Tarifverträge für die Beschäftigten (Arbeiter/innen, Angestellte) und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie, die in der als Anlage beigefügten Liste aufgeführt sind, sind Bestandteil dieses Tarifvertrages und gelten in der am Tag des Abschlusses dieses Firmentarifvertrags geltenden Fassung für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich (§ 1) aufgeführten Beschäftigten. |
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§ 3 Künftige Änderungen |
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1. |
Ein in der Fläche abgeschlossener Tarifvertrag wird innerhalb einer Woche nach dem Inkrafttreten von der IG Metall an die Fa. König Metall zugestellt. Gibt es hierzu nicht innerhalb von 2 Wochen eine begründete Ablehnung, gilt er als anerkannt und wird in die Liste im Anhang aufgenommen. |
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2. |
Wird innerhalb der Frist gemäß § 3.1 dieses Tarifvertrages begründet widersprochen, werden unmittelbar betriebliche Verhandlungen aufgenommen. Für die Zeit bis zum betrieblichen Ergebnis gilt der bisherige Tarifvertrag weiter. Die Arbeitskampffreiheit ist gewahrt. |
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3. |
Im Fall der Ablehnung eines Entgelttarifvertrages gilt § 3.2 mit der Maßgabe, dass mindestens die Hälfte der Tariferhöhung spätestens nach 3 Monaten nach Inkrafttreten des Flächentarifvertrages gezahlt werden müssen. |
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...“ |
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Rz. 4
In der Anlage 1 sind ua. der zwischen Südwestmetall und IG Metall abgeschlossene Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Südbaden vom 14. Juni 2005 (MTV), das Urlaubsabkommen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005, der Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 24. Februar 2015 und der Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 aufgeführt.
Rz. 5
Der zwischen Südwestmetall und IG Metall abgeschlossene Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 6. Februar 2018 sah ua. eine Erhöhung der Grundentgelte um 4,3 vH ab dem 1. April 2018 vor. Nachdem die Beklagte der Anerkennung dieses Tarifvertrags widersprochen hatte, fanden zwischen ihr und der IG Metall - unter Beteiligung des damaligen Betriebsratsvorsitzenden der Beklagten - Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrags statt. Am 15. Mai 2018 vereinbarten die Beklagte und die IG Metall den Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütung - Fa. König Metall GmbH & Co. KG (Entgelt-TV) mit ua. folgendem Inhalt:
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„2. |
Entgelterhöhungen |
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Mit Wirkung ab 1. April 2018 erhöhen sich die Entgelte um 3 %, mit Wirkung ab 1. Mai 2019 um weitere 1 %. |
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… |
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6. |
Betriebliche Themen |
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Bis zum 31. Dezember 2018 vereinbaren Betriebsrat und Geschäftsleitung Betriebsvereinbarungen zu den Themen Kindergartenzuschuss und Rauchen bzw. Raucherplätze/Pausenplätze. Bezüglich der Raucher/Pausenplätze sind zum 31. Dezember 2018 auch die baulichen Maßnahmen abgeschlossen. |
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Bis zum 30. Juni 2019 sind die sanitären Einrichtungen (Duschen, WC) im Altbau grundsaniert. |
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Werden zu den aufgeführten betrieblichen Themen die Zeitpläne nicht eingehalten, erfolgt zum 1. Juli 2019 eine weitere Erhöhung der Entgelte um 0,5 %. |
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7. |
In-Kraft-Treten und Kündigung |
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Dieser Tarifvertrag tritt mit Wirkung vom 1. April 2018 in Kraft und ersetzt den bisherigen Tarifvertrag Entgelte und Ausbildungsvergütungen (ERA) vom 30. April 2016. |
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Dieser Tarifvertrag gilt bis zum 31. Mai 2020.“ |
Rz. 6
Die Betriebsvereinbarungen „Kindergartenzuschuss“ und „Raucherplätze/Pausenplätze“ sowie die baulichen Maßnahmen bezüglich der Raucher-/Pausenplätze wurden vor dem 31. Dezember 2018 abgeschlossen.
