Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1 Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; KSchG §§ 1, 4, 7; ZPO § 256
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 10.02.1993; Aktenzeichen 2 Sa 225/92) |
ArbG Bautzen (Urteil vom 17.09.1992; Aktenzeichen 8 Ca 34/92) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 10. Februar 1993 – 2 Sa 225/92 – aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 17. September 1992 – 8 Ca 34/92 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der im Jahre 1949 geborene Kläger steht seit 1975 als Diplom-Lehrer für Sport und Geschichte im Schuldienst. Er unterrichtete zunächst an einer Schule in G. Dort gehörte er sechs Monate der SED-Parteileitung an, aus der er wegen seines kritischen Verhaltens ausgeschlossen wurde. Seit 1979 ist er an der L. Schule in Gr. tätig. An dieser Schule unterrichten 14 Lehrer, von denen seinerzeit 5 der SED angehörten. Von 1982 bis 1989 war der Kläger ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an seiner Schule. Im Herbst 1989 besuchte er die Kreisparteischule der SED in B.
Bei seiner Amtsführung als Parteisekretär nahm der Kläger eine Reihe von politischen Aufgaben, die einem Parteisekretär an einer Schule der ehemaligen DDR zustanden, nicht wahr. So kontrollierte und überwachte er nicht den Direktor der Schule. Er nahm keinen Einfluß auf Entscheidungen über Anträge auf Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland und warb nicht für den militärischen Berufsnachwuchs und die Jugendweihe. Ohne zur Stellungnahme aufgefordert worden zu sein, setzte er sich bei der Kreisleitung der SED für eine bereits abgelehnte Besuchsreise der Schulsekretärin ein. Er nutzte das Amt insbesondere dazu, um die Bedingungen für das Unterrichtsfach Sport an der Schule zu verbessern. Nachdem der Kläger ständig Auseinandersetzungen mit den Mitarbeitern der Kreisleitung hatte, wurde er auch während seiner Tätigkeit in Gr. wegen kritischer Haltung wiedergeholt gemaßregelt. Die von anderer Seite vorgeschlagene Auszeichnung zum „Aktivisten” wurde ihm versagt. Im Herbst 1989 trat er aus der SED aus. Mit auf sein Betreiben wurde der von ihm besuchte Lehrgang der Parteischule kurzfristig abgebrochen.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. Mai 1992, welches dem Kläger am 13. Mai 1992 zuging, ordentlich zum 31. Juli 1992 wegen, mangelnder persönlicher Eignung des Klägers.
Mit der am 15. Mai 1992 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er hat vorgetragen, seine frühere Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär mache ihn für den Lehrerberuf nicht persönlich ungeeignet. Er habe nicht dazu beigetragen, die ideologische Einheitlichkeit des Denkens der Schüler und Lehrer zu fördern. Direktiven habe er nicht blind erfüllt, sondern stets die humanistische Erziehung der Kinder in den Vordergrund gestellt und die Beseitigung von Mißständen gefordert. Zum Besuch der Kreisparteischule sei er als Parteisekretär verpflichtet gewesen.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 11. Mai 1992 nicht aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Bedingungen weiterbestehe,
- den Beklagten zu verurteilen, den Kläger bis zur Rechtskraft des Urteils zu unveränderten Bedingungen als Lehrer weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, als Parteisekretär habe der Kläger starken politischen Einfluß an seiner Schule gehabt. Der Parteisekretär sei stets Mitglied der Schulleitung gewesen und habe bei jeder politischen Entscheidung des Direktors ein Recht zur Mitsprache gehabt. Er habe den Direktor kontrolliert, damit dieser die Parteilinie an der Schule eingehalten habe. Ferner habe der Parteisekretär die Verantwortung für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer getragen. In diesem Sinne habe er Parteiversammlungen geleitet, in denen ständig das politische Klima an der Schule besprochen worden sei. Hierüber und über Auffälligkeiten an der Schule habe er auch monatlich der SED-Kreisleitung berichten müssen. Ferner sei der Parteisekretär daran beteiligt