Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafe bei Vertragsbruch
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Arbeitsvertrag kann eine Vertragsstrafe für den Fall des Vertragsbruchs oder einer fristlosen Entlassung wegen schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers wirksam vereinbart werden.
2. Einer solchen Vertragsstrafe stehen weder die Vorschriften des AGB-Gesetzes noch die Regelungen des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden- Württemberg vom 1.4.1980 entgegen.
Orientierungssatz
Ob der Arbeitsvertrag eine zu ungunsten des Arbeitnehmers abweichende Abmachung im Sinne des § 4 Abs 3 TVG enthält, erfordert einen Vergleich zwischen tariflicher und vertraglicher Regelung. Hierbei sind allein die einschlägige tarifliche Regelung und die abweichende Vereinbarung in einem bestehenden Arbeitsverhältnis miteinander zu vergleichen. Es ist im Einzelfall durch Auslegung des Arbeitsvertrages und des Tarifvertrags festzustellen, welche Regelung im Vertrag und im Tarifvertrag in einem sachlichen Zusammenhang stehen und dann miteinander verglichen werden können. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag und im Tarifvertrag sind die sachlich entsprechenden Regelungen des Arbeitsvertrags und des Tarifvertrags miteinander zu vergleichen. Maßgebend ist vor allem, ob die Bestimmungen denselben Gegenstand betreffen, hilfsweise die Verkehrsanschauung. So gehören Dauer des Urlaubs, Länge der Wartezeit und Höhe des Urlaubsgeldes zusammen, ebenso tariflicher Grundlohn und tarifliche Lohnzuschläge.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 03.02.1982; Aktenzeichen 8 Sa 96/81) |
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 31.03.1981; Aktenzeichen 2 Ca 106/81) |
Tatbestand
Die 23-jährige Klägerin war vom 1. September 1978 bis 28. Januar 1981 bei der Gemeinschuldnerin als Verkäuferin in einem Kaufhaus in F beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 1. April 1980 (MTV) Anwendung. Die Klägerin bezog zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von DM 1.100,--.
In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1. September/30. November 1978 haben die Klägerin und die Gemeinschuldnerin in § 15 folgende formularmäßige Vereinbarung getroffen:
"Tritt der Arbeitnehmer das Arbeitsverhält-
nis nicht an, löst er das Arbeitsverhält-
nis unter Vertragsbruch oder wird der Ar-
beitgeber durch schuldhaft vertragswidri-
ges Verhalten des Arbeitnehmers zur frist-
losen Kündigung des Arbeitsverhältnisses
veranlaßt, so hat der Arbeitnehmer an den
Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe
eines Bruttomonatslohns zu zahlen. Der Ar-
beitgeber kann einen weitergehenden Scha-
den geltend machen."
Am 28. Januar 1981 kündigte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis fristlos, da die Klägerin sich dringend einer strafbaren Handlung zum Nachteil der Gemeinschuldnerin verdächtig gemacht habe. Die gegen diese Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage nahm die Klägerin am 31. März 1981 zurück.
Unter Berufung auf die Vertragsstrafenklausel behielt die Gemeinschuldnerin das Nettogehalt der Klägerin für Januar 1981 in Höhe von DM 750,09 ein und hat darüber hinaus gegen die Klägerin noch eine weitere Forderung von DM 349,91 geltend gemacht.
Die Klägerin hat mit der Klage für die Zeit vom 1. Januar bis 28. Januar 1981 die Zahlung des Bruttolohns von der Gemeinschuldnerin begehrt. Sie hat vorgetragen, es sei bereits bedenklich, ob eine Vertragsstrafe, die nur einseitig zuungunsten des Arbeitnehmers vereinbart werde, nicht gegen Schutzprinzipien des Arbeitsrechts verstoße. Jedenfalls verstoße die Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag gegen § 4 TVG und sei deshalb unwirksam. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Manteltarifvertrag sehe nämlich bei verschuldeter fristloser Entlassung des Arbeitnehmers bereits eine Vertragsstrafe durch Verlust des Urlaubsgelds und der tariflichen Sonderzuwendung vor. Damit enthalte die zusätzliche Vertragsstrafenregelung im Arbeitsvertrag eine unzulässige Schlechterstellung gegenüber der tariflichen Regelung. Im übrigen sei die außerordentliche Kündigung der Gemeinschuldnerin nicht begründet.