Rz. 7
Der „Altbau“ verfügt im Erdgeschoss über zwei Herrentoiletten („WC Herren rechts“ und „WC Herren links“) sowie eine Damentoilette („WC Damen rechts“) und im 1. Obergeschoss über eine „Dusche Herren Aufgang rechts“ sowie eine Damen- und eine Herrenumkleide, jeweils mit Duschen. Die Bereiche „WC Herren links“ und „WC Damen rechts“ sind nach Sanierung am 26. Juni 2019 übergeben worden. Die Sanierung der „Duschen Herren Aufgang rechts“ wurde am 8. Juli 2019 beendet, diejenige des „WC Herren rechts“ am 12. Juli 2019. Die Duschen in den Damen- und Herrenumkleiden wurden nicht saniert.
Rz. 8
Die Beklagte zahlte an den Kläger im zunächst streitgegenständlichen Zeitraum unter der Bezeichnung „Entgelt“ 2.517,86 Euro brutto (Juli 2019), 3.217,26 Euro brutto (August 2019), 3.217,26 Euro brutto (September 2019), 3.217,26 Euro brutto (Oktober 2019) und 3.064,06 Euro brutto zzgl. 1.930,36 Euro Weihnachtsgeld (November 2019). Im Jahr 2020 erhielt er Vergütung iHv. 3.217,26 Euro brutto (März), 2.308,02 Euro brutto (April), 2.065,29 Euro brutto (Mai), 2.337,65 Euro brutto (Juni), 3.217,26 Euro brutto (Juli), 3.349,32 Euro brutto (August), 3.217,26 Euro brutto (September) und 3.217,26 Euro brutto (Oktober).
Rz. 9
Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 14. August 2020 und 30. November 2020 hat der Kläger mit seiner der Beklagten am 20. März 2020 zugestellten Klage sowie mit seiner in der Berufungsinstanz erfolgten, der Beklagten am 17. Dezember 2020 zugestellten Klageerweiterung Zahlungsansprüche für den Zeitraum Juli bis November 2019 und März bis Oktober 2020 geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, ihm stehe ab Juli 2019 ein Anspruch auf Zahlung eines um 0,5 vH erhöhten Entgelts nach Nr. 6 Abs. 3 Entgelt-TV zu. Die im Entgelt-TV enthaltene Bedingung der nicht rechtzeitigen Erledigung der betrieblichen Themen sei eingetreten, da nicht alle baulichen Maßnahmen am 30. Juni 2019 abgeschlossen worden seien.
Rz. 10
Der Kläger hat - zusammengefasst - beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,51 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 85,84 Euro seit dem 21. März 2020 und aus 114,67 Euro seit dem 18. Dezember 2020 zu zahlen. |
Rz. 11
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu die Auffassung vertreten, in Nr. 6 Abs. 3 Entgelt-TV sei eine Vertragsstrafe vereinbart worden. Der vorgesehene Zeitplan sei nur geringfügig und zudem ohne ihr Verschulden überschritten worden, eine Verpflichtung zur Sanierung der Duschen in den Umkleiden habe nicht bestanden. Die Vertragsstrafe sei daher nicht verwirkt. Zudem sei die Vereinbarung nach § 344 BGB unwirksam. Die Sanierung betreffe das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat und könne nicht mit einer Entgelterhöhung verknüpft werden. Jedenfalls sei die - unverhältnismäßig hohe - Vertragsstrafe nach § 343 BGB, hilfsweise § 242 BGB auf ein angemessenes Maß herabzusetzen. Die Entgelterhöhung um 0,5 vH führe bei 600 Mitarbeitern für die Beklagte zu Kosten in Höhe von mehr als 150.000,00 Euro pro Jahr. Etwaige Ansprüche des Klägers seien nach der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.