worden, wenn über Anträge für Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland entschieden worden sei. Er habe auch ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen gehabt. Schließlich habe dem Parteisekretär die Werbung für den militärischen Berufsnachwuchs und die Teilnahme an der Jugendweihe oblegen. Er habe auch an regelmäßigen Schulungen durch hauptamtliche Funktionäre der SED teilnehmen müssen. Der Kläger sei mehrmals durch Wiederwahl in der Funktion des Parteisekretärs bestätigt worden. Ferner habe er noch im Herbst 1989 die Kreisparteischule in B. besucht, deren Aufgabe es gewesen sei, die Kader der Partei mit einer gründlichen marxistisch-leninistischen Bildung zur Festigung ihres Klassenstandpunktes und ihrer sozialistischen Denk- und Verhaltensweise zu versehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen die erstinstanzliche Entscheidung.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Auch wenn ein Parteisekretär nur auf der untersten Ebene für den SED-Staat tätig gewesen sei, habe er damit doch in besonderem Maße an dessen Zielen, vor allem der Bekämpfung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, mitgewirkt. Die Übernahme des Amtes eines Parteisekretärs habe eine besondere Identifikation mit der SED und dem SED-Unrechtsstaat bedeutet. Insoweit sei es unerheblich, daß der Kläger bestimmte Aufgaben nicht wahrgenommen habe, z.B. Kontrolle und Überwachung des Direktors der Schule, Einflußnahme auf die politische Bildung der Schüler und Lehrer und auf politische Entscheidungen, Einflußnahme auf Anträge über Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland, Werbung für den militärischen Berufsnachwuchs und die Teilnahme an der Jugendweihe. Denn nach außen habe er als Parteisekretär den SED-Staat mit allen Funktionen und Merkmalen repräsentiert, die diesem Amt zugeschrieben worden seien.
Demgegenüber sei es dem Kläger nicht gelungen, das Indiz seiner persönlichen Ungeeignetheit für den Lehrerberuf zu entkräften. Wenn er immer offen seine Meinung geäußert, Unzulänglichkeiten und Mißstände angeprangert habe und dafür von übergeordneter Stelle mehr als einmal gemaßregelt worden sei, so lasse sich daraus nicht entnehmen, er habe sich von dem SED-Staat distanziert. Kritik sei auch unter Beibehaltung politischer Grundüberzeugungen und Identifizierung mit den jeweiligen Staatszielen möglich. Der Kläger sei zwar vor 1979 aus der Parteileitung seiner Schule wegen seines kritischen Verhaltens ausgeschlossen worden. Dies habe ihn aber nicht daran gehindert, sich 1982 für die Wahl zum Parteisekretär an der Schule in Gr. zur Verfügung zu stellen. Die SED habe ihn auch nicht für unwürdig angesehen, dieses Amt zu übernehmen. In der Folgezeit sei er mehrmals wiedergewählt worden. Auch wenn er durch seine kritische Haltung aufgefallen sei und seine Stellung als Parteisekretär nicht rigoros im Sinne des SED-Staates ausgenutzt habe, habe er sein Amt doch so geführt, daß die SED keine Veranlassung gesehen habe, ihn abzuberufen. Es sei nicht vorstellbar, daß er sein Amt als Parteisekretär rund acht Jahre hätte führen können, wenn er sich nicht darin im Sinne der SED-Doktrin bewährt hätte. Deshalb wirke er unglaubwürdig, wenn er sich jetzt für Werte einsetzen solle, deren Bekämpfung lange Zeit zu den Aufgaben seines Amtes als Parteisekretär gehört hätte. Daran ändere nichts, daß er eine fachlich gut qualifizierte Lehrkraft sei, sich in seinem Beruf, insbesondere im Fach Sport, besonders engagiert habe und bei Eltern, Schülern und Lehrern geschätzt sei.
B. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Der Feststellungsantrag des Klägers umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 11. Mai 1992 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrags ergibt daher, daß der Kläger nur eine Kündigungsschutzklage, keine weitergehende Feststellungsklage gem. § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – zur Veröffentlichung bestimmt).
II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 11. Mai 1992 nicht zum 31. Juli 1992 aufgelöst worden.
1. Die Kündigung ist nicht nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt.
a) Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage I vereinbarten Regelungen. Der Kläger unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.
b) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – und – 8 AZR 127/93 – AP Nr. 12 und 18 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, m.w.N., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Punktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu B II 3 b der Gründe).
c) Dem Landesarbeitsgericht ist insoweit zuzustimmen, als die rund achtjährige Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlicher Parteisekretär an einer Schule Zweifel in dem dargestellten Sinne begründet. Der Parteiapparat unterhalb der Ebene der SED-Kreisleitung umfaßte auch die ehrenamtlichen Parteisekretäre an Schulen. Sie waren Mitglied der Schulleitung, hatten Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen. Der Parteisekretär kontrollierte und überwachte den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele. Er leitete die Parteiversammlung. Er war verantwortlich für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. Er hatte über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten und war damit Repräsentant der staatstragenden Partei SED in der Schule. Wurde dieses wichtige Amt wiederholt ausgeübt, ist die besondere Identifikation des ehrenamtlichen Parteisekretärs mit den Zielen des SED-Staates indiziert (u.a. Senatsurteile vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – n.v., zu B III 2 c aa der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128/93 – n.v., zu B III 3 a der Gründe).
d) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger die Indizwirkung des ausgeübten Amtes durch substantiierten Sachvortrag entkräftet. Der Beklagte hat weder behauptet, dieser Sachvortrag treffe nicht zu, noch dargetan, daß aus weiteren Tatsachen auf die persönliche Ungeeignetheit des Klägers zu schließen sei. Auch fehlt es an einem Beweisantritt von seiten des Beklagten.
Das Landesarbeitsgericht durfte den entlastenden Sachvortrag des Klägers zu seiner früheren Amtsführung nicht deshalb als unerheblich ansehen, weil der Kläger sein Amt so geführt habe, daß er nicht abberufen worden sei. Auch wenn der Kläger sein Amt nicht so führte, daß es zur offenen Konfrontation mit der SED kam, ist es doch beachtlich, daß er bestimmte wesentliche Aufgaben, die ihm als Parteisekretär zustanden, nicht wahrnahm. So hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts seine Stellung als Parteisekretär nicht rigoros im Sinne des SED-Staates ausgenutzt, nicht den Direktor kontrolliert und überwacht, nicht Einfluß auf Entscheidungen über Besuchsreisen in den Westen genommen und nicht für den militärischen Berufsnachwuchs und die Jugendweihe geworben. Der Kläger ist unstreitig wiederholt gemaßregelt worden, eine Auszeichnung blieb ihm ausdrücklich versagt, in G. ist er aus der Parteileitung seiner Schule ausgeschlossen worden. Ein beruflicher Aufstieg, wie er bei besonderer Identifizierung mit dem SED-Staat typisch war, blieb aus. Der Kläger mußte sich nicht offen gegen das frühere System stellen, um jetzt als Lehrer geeignet zu sein. Vielmehr zeigt seine freimütige Kritik an bestimmten Verhältnissen, auch wenn sie nicht politisch motiviert war, die Bereitschaft zum Konflikt mit der SED und deren Repräsentanten. Dem Kläger ging es um sachliche Verbesserungen, die Ideologie war Nebensache. Dabei ist durchaus zu berücksichtigen, daß er als Parteisekretär an einer relativ kleinen Schule amtierte und nur für vier weitere Genossen zuständig war. Da der Kläger das Amt des Parteisekretärs an seiner Schule mit aller Zurückhaltung geführt hat, die sachliche Arbeit zugunsten des Unterrichts der Schüler ganz im Vordergrund stand und der Kläger auch Konflikte mit der SED nicht scheute, sind Zweifel an seinem Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht begründet. Der Kündigungsgrund der mangelnden persönlichen Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt nicht vor.
Demnach kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Kläger im Herbst 1989 aus der SED ausgetreten ist. Auch die Umstände, unter denen es zum Abbruch des Lehrgangs bei der Kreisparteischule kam, bedürfen keiner Aufklärung mehr. Der Besuch der Kreisparteischule nach nahezu acht Jahren Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär kann jedenfalls keine Eignungszweifel begründen; ein engagierter Anhänger der SED hätte die Kreisparteischule sicherlich schon früher besucht.
2. Der Beklagte hat keine weiteren Kündigungsgründe geltend gemacht, die eine soziale Rechtfertigung der Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ergeben könnten. Die Kündigung ist daher nach § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
III. Über den Leistungsantrag des Klägers ist nicht mehr zu entscheiden. Dieser Antrag war nur für den Fall gestellt, daß in der Sache nicht abschließend entschieden wird. Da mit der Verkündung des Urteils rechtskräftig feststeht, daß die Kündigung unwirksam ist, kommt eine vorläufige Weiterbeschäftigung nicht mehr in Betracht.
C. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision gemäß §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Wittek, Dr. Mikosch, Plenge, Hickler
Fundstellen