Die Klägerin hat demgemäß beantragt,
die Gemeinschuldnerin zu verurteilen, an
die Klägerin DM 984,-- brutto nebst 4 %
Zinsen seit 11. März 1981 zu zahlen.
Die Gemeinschuldnerin hat beantragt,
1. die Klage abzuweisen und
2. widerklagend, die Klägerin zu verur-
teilen, an die Gemeinschuldnerin DM
1.036,30 zu zahlen.
Die Gemeinschuldnerin hat vorgetragen, die vereinbarte Vertragsstrafenklausel sei wirksam. Der Manteltarifvertrag enthalte keine Regelung einer Vertragsstrafe und schließe auch eine einzelvertragliche Vertragsstrafenvereinbarung nicht aus. Die Klägerin habe ihre fristlose Entlassung verschuldet. Sie habe in der Zeit vom 2. Juni bis 1. November 1980 liegengebliebene oder nicht ausgehändigte Kassenbons an Kolleginnen weitergegeben, damit diese sich unter dem Anschein eines ordnungsgemäßen Personaleinkaufs Waren rechtswidrig hätten aneignen können. In gleicher Weise habe sich auch die Klägerin Waren rechtswidrig zugeeignet. Ferner habe sie Arbeitskolleginnen unbefugt Preisnachlässe gewährt. In einem Fall habe sie eine Mitarbeiterin angestiftet, einen niedrigeren Betrag als den Verkaufspreis in die Kasse einzutippen; den Differenzbetrag hätten sich beide geteilt. Als hierüber Verdacht aufgekommen sei, hätten die Klägerin und ihre Kollegin die einbehaltenen Beträge in die Kasse zurückgelegt.
Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Sie hat erwidert, sie habe sich keiner strafbaren Handlung schuldig gemacht. Auch habe die Gemeinschuldnerin die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nicht eingehalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von DM 973,07 brutto nebst Zinsen stattgegeben und im übrigen Klage und Widerklage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat nur die Gemeinschuldnerin Berufung eingelegt. Sie hat in der Berufungsinstanz den Klageabweisungsantrag aufrechterhalten, die Widerklage in erster Linie auf den Betrag von DM 349,91 beschränkt und nur hilfsweise - für den Fall, daß der Klage stattgegeben wird - beantragt, die Klägerin zur Zahlung weiterer DM 750,09 zu verurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Gemeinschuldnerin zurückgewiesen.
Nach Einlegung der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat die Gemeinschuldnerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts an die Klägerin die Nettovergütung für Januar 1981 in Höhe von DM 750,09 gezahlt. Während des Laufes des Revisionsverfahrens ist über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Anschlußkonkursverfahren eröffnet worden. Der Konkursverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen. Mit seiner Revision erstrebt er die Abweisung der Klage in Höhe von DM 162,40, die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage in Höhe von DM 937,60 sowie die Verurteilung der Klägerin nach § 717 ZPO in Höhe von DM 162,40.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile, soweit die Gemeinschuldnerin zur Zahlung eines höheren Betrages als DM 587,69 netto nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen wurde. Die weitergehende Klage war abzuweisen. Die Widerklage ist in Höhe von DM 937,60 begründet. Darüber hinaus war die Klägerin zur Zahlung weiterer DM 162,40 an den Beklagten zu verurteilen, da die Gemeinschuldnerin diesen Betrag zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus den vorinstanzlichen Urteilen an die Klägerin gezahlt hat, in diesem Umfang aber die Klage unbegründet ist.