Rz. 12
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage hinsichtlich einer Entgelterhöhung um 0,1 vH für die Monate September bis November 2019, März und April 2020 sowie Juni bis Oktober 2020 in Höhe von insgesamt 32,30 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Der Kläger wendet sich mit seiner Revision ausschließlich gegen die Herabsetzung der Entgelterhöhung von 0,5 vH auf 0,1 vH, nicht aber gegen die gänzliche Abweisung der Zahlungsansprüche für die Monate Juli und August 2019 sowie Mai 2020. Die Beklagte begehrt mit ihrer Anschlussrevision die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Rz. 13
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet, die ebenfalls zulässige Anschlussrevision der Beklagten bleibt - mit Ausnahme eines geringen Teils der zugesprochenen Zinsen - ohne Erfolg.
Rz. 14
I. Die Klage ist - soweit noch streitgegenständlich - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur teilweise, sondern insgesamt begründet. Insoweit ist das Berufungsurteil daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und dem Antrag, da die Sache auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts stattzugeben. Der Kläger hat gegen die Beklagte für die Monate September bis November 2019, März und April 2020 sowie Juni bis Oktober 2020 einen Anspruch auf Zahlung weiterer 161,49 Euro brutto nebst Zinsen aus § 611a Abs. 2 BGB iVm. Nr. 6 Abs. 3 Entgelt-TV.
Rz. 15
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Regelungen des Entgelt-TV und des Firmen-TV Anwendung.
Rz. 16
a) Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach den für die Betriebe der Beklagten räumlich und fachlich geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. Die Bezugnahmeklausel ist sowohl zeitdynamisch als auch hinsichtlich der anzuwendenden Tarifverträge inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie erfasst nicht nur Tarifverträge einer bestimmten Branche oder bestimmter Tarifvertragsparteien in ihrer jeweiligen Fassung, sondern zudem andere Tarifverträge, an die die Arbeitgeberin gebunden ist oder es zukünftig sein wird (BAG 28. April 2021 - 4 AZR 229/20 - Rn. 23 mwN, BAGE 174, 382).
Rz. 17
b) Der Entgelt-TV und der Firmen-TV als von der Beklagten mit der IG Metall abgeschlossene und für die Beklagte „derzeit“ nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG geltende Tarifverträge werden daher von der Bezugnahmeklausel erfasst.
Rz. 18
2. Ab Juli 2019 haben sich die Vergütungsansprüche des Klägers nach Nr. 6 Abs. 3 Entgelt-TV um 0,5 vH erhöht.
Rz. 19
a) Die Tarifvertragsparteien haben in Nr. 6 Entgelt-TV das Inkrafttreten einer Entgelterhöhung um 0,5 vH an den Eintritt der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der Nichterfüllung der „betrieblichen Themen“ geknüpft. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (zu den Grundsätzen BAG 12. Dezember 2018 - 4 AZR 147/17 - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).
Rz. 20
aa) Bedingung iSd. §§ 158 ff. BGB ist die durch den Parteiwillen in ein Rechtsgeschäft eingefügte Bestimmung, die die Rechtswirkungen des Geschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig macht (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 37, BAGE 125, 147; BGH 19. Mai 2016 - III ZR 274/15 - Rn. 19 mwN). Eine solche kann grundsätzlich auch in einem Tarifvertrag vereinbart werden. Die Tarifvertragsparteien können nicht nur für das Inkrafttreten von Tarifverträgen insgesamt eine aufschiebende Bedingung vereinbaren (etwa BAG 15. November 2022 - 3 AZR 457/21 - Rn. 35; 24. März 2021 - 10 AZR 196/19 - Rn. 24), sondern auch die Geltung einzelner Regelungen von einer solchen abhängig machen (etwa BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 39, 42, 51, BAGE 148, 139; zu einer auflösenden Bedingung sh. BAG 30. November 2022 - 5 AZR 27/22 - Rn. 27).
