Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Funktionsnachfolge (Leitung eines Übergangsheimes)

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 625; Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998; AÜG § 1 Abs. 2; Nordrhein-Westfälisches Landesaufnahmegesetz vom 21. März 1972 (GV NW S. 61) §§ 1, 6

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 06.06.1997; Aktenzeichen 4 Sa 279/97)

ArbG Köln (Urteil vom 21.01.1997; Aktenzeichen 12 Ca 835/96)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 6. Juni 1997 – 4 Sa 279/97 – aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21. Januar 1997 – 12 Ca 835/96 – abgeändert. Die Klage gegen die beklagte Stadt wird insgesamt abgewiesen. Von den Gerichtskosten erster Instanz hat der Kläger 9/10, der frühere Beklagte zu 2) 1/10 zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz hat der Kläger diejenigen der Beklagten und 4/5 des früheren Beklagten zu 2) zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision trägt der Kläger.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ein zwischen dem Kläger und dem früheren Beklagten zu 2), dem … Bund für Sozialarbeit … (künftig: … Bund) geschlossenes Arbeitsverhältnis auf die beklagte Stadt übergegangen ist, sowie über Arbeitsvergütung.

Die Beklagte betreibt nach dem nordrhein-westfälischen Landesaufnahmegesetz insgesamt 28 Übergangsheime. Darin werden Aussiedler, Spätaussiedler und Zuwanderer vorläufig untergebracht und betreut. Eines dieser Heime besteht in der M…-Straße … in K…. Dort wohnten ca. 270 Personen, ganz überwiegend Immigranten aus Osteuropa und Asien sowie Flüchtlinge vom Balkan. Hinsichtlich der Verwaltung dieses Heimes schloß die Beklagte mit dem Bund einen nicht datierten Vertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:

§ 1

Die Stadt hat (…) das Gebäude M…-Straße …, K…, zur vorläufigen Unterbringung von Aussiedlern, Flüchtlingen und Zuwanderern angemietet. Die Räumlichkeiten werden von der Stadt satzungsgemäß als Übergangsheim genutzt.

§ 2

Der B… verpflichtet sich, ab 1. Oktober 1988 die Leitung und Verwaltung des Heimes sowie die Sozialbetreuung der jeweils dort untergebrachten Personen zu nachstehenden Bedingungen zu übernehmen:

1. Der B… stellt zur Aufgabenerfüllung einen Heimleiter, Fachkraft der Sozialarbeit, zur Verfügung sowie für die Dienst- und Fachaufsicht seiner Organisation. Die Arbeitszeit des Heimleiters richtet sich nach den für den B geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Urlaubs- und Krankheitszeiten werden durch den B… abgedeckt.

2. Die Stadt erstattet dem B die für den Heimleiter entstehenden Personalkosten sowie die Insgemeinkosten für die Stellung der Dienst- und Fachaufsicht. Die Personalkosten errechnen sich auf der Grundlage des für den B geltenden Tarifvertrages – BAT Bund/Länder – entsprechend der Eingruppierung für die jeweilige Fachkraft, höchstens bis Vergütungsgruppe IV b. Für die Insgemeinkosten wird ein Betrag in Höhe von 8,44 % der anfallenden Personalkosten festgesetzt.

§ 3

Der Heimleiter ist verpflichtet, Wohnung im Objekt zu nehmen. Die Stadt stellt hierfür eine Wohnung, (…) zur Verfügung. Die vom Heimleiter für seine Wohnung zu zahlende Miete wird in einem zwischen den Vertragsparteien gesondert abzuschließenden Untermietvertrag festgelegt.

§ 4

Für die Leitung des Heimes einschließlich der durchzuführenden Sozialbetreuung sind ausschließlich die von der Stadt gegebenen Weisungen in Anlehnung an den Tätigkeitskatalog, der Anlage und Bestandteil dieses Vertrages ist, maßgebend.

Die vertragsschließenden Parteien sind sich darin einig, daß die Heimleitung die ihr gestellten Aufgaben in enger Zusammenarbeit mit der Stadt wahrzunehmen hat.

§ 5

(1) Das Belegungsrecht des Heimes sowie das Inkasso der Benutzungsgebühren obliegt ausschließlich der Stadt.