Die Klage ist in Höhe von DM 162,40 unbegründet, weil sie in diesem Umfang durch Aufrechnung der Gemeinschuldnerin mit der Forderung aus der Vertragsstrafenabrede erloschen ist (§ 389 BGB). Dem Bruttogehalt der Klägerin für die Zeit vom 1. bis 28. Januar 1981 in Höhe von DM 973,07, zu dessen Zahlung die Vorinstanzen die Gemeinschuldnerin verurteilt haben, entspricht ein Nettogehalt von DM 750,09, das die Gemeinschuldnerin der Klägerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus den vorinstanzlichen Urteilen gezahlt hat. Gegen diese Berechnung des Nettogehalts hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben, so daß der Senat sie seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Bei einem Nettogehalt von DM 750,09 für vier Wochen (1. bis 28. Januar 1981) entfällt auf die Woche ein Nettogehalt von DM 187,50. Da die ledige Klägerin keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat, sind bei einem wöchentlichen Nettogehalt von DM 187,50 DM 40,60 wöchentlich und demgemäß für vier Wochen DM 162,40 pfändbar (Anlage zu § 850 c ZPO). Nur in Höhe dieses pfändbaren Teils des Gehalts der Klägerin hat der Beklagte die Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile beantragt. Deshalb braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die Gemeinschuldnerin mit ihrem Anspruch aus der Vertragsstrafenabrede auch gegen den unpfändbaren Teil des Gehaltsanspruchs der Klägerin aufrechnen konnte (vgl. insoweit BAG 16, 228, 236 f. = AP Nr. 9 zu § 394 BGB und BAG Urteil vom 16. Juni 1960 - 5 AZR 121/60 -, AP Nr. 8 zu § 394 BGB).
Dem Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch aus der Vertragsstrafenvereinbarung nach § 15 des Arbeitsvertrags in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von DM 1.100,-- zu. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Vertragsstrafenvereinbarung wirksam. Nach § 339 BGB kann eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbart werden, daß der Schuldner eine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt. Die Vertragsstrafe ist ein vom Gesetzgeber zur Verfügung gestelltes besonderes Rechtsinstitut des bürgerlichen Rechts für Schuldverhältnisse und kann demgemäß auch in Arbeitsverhältnissen als privatrechtlichen Schuldverhältnissen vereinbart werden. Daher hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannt, daß gegen derartige einzelvertragliche Strafabreden zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags keine rechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Arbeitgeber mit ihnen die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen durch den Arbeitnehmer absichern will (vgl. BAG 15, 11, 14 f. = AP Nr. 2 zu § 67 HGB; BAG Urteil vom 27. Juli 1977 - 5 AZR 337/76 -, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Entwicklungshelfer; BAG 39, 155 = AP Nr. 4 zu § 5 BBiG; zuletzt BAG Urteil vom 17. August 1983 - 5 AZR 251/81 -, unveröffentlicht). Abreden über Vertragsstrafen können zwar im Einzelfall gegen arbeitsrechtliche Gesetze (z.B. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) oder arbeitsrechtliche Rechtsgrundsätze und Schutzprinzipien (vgl. BAG Urteil vom 11. März 1971 - 5 AZR 349/70 -, AP Nr. 9 zu § 622 BGB) verstoßen und deshalb unwirksam sein. Ein solcher Verstoß liegt jedoch bei der vorliegenden Strafabrede nicht vor, die für den Fall des Vertragsbruchs und der ihm gleichstehenden fristlosen Entlassung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers vereinbart ist.
Mit Recht hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts die unter Hinweis auf § 888 Abs. 2 ZPO gegen die Zulässigkeit von Vertragsstrafen für den Fall des Vertragsbruchs erhobenen Bedenken (vgl. Krauß, AuR 1975, 152; Langheid, DB 1980, 1219 f.) zurückgewiesen (BAG Urteil vom 17. August 1983 - 5 AZR 251/81 -, unveröffentlicht). Nach § 888 Abs. 2 ZPO kann zwar die Vollstreckung eines Urteils auf Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag oder Arbeitsverhältnis nicht durch Zwangsgeld oder Zwangshaft herbeigeführt werden. Daraus kann aber ein mittelbares Vertragsstrafenverbot nicht abgeleitet werden. Der Arbeitgeber hat vielmehr einen klagbaren Anspruch auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann auch, wenn er einer Verurteilung zur Arbeitsleistung nicht Folge leistet, nach § 61 Abs. 2 ArbGG zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt werden. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts weist hierzu darauf hin, aus dem Umstand, daß auf Arbeitsleistung gerichtete Klagen im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung nur zu einem Zahlungstitel nach § 61 Abs. 2 ArbGG führen können, erwachse ein legitimes Interesse des Arbeitgebers an der zusätzlichen Sicherung des Erfüllungsanspruchs durch eine Vertragsstrafenabrede (vgl. auch Söllner, AuR 1981, 97, 102; Schwerdtner, Festschrift für Hilger und Stumpf, S. 631, 647 ff.). Dies gelte umso mehr, als auch die Verwirkung der Vertragsstrafe nur zu einer Vermögenseinbuße des Arbeitnehmers führe, wie sie das Gesetz bereits in Form von möglichen pauschalen Entschädigungsleistungen bei Vertragsbruch gemäß § 61 Abs. 2 ArbGG vorsehe (BAG Urteil vom 17. August 1983 - 5 AZR 251/81 -, unveröffentlicht). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Der von der Sachverständigenkommission für ein Arbeitsgesetzbuch im Jahre 1977 vorgelegte Entwurf eines "Allgemeinen Arbeitsvertragsrechts" und auch der aus demselben Jahr stammende DGB-Entwurf eines Arbeitsverhältnisgesetzes haben ausdrücklich für den Fall des Vertragsbruchs Vertragsstrafenabreden zu Lasten des Arbeitnehmers selbst dann grundsätzlich zugelassen, wenn für Vertragsverletzungen des Arbeitgebers keine Vertragsstrafe vereinbart ist (vgl. § 12 des Entwurfs der Sachverständigenkommission für ein Arbeitsgesetzbuch und § 29 des DGB-Entwurfs). Das Interesse des Arbeitgebers an der zusätzlichen Sicherung seines Erfüllungsanspruchs wird damit als schutzwürdig anerkannt.
Es ist rechtlich unbedenklich, daß die Vertragsstrafenabrede in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag getroffen wurde. Die Vorschrift des § 11 Nr. 6 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz), nach der Vertragsstrafenklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, ist auf den Arbeitsvertrag nicht übertragbar. Das folgt schon daraus, daß nach § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz dieses Gesetz bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts keine Anwendung findet (ebenso: LAG Berlin, Urteil vom 19. Mai 1980 - 9 Sa 19/80 -, AP Nr. 8 zu § 339 BGB). Wenn aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers das AGB-Gesetz auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nicht gelten soll, scheidet auch eine entsprechende Anwendung einzelner Vorschriften des AGB-Gesetzes auf Arbeitsverhältnisse aus (a.A. ArbG Herford, Urteil vom 2. Juli 1981 - 1 Ca 217/81 -, NJW 1982, 1550). Damit ist nicht ausgeschlossen, daß allgemeine Rechtsgedanken, die im AGB-Gesetz ihren Niederschlag gefunden haben, auch für Arbeitsverhältnisse gelten können. Dazu bedarf es dann aber keines Rückgriffs auf das AGB-Gesetz.
Insoweit könnte eine Billigkeitskontrolle der Vertragsstrafenabrede in Betracht kommen, weil es sich dabei um eine vertragliche Einheitsregelung handelt (vgl. BAG 23, 160 = AP Nr. 1 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle). Aber auch unter diesem Gesichtspunkt ist die vorliegende Vertragsstrafenabrede nicht zu beanstanden. Denn es ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer derartigen Vereinbarung anzuerkennen. Dies folgt daraus, daß bei Vertragsbruch und sonstigen schweren Pflichtverstößen des Arbeitnehmers, die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen, der Schadensnachweis für den Arbeitgeber im allgemeinen nur schwer oder überhaupt nicht zu erbringen ist, obwohl regelmäßig ein Vermögensschaden des Arbeitgebers eingetreten ist (vgl. Schwerdtner, aaO, S. 645).
Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Pauschalregelung der Vertragsstrafenabrede auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Bestrafung des Arbeitnehmers, wenn diesem z. B. bei einer Schädigung des Arbeitgebers um DM 100,-- als Sanktion die Zahlung eines Bruttomonatsgehalts droht und er darüber hinaus auch noch in der Regel - wie im vorliegenden Fall - seinen Arbeitsplatz verliert. Eine verwirkte Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt führt zwar zu einer empfindlichen Vermögenseinbuße des Arbeitnehmers. Diese Einbuße ist aber nicht so groß, als daß er deshalb verarmen oder sich über einen langen Zeitraum verschulden muß. Auch die Sachverständigenkommission für ein Arbeitsgesetzbuch und der DGB in seinem Entwurf des Arbeitsverhältnisgesetzes haben eine Vertragsstrafe in Höhe einer Monatsvergütung nicht als grundsätzlich unzulässig angesehen, sondern sogar Vertragsstrafen bis zum doppelten Betrag einer Monatsvergütung zugelassen (vgl. § 12 Abs. 3 des Entwurfs der Sachverständigenkommission für ein Arbeitsgesetzbuch und § 29 Abs. 4 des DGB-Entwurfs). Sollte im Einzelfall im Hinblick auf den angerichteten Schaden die Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt dennoch unverhältnismäßig hoch sein, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, gemäß § 343 BGB die Herabsetzung der Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag zu erreichen. Damit können unbillige Härten für den Arbeitnehmer vermieden werden (BAG Urteil vom 17. August 1983 - 5 AZR 251/81 -, unveröffentlicht).