Rz. 21
bb) Vorliegend soll nach Nr. 6 Abs. 3 Entgelt-TV eine weitere Erhöhung der Entgelte um 0,5 vH zum 1. Juli 2019 erfolgen, wenn die Zeitpläne zu den in Abs. 1 und Abs. 2 genannten „betrieblichen Themen“ nicht eingehalten werden. Das Inkrafttreten der Entgelterhöhung als Inhaltsnorm iSd. § 1 TVG (zum Begriff BAG 14. September 2022 - 4 AZR 83/21 - Rn. 29; 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 2 b der Gründe, BAGE 53, 42) und damit deren unmittelbare und zwingende Wirkung für die Tarifgebundenen (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) ist damit von dem zukünftigen, ungewissen Ereignis - dem nicht rechtzeitigen Abschluss der Betriebsvereinbarungen, der Nichtfertigstellung der baulichen Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2018 (Nr. 6 Abs. 1 Entgelt-TV) oder der fehlenden Grundsanierung der sanitären Einrichtungen im Altbau bis zum 30. Juni 2019 (Nr. 6 Abs. 2 Entgelt-TV) - abhängig gemacht worden.
Rz. 22
cc) Diese Bedingung kann - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht (zudem) als Vertragsstrafe iSd. §§ 339 ff. BGB angesehen werden.
Rz. 23
(1) Unter einer Vertragsstrafe wird das Versprechen einer Zahlung (§ 339 BGB) oder einer anderen Leistung (§ 342 BGB) durch den Schuldner für den Fall verstanden, dass dieser eine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise, insbesondere nicht rechtzeitig erfüllt (BGH 14. Oktober 2009 - VIII ZR 272/08 - Rn. 11). Die Vertragsstrafe soll Ansprüche des Gläubigers durch Druck auf den Schuldner sichern und den Gläubiger vom Nachweis eines Schadens befreien (BAG 9. Juni 1993 - 5 AZR 470/92 - zu I 1 der Gründe; BGH 31. August 2017 - VII ZR 308/16 - Rn. 15; 18. Dezember 1981 - V ZR 233/80 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 82, 398). Diese doppelte Zielrichtung gilt auch für das im Gesetz in § 343 Abs. 2 BGB geregelte selbstständige Strafversprechen. Mit ihm wird zwar nicht, wie im Fall der „echten“ Vertragsstrafe, die Hauptverbindlichkeit des Schuldners gesichert. Der Druck des Versprechens soll jedoch bewirken, dass der Schuldner eine von ihm an sich nicht geschuldete Handlung vornimmt (BGH 23. Juni 1988 - VII ZR 117/87 - zu II der Gründe, BGHZ 105, 24). Maßgebend für die Abgrenzung, ob eine Vertragsstrafe vereinbart wurde, ist die primäre Zielrichtung der vertraglichen Abrede (BGH 24. April 1992 - V ZR 13/91 - zu II 2 a der Gründe).
Rz. 24
(2) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der tariflichen Regelung in Nr. 6 Entgelt-TV nicht um ein Vertragsstrafenversprechen. Die Beklagte verpflichtet sich zwar zur Zahlung einer höheren Vergütung für den Fall der nicht oder nicht rechtzeitigen Erfüllung der sich aus Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Entgelt-TV ergebenden „betrieblichen Themen“. Die Vereinbarung entspricht aber ihrer Zielrichtung nach nicht einer Vertragsstrafe.
Rz. 25
(a) Dem Wortlaut der tariflichen Regelung lässt sich deren Zielrichtung nicht entnehmen. Die Tarifvertragsparteien haben in Nr. 6 Abs. 3 Entgelt-TV nicht ausdrücklich eine „Vertragsstrafe“ vereinbart. Sie haben auch nicht in anderer Weise das Verhältnis der „betrieblichen Themen“ zur Entgelterhöhung festgelegt, sondern lediglich vereinbart, dass zum 1. Juli 2019 eine „weitere Erhöhung der Entgelte um 0,5 %“ erfolgt, wenn für die „aufgeführten betrieblichen Themen die Zeitpläne nicht eingehalten“ werden.
Rz. 26
(b) Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Vereinbarung ergibt sich, dass deren Ziel nicht vorrangig die Durchsetzung der „betrieblichen Themen“ durch Ausübung von Druck und Schadenspauschalierung, sondern die Regelung der Entgeltbedingungen der Arbeitnehmer ist.