(2) Das Hausrecht übernimmt die Stadt als einweisende Stelle, sie delegiert es an den Heimleiter. Die Ausübung des Hausrechts durch die Stadt bleibt unberührt.

(3) Für die innerbetriebliche Ordnung gilt die Hausordnung der Stadt für die von ihr unterhaltenen Übergangsheime in der jeweils geltenden Fassung.

§ 7

Der B… erhält ein Verzeichnis über die im Heim befindlichen Einrichtungsgegenstände. Dieses Verzeichnis ist Bestandteil dieses Vertrages. Der B… wird für eine pflegliche und zweckentsprechende Behandlung der Gegenstände Sorge tragen.

§ 8

(1) Die Stadt K… stellt für den Heimleiter einen Büroraum mit Telefonanschluß zur Verfügung. Die notwendige Büroeinrichtung stellt die Stadt, das Büromaterial der B….

§ 12

Durch diesen Vertrag werden keine Ansprüche des Heimleiters auf Übernahme in ein Beschäftigungsverhältnis bei der Stadt begründet.

Nach dem Tätigkeitskatalog zu § 4 des Vertrages war dem Bund zum einen die Hausverwaltung und zum anderen die Betreuung der Bewohner übertragen. Zur Hausverwaltung gehörten Überwachung des Heimes und des Inventars, einschließlich der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Hygiene. Die Verteilung der Zimmer und die Einweisung der Bewohner sollte nach Maßgabe der von der Stadt vorgenommenen Belegung erfolgen. Zur Betreuung gehörten im wesentlichen die Information und Beratung der Bewohner in Fragen der Hausordnung, deren Unterstützung in amtlichen und persönlichen Fragen, die Betreuung im Eingliederungsprozeß in die hiesigen gesellschaftlichen Verhältnisse, die Bildungsberatung, Freizeitangebote und die Gesundheitsfürsorge.

Leiter des Heims war der Kläger, der beim … Bund seit dem 1. Oktober 1988 angestellt war. Unter anderem führte er die für die Betreuung des Heimes erforderliche Bewohnerkartei. Er erstellte die Wäscheliste und die Organisationsstruktur der Waschküchennutzung sowie einen Organisationsplan der Briefkastenanlage für 72 Briefkästen. Ferner konstruierte er einen Organisationskasten für die Haus- und Wohnungsschlüssel, führte eine Schlüsselordnung ein und führte Einweisungs- und Inventarlisten. Außerdem verwaltete der Kläger die dem Internationalen Bund als Sachkostenpauschale zur Verfügung gestellten Beträge von DM 300,00 bzw. DM 285,00. Er war für die Rücknahme von Einrichtungsgegenständen der Bewohner, die Meldung und Vergabe von Reparaturen am Haus sowie die Meldung von Betriebsstörungen der Hausanlage zuständig und vergab eigenständig den Gemeinschaftsraum des Hauses für Veranstaltungen der Heimbewohner. Melderechtliche Erklärungen der Heimbewohner unterschrieb er selbständig und stempelte sie mit einem Stempel der Stadt K….

Die Entscheidungen über Aufnahme, Verlegung – zumindest aus dem Übergangsheim hinaus und in es hinein – und ordnungsbehördliche Maßnahmen wurden vom Sozialamt der Beklagten getroffen. Zuständig war dort das Referat für Spätaussiedler und Flüchtlingsangelegenheiten. In routinemäßigen und alltäglichen Angelegenheiten gab der … Bund Weisungen an den Kläger, nicht die Beklagte. Diese behielt sich lediglich in grundsätzlichen Angelegenheiten ein Weisungsrecht vor. Zwischen den Parteien ist streitig geblieben, ob der Kläger auch die Verlegung von Wohnungen innerhalb des Hauses vornahm bzw. vornehmen durfte und ob er für den Ausspruch von Hausverboten gegen Dritte zuständig war.

Der Kläger wohnte in einer Wohnung im Übergangsheim. Den Mietvertrag hatte er mit dem … Bund abgeschlossen, der die Wohnung seinerseits von der Beklagten gemietet hatte. Eigentümerin des Heims ist die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau.

