Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalratsanhörung vor Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS

 

Verfahrensgang

LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 09.09.1996; Aktenzeichen 5 Sa 324/95)

ArbG Neustrelitz (Urteil vom 23.05.1995; Aktenzeichen 4 Ca 2764/94)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 9. September 1996 – 5 Sa 324/95 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte mit einer Tätigkeit für das frühere MfS und mit falschen Erläuterungen der Klägerin hierzu begründet hat.

Vor Ausspruch der Kündigung teilte der Beklagte mit Schreiben vom 13. September 1994 dem Hauptpersonalrat mit, daß beabsichtigt sei, der Klägerin außerordentlich mit sofortiger Wirkung gem. Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 des Einigungsvertrages sowie vorsorglich ordentlich gem. § 1 KSchG zu kündigen. Der Personalrat wurde gebeten, innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zuzustimmen bzw. etwaige Bedenken mitzuteilen.

Nachdem der Beklagte dem Hauptpersonalrat weitere Unterlagen überließ, die erbetene erweiterte Akteneinsicht und die Einholung eines graphologischen Gutachtens jedoch ablehnte, teilte der Hauptpersonalrat dem Beklagten mit Schreiben vom 17. November 1994 mit, daß er der außerordentlichen Kündigung der Klägerin widerspreche. Der Widerspruch stütze sich auf die ihm vorliegenden Unterlagen. Die unbedeutende Art der gegebenen Berichte und ihre mögliche schädliche Auswirkung auf die Person, über die berichtet worden sei, rechtfertige eine außerordentliche Kündigung nicht. Durch die außerordentliche Kündigung könne es zu größeren Problemen im Ablauf der Schule kommen.

Daraufhin kündigte der Beklagte mit Schreiben der Kultusministerin vom 23. November 1994, welches der Klägerin am 12. Dezember 1994 zuging, das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 1995.

Mit der am 16. Dezember 1994 beim Arbeitsgericht eingereichten Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht und die ordnungsgemäße Beteiligung der Personalvertretung bestritten.

Die Klägerin hat, soweit in der Revision noch erheblich, beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 23. November 1994 nicht aufgelöst worden sei.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Weiterbeschäftigung der Klägerin sei ihm im Hinblick auf deren Tätigkeit für das MfS und die falschen Erklärungen der Klägerin hierzu unzumutbar. Er habe den Hauptpersonalrat ordnungsgemäß sowohl zu einer außerordentlichen als auch zu der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung angehört.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die streitige Kündigung sei unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats gem. § 68 Abs. 1 Ziff. 2 und § 62 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (fortan: LPersVG) fehle. Der Beklagte habe den Hauptpersonalrat zu einer außerordentlichen sowie einer vorsorglich ordentlichen Kündigung angehört, nicht aber zu der dann ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Bei der vorsorglich ordentlichen Kündigung handele es sich um eine bedingte, bei der dann ausgesprochenen demgegenüber um eine unbedingte Kündigung. Das sei nicht das gleiche. Der ordentlichen Kündigung könne nach den Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes nur unter den Gesichtspunkten des § 68 Abs. 5 LPersVG widersprochen werden. Daher konzentriere sich der Personalrat regelmäßig auf die außerordentliche Kündigung. Da im Falle einer Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung im weiteren Beteiligungsverfahren erst recht auch die Zustimmung zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung ersetzt werde, sei es nicht zu beanstanden, wenn der Personalrat bei dieser Konstellation von einer taktisch sinnlosen hilfsweisen Ausschöpfung der Mitbestimmungsposition absehe.

II. Dem folgt der Senat nicht. Der Beklagte hat die zuständige Personalvertretung ordnungsgemäß beteiligt.

1. Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, daß Kündigungen nach § 68 Abs. 1 Ziff. 2 LPersVG der Mitbestimmung des Personalrats unterliegen und damit gem. § 62 Abs. 1 LPersVG seine Zustimmung voraussetzen. Hierzu gehört nach § 62 Abs. 2 LPersVG zunächst eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Personalrats, ohne die seine sachgerechte Stellungnahme nicht möglich wäre. Die Kündigung gilt als gebilligt, wenn der Personalrat nicht innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert (§ 62 Abs. 2 Sätze 3 und 5 LPersVG).

2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, im Streitfall sei die Unterrichtung des Personalrats schon deshalb nicht ordnungsgemäß gewesen, weil dieser nicht zu einer ordentlichen, sondern lediglich zu einer vorsorglich ordentlichen Kündigung angehört worden sei. Wird ein Personalrat vom Arbeitgeber zu einer beabsichtigten außerordentlichen, vorsorglich ordentlichen Kündigung angehört, so bezieht sich die Anhörung auf beide Kündigungen, auf die außerordentliche und auf die ordentliche Kündigung. Entschließt sich der Arbeitgeber nach der Anhörung, lediglich eine ordentliche Kündigung auszusprechen, so ist er nicht verpflichtet, das Anhörungsverfahren erneut durchzuführen, denn der Personalrat wurde schon vorsorglich zur ordentlichen Kündigung angehört.

3. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht das Schreiben des Hauptpesonalrats vom 17. November 1994 dahingehend ausgelegt, daß nur der außerordentlichen, nicht jedoch der ordentlichen Kündigung widersprochen wurde, denn der Hauptpersonalrat spricht nur von der außerordentlichen Kündigung. Der abschließende Hinweis des Hauptpersonalrats, daß es bei einer außerordentlichen Kündigung der Klägerin „zu größeren Problemen im Ablauf der Schule” kommen könnte, macht zudem deutlich, daß der Hauptpersonalrat nur einer außerordentlichen Kündigung widersprechen wollte.

4. Damit hat der zuständige Hauptpersonalrat die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung nicht fristgerecht unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert, so daß die ordentliche Kündigung als gebilligt gilt (§ 62 Abs. 2 Satz 5 LPersVG).

III. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb noch zu prüfen haben, ob die ausgesprochene ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Dabei wird das Landesarbeitsgericht die Grundsätze der Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 1997 (– 2 AZR 42/97 – n.v.) zur personen- und verhaltensbedingten Kündigung bei Tätigkeit für das MfS und falscher Beantwortung der Frage nach einer solchen Tätigkeit zu beachten haben.

 

Unterschriften

Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Harnack, Ma. Schallmeyer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1127017

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