Rz. 27
(aa) Ziel des Entgelt-TV ist es, die Höhe der Entgelte der tarifgebundenen Arbeitnehmer festzulegen. Vereinbarungen zur Entgelthöhe sind Ausfluss des jedem Tarifvertrag innewohnenden Kompromisses widerstreitender Interessen (vgl. hierzu BAG 28. April 2021 - 4 AZR 229/20 - Rn. 39, BAGE 174, 382; 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 44 mwN, BAGE 151, 235; 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 24, BAGE 118, 159). Dies gilt auch bei Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung für das Inkrafttreten einer Entgelterhöhung. Die Arbeitgeberin erhält die Möglichkeit, statt einer durch die Gewerkschaft geforderten - und von der Arbeitgeberin nicht gewünschten - Entgelterhöhung eine andere Leistung zu erbringen, für die die Gewerkschaft bereit ist, von ihrer Forderung Abstand zu nehmen (sh. auch die Fallgestaltung einer auflösenden Bedingung BAG 30. November 2022 - 5 AZR 27/22 - Rn. 27 mit Rn. 4). In Nr. 6 Entgelt-TV dient die Vereinbarung der Entgelterhöhung daher nicht der Sicherung der Durchführung der „betrieblichen Themen“, sondern dem Ausgleich der widerstreitenden Interessen. Es geht vorrangig um die inhaltliche Regelung der Hauptpflichten der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse, nicht um die Sanktionierung eines Verhaltens der Beklagten.
Rz. 28
(bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts spricht auch die Aussage des Zeugen S, er habe während der Tarifverhandlungen gesagt „Wenn ihr es bis dahin nicht schafft, dann muss es halt mal weh tun“, nicht für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Durch die aufschiebende Bedingung wird zwar Druck auf die Beklagte ausgeübt, die vereinbarten Fristen einzuhalten. Dieser ist aber dadurch bedingt, dass die Beklagte die Erfüllung der „betrieblichen Themen“ offenbar als das „geringere Übel“ im Vergleich zur Entgelterhöhung angesehen hat. Allein durch diese Wertung wird die Bedingung nicht zu einer Vertragsstrafe.
Rz. 29
(cc) Weiterhin dient die Entgelterhöhung nicht der Vereinfachung eines Schadensnachweises. Die Zahlung der vereinbarten Vergütung ist Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Tätigkeit, nicht Schadensersatz. Zudem ist die Entgelterhöhung nach den tariflichen Regelungen nicht nur an die Arbeitnehmer zu zahlen, welche die Raucher-/Pausenplätze oder die Sanitäreinrichtungen nutzen oder vom Kindergartenzuschuss profitieren, sondern allen Arbeitnehmern, die unter den Geltungsbereich des Entgelt-TV fallen. Auch dies spricht gegen die Annahme, Ziel der Vereinbarung sei nicht die Festlegung des den Arbeitnehmern zustehenden Entgelts, sondern die Vereinbarung einer Strafe gewesen.
Rz. 30
b) Bei diesem Verständnis der tariflichen Regelung ist Nr. 6 Entgelt-TV wirksam vereinbart.
Rz. 31
aa) Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den „betrieblichen Themen“ iSd. Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Entgelt-TV um reine Zeitbedingungen, auf deren Eintritt die Beklagte Einfluss haben sollte, oder die Vereinbarung von schuldrechtlichen Verpflichtungen ihrerseits gegenüber der Gewerkschaft zur Durchführung der Maßnahmen handelt.
Rz. 32
(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegen mit den Vereinbarungen in Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Entgelt-TV keine Betriebsnormen (vgl. zur Definition der Betriebsnormen BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - Rn. 33; 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - Rn. 24 ff., BAGE 137, 45; 1. August 2001 - 4 AZR 388/99 - zu I 2 c bb der Gründe, BAGE 98, 303) vor, so dass sich die von der Beklagten unter Heranziehung der Entscheidung des Ersten Senats vom 19. Januar 2010 (- 1 ABR 62/08 - BAGE 133, 69) aufgeworfene Frage der Zulässigkeit einer Verknüpfung einer Betriebsnorm mit einer Inhaltsnorm nicht stellt.