Der Kläger war in den beim … Bund gebildeten Betriebsrat gewählt. Zwischen ihm und dem … Bund kam es zu mehreren Gerichtsverfahren, darunter auch Beschlußverfahren, mit denen der … Bund die Kündigung des Klägers anstrebte.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 1995 kündigte die Beklagte den Vertrag über die Heimleitung zum 31. Dezember 1995. Zu diesem Datum übernahm sie die bis dahin vom Kläger geführte Bewohnerdatei und die gestellte Büroeinrichtung. Spätestens ab 15. Januar 1996 wurde die Sozialarbeitertätigkeit im Wohnheim von der Städtischen Mitarbeiterin Frau K… durchgeführt. Die Hausverwaltungstätigkeit übernahm ein Hausmeister, der ebenfalls bei der Beklagten angestellt war.

Am 10. Oktober 1995 kündigte die Beklagte auch den Mietvertrag über die Heimleiterwohnung und forderte den … Bund auf, diese geräumt bis zum 31. Dezember 1995 zurückzugeben. Mit Schreiben vom 1. November 1995 kündigte der … Bund gegenüber dem Kläger den Mietvertrag zum 31. Dezember 1995.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, durch die Kündigung des Vertrags über die Heimleitung sei sein Arbeitsverhältnis unter dem Gesichtspunkt eines Teilbetriebsübergangs vom … Bund auf die Beklagte übergangen. Außerdem verlangt er von der Beklagten die Jahressonderzuwendung 1995 und sein Arbeitsentgelt für den Zeitraum von der Zustellung der Feststellungsklage (21. März 1996) bis Ende Mai 1996. Er hat behauptet, auch noch nach dem 31. Dezember 1995 sozialarbeiterisch tätig gewesen zu sein.

Der Kläger hat – soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse – beantragt

1. festzustellen, daß zwischen ihm und der Beklagten seit dem 1. Januar 1996 ein Arbeitsverhältnis besteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 5.420,28 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 10. Dezember 1995 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 12.233,29 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 20. Juni 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, daß der Kläger über den 31. Dezember 1995 hinaus tätig gewesen sei. Ein Betriebsübergang habe nicht vorgelegen. Vielmehr sei sie nach dem Landesaufnahmegesetz verpflichtet, Übergangsheime als nichtrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts selbst zu betreiben. Sie habe deshalb den Betriebsteil Übergangsheim nie übertragen können, so daß er auch nicht habe zurückfallen können.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Außerdem hat es den … Bund gesamtschuldnerisch zur Zahlung der Jahressonderzuwendung 1995 verurteilt und weitere gegen diesen gerichtete Zahlungsansprüche abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klagabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abweisung der in die Revisionsinstanz gelangten Anträge.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:

Die Leitung des Übergangsheimes durch den Kläger sei ein eigenständiger Betriebsteil geworden. Auch eine völlig untergeordnete Tätigkeit könne einen Betriebsteil darstellen. Im vorliegenden Falle ergebe sich der Betriebsteil aus der Tätigkeit der Hausverwaltung an sich, einschließlich der damit verbundenen materiellen Mittel wie Büroausstattung, der Organisationsstruktur der Waschküchennutzung, der Briefkastenanlage, der Schlüsselordnung usw. Daß dieser Betriebsteil auch eine organisatorische Selbständigkeit gehabt habe, ergebe sich daraus, daß die Beklagte nur die grundsätzlichen Weisungen, nicht aber die Routineweisungen an den Kläger gegeben habe, sondern dies dem … Bund überlassen gewesen sei. Wäre es anders gewesen, läge ein Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung vor und das Arbeitsverhältnis wäre ohnehin direkt zur Stadt begründet worden. Mit der Kündigung des Heimleitungsvertrages sei dieser Betriebsteil durch Rechtsgeschäft an die Beklagte zurückgefallen. Diese sei damit in das Arbeitsverhältnis des Klägers eingetreten. Deshalb habe sie sowohl für die Jahressonderzahlung 1995 als auch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für das Entgelt ab Zustellung der Feststellungsklage einzutreten.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht durch einen Betriebsübergang nach § 613a BGB auf die Beklagte übergegangen.