Ferner ist zu berücksichtigen, daß bei Vertragsbruch des Arbeitnehmers und berechtigter fristloser Entlassung durch den Arbeitgeber wegen schuldhafter Vertragsverletzung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber in der Regel ein Schaden entsteht, so daß er vom Arbeitnehmer Schadenersatz verlangen kann. Dann aber ist die Vertragsstrafe auf den Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers anzurechnen. Deshalb ist im allgemeinen zumindest ein Teil der Vertragsstrafe vom Arbeitnehmer zugleich als Schadenersatz geschuldet. Auch deshalb erscheint die vereinbarte Höhe von einem Bruttomonatsgehalt nicht grundsätzlich als unverhältnismäßige Bestrafung des Arbeitnehmers.
Die Vertragsstrafenabrede der Parteien ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 TVG unwirksam. Nach § 4 Abs. 3 TVG sind von den Rechtsnormen eines Tarifvertrags abweichende Abmachungen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten. Danach wäre die Vertragsstrafenvereinbarung der Parteien unwirksam, wenn der hier einschlägige allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 1. April 1980 (MTV) für den Fall der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers bereits eine Vertragsstrafenregelung enthielte und die vertragliche Regelung den Arbeitnehmer demgegenüber schlechterstellte oder wenn sich aus dem Tarifvertrag ergäbe, daß die Tarifvertragsparteien eine einzelvertragliche Vereinbarung von Vertragsstrafen zuungunsten des Arbeitnehmers ausschließen wollten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
Der MTV enthält keine ausdrückliche Regelung über Vertragsstrafen. Er schließt die einzelvertragliche Vereinbarung von Vertragsstrafen auch nicht ausdrücklich aus. § 2 Ziff. 1 MTV regelt, welche Arbeitsbedingungen in dem schriftlich abzuschließenden Arbeitsvertrag mindestens festgelegt sein müssen. Die Möglichkeit einer Vertragsstrafe ist hier nicht erwähnt. Da aber in der Tarifnorm nach ihrem Wortlaut nur die Bedingungen genannt sind, die "mindestens" festzulegen sind, bedeutet dies, daß die Tarifvertragsparteien den Parteien des Arbeitsvertrags freistellen, weitere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Dazu gehört jedenfalls grundsätzlich auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen folgt auch nicht aus § 16 Ziff. 10, § 19 A Ziff. 7 und § 19 B Ziff. 6 MTV, daß diese tariflichen Vorschriften eine abschließende Sanktion für eine vom Arbeitnehmer verschuldete Vertragsbeendigung enthalten und damit die einzelvertragliche Vereinbarung von Vertragsstrafen ausschließen. Nach den angeführten tariflichen Bestimmungen hat der Arbeitnehmer bei begründeter außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber nur Anspruch auf den gesetzlichen und nicht den im übrigen höheren tariflichen Urlaub; ferner hat der Arbeitnehmer bei verschuldeter fristloser Entlassung gezahltes Urlaubsgeld in voller Höhe zurückzuzahlen. Darüber hinaus entfällt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund grob treuwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers der Anspruch auf Zahlung der tariflichen Sonderzuwendung, die gegebenenfalls für das laufende Jahr zurückzuzahlen ist. Diese Regelungen kommen nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts für den Arbeitnehmer in ihren finanziellen Auswirkungen einer Vertragsstrafe gleich, sie seien insoweit abschließend, so daß daneben eine einzelvertragliche Vertragsstrafe nicht mehr zulässig sei.
Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen, weil sie den Sinn und Zweck der angeführten tariflichen Regelungen einerseits und einer Vertragsstrafe andererseits verkennt und beide Zwecke in unzulässiger Weise miteinander vermengt.