Rz. 33
(a) Für die nach Nr. 6 Abs. 1 Entgelt-TV zu schließenden Betriebsvereinbarungen ist die Annahme einer Betriebsnorm bereits ausgeschlossen, weil nicht die Organisation und Gestaltung des Betriebs, sondern lediglich das Verhältnis der Beklagten zu dem bei ihr bestehenden Betriebsrat betroffen ist.
Rz. 34
(b) Hinsichtlich Sanitäreinrichtungen kommt zwar grundsätzlich in Betracht, deren Einrichtung und Ausgestaltung im Betrieb durch eine Betriebsnorm zu vereinbaren (als sog. Solidarnorm, vgl. Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 410; Kempen/Zachert/Kempen TVG 5. Aufl. § 3 Rn. 30; Dieterich FS Däubler S. 451, 453). Eine „betriebliche Frage“ liegt aber nicht schon dann vor, wenn eine Regelung im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebs und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen kann. Vielmehr müssen Fragen geregelt werden, die unmittelbar die Organisation und die Gestaltung des Betriebs betreffen (BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - Rn. 33). Den Vereinbarungen unter Nr. 6 Abs. 2 Entgelt-TV kann allerdings schon nicht entnommen werden, das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Belegschaft als Kollektiv solle geregelt werden. Die Abrede betrifft eine bereits bestehende Sozialeinrichtung und regelt lediglich deren Sanierung - als tatsächliche Handlung - durch die Arbeitgeberin bis zu einem bestimmten Datum. Es wird keine Ausgestaltung iSe. betriebsbezogenen Widmung getroffen, die sich auf die Organisationshoheit des Arbeitgebers hinsichtlich der Nutzungsberechtigungen bezieht. Zudem ist die rechtzeitige Durchführung der Sanierung als Bedingung normativ nur für die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft geltende Tariflohnerhöhung ausgestaltet. Die (Nicht-)Erfüllung der Verpflichtung soll sich daher unmittelbar nur auf die tarifgebundenen, nicht auf alle Arbeitnehmer auswirken. Die Tariflohnerhöhung ist darüber hinaus unabhängig von der Nutzung der Raucher-/Pausenplätze oder Sanitäreinrichtungen oder der Inanspruchnahme des Kindergartenzuschusses. Das zeigt, dass mit den „betrieblichen Themen“ nicht die Rechtsverhältnisse zwischen der Beklagten und der Belegschaft als Kollektiv geregelt werden sollten.
Rz. 35
(2) Darüber hinaus kann dahinstehen, ob Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Entgelt-TV schuldrechtliche Verpflichtungen der Beklagten zur Durchführung der betrieblichen Themen enthält. Die Tarifvertragsparteien wären nicht gehindert, eine solche Vereinbarung zu treffen. Für sie gilt die allgemeine Vertragsfreiheit. Ihre schuldrechtliche Vereinbarungsmacht ist im Grundsatz unbegrenzt (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 31, BAGE 148, 139). Dies gilt auch, soweit der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Inhalt einer Bedingung erhoben worden ist. Damit haben die Tarifvertragsparteien nicht in unzulässiger Weise einem Dritten überlassen, ob eine Tarifnorm Geltung erlangt (vgl. hierzu MHdB ArbR/ Klumpp 5. Aufl. § 234 Rn. 44; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 1 Rn. 1551). Der Eintritt der Bedingung mag zwar von dem Willen der Arbeitgeberin und des Betriebsrats zum Abschluss der fraglichen Betriebsvereinbarungen abhängen. Die Tarifvertragsparteien sind aber grundsätzlich berechtigt, die nähere Ausgestaltung einzelner Arbeitsbedingungen einem Dritten - zB den Betriebsparteien - zu überlassen (BAG 26. Februar 2020 - 4 AZR 48/19 - Rn. 48, BAGE 170, 56). Sie konnten daher vorliegend - zumal zwischen Bedingung und Tarifgeltung ein Sachzusammenhang besteht - das Inkrafttreten einer einzelnen Bestimmung ua. vom Handeln der Arbeitgeberin und des bei ihr bestehenden Betriebsrats abhängig machen.
Rz. 36
bb) Die Regelungen in Nr. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Entgelt-TV, die als Bedingung für die weitere Entgelterhöhung ausgestaltet sind, genügen dem für tarifvertragliche Normen geltenden Bestimmtheitsgebot.
Rz. 37
(1) Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt vom Normgeber, die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt zu fassen, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm angesprochene Rechtsfolge vorliegen. Dies gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen, was insbesondere im Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Der Normadressat muss erkennen können, ob er von einer Regelung erfasst ist und welchen Regelungsgehalt die tarifliche Vorschrift hat. Dabei ist den Tarifvertragsparteien allerdings die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht verwehrt. Dem Tarifvertrag als Normenvertrag für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen ist eine gewisse Unschärfe immanent. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten. Das ist dann der Fall, wenn der Regelungsgehalt einer Tarifnorm nicht mehr im Wege der Auslegung ermittelbar ist (ausf. BAG 26. Februar 2020 - 4 AZR 48/19 - Rn. 38 mwN, BAGE 170, 56).
Rz. 38
(2) Hinsichtlich der abzuschließenden Betriebsvereinbarungen ergibt sich zwar aus dem Entgelt-TV nicht im Einzelnen, welchen Inhalt diese haben sollen. Es werden lediglich Themen („Kindergartenzuschuss“, „Rauchen“, „Raucherplätze/Pausenplätze“) genannt. Dies führt aber nicht zur Unbestimmtheit der Regelung. Vielmehr kann die Beklagte den Bedingungseintritt bereits durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen, die sich mit diesen Themen befassen, verhindern. Die Tarifvertragsparteien haben die Ausgestaltung der abzuschließenden Betriebsvereinbarungen in zulässiger Weise den Betriebsparteien überlassen. Gleiches gilt hinsichtlich der darüber hinaus vereinbarten „baulichen Maßnahmen“ „bezüglich der Raucher/Pausenplätze“.
Rz. 39
(3) Ebenso ist Nr. 6 Abs. 2 Entgelt-TV mit dem Bestimmtheitsgebot vereinbar. Der Inhalt der Verpflichtung lässt sich durch Auslegung ermitteln. Zur Verhinderung des Bedingungseintritts waren alle im Altbau befindlichen Sanitäreinrichtungen, mithin Duschen und Toiletten, zu sanieren. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit den Entgelt-TV rechtsfehlerhaft ausgelegt und den Umfang der Sanierung auf „sanierungsbedürftige“ Räumlichkeiten beschränkt.
Rz. 40
(a) Dem Wortlaut von Nr. 6 Abs. 2 Entgelt-TV nach sind „die sanitären Einrichtungen“ zu sanieren. Die Verwendung des bestimmten Artikels „die“ deutet darauf hin, dass nicht nur Teilbereiche, sondern alle sanitären Einrichtungen im Altbau hierdurch erfasst werden. Eine Einschränkung lässt sich dem Entgelt-TV, insbesondere dem Begriff „grundsaniert“, nicht entnehmen. „Sanieren“ bedeutet „modernisierend umgestalten“, „reformieren“, „wieder in einen intakten Zustand versetzen“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort „sanieren“; Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort „sanieren“), während die Vorsilbe „grund-“ eine Verstärkung, etwas Fundamentales (Duden aaO Stichwort „grund-“ und „Grund-“) oder „ganz u. gar“, „völlig“ ausdrückt (Wahrig aaO Stichwort „grund...“). Die Grundsanierung ist daher eine besonders intensive, nicht aber eine solche, die erst bei gravierenden Mängeln erforderlich würde.
Rz. 41
(b) Mit diesem Verständnis handelt es sich - anders als das Landesarbeitsgericht meint - bei Nr. 6 Abs. 2 Entgelt-TV nicht um eine „unsinnige Regelung“. Nach dessen Feststellungen waren alle Bereiche - und damit auch die Duschen in den Umkleiden - nicht in einwandfreiem Zustand. Selbst wenn also kein „zwingendes“ Sanierungsbedürfnis bestanden haben sollte, ist eine Modernisierung der Duschen in den Umkleiden möglich und sinnvoll, um die Wertigkeit der Einrichtung und die Zufriedenheit der Nutzer zu erhöhen.
Rz. 42
(c) Diese Auslegung entspricht dem durch das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung gefundenen Ergebnis, Gegenstand der Sanierungsverpflichtung sei ohne Ausnahme der gesamte sich aus den vorgelegten Grundrissen ergebende Bereich gewesen. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob die Zeugenaussage eines an den Tarifverhandlungen Beteiligten für das Verständnis einer tariflichen Regelung unabhängig davon herangezogen werden kann, ob sich hierfür Anhaltspunkte im Tarifvertrag finden.
Rz. 43
c) Die Bedingung der nicht rechtzeitigen Durchführung der betrieblichen Themen ist eingetreten. Die in Nr. 6 Abs. 2 Entgelt-TV vorgesehene Sanierung hat die Beklagte nicht vollständig durchgeführt. Auf ein Verschulden der Beklagten kommt es für den Bedingungseintritt nicht an.
Rz. 44
d) Eine Herabsetzung der Entgelterhöhung nach § 343 BGB oder § 242 BGB kommt mangels Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht in Betracht.
Rz. 45
3. Für den noch streitgegenständlichen Zeitraum ergibt sich ein Differenzentgelt in Höhe von 161,49 Euro brutto.
Rz. 46
a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der durch die Beklagte an den Kläger gezahlten Vergütung um eine „tarifliche“, die nach den Regelungen des Entgelt-TV um 0,5 vH zu erhöhen ist.
Rz. 47
b) Der Kläger kann auch für die Monate Juni bis Oktober 2020 ein erhöhtes Entgelt verlangen, obwohl die Vergütungsansprüche erst nach Ende der Laufzeit des Entgelt-TV am 31. Mai 2020 (Nr. 7 Abs. 2 Entgelt-TV) entstanden sind. Mit Beendigung der normativen Wirkung „gilt“ der Entgelt-TV kraft Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt wird. Die Bezugnahmeregelung erfasst daher auch nachwirkende Tarifverträge (vgl. BAG 28. April 2021 - 4 AZR 229/20 - Rn. 23, BAGE 174, 382). Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, eine andere Abmachung iSd. § 4 Abs. 5 TVG mit dem Kläger oder der IG Metall getroffen zu haben.
Rz. 48
4. Der Kläger hat seine Ansprüche rechtzeitig iSd. § 18 MTV geltend gemacht. Die Ansprüche aus September 2019 sind (frühestens) am 30. September 2019 fällig geworden und waren daher bis zum 31. März 2020 geltend zu machen. Diese Frist ist durch Zustellung der Klage an die Beklagte am 20. März 2020 gewahrt. Eine weitere Geltendmachung für die Entgeltdifferenzen aus dem Jahr 2020 war nach § 18.2 MTV entbehrlich, da der Kläger den Anspruch bereits „dem Grunde nach geltend gemacht“ hat.
Rz. 49
5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Soweit das Landesarbeitsgericht bereits ab dem 20. März 2020 und dem 17. Dezember 2020 Zinsen zugesprochen hat, hat es, da der Kläger dies nicht beantragt hat, den Antragsgrundsatz verletzt (§ 308 ZPO). Insoweit ist die Anschlussrevision der Beklagten begründet.
Rz. 50
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Treber |
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Der Richter am Bundesarbeitsgericht Neumann ist an der Unterschriftsleistung verhindert. Treber |
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Klug |
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Kiefer |
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Chr. Suilmann |
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Fundstellen