a) Ein Betriebsübergang ist freilich nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei dem Übergangsheim nach § 6 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Landesaufnahmegesetzes um eine nichtrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und damit um einen Teil der Verwaltung handelt. Zwar ist zumindest die dem § 613a BGB zugrunde liegende EWG-Richtlinie 77/187 nicht auf die Übertragung hoheitlicher Aufgaben anzuwenden (EuGH Urteil vom 15. Oktober 1996 – C 298/94 – AP Nr. 13 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187, Teilziff. 13 ff. und Senatsurteile vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 426/95 – AP Nr. 165 zu § 613a BGB, zu I 2 der Gründe, sowie vom 20. März 1997 – 8 AZR 856/95 – AP Nr. 24 zu Art. 13 Einigungsvertrag, zu B II 3 der Gründe, beide Entscheidungen sind zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Das bezieht sich aber nur auf die Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere (vgl. auch Senatsurteil vom 7. September 1995 – 8 AZR 928/93 – AP Nr. 131 zu § 613a BGB, zu B III der Gründe). Das ist zwischenzeitlich durch die Richtlinie des Rates vom 29. Juni 1998 – 98/50/EG (Abi. – EG L Nr. 201, S. 88 ff.) –, die allerdings nach ihrem Art. 2 Abs. 1 erst bis zum 17. Juli 2001 umzusetzen ist, mit einer neuen Fassung von Art. 1 Abs. 1c der vorgenannten Richtlinie klargestellt. Im vorliegenden Falle war der Kläger beim … Bund, einem eingetragenen Verein, angestellt. Eine bloße Umstrukturierung von Verwaltung oder eine Aufgabenübertragung zwischen Verwaltungen lag nicht vor.

b) Die Voraussetzungen des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB sind nicht gegeben.

aa) Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff “Einheit” bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Als Teilaspekte einer Gesamtwürdigung gehören namentlich dazu: die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Überganges, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Tätigkeit an sich ist allerdings keine solche Einheit. Die Identität der Einheit ergibt sich ferner aus ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C 13/95 – AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187; vgl. nur Senatsurteil vom 22. Januar 1998 – 8 AZR 243/95 – AP Nr. 173 zu § 613a BGB, zu B II 1 der Gründe).

Betriebsteile sind Teileinheiten bzw. Teilorganisationen des Betriebes. Es muß sich um eine organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebes handeln, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Dabei reicht es aus, wenn es um eine untergeordnete Hilfsfunktion geht. Diese Teilorganisation muß die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Einheit im dargestellten Sinn erfüllen (Senatsurteil vom 24. April 1997 – 8 AZR 848/94 – NZA 1998, 253, 254).

Dem entspricht der durch die genannte Richtlinie vom 29. Juni 1998 neu gefaßte Art. 1 Abs. 1b der Richtlinie 77/187/EWG. Nach dieser Bestimmung setzt ein Betriebsübergang den Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisatorischen Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit voraus. Nach der Erwägung (4) der Änderungsrichtlinie soll der Begriff des Übergangs ohne Änderung des Anwendungsbereiches unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofes geklärt werden. Es soll sich also gegenüber der bisherigen Rechtsprechung nichts ändern.

bb) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die “Leitung, Verwaltung des Heimes und Sozialbetreuung der dort untergebrachten Personen” kein Betriebsteil in diesem Sinne. Eine organisatorische Einheit liegt nicht vor. Zwar übte der Kläger eine Tätigkeit mit organisatorischen Aufgaben aus, indem er für die innere Ordnung des Übergangsheimes und die Betreuung seiner Bewohner zuständig war. Das macht seine Tätigkeit aber noch nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit, die über eine bloße Tätigkeit hinausgeht. Daran ändert die vom Landesarbeitsgericht festgestellte organisatorische Selbständigkeit des Klägers bei Ausübung dieser Tätigkeit nichts. Auch die dem Kläger zur Verfügung stehenden Betriebsmittel, nämlich sein Büro und der Telefonanschluß, begründen keine Einheit mit eigener Identität. Es handelt sich vielmehr um die unentbehrlichen Mittel jeder Verwaltungstätigkeit. Ebenso ist die Bewohnerkartei bloßes Hilfsmittel der Tätigkeit, die organisatorische Aspekte einschließt.