Ob der Arbeitsvertrag eine zuungunsten des Arbeitnehmers abweichende Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG enthält, erfordert einen Vergleich zwischen tariflicher und vertraglicher Regelung. Hierbei sind allein die einschlägige tarifliche Regelung und die abweichende Vereinbarung in einem bestehenden Arbeitsverhältnis miteinander zu vergleichen (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl. 1977, § 4 Rz 238). Es ist im Einzelfall durch Auslegung des Arbeitsvertrags und des Tarifvertrags festzustellen, welche Regelungen im Vertrag und im Tarifvertrag in einem sachlichen Zusammenhang stehen und dann miteinander verglichen werden können. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag und Tarifvertrag sind die sachlich entsprechenden Regelungen des Arbeitsvertrags und des Tarifvertrags miteinander zu vergleichen. Maßgebend ist vor allem, ob die Bestimmungen denselben Gegenstand betreffen, hilfsweise die Verkehrsanschauung (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 244). So gehören Dauer des Urlaubs, Länge der Wartezeit und Höhe des Urlaubsgelds zusammen, ebenso tariflicher Grundlohn und tarifliche Lohnzuschläge (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 244).
Nach diesen Grundsätzen geht es in § 16 MTV um den Urlaub des Arbeitnehmers und in § 19 um tarifliche Sonderzahlungen, die sich nach der tariflichen Regelung aus zwei Teilbeträgen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) zusammensetzen. Demgegenüber geht es in § 15 des Arbeitsvertrags nur und ausschließlich um Vertragsstrafen bei Vertragsbruch und berechtigter fristloser Entlassung durch den Arbeitgeber wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers. Die Regelungskomplexe Urlaub und tarifliche Sonderzahlung einerseits sowie Vertragsstrafen andererseits haben nichts miteinander zu tun und sind nicht miteinander vergleichbar.
Wenn die Vorinstanzen einzelne Bestimmungen der tariflichen Urlaubsregelung und der tariflichen Regelung über Sonderzahlungen mit der Vertragsstrafenabrede im Arbeitsvertrag vergleichen, ist ein solcher Günstigkeitsvergleich unzulässig, weil er der sogenannten "Rosinentheorie" entspricht, d. h. dazu führt, daß sich ein Arbeitnehmer die jeweils günstigste Regelung in seinem Arbeitsvertrag und in dem Tarifvertrag aussuchen kann, obwohl er bei einem Gesamtvergleich möglicherweise im Arbeitsvertrag bessergestellt ist als durch den Tarifvertrag. Es lassen sich also insoweit nur vergleichen der Urlaubsanspruch insgesamt sowie tarifliche Sonderzahlungen insgesamt mit der vertraglichen Vertragsstrafenregelung. Insoweit handelt es sich aber um sachlich verschiedene Regelungsbereiche, die nichts miteinander zu tun haben, so daß einzelvertragliche Vertragsstrafen durch tarifliche Urlaubsregelungen und tarifliche Regelungen über Sonderzahlungen nicht ausgeschlossen werden.
Mit dem Urlaubsanspruch wird der Zweck verfolgt, dem Arbeitnehmer bezahlte Freistellung zur Erholung zu geben. Die tariflichen Sonderzahlungen sind ein zusätzliches Entgelt, das nach der vorliegenden tariflichen Regelung so ausgestaltet ist, daß damit auch die Betriebstreue belohnt werden soll (Rückzahlungsklausel bei Ausscheiden vor einem bestimmten Stichtag). Dies wird auch aus der Rückzahlungsklausel bei Vertragsbruch deutlich. Demgegenüber soll die Vertragsstrafe einmal als Zwangsmittel den Schuldner zur Erbringung der geschuldeten Leistung anhalten, zum anderen aber auch dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen (BGHZ 63, 256, 259, mit weiteren Nachweisen). Zumindest der Gesichtspunkt der Schadloshaltung, d. h. der Schadenspauschalierung, der bei Vertragsstrafen wegen Vertragsbruchs im Vordergrund steht (vgl. Söllner, AuR 1981, 102), spielt beim Wegfall von Urlaubsansprüchen und Ansprüchen auf Sonderzuwendungen bei vom Arbeitnehmer verschuldeter fristloser Entlassung keine Rolle.
Die Klägerin hat auch die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt. Denn sie hat die Gemeinschuldnerin durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlaßt. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu festgestellt, es sei als bewiesen anzusehen, daß die Klägerin Waren der Gemeinschuldnerin entwendet und auch an Diebstählen in mehreren Fällen als Mittäterin mitgewirkt habe. Hiergegen hat die Klägerin keine Verfahrensrüge erhoben. Damit ist die Voraussetzung eines schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin zu bejahen. Daran ändert nichts, daß das Landesarbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen weiter ausführt, zumindest sei ein begründeter Verdacht gegeben. Dieser zusätzliche Hinweis des Landesarbeitsgerichts ist dahin zu verstehen, daß dann, wenn an dem Beweis des Diebstahls durch die Klägerin gezweifelt werden sollte, jedenfalls ein entsprechender begründeter Verdacht die Kündigung rechtfertige. Das Landesarbeitsgericht selbst hat aber den Diebstahl durch die Klägerin als bewiesen angesehen.
Durch das schuldhaft vertragswidrige Verhalten der Klägerin ist die Gemeinschuldnerin auch zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlaßt worden. Hierbei geht der Senat davon aus, daß die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nach der Vertragsstrafenabrede wirksam sein muß. Im vorliegenden Fall ist die von der Gemeinschuldnerin ausgesprochene fristlose Kündigung dadurch wirksam geworden, daß die Klägerin die zunächst erhobene Kündigungsschutzklage zurückgenommen hat und damit die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 in Verb. mit § 7 KSchG).
Da die vertraglichen Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe gegeben sind, kann der Beklagte von der Klägerin die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von DM 1.100,-- verlangen. Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe hat die Klägerin nicht beantragt. Im Hinblick auf die von ihr begangenen Verfehlungen (wiederholte Diebstähle als Allein- oder Mittäterin) fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, daß die Vertragsstrafe unangemessen hoch sein könnte. Demgemäß konnte der Beklagte mit einer Forderung von DM 162,40 aus der Vertragsstrafenabrede gegen die Klageforderung aufrechnen. Hinsichtlich des Restbetrags von DM 937,60 ist damit zugleich die Widerklage begründet. Da die Gemeinschuldnerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung auch den pfändbaren Teil der Gehaltsforderung in Höhe von DM 162,40 an die Klägerin gezahlt hat, obwohl dieser Betrag der Klägerin nicht zusteht, kann der Beklagte den Betrag von DM 162,40 von der Klägerin nach § 717 Abs. 3 ZPO zurückverlangen. Daher war dem entsprechenden Zwischenantrag des Beklagten, der auch noch in der Revisionsinstanz gestellt werden kann (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 42. Aufl. 1984, § 717 Anm. 3 B, 4), stattzugeben. Nach § 717 Abs. 3 ZPO ist bei Aufhebung eines Urteils des Oberlandesgerichts der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von dem Beklagten aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Urteils Gezahlten zu verurteilen. Hierbei ist mit dem Landesarbeitsgericht Hamm davon auszugehen, daß auf Urteile des Landesarbeitsgerichts die für Urteile des Oberlandesgerichts geltende Vorschrift des § 717 Abs. 3 ZPO entsprechend anzuwenden ist (LAG Hamm Urteil vom 27. November 1975 - 8 Sa 788/72 -, NJW 1976, 1119). Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel
Prieschl Fieberg
Fundstellen
BAGE 46, 50-61 (LT1-2) |
BAGE, 50 |
BB 1984, 2268-2269 (LT1-2) |
DB 1984, 2143-2145 (LT1-2) |
NJW 1985, 91 |
NJW 1985, 91-92 (LT1-2) |
AuB 1985, 326-327 (T) |
ARST 1984, 177-178 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 2-3 (T) |
JR 1986, 176 |
NZA 1984, 255-256 (LT1-2) |
SAE 1985, 151-155 (LT1-2) |
ZIP 1984, 1261 |
ZIP 1984, 1261-1265 (LT1-2) |
AP § 339 BGB (LT1-2), Nr 9 |
AR-Blattei, ES 1710 Nr 12 (LT1-2) |
AR-Blattei, Vertragsstrafe Entsch 12 (LT1-2) |
MDR 1984, 1049-1050 (LT1-2) |
ZfA 1985, 583-584 (T) |