Zusätzlich spricht die Art der Tätigkeit des Klägers dagegen, dessen Aufgabenstellung als Betrieb oder Betriebsteil anzusehen. Zwar war der Kläger von einer privaten Organisation eingestellt, doch steht seine Aufgabenstellung im engen Zusammenhang mit der nach § 1 des Landesaufnahmegesetzes öffentlichen Aufgabe der Unterbringung von Aussiedlern, Spätaussiedlern und Zuwanderern. Letztlich war er also an der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben beteiligt. Bei der Übertragung von Teilen der öffentlichen Verwaltung gewinnt der organisatorische Aspekt besonders großes Gewicht (Senatsurteil vom 26. Juni 1997, aaO, zu I 3b der Gründe). Organisatorisch muß das Übergangsheim als einheitliche Gesamtheit angesehen werden. Dafür spricht schon, daß es nach § 6 Abs. 1 des Landesaufnahmegesetzes als Anstalt des öffentlichen Rechts eingerichtet ist. Belegung, finanzielle Absicherung und Betreuungsaufgaben greifen ineinander. So stellen sich die Probleme einer sozialarbeiterischen Betreuung vor dem Hintergrund derjenigen Personen, die zu betreuen sind. Wer das ist, hängt wiederum von der Belegung des Heimes ab, die nicht dem Kläger oblag.

Etwas anderes folgt nicht aus der vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 16. Oktober 1987 (– 7 AZR 519/86 – AP Nr. 69 zu § 613a BGB). In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, ein Mietshauskomplex könne einen Betriebsteil darstellen (aaO, zu II 2a der Gründe). Die Tätigkeit des Klägers ist nicht mit einem Mietshauskomplex zu vergleichen, weil sie sich lediglich auf eine einzelne Funktion, nämlich die Verwaltung des Heimes bezieht. Einem Mietshauskomplex vergleichbar wäre das gesamte Heim. Dieses ist aber nicht übergegangen.

2. Zwischen den Parteien ist nicht aufgrund des AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem entliehenen Arbeitnehmer wurde im Falle des § 1 Abs. 2 AÜG vermutet (vgl. BAG Urteil vom 21. März 1990 – 7 AZR 198/89 – BAGE 65, 43 = AP Nr. 15 zu § 1 AÜG, zu I 3 a, b der Gründe). Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn der Verleiher mit dem Entleiher einen Vertrag schließt, nach dessen Geschäftsinhalt der Verleiher dem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die dieser seinen Vorstellungen und Zielen gemäß in seinem Betrieb wie eigene Arbeitnehmer einsetzt. Die entliehenen Arbeitskräfte müssen vollständig in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sein und Arbeiten allein nach dessen Weisungen durchführen (vgl. BAG Urteile vom 26. April 1995 – 7 AZR 850/94 – BAGE 80, 46 = AP Nr. 19 zu § 1 AÜG, zu II 2 der Gründe, sowie vom 9. November 1994 – 7 AZR 217/94 – BAGE 78, 252, 258 ff. = AP Nr. 18 zu § 1 AÜG, zu III der Gründe).

Der Kläger hat diese Voraussetzungen einer Arbeitnehmerüberlassung nicht schlüssig vorgetragen. Er hat trotz des Hinweises des Landesarbeitsgerichts, es komme eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung in Betracht, keinen Sachvortrag hierzu geleistet. Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu der Durchführung des Vertrages über die Leitung und Verwaltung des Heimes und die Sozialbetreuung der untergebrachten Personen sprechen eher gegen Arbeitnehmerüberlassung. Weder war der Kläger in den Betrieb der Beklagten eingegliedert noch nahm diese ein ins einzelne gehendes Weisungsrecht wahr. Die Anhaltspunkte für eine Arbeitnehmerüberlassung in dem schriftlichen Vertrag zwischen der Beklagten und dem … Bund reichen für eine Verurteilung der Beklagten nicht aus.

3. Die Behauptung des Klägers, er habe auch nach der Kündigung des Vertrages zwischen der Beklagten und dem … Bund weitergearbeitet, ist unter keinem Gesichtspunkt erheblich. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für den Abschluß eines Arbeitsvertrages durch schlüssiges Verhalten nicht vor. Zwischen den Parteien bestand auch nie ein Arbeitsverhältnis, das nach seinem Ablauf mangels Widerspruchs der Beklagten als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten könnte (§ 625 BGB).

4. Da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, besteht keine Grundlage für die auf Jahressonderzuwendung 1995 und Vergütung für 1996 gerichteten Zahlungsansprüche.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 100 ZPO.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Morsch, Hickler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2